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Ride Sharing: BVG plant Sammeltaxi-Fahrdienst (Berliner Zeitung)
geschrieben von Lopi2000 
Die Berliner Zeitung meldet, dass die BVG plant, zeitnah in den "Ride Sharing"-Markt in Berlin einzusteigen: [www.berliner-zeitung.de]

Da uns das Thema "Bedarfsgerechtere und individuellere Angebote" uns in Stadt und Region in den kommenden Jahren sicher weiter beschäftigen wird und nun auch eines der Unternehmen, um die es hier im Forum am meisten geht, einsteigen will, nehme ich das mal zum Anlass einen eigenen Thread zu eröffnen.

Ich denke, in den nächsten Jahren werden - nicht nur, aber auch - durch automatisiertes Fahren und "Ride sharing" die Grenzen zwischen klassischem ÖPNV und klassischem Taxiverkehr zunehmend verwischen. Dabei bleibt es spannend, inwieweit dies sinnvoll und rechtssicher in das bestehende System integriert werden kann und soll und wie verhindert werden kann, dass der klassische ÖPNV darunter leidet.

In Berlin will also jetzt die BVG in die Offensive gehen und selbst in den Markt des "Ride sharing", also Sammeltaxen ohne feste Linienführung, einsteigen. Die beiden bisherigen Anbieter clevershuttle und allygator shuttle fahren zwar ziemlich in der Nische, aber die Kombination von dynamisch-aggressiven Start Ups mit großen Unternehmen im Hintergrund hat durchaus das Potenzial etablierte Märkte kräftig neu zu durchmischen, soweit man sie lässt. Zu den großen Unternehmen im Hintergrund gehören sowohl die DB AG als auch Volkswagen, wenn man sich auf den Unternehmenswebsites anschaut, mit welchem Personalaufwand man derzeit einige wenige Fahrzeuge für einige wenige Stunden pro Woche auf die Berliner Straßen schickt, ahnt man, dass wohl größeres geplant ist. Nicht umsonst will die BVG nun in diesen Markt mit einsteigen.

Meine Meinung zu den Angeboten:
In Berlin selbst können sie eher eine Ergänzung oder Lückenschließung im bisherigen System werden, gerade im Nachtleben gibt es eine erhebliche Lücke zwischen Taxipreisen/-komfort und dem zwar guten, aber systembedingt unkomfortableren und langsameren Angeboten der BVG. Gleichzeitig kann ein solches Angebot auch den einen oder anderen Kapazitätsengpass mildern. In der Fläche können sie dagegen unter Umständen auch die Grundmobilität allein stemmen und ein Angebot analog zu den Taxinachtbussen sowohl in periphere Stadtteile als auch ins Umland bringen.

Die BVG als Betreiber hätte den Vorteil, dass sie ein seriöseres Unternehmen ist als US-amerikanische Start Ups wie Uber, was den Umgang mit den deutschen Gesetzen angeht. Vor allem in der Personalpolitik würde ich hier eine größere Seriösität erwarten, sowohl, was die Beschäftigungsmodelle angeht als auch was die Anforderungen an das Personal angeht. Vor diesem Hintergrund würde ich begrüßen, dass die BVG in solche Geschäftsmodelle einsteigt, auch wenn sie nicht unbedingt im Kerngeschäftsfeld liegen.
Ob Ally, Clevershuttle, Car2go oder Drivenow. Diese Angebote haben für mich einen entscheidenden Etikettenschwindel. Sie wollen sich zwar gerne als Ergänzung zum ÖPNV sehen, doch dort wo diese betrieben werden (Innerhalb S-Bahnring) tun sie es nicht, dort machen sie einem dicht ausgebauten ÖPNV-Netz Konkurrenz. Und das auch noch in einem Gebiet wo der MIV sinken soll. Weiterhin ist nicht bewiesen, dass überhaupt mehr Leute vom eigenen Auto zur Öfii-Leihauto-Kombi umsteigen als von Öffi zu Leihauto.

Würden es diese Anbieter mit der Alternative ernst meinen, so würden sie dort ihren Geschäftsbereich haben wo die das ÖPNV Netz den klassischen unattraktiven 20 Minuten Grundtakt hat bzw. sogar Tangentialverstrebungen im Netz fehlen und der ÖPNV unattraktiv ist.

Mir ist schon klar warum die Geschäftsbereiche dort sind wo sie heute sind. Die Leihanbieter wollen natürlich möglichst viele Kunden haben. Doch genauso wie ein Taxi ein Pflichtbediengebiet in der Konzession hat so muss meines Erachtens ein Carsharinganbieter auch ein Pflichtbediengebiet in der Genehmigung enthalten. Ob es dann aber noch kommerzielle Betreiber gäbe vermag ich nicht einzuschätzen. Das Land Berlin prüft ja derzeit lieber ob Lidl-Bike seine Räder wirklich so frei abstellen darf, weil es seinen Auftragnehmer Nextbike Konkurrenz macht.

Ob dieses Projekt daher tatsächlich sinnvolle Erkenntnisse bringt hängt für mich davon ab welches Bediengebiet für BVG Sharing ausgewiesen wird. Warum nicht mal Spandau oder Treptow-Köpenick?

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Das Gegenteil von ausbauen ist ausbauen.
Zitat
Lopi2000

Ich denke, in den nächsten Jahren werden - nicht nur, aber auch - durch automatisiertes Fahren und "Ride sharing" die Grenzen zwischen klassischem ÖPNV und klassischem Taxiverkehr zunehmend verwischen. Dabei bleibt es spannend, inwieweit dies sinnvoll und rechtssicher in das bestehende System integriert werden kann und soll und wie verhindert werden kann, dass der klassische ÖPNV darunter leidet.

Die Ideen für einen taxiähnlichen ÖPNV sind ja schon recht alt. In regelmäßigen Abständen werden diese Ansätze als "innovativ" in die Öffentlichkeit gebracht, um dann wieder von der Bildfläche zu verschwinden. In Berlin gab es das übrigens auch schon einmal in Form des "Lichtenrader innovativen Fahrgast-Transports" (LIFT) in den späten 1980er Jahren. Damals fuhr ein Kleinbus vom S-Bf Buckower Chaussee aus die Fahrgäste bis vor die Tür, um den Rückweg dann über eine feste Route zurückzulegen. Zu Beginn der 1990er Jahre wurde der LIFT weitgehend unbemerkt eingestellt.

Was das automatisierte Fahren angeht, so sind die aktuellen Diskussion nach meinem Eindruck nicht frei von manchen Illusionen. Um den Anforderungen eines Echtbetriebes zu genügen - erst recht im Bereich des ÖPNV - müssen noch diverse Hürden genommen werden. Allein die erforderliche Barrierefreiheit dürfte bei voll automatischen Fahrzeugen noch eine schwer zu knackende Nuss werden (weil dann eben kein Fahrer mehr da sein würde, der die Rampe ausklappen kann - die müsste dann also zuverlässig automatisch ausfahren, nicht zu schnell und nicht zu langsam). Um nur eine von vielen Fragen anzusprechen. Sollten diese dann - allesamt mit entsprechendem finanziellen und technischen Aufwand - gelöst sein, bin ich mir zumindest nicht sicher, ob dann noch die Einsparungen gegenüber einem mit Fahrer besetzten Fahrzeug so groß sein werden. Ob diese Systeme über einige Anwendungen in Nischenbereichen hinauskommen, bleibt also abzuwarten.

Nicht zuletzt gilt: Don´t believe the hype! Insbesondere dient ein solcher Techno-Hype auch dazu, Fördergelder zu sichern. So wird man vieles einordnen können, was uns als angeblich unweigerliche zukünftige Entwicklung versprochen wird ...
Zitat
Bovist66
Nicht zuletzt gilt: Don´t believe the hype! Insbesondere dient ein solcher Techno-Hype auch dazu, Fördergelder zu sichern. So wird man vieles einordnen können, was uns als angeblich unweigerliche zukünftige Entwicklung versprochen wird ...

Das ist zwar auch richtig, aber ich denke gegenüber dem LIFT-Versuch in den späten 80er- und frühen 90er-Jahren haben sich die Rahmenbedingungen schon nicht unerheblich verändert. (Für die, die sich detaillierter interessieren: Auf den Berliner Verkehrsseiten gibt es übrigens noch eine historische Broschüre dazu: [www.berliner-verkehrsseiten.de] ) Das Gebiet in Lichtenrade ist ein typisches Gebiet für zahlreiche Städte: in Randlage, im Vergleich zum Stadtkern eher dünnbesiedelt, hoher PKW-Anteil, unglücklich geschnitten, um leicht in das klassische ÖPNV-Netz integriert zu werden.

Schon seit Jahrzehnten werden solche Gebiete in Nahverkehrsplänen bundesweit stiefmütterlich behandelt: man stellt fest, dass hier die Haltestellenradien auch unter großzügig ausgelegten Kriterien nicht ausreichen und dann geht folgendes los:
- Defizit benennen und von der Politik eine bessere Finanzierung fordern,
- Pilotprojekte starten, die sich allein natürlich nie betriebswirtschaftlich rechnen, aber sie hinterher so abrechnen als müssten sie dies tun,
- Pilotprojekte wieder einstampfen und im nächsten Nahverkehrsplan wieder als Problem benennen.

Im Unterschied zu den 1980er-Jahren sind inzwischen auch die großen Mobilitätskonzerne hier mit im Spiel: sowohl Autohersteller als auch klassische Verkehrsbetriebe konkurrieren und kooperieren hier mit kleinen wie großen internationalen "start ups". Interessanterweise auch international durchaus in flexiblen Konstellationen: während die DB hier über ihren Anbieter flinkster mit DriveNow konkurriert, steht in Kopenhagen auf den DriveNow-Fahrzeugen das Logo der DB-Tochter Arriva. Von BMW wurde heute auf der Re:publica ausgesagt, dass man möglicherweise künftig mehr Geld mit verkauften Kilometern als mit verkauften Fahrzeugen verdienen könnte. Ich bin da weniger skeptisch und finde es interessant, dass die BVG erwägt, auf diesem Markt mitzumischen.

Übrigens gibt es am Rande eines anderen Artikels der Berliner Zeitung einige weitere Informationen:
"Demnächst werde auch die BVG einen „Pool-Verkehr“ anbieten – eine andere Bezeichnung für Ride Sharing. „Bequem und unabhängig vom Fahrplan, per BVG-App buchbar“, so Nikutta. Dem Vernehmen nach könnte Mercedes-Benz Partner werden. Start soll noch im Sommer sein. Der Senat muss das neue Angebot aber noch genehmigen."
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