Martin1 schrieb am 29.12.03 22:17
> im Rahmen eines vom Bundesministerium für Forschung und Technik
> geförderten Forschungsvorhabens wurde von 1984 bis 1991 in Berlin
> (West) die Magnetbahn auf der Strecke Gleisdreieck - Kemperplatz
> erprobt. Trotz mehrfacher Rückschläge (Brandanschlag vom 18.04.1987,
> Unfall am 19.12.1988 im Bhf. Kemperplatz) konnte am 28.08.1989 mit
> dem Probebetrieb mit Fahrgästen begonnen werden - die erste für den
> öffentlichen Personenverkehr zugelassene Magnetbahn der Welt (wieder
> eine Pionierleistung mehr für Berlin).
>
> [...]
>
> In Berlin ist es zum finanziellen und politischen Fiasko geworden, da hier
> hauptsächlich die Erprobung einer völlig neuen Technologie stattfand ist
> das auch teilweise verständlich.
>
> Warum ist das M-Bahnprojekt völlig in Vergessenheit geraten? Die
> technische Ausrüstung, die Fahrzeuge, Fahrwege und der Betriebsablauf
> schienen sich bewährt zu haben, zudem konnte die M-Bahn durch ihren
> vollautomatischen Zugbetrieb, ihre verschleißfreien Fahrwege und die
> verschleißarmen Fahrzeuge äußerst wirtschaftlich betrieben werden.
>
> Obwohl Anfang der 90er Jahre die Weichen im ÖPNV in neue Richtungen
> gestellt wurden, schien sich keine weitere Stadt für die M-Bahn zu
> interessieren. Beispielsweise war die Jenaer Straßenbahn nach der Wende
> faktisch schrottreif, ein vollständiger Umstieg auf ein neues System hätte
> vermutlich viel politischen Willen gebraucht, jedoch wären Fördermittel in
> großer Höhe wohl absehbar gewesen.
Die M-Bahn ist eine Hochbahn und kostet - Linearantrieb hin oder her - im Großen und Ganzen ungefähr soviel wie eine konventionelle Straßenbahn/Stadtbahn/U-Bahn auf Viadukten. Im Vergleich mit einer ebenerdigen Straßenbahn dürfte das also mindestens den Faktor drei ausmachen.
> Waren es technische, betriebswirtschaftliche oder politische Gründe, die
> zum Aussterben der M-Bahn führten?
Für das Scheitern der M-Bahn werden sicherlich von unterschiedlicher Seite unterschiedliche Gründe aufgeführt werden, hier jedenfalls einige:
- Die M-Bahn hatte in Berlin an entscheidenden Stellen nie wirklichen Rückhalt. Das zeigt sich schon an der Streckenführung im Niemannsland - und im Falle der Wiedervereinigung (die unerwarteterweise doch eingetreten ist) auf der durchgehenden U-Bahn im Weg. Der Gedanke, die Kleinprofil-U-Bahn durch die fahrerlose Magnetbahn zu ersetzen, war in der «Frontstadt» West-Berlin, wo auch Arbeitsplätze bei der BVG dazu dienten, die Menschen in der Stadt zu halten, nicht zielführend. Andererseits war sie bei den Autonomen als «Bonzenbahn» verschrieen. Auch den «Durchbruch» sollte man nicht unterschätzen.
- Als Ersatz für die Kleinprofil-U-Bahn wäre die M-Bahn in der Form, wie sie fuhr, ohnehin nicht geeignet gewesen, da sie allein schon aufgrund der kurzen Zuglänge keine ausreichende Kapazität besitzt. Was die Kosten betrifft (gut, spielte in West-Berlin nicht so die Rolle) sind Systeme mit Bahnsteigtüren sehr teuer, da an sie hohe Sicherheits- und Zuverlässigkeitsanforderungen gestellt werden.
- Nachdem die AEG in Adtranz aufgegangen war, hatte Adtranz zwei Kabinenbahnsysteme, so daß man sich hier gegen die M-Bahn entschied. Ein grundsätzliches Problem bei solchen Spielereien wie M-Bahn, Transrapid, oder früher die Alweg-Bahn (wobei in Okinawa (Japan) gerade eine gebaut wurde) ist, daß sie nicht wirklich mehr leisten als konventionelle Systeme. Attribute wie «leise, wartungsarm, energiesparend, sicher, flexibel», die immer wieder genannt werden, halten einer ehrlichen Prüfung nicht stand. Gerade bei Bahnsystemen besteht eigentlich immer das Problem, daß man es mit relativ geringen Stückzahlen zu tun hat (man vergleiche nur mit der Tagesproduktion beim Automobilbau), so daß eine völlige Neuentwicklung mit Winz-Chargen wirtschaftlicher Selbstmord ist. Daher sieht man solche technischen Spielereien auch nur dort, wo die Kosten eine untergeordnete Rolle spielen. Auch was die Sicherheit solcher Systeme angeht, sollte man Murphy's Law nicht vergessen - bei den konventionellen Systemen ist es aufgrund der viel längeren Einsatzzeit wesentlich wahrscheinlicher, daß man einen scheinbar völlig ausgeschlossenen Fall, den sich niemand hätte vorstellen können, schon entdeckt hat.
- Bei einem Antrieb, der im Fahrweg liegt, sehe ich mittelfristig das Problem, daß den Antrieb nicht einfach durch Einsatz neuer Fahrzeuge verbessern kann, sondern auch den Fahrweg angreifen muß. Wenn nur der Strom zum Fahrzeug übertragen werden muß, ist man da wesentlich flexibler. Auch ist der Fahrweg nicht wartungsfrei. Die M-Bahn fährt schließlich auf Rollen - und selbst wenn nicht, würden trotzdem Schwingungen auf den Fahrweg übertragen. Und der Witterung ist der Fahrweg so oder so ausgesetzt. Hier hätte ich auch Zweifel, ob man die Wartung des Fahrweges beim System (Betriebsunterbrechung?) ausreichend berücksichtigt hat.