ex-Dresdner schrieb:
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> Ganz toll - eine Bahnsteiglänge, die auf dem allergrößten Teil der Strecken weder im
> Alltagsbetrieb noch bei Veranstaltungsverkehren genutzt wird.
Es ist doch immer wieder erstaunlich, wie sehr sich der Spargedanke aus der Politik schon in den Köpfen der Menschen verwurzelt hat. Sparen sollte man da, wo es Sinn hat, bei der Grundinstandsetzung von langfristig zu erhaltenden Bahnanlagen mit Lebensdauer von Jahrzehnten sind kurzfristige Spareffekte der falsche Weg. Bei langfristigen Bauwerken gilt immer noch: wer billig baut, baut mehrmals und letztlich teurer.
Die 62-m-Haltstellenlänge und der weitestgehende Verzicht auf Doppelhaltestellen sind nicht aus einer Bierlaune geboren worden. Grundsätzlich sollen Doppelhaltestellen nur noch in Ausnahmefällen angeordnet werden, wenn es nicht anders geht. Der Komfort für die Fahrgäste wurde hier über betriebliche Belange gestellt. Grundsätzlich erhalten alle Bahnsteige einen zweiten Zugang, was nicht von heute auf morgen realisierbar ist. Man hat sich mit den Fahrgastverbänden darauf verständigt, die zweiten Zugänge auch ohne zusätzliche Lichtzeichenanlagen zu öffnen, auch wenn das manch Sicherheitsbedenken auslöst. Besser ein befestigter zweiter Zugang als dass die Leute über die Gleise trampeln. Eine zusätzlich Ampel vor der Haltestelle würde hier und da die Reisezeit verlängern aber die Sicherheit nicht wesentlich steigern (mangelnde Rotlichtakzeptanz nichtmotorisierter Verkehrsteilnehmer).
> Stattdessen behindert diese Bahnsteiglänge die Fahrgäste ... Es lebe die Standardisierung!
Nicht ist so gut, dass man es hier und da nicht noch verbessern könnte.
> Natürlich ist eine gewisse Standardisierung richtig und wichtig zur Kostenreduzierung, aber
> gewisse Variationsmöglichkeiten der Standards (und am besten noch etwas Denkvermögen, Praxisnähe und
> Augenmaß) sind eben auch vonnöten.
Das ist auch vorhanden, siehe zweite Zugänge. Seit Jahren sind zudem seitens der BVG (nicht der DB) komplizierte Verhandlungen mit der DBAG im Gange, um (auf Kosten der BVG) die Umsteigeverhältnisse beispielsweise am Bahnhof Greifswalder Straße und Friedrichsfelde Ost durch Bau direkter Zugangstreppen für einen Großteil der Umsteiger zu verbessern.
> Das ganze Desaster mit den 62-m-Bahnsteigen hätte
> man übrigens nicht haben müssen, wenn in den
> 90er-Jahren 40-m-Nf-Wagen beschafft worden wären.
> Diese Zuglänge hatte sich jahrzehntelang bewährt
> und wäre auch weiterhin zweckmäßig gewesen.
Die geplante Beschaffung von 40-m-Wagen wurde zunächst zurückgestellt, da einerseits genügend (134 Stück!) KT4-Doppeltraktionen modernisiert wurden, und andererseits zunächst die 30-m-Züge aus Rekowagen und Großraumern zu ersetzen waren. Für die T6/B6 war ja entsprechend der Verkehrsprognosen zunächst der weitere Einsatz in Großzügen und die ergänzende Beschaffung von NF-Beiwagen vorgesehen. Als die Beschaffung der 30-m-Wagen abgeschlossen war, bestand durch den Fahrgastrückgang in der Hauptverkehrszeit (nicht insgesamt!) kein Bedarf mehr nach zusätzlichen Fahrzeugen. Das war zum Zeitpunkt der Bestellung der GT6 so noch nicht absehbar.
> Mit den geplanten Fahrzeuggrößen der
> Incentro-Beschaffungen gibt auch die BVG das indirekt zu.
Jetzt ist allmählich Ersatz für die in die Jahre gekommenen KT4-Züge nötig. Infolgedessen werden 2011/12 (nach Bewährung der Prototypen) zunächst insgesamt 20 Stück 40-m-Zweirichter und anschließend 2012/15 insgesamt 53 Stück 40-m-Einrichter beschafft, bevor ab 2015 weitere 30-m-Wagen kommen. Zwischen 2011 und 2019 wird der KT4-Bestand von 230 auf Null schrumpfen.
> Ich möchte nicht wissen, was man an Baukosten hätte sparen können durch eine solche,
> am tatsächlichen Bedarf orientierte, Bahnsteiglänge bei allen nach 1991 sanierten Haltestellen.
Du wirst es nicht glauben (auch für 54E zur Kenntnis) die unflexible BVG hat auch eine 42-m-Haltestelle im Programm. Niemand hat die Absicht, netzweit 62- oder 80-m-Haltestellen zu bauen! Wir sind hier in Berlin, nicht in Germania. Als Beweis hier mal der aktuelle Plan, wobei die gemeinsam mit den BUS zu bedienende Haltestellen zwecks Umsteigeerleichterung 20 m länger geplant werden. (Ja, sogar kombinierte Tram/Bus-Haltestellen wie in DD, L und CB können die BVG-Sturköppe ;-))
Darüberhinaus legt die Haltestellenlänge den Streckenausbau beispielsweise für die Stromversorgung fest, ob 60-m-Doppeltraktionen zu versorgen sind. Die Beschränkung auf 40-m-Wagen bzw. -Züge hilft hier ebenfalls die Inestitionsmittel sparsam, aber wirksam einzusetzen.
> In diesem Punkt sollte man mal zur (sonst auch nicht immer vorbildlichen) LVB nach Leipzig
> schauen. Dort hat man sich konsequenterweise zur Beibehaltung der jahrzehntelang etablierten
> Standard-Bahnsteiglänge von 45 m entschieden und eben auch entsprechend lange Nf-Züge beschafft. So
> hat man heute den Vorteil, daß am größten Teil der erneuerten Bahnsteige die vorhandene
> Bahnsteigkantenlänge auch im Regelbetrieb genutzt wird. Man hat dort nur so viel Bahnsteigfläche
> gebaut, wie wirklich nötig ist, und die Fahrgäste können sich über kurze Zugangswege freuen.
Die sächsischen Betriebe kannste stecken lassen, was dort in den letzten 20 Jahren an Straßenbahn stillgelegt wurde ohne Ausgleich durch Neubaustrecken ...
Würde Schmöckwitz oder Rahnsdorf in Sachsen liegen, gäbe es dort eine gepflegte Buslinie mit EN ...
> Ebenso könnte man bei geringerer Zuglänge auch leichter Doppelhaltestellen einrichten bzw.
> vorhandene 80-m-Bahnsteige wieder als Doppelhaltestellen nutzen. Derzeit wird dies
> selbst mit Solo-GT und KT-Trakten nicht gemacht, weil ja eventuell auch mal ein GT-Pärchen kommen könnte.
GT-Traktionen sind derzeit auf die M4 beschränkt und bei Großveranstaltungen auf einem eingeschränkten Teilnetz. Im übrigen sind Doppelhalte im Spät- und Nachtverkehr zwecks Anschlussgewährung durchaus üblich. Am Tage bei dichter Zugfolge sind Doppelhalte im allgemeinen vermeidbar und nicht fahrgastfreundlich für die Wartenden. Einen Zug "vorzusteigen" ist in Städten mit 20- oder 30-min-Takten durchaus notwendig, hier jedoch nicht nötig.
> Auch hier lohnt der Blick über den Tellerrand: In
> Dresden gibt es z.B. am Schillerplatz eine
> Doppelhaltestelle mit 60-m-Bahnsteig, obwohl die
> DVB auch 45-m-Züge einsetzt. Auf den am
> Schillerplatz fahrenden Linien ist das aber
> regulär nicht der Fall.
Das ist auch gar nicht nötig, da am Schillerplatz leider schon lange kein Abzweig für die Straßenbahn mehr ist, der einen Anschluss nötig machen würde. Für den Übergang zwischen Bussen und Bahnen ist die Doppelhaltestelle aber sehr zweckmäßig und längenmäßig völlig ausreichend.
> Was die SL 68 betrifft, denke ich auch, daß es hier bestimmt preisgünstigere Varianten gäbe als
> das Berliner Standardgleis - und daß der Senat dann vielleicht auch die Fördermittel freigeben
> würde. Der von der SRS gewählte einfache Schotteroberbau hat bestimmt geringere Baukosten
> pro Kilometer als eine feste Fahrbahn mit Raseneindeckung.
Das mag für die SRS genügen, deren Strecke durch land- und forstwirtschaftliche Nutzflächen führt. In Grünau handelt es sich um ein Landschaftsschutzgebiet, das für die Naherholung genutzt wird und davon auch sein Fahrgastpotential bezieht.
Hier sind schalldämmende Rasengleise wirklich angebracht, damit die Straßenbahn fern der Autostraßen nicht unnötigen Lärm verursacht. Auch sollte der Landschafts-Charakter nicht durch eine schnöde industriebahnartige Schotterpiste unterbrochen werden. Selbst die Farbe der neuen Peiner Stahlmaste wurde der Landschaft angepasst (braunolive - RAL 6022).
Zu den Kosten hab ich oben schon genug geschrieben. Eine sehr kostengünstige eingleisige Feldbahn ist vielleicht in der Wuhlheide als Kinderspielzeug angebracht, dem zahlenden Berliner Fahrgast und Erholungssuchenden jedoch nicht angemessen. Er hat eine vollwertige Straßenbahn im Standard des 21. Jahrhunderts verdient.
so long
Mario