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VRR verliert in erster Instanz gegen DB Regio NRW
geschrieben von BahnInfo-Redaktion 
Um 10 Uhr begann die Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, weit nach 15 Uhr wurde schließlich das Urteil verkündet: Der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr AöR muß die seit 2007 einbehaltenen Gelder an die DB Regio NRW GmbH doch bezahlen, insgesamt 112 Millionen Euro. Zwar sind in der Tat massive Schlechtleistungen erbracht worden, doch für diese sind im strittigen Verkehrsvertrag bereits Strafzahlungen festgelegt: Bis zu vier Millionen Euro darf der VRR pro Kalenderjahr zurückhalten – und keinen Cent mehr, egal wie desolat die Züge sind. Es gilt das Prinzip „Pacta sunt servanda“, Verträge sind einzuhalten. Es mag ja sein, daß die vier Millionen Euro Abzüge pro Jahr in der DB-Kalkulation schon enthalten sind, die VRR-Rechtsanwältin stellte während der Verhandlung klar, daß die DB nach Belieben Schlechtleistungen bringen darf, ohne daß es vertragliche Konsequenzen hat, doch der VRR hat sich auf genau diese Regelung eingelassen, und die gilt.

Auch die Zugbegleitquote in den S-Bahnen, die nach 19 Uhr nicht eingehalten worden ist, ist kein wichtiger Grund, den gesamten Vertrag außerordentlich zu kündigen. Hier besteht durchaus die Möglichkeit, die Sicherheitsdienste von externen Dienstleistern übernehmen zu lassen, wie das ja seit mehreren Monaten bereits der Fall ist. Das Besetzen der S-Bahnen nach 19 Uhr mit Mitarbeitern der DB Sicherheit ist nicht Hauptmerkmal des Vertrags, sondern das sind die Verkehrsleistungen selbst, die ja erbracht wurden – wenn auch oft in einer indiskutablen Qualität. Doch hier kann der VRR seine vier Millionen Euro pro Jahr abziehen, eine Kündigung ist nicht gerechtfertigt.

Zu der Frage, ob der Vertrag gegen das europäische Wettbewerbsrecht verstößt oder nicht, hat das Verwaltungsgericht nicht beurteilen können. Diese Feststellung obliegt ausschließlich der EU-Kommission, nicht einem nationalen Gericht. In dieser Frage wird man also auf eine Entscheidung aus Brüssel warten müssen.

Da das Gericht nicht festgestellt hat, daß der Vertrag ungültig ist und weiterhin festgestellt hat, daß die Kündigung durch den VRR unwirksam ist, ist die Auferlegung, auf deren Basis die Zugleistungen des strittigen Vertrages seit dem 12. Juni 2008 betrieben wurden, gegenstandslos.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig, eine Berufung ist möglich.

Das Gericht verzichtete im Vorfeld auf den Versuch eine gütlichen Einigung. Bereits seit Monaten gab es Gespräche, die allesamt erfolglos verliefen.

Wie wird es nun weitergehen? Es ist sehr wahrscheinlich, daß der VRR in die Berufung gehen wird. Sollte dies der Fall sein, wird es einen neuen Prozeß vor dem Oberverwaltugsgericht Münster geben. Außerdem ist es sehr wahrscheinlich, daß der VRR die EU-Kommission anruft, um prüfen zu lassen, ob der Vertrag gegen europäisches Wettbewerbsrecht verstößt – wenn das der Fall ist, ist er erneut auf Nichtigkeit zu prüfen.

Was aber wird sich für die Fahrgäste an Rhein und Ruhr, zwischen Solingen und Haltern am See, zwischen Mönchengladbach und Dortmund ändern? Zunächst einmal gar nichts. Der Ausschreibungsfahrplan, den die nordrhein-westfälischen Aufgabenträger zwar fast zeitgleich, aber unabhängig von der VRR-Kündigung vorgelegt haben, hat trotz zeitlicher Verzögerung, nach wie vor Bestand. Das bedeutet, daß als nächstes wohl die Rhein-Wupper-Bahn in die Ausschreibung gehen wird, ebenso wie die angekündigte Zehn-Millionen-Ausschreibung, die den Wupperexpreß und den Westfalenexpreß betreffen wird. Denn der strittige Vertrag hat ja vorgesehen, daß bis 2018 Stück für Stück immer mehr Zugleistungen in den Wettbewerb gegeben werden. Auch der Betreiberwechsel auf den Regionalexpreßlinien 3 und 13, der am 13. Dezember 2009 geplant ist, ist ungefährdet. Diese Linien werden von der Eurobahn übernommen werden. Dieses Urteil würde selbst, wenn es Rechtskraft erlangt, nicht bedeuten, daß es fortan keine Ausschreibungen mehr geben wird.

Artikel geschrieben von Stefan Hennigfeld
Es scheint mir, da haben mal wieder die Juristen eines Aufgabenträgers gegenüber denen der DB AG den Kürzeren gezogen. Möglicherweise bekommt man im öffentlichen Dienst angesichts der Tarife nicht so kompetentes Personal wie die "freie Wirtschaft", zu der man die DB AG ja zumindest in dieser Hinsicht zählen kann. Oder ist auch jemand aus der VRR-Spitze zur DB AG gewechselt, nachdem er diesen Vertrag ausgehandelt hat? In anderen Bundesländern war das ja durchaus nicht unüblich.

Ein Vertrag, bei dem man sich jegliche Schlechtleistung erlauben kann und nur einen minimalen Bruchteil des Auftragsvolumens als Vertragsstrafe zahlen muss, lädt ja gerade zu dazu ein, dem Fahrgast so einen Schrott zu bieten, wie es in NRW oftmals der Fall ist. Schon interessant, dass der Auftraggeber jetzt versuchen muss, den Vertrag, bei dem er eigentlich die Gestaltungsmacht gehabt hätte, diesen Vertrag für nichtig zu erklären.

Aber wenigstens scheint der VRR sich dieser Situation bewusst zu sein und hält daher an seinem Ausschreibungsfahrplan fest statt sich mit voreiligen Neuvergaben neue Probleme zu schaffen.
Ja, wir leben eben in einem Rechtsstaat. Und da gibt es Leute und Institutionen, wie z.B. Politiker oder auch die Deutsche Bahn AG, die sich bedenkenlos alles aber auch wirklich alles erlauben können, ohne auch nur den Hauch einer Konsequenz spüren zu müssen.

Toll.
Ganz so einfach ist es nicht. Der Rechtsgrundsatz "Pacta sunt servanda" (Verträge sind einzuhalten) ist ja nicht grundsätzlich falsch. Ja, es gibt Schlechtleistungen und in dem Vertrag ist auch ganz klar geklärt, was im Falle von Schlechtleistungen passiert: Der VRR kann Geld einbehalten, maximal allerdings vier Millionen Euro pro Jahr, das sind weniger als 1,4% des gesamten Vertragsvolumens. Ja, der Vertrag ist überbezahlt (ob er gegen europäisches Wettbewerbsrecht verstößt, ist nicht Sache eines nationalen Gerichtes, das ist Sache der EU-Kommission), aber er ist geschlossen worden und gilt.
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