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Berlin-Warszawa-Express - absurde Reservierungspflicht
geschrieben von Alter Köpenicker 
Kürzlich fuhr ich mit dem Berlin-Warszawa-Express (BWE) von Frankfurt nach Warschau und zurück nach Berlin. Bereits bei der Online-Buchung wurde mir ein Sitzplatz zugewiesen, da im BWE Reservierungspflicht besteht. Normalerweise reserviere ich so gut wie nie einen Sitzplatz, da ich mich gerne individuell entscheide, wo ich sitzen möchte. Gut, dachte ich, die 1. Wagenklasse wird ja nicht so stark frequentiert sein, daß eine individuelle Platzwahl dennoch möglich sein wird.

Als ich in Frankfurt in den Zug stieg suchte ich zunächst den mir zugewiesenen Sitzplatz auf. Einige Abteile waren mit je einer Person belegt und andere waren noch leer. Die Reservierungszettel an den Abteilen kündeten zwar weitere Reisende im Fahrtverlauf an, deuteten jedoch darauf hin, daß der Wagen trotzdem relativ leer bleiben sollte. An "meinem" Abteil war nur meine Reservierung von Frankfurt nach Warschau angekündigt. Fein, dachte ich, dann kann ich mich ja breit machen. Da der für mich reservierte Sitzplatz entgegen der Fahrtrichtung lag, nahm ich den Platz gegenüber ein und breitete mich auch auf die umliegenden Sitze aus.

Nachdem der polnische Zugbegleiter meine Fahrkarte überprüfte und diese zunächst nicht akzeptieren wollte, da kein deutscher Zangenabdruck auf ihr vorhanden war (Wie auch? Das deutsche Personal verläßt ja in Frankfurt den Zug.), bin ich ein wenig eingenickt, als ich in Posen von einem Herren geweckt wurde, der mir einen handgeschriebenen, gelben Zettel vor die Nase hielt und meinen Sitzplatz beanspruchte. Mürrisch rückte ich auf den Gangplatz und und schon eine Station später, in Konin, stieg der Mann wieder aus, so daß ich wieder allein im Abteil war, was bis zum Ende meiner Fahrt so bleiben sollte.

Einige Tage später trat ich die Rückfahrt vom Warschauer Ostbahnhof aus an. Auf der Suche nach meinem reservierten Platz fiel mir auf, daß keine Reservierungszettel an die Abteile angebracht waren. Diesmal hatte ich einen Fensterplatz in Fahrtrichtung, den ich auch einnahm. Auf den Platz neben mir stellte ich meinen Rucksack und der Zug setzte sich in Bewegung. Am Warschauer Zentralbahnhof dann wurde der Zug einigermaßen voll. Ein Herr betrat das Abteil und suchte hektisch die Platznummern. Nachdem ich ihn darauf hinwies, daß die Nummern außen am Abteil angebracht wären und er sie mit seiner Reservierung verglich, deutete er auf den Mittelplatz und sagte, da sei sein Platz. Ich räumte also den Rucksack beiseite, er setzte sich und der Zug fuhr los. Plötzlich betrat ein weiterer Herr das Abteil und fragte, ob hier noch ein Platz frei sei. Nanu, dachte ich, wie kann denn das sein? Ist es ihm in seinem Abteil vielleicht zu voll? Nein. Wie sich wenig später herausstellte, hatte der Herr weder Fahrkarte noch Reservierung. Er löste erst beim ZuB. Verblüfft war ich über den Fahrpreis, den er zu zahlen hatte: Warschau - Posen in der 1. Wagenklasse nur 89,- PLN (ca. 21,50 EUR). In Kutno stiegen drei weitere Reisende zu und das Abteil war somit voll. Da ich mich auf die Dauer etwas eingepfercht fühlte, spazierte ich zwischen Posen und Bentschen etwas durch den Zug und entdeckte schließlich noch einige leere Abteile. Sofort holte ich meine Sachen und okkupierte ein leeres Abteil, in dem ich bis Berlin meine Ruhe haben sollte und sogar noch etwas Schlaf fand.

So eine seltsame, fast schon groteske Zugfahrt habe ich überhaupt noch nicht erlebt. Da wird in einem fast leeren Zug auf den reservierten Platz bestanden, auch wenn man darauf noch so unbequem sitzt. Und wozu gibt es diese Reservierungspflicht? Was wäre, wenn der Herr ohne Reservierung gar keinen Platz mehr bekommen hätte? Mangels Reservierungszettel läßt es sich ja gar nicht überprüfen, ob der eingenommene Platz die ganze Fahrt über frei bleibt. Während Reisende, die noch dazu auf ihren (kostenlos) reservierten Platz bestehen, in Abteile eingepfercht sind, stehen andere Abteile leer. Was soll das? Warum wird einem quasi die Freiheit, sich selbst einen Platz zu suchen, genommen? So eine Reservierungspflicht kann ja auch etwas Gutes haben, wenn sie denn konsequent umgesetzt wird. So, wie sie aktuell im BWE gehandhabt wird, ist sie jedoch völlig absurd. Andererseits würde es doch auch völlig ausreichen, nur soviele Fahrkarten zu verkaufen, wie Sitze im Zug sind. Dann hätte man sowohl freie Sitzplatzwahl als auch einen Schutz vor einem überfüllten Zug, dem ja wohl mit der Reservierungspflicht entgegengewirkt werden soll.

Ich habe mir auch schon überlegt, ob es zielführend sein mag, meine Erlebnisse der Deutschen Bahn mitzuteilen. Was meint Ihr?


Das Gegenteil von pünktlich ist kariert.
Zitat
Alter Köpenicker
Ich habe mir auch schon überlegt, ob es zielführend sein mag, meine Erlebnisse der Deutschen Bahn mitzuteilen. Was meint Ihr?

Ist die DB nicht ohnehin der Ansicht, dass Reservierungspflicht im Normalfall nicht sinnvoll ist, aber wenn die ausländischen Partnerbahnen das wünschen, lässt man sie halt auf ihren Abschnitten machen?
Zitat
Lopi2000
wenn die ausländischen Partnerbahnen das wünschen, lässt man sie halt auf ihren Abschnitten machen?

Wenn die ausländische Partnerbahn das wünscht, möge sie es auch konsequent umsetzen. Die Reservierungen im Zug nicht bekannt zu geben, die Passagiere mit handgeschriebenen Platzkarten auszustatten und Fahrscheine obendrein sogar noch im Zug zu verkaufen führt jedoch jede Reservierungspflicht ad absurdum.

Ich denke, ich werde die DB mal mit meinen Erlebnissen konfrontieren.


Das Gegenteil von pünktlich ist kariert.
Zitat
Alter Köpenicker
... (a)Reservierungen im Zug nicht bekannt zu geben, die (b)Passagiere mit handgeschriebenen Platzkarten auszustatten und (c)Fahrscheine obendrein sogar noch im Zug zu verkaufen führt jedoch jede Reservierungspflicht ad absurdum.

(a) und (b) ist im ehemaligen Ostblock durchaus üblich, wo die reservierungen zT noch ohne elektronische hilfsmittel gemacht werden. die reservierten plätze im zug anzuzeigen ist ein nettes "nice-to-have" an das wir uns hier gewöhnt haben, aber kein "must-have" und schon gar nicht im ostblock-maßstab. dort reicht es aus, dass die platzkartenbesitzer wissen wo sie zu sitzen haben. wer keine hat - platz nehmen und hoffen, dass man glück hat und der platz frei ist.
was ist bitte an (c) so verwerflich? *verwundert bin* natürlich dürfen fahrgäste, die sich spontan zu einer reise entschließen ihr ticket im zug kaufen, dazu bedarf es keinen sitzplatz und platzkarte (außer bei schlafwagen)... bei der DB ist das auch üblich.
die reservierungspflicht in deinem fall ist eher dazu da, damit die PKP weiss, wieviele personen aus D im zug sitzen, um die übrigen plätze zu verwerten.

plums # [tram.swetlin.net]
Zitat
plums
Zitat
Alter Köpenicker
Fahrscheine obendrein sogar noch im Zug zu verkaufen führt jedoch jede Reservierungspflicht ad absurdum.

was ist bitte an (c) so verwerflich? *verwundert bin* natürlich dürfen fahrgäste, die sich spontan zu einer reise entschließen ihr ticket im zug kaufen, dazu bedarf es keinen sitzplatz und platzkarte (außer bei schlafwagen)... bei der DB ist das auch üblich.

Wenn niemand im reservierungspflichtigen Zug weiß, welche Plätze noch frei sind und welche nicht, dann besteht die Gefahr, daß ein Platz doppelt verkauft wird. Schließlich hätte schon am nächsten Halt jemand einsteigen können, der diesen Platz beansprucht, weil er ihn fünf Minuten vorher reserviert hat, wovon der Fahrkartenschalter am übernächsten Halt auch nicht so schnell etwas mitbekommen dürfte. Zudem sind reservierungspflichtige Züge bei der DB eher unüblich. Mir fällt da jetzt nur der ICE-Sprinter ein.

Zitat
plums
die reservierungspflicht in deinem fall ist eher dazu da, damit die PKP weiss, wieviele personen aus D im zug sitzen, um die übrigen plätze zu verwerten.

Woher soll sie das wissen, wenn ich in Frankfurt einsteige und im Zug löse?


Das Gegenteil von pünktlich ist kariert.
Hallo Alter Köpenicker,

in den ICE-Sprintern ist es ähnlich, nur, dass da im Normalfall die Reservierungen angezeigt werden.

Du kannst problemlos einsteigen und im Zug erst eine Fahrkarte inclusive der Reservierungsgebühr (und Nachlösezuschlag) kaufen - einen Sitzplatz musst Du Dir dann aber auf gut Glück suchen. Meist ist das zumindest in der ersten Klasse kein Problem, denn meine Erfahrung zeigt, dass ein erstaunlich großer Teil der Reservierungen auf Verdacht gebucht wird und niemand erscheint.

Allerdings ist es dann zwischen Frankfurt und Berlin ja auch so, dass kein Zwischenhalt mehr folgt und man bald sicher sein kann, den Sitzplatz für den Rest der Fahrt behalten zu können.

Was die ungleichmäßige Verteilung angeht: Das erinnert mich an alte Bundesbahnzeiten. Da konnte man ebenfalls darauf wetten, dass das Abteil, in dem man reserviert hatte, voll wird, während anderswo im Zug viel Platz blieb. Bei der DB AG hat sich das irgendwann geändert.

Vielleicht ist im internationalen Verkehr nach wie vor das alte, bescheuerte Buchungsschema im Einsatz, bei dem irgendwo angefangen wird, die Plätze aufzufüllen, während je nach Aufkommen anderswo im Zug gar keine Reservierungen erfolgen.

Viele Grüße
Manuel
Ich habe sowas vor einem Jahr im EuroNight von Wien nach Hamburg erlebt. Mein Abteil war ab Wels mit 6 Personen voll besetzt, während der Rest des Wagens nahezu leer war. Die ÖBB scheint diese Praxis also auch zu kennen. Immerhin hat dann der Schaffner angeboten, dass wir uns aufteilen, was drei Leute dann dazu veranlasst hat, ins Nachbarabteil umzuziehen.

Paddy
Hallo,

bei der DB AG werden seit ein paar Jahren die Reservierungen im Binnenverkehr von ein paar Ausnahmen abgesehen anscheinend gleichmäßig verteilt. Aber neben Sonderplätzen gibt es dann noch die "BahnBonus"-Plätze.

Ich selbst reserviere selten. Ich habe seit der Einführung den "BahnBonus"-Status, aber letzte Woche wurde ich zum ersten Mal auf einer Fahrt von Berlin nach München von einem zugestiegenen Mitreisenden gefragt, "ob ich 'BahnBonus' hätte".

Der ältere Herr nahm dann glücklicherweise nicht den noch freien Gangplatz neben mir (von daher, was sollte überhaupt die Frage), sondern ging einige Reihen weiter. Seit Jahren habe ich nicht einen Menschen erlebt, der sich derart unhöflich gegenüber dem Personal und den Mitreisenden benommen hat. Über zwei Stunden hinweg großkotzig und vorlaut, dass man sich nur fremdschämen konnte.

Glücklicherweise habe ich zu letzem Weihnachten ein paar sehr gute Kopfhörer mit "Noise Cancelling" geschenkt bekommen. Das hat letzlich ganz gut meine Fahrt und meine Laune gerettet. Sehr zu empfehlen.

Viele Grüße
Manuel
Zitat
manuelberlin
[...]. Seit Jahren habe ich nicht einen Menschen erlebt, der sich derart unhöflich gegenüber dem Personal und den Mitreisenden benommen hat. Über zwei Stunden hinweg großkotzig und vorlaut, dass man sich nur fremdschämen konnte.
[...]

Klingt spannend, erzähl mal *neugier* ;-)

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Gregor Jacobs
root@127.0.0.1 <-- Don't send mail or else!
Zitat
manuelberlin
Du kannst problemlos einsteigen und im Zug erst eine Fahrkarte inclusive der Reservierungsgebühr (und Nachlösezuschlag) kaufen - einen Sitzplatz musst Du Dir dann aber auf gut Glück suchen.

Und was passiert, wenn gar kein Sitzplatz mehr frei ist? Meines Erachtens wurden reservierungspflichtige Züge ersonnen, um zu verhindern, daß mehr Fahrkarten verkauft werden, als Plätze im Zug sind. Genau dieses Anliegen wird ad absurdum geführt, wenn noch Fahrkarten im bereits fahrenden Zug ausgegeben werden. Dreist hingegen ist die Erhebung einer Reservierungsgebühr bei der Fahrkartenausgabe im fahrenden Zug - der Platz wurde schließlich gar nicht reserviert sondern war zufällig frei.
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