Martin1 schrieb am 21.12.03 20:58
> In der Tat ist Parallelverkehr immer ein sehr ungünstiges Konzept. Daher
> wurde dem Liniennetz das Straßenbahnnetz auch angepasst.
> Im Ostteil übernehmen die Straßenbahnlinien 2,3,4 (nach
> Weißensee/Hohenschönhausen) und 6,7,8 (nach
> Lichtenberg-Nord/Marzahn/Hellersdorf) heute Schnellbahnmäßige
> Aufgaben, die selbst z.Zt. teilweise U-Bahnbauten rechtfertigen würden.
Parallelverkehr ist nicht grundsätzlich abzulehnen. Beispielsweise fährt der RE 1 parallel zu den S-Bahn-Linien S7 und S3, ohne daß er deswegen sinnlos wäre. Daher halte ich es nicht für sinnvoll, wie in den 50ern beim Bau einer U-Bahnstrecke die parallele Straßenbahnstrecke einzustellen. Durch einen parallelen Verlauf können U- und Straßenbahn unterschiedliche Verkehrsaufgaben übernehmen, und die U-Bahn kenn größere Bahnhofsabstände haben, was den Bau verbilligt, und den Namen Stadtschnellbahn für eine U-Bahn erst wirklich rechtfertigt. Gerade die U4 (ex U10) zwischen Kurfürstenstraße und Walter-Schreiber-Platz hat einen Stationsabstand, wie er eher für Straßenbahnen typisch ist.
Bei relativ stark frequentierten Verbindungen ist auch ein Parallelverkehr sinnvoll, um Redundanz zu schaffen, wenn ein Verkehrsmittel ausfällt. Mit der S-Bahn und Straßenbahn nach Hohenschönhausen und Marzahn hat man das eigentlich ganz geschickt gemacht. Wenn hingegen in der Gropiusstadt die U7 ausfällt, kann man sich nur noch aussuchen, ob man läuft, oder ob man mit völlig überfüllten Bussen im Stau «mitschwimmt».
> So werden heute auf der Greifswalder Straße pro Werktag 102.000
> Plätze pro Richtung angeboten. Der Nachteil der beiden Verbindungen ist
> aber ihre relativ geringe Geschwindigkeit, die für Pendler (auf längere
> Distanzen betrachtet) als ärgerlich empfunden wird und Autofahrer kaum
> zum Umsteigen bewegt, zumal die Straßenbahnen häufig nur unwesentlich
> schneller sind. Auch der geringe Stationsabstand und die fehlende
> Unabhängigkeit vom MIV verlangsamen die Geschwindigkeiten. Hier greift
> die U-Bahn ein: Sie übernimmt die Aufgaben der Straßenbahn und
> vollzieht diese in kürzeren Fahrzeiten. Gleichzeitig schafft sie schnelle und
> durch hohe Taktfrequenzen (2,5-5 min) attraktive (neue)
> Querverbindungen und neue Fahrtmöglichkeiten, die helfen können,
> erstens weitere Wohngebiete an das Schnellbahnnetz anzuschließen (z.B.
> Fennpfuhl/Landsberger Allee Nord mit ca. 55.000 EW), zweitens
> Einkaufsgebiete besser und schneller mit übrigen Teilen der Stadt
> anzubinden und drittens Gebiete deutlich aufwerten können, was Wohn-
> und Bürostandortqualität betrifft.
Die Frage ist, ob man hierzu unbedingt eine U-Bahn benötigt. Einen wesentlich straßenunabhängigen Betrieb beispielsweise auf der Greifswalder kann man sicherlich durch relativ kleine Verbesserungen an der Straßenbahnstrecke erzielen. Kürzere Fahrzeiten könnte man erreichen, in dem man Expreßtrams einführt, die an einigen Stationen (um beim Beispiel zu bleiben: Am Friedrichshain, Hufelandstraße, Thomas-Mann-Straße, Ostseestraße) durchfahren. Voraussetzung hierfür wäre ein mehr oder weniger stadtbahnmäßiger Zustand der Strecken, der einen zuverlässigen Betrieb unabhängig vom IV ermöglicht. Gerade bei den Linien 2/3/4 oder 6/7 ist man da ziemlich nahe dran.
Bei den Fahrzeiten muß man auch bedenken, daß bei der U-Bahn in der Regel Zeit für den Zugang verloren geht - es sei denn, man hat so eine günstige Situation wie in der Schloßstraße oder am Hermannplatz. Zudem stellt der Gang in das unterirdische Bauwerk doch oft eine psychologische Hürde da, und Fahrten im Tunnel bieten auch nicht so viel Fahrvergnügen wie der Blick aus dem Fenster einer oberirdischen Bahn.
Eine U-Bahn lohnt sich wirklich nur, wenn ein entsprechendes Potential da ist, daß man die von Dir genannten dichten Taktzeiten erreichen kann.
> Fahrzeitgewinne sind im öffentlichen
> Nahverkehr bei längeren Distanzen (8-9 km) selbst bei nur 4-5 Minuten
> nicht zu verachten. So sorgen schnellere Verbindungen i.d.R. für mehr
> Verkehr, da die Zahl der Wege in Abhängigkeit vom Zeitaufwand und nicht
> vom Streckenaufwand (in km) liegt. U-Bahnen besitzen zusammen mit
> S-Bahnen bei Fahrgästen die höchste Akzeptanz, dies hat verschiedene
> Gründe: So verkehren U-Bahnen im hohen Takt (dies merkt man, dass
> man meist in unterirdischen Bahnhöfen nicht sehr lange auf die Bahn
> warten muss), sie sind äußerst schnell (zumal im Tunnel
> Vergleichsmöglichkeiten fehlen), sehr leistungsfähig, pünktlich und sehr
> sicher. Zudem verkehren sie völlig unabhängig vom übrigen Verkehr, so
> dass Störungen (Staus, Ampelausfälle, Unfälle) nicht übertragen werden
> können.
>
> In der Tat hassen Fahrgäste das Umsteigen. Es wird vielfach soweit wie
> möglich vermieden, Fahrzeitverlängerungen von max. 5 min werden in
> Kauf genommen. Hier bietet sich allerdings der Vorteil der
> Streckenführung vieler U-Bahnlinien an: Sie folgen dem Verlauf der
> größten Verkehrsströme. Im Bereich der U3-Ost werden die drei
> Straßenbahnlinien durch die U-Bahn ersetzt, zusätzliche Umsteigezwänge
> entstehen nur in begrenztem Maß (von Prerower Platz nach Zingster
> Straße). Ähnlich ist es bei der U4, die im wesentlichen die Hauptlinien 6,7,
> 8 ersetzt. Auch die U10 übernimmt im wesentlichen die Aufgaben der 26,
> 27 und 28, die Anordnung der Bahnhöfe Rhinstraße und Tierpark
> ermöglicht ein äußerst bequemes bahnsteiggleiches Umsteigen, welches
> bei Fahrgästen noch die höchste Akzeptanz besitzt.
>
> Einige Rechenbeispiele verdeutlichen die Vorteile von Schnellbahnen:
> Heute benötigt man vom S-Bhf. Hohenschönhausen bis zum
> Alexanderplatz mit der S- und Straßenbahn je 28 min, wobei die
> Straßenbahn 8,9 km, die S-Bahn 15,8 km lang ist. Mit der U3 ließe sich
> die Fahrzeit um acht Minuten senken. Vorraussetzung dafür ist Trassierung
> mit großzügigen Radien, die hier gegeben sind. Fahrzeitengewinne äußern
> sich hauptsächlich mit zunehmender Streckenlänge, wo die U-Bahn ihre
> Vorteile gegenüber der Straßenbahn ausspielen kann. Auf den anderen
> Linien sieht es ähnlich aus.
Da hast Du Dir aber auch ein für die U-Bahn günstiges Beispiel ausgesucht. ;-)
Außerdem hast Du geschummelt: Bis zum U-Bahnhof Alexanderplatz sind es mit der Straßenbahn nur 26 Minuten. Zieht man zweimal eine Minute für den Zugang bei der U-Bahn ab, und geht von vier Minuten Fahrzeitgewinn durch eine Expreßtram aus, wäre die Expreßtram genauso schnell wie die U-Bahn. Gut, das ist auch geschummelt, weil die U-Bahn die 8,9 km wohl in etwas weniger als 20 Minuten schafft. ;-)
Aber solange die Straßenbahnen nicht überquellen, muß man einfach den Unterschied im Aufwand sehen: Ob man den Fahrzeitgewinn durch Optimierung der bestehenden Strecke oder einen völligen Neubau einer U-Bahn-Strecke (vielleicht ein Stück doch oberirdisch?) erziehlt.
> Der Vorwurf, Fahrgäste werden durch den Wegfall verschiedener
> Straßenbahnstrecken zum Umsteigen gezwungen, ist nur teilweise richtig:
> so übernimmt die U3 faktisch die Aufgaben der Tram 2,3,4 und auch die
> U10 übernimmt im wesentlichen die Aufgaben der Tram 26,27 und 28. Für
> den überwiegenden Teil der Verkehrsströme entstehen Vorteile, nur
> einige Verbindungen werden (leider) schlechter oder mit
> Umsteigezwängen erreichbar sein, so z.B. der S-Bhf. Marzahn aus
> Richtung Westen.
>
> Der Vorwurf des Parallelverkehrs der U4 mit der S1 ist teilweise
> berechtigt: Die U4 übernimmt auf dem Abschnitt Lehrter Bhf. - Rathaus
> Steglitz andere Aufgaben als die S1, so werden im Bereich südlich des
> Innsbrucker Platz hauptsächlich Geschäfts- und Einkaufsstraßen
> erschlossen und mit anderen verknüpft, nördlich des Innsbrucker Platz
> erreicht die U4 mit ihrem dichteren Stationsabstand eine bessere
> Erschließung des Stadtgebietes (sie bedient hier Kurzstreckenverkehre
> bzw. verringert für längere Fahrten die Wege zu den Schnellbahnhöfen) als
> die S1, die hier einen äußerst großen Stationsabstand besitzt. Die U4
> führt direkt unterhalb der wichtigen Ausfall-, Einkaufs- und
> Geschäftsstraße, während die S1 tangential vorbeiläuft. Ähnlich verhält es
> sich in Marzahn.
>
> Z.Zt. rechtfertigen die Fahrgastströme keinen Bau einer U-Bahn zwischen
> Kulturforum und Rathaus Steglitz.
Wie ich schon oben gesagt habe: Eigentlich eine Verkehrsaufgabe, wo eine Straßenbahn gefragt wäre, anstatt den 148er im Stau stecken zu lassen.
* * *
Und wieso soll bei Deinem Plan die U1 nur bis zur Potsdamer Chausse und nicht bis nach Stahnsdorf fahren? ;-)