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Warum ist die Magnetbahn gescheitert?
geschrieben von Martin1 
Hallo,

im Rahmen eines vom Bundesministerium für Forschung und Technik geförderten Forschungsvorhabens wurde von 1984 bis 1991 in Berlin (West) die Magnetbahn auf der Strecke Gleisdreieck - Kemperplatz erprobt. Trotz mehrfacher Rückschläge (Brandanschlag vom 18.04.1987, Unfall am 19.12.1988 im Bhf. Kemperplatz) konnte am 28.08.1989 mit dem Probebetrieb mit Fahrgästen begonnen werden - die erste für den öffentlichen Personenverkehr zugelassene Magnetbahn der Welt (wieder eine Pionierleistung mehr für Berlin).

Die Maueröffnung brachte der M-Bahn zwar eine erhebliche Fahrgaststeigerung, jedoch war ihr Ende absehbar, schließlich hatte die Wiedereröffnung der U2 Vorrang.

Dennoch wurden die Probefahrten weiter durchgeführt und am 18.Juli 1991 die Zulassung für den Öffentlichen Personenverkehr erteilt. Kurz darauf erfolgte die Stillegung und der Abbau.

Fahrzeuge und Fahrweg wurden eingelagert, da ein Aufbau z.B. am Flughafen Schönefeld denkbar war. Einige Jahre später wurde fast alles verschrottet, einige Wagen kamen zur Versuchsanlage nach Braunschweig oder ins VM Nürnberg.

Erwähnenswert ist vielleicht noch, dass die M-Bahn bei den Fahrgästen außergewöhnliche gute Kritiken erhielt (das soll in Berlin schon was heißen ...).

In Berlin ist es zum finanziellen und politischen Fiasko geworden, da hier hauptsächlich die Erprobung einer völlig neuen Technologie stattfand ist das auch teilweise verständlich.

Warum ist das M-Bahnprojekt völlig in Vergessenheit geraten? Die technische Ausrüstung, die Fahrzeuge, Fahrwege und der Betriebsablauf schienen sich bewährt zu haben, zudem konnte die M-Bahn durch ihren vollautomatischen Zugbetrieb, ihre verschleißfreien Fahrwege und die verschleißarmen Fahrzeuge äußerst wirtschaftlich betrieben werden.

Obwohl Anfang der 90er Jahre die Weichen im ÖPNV in neue Richtungen gestellt wurden, schien sich keine weitere Stadt für die M-Bahn zu interessieren. Beispielsweise war die Jenaer Straßenbahn nach der Wende faktisch schrottreif, ein vollständiger Umstieg auf ein neues System hätte vermutlich viel politischen Willen gebraucht, jedoch wären Fördermittel in großer Höhe wohl absehbar gewesen.

Waren es technische, betriebswirtschaftliche oder politische Gründe, die zum Aussterben der M-Bahn führten?

MfG
Martin

Hast du dies schon gelesen:

[www.berliner-verkehrsseiten.de]

Sollte eigentlich alles gesagt sein.
Hallo Marco,

natürlich habe ich den Artikel gelesen. Die interessante Dokumentation sagt aber nichts darüber aus, warum die M-Bahn nach ihrem Abbau in Berlin überhaupt nicht mehr beachtet wurde.

Es ist normal, dass bei Erprobungen einer völlig neuen Technologie hohe Kosten zu erwarten sind (z.B. Transrapid, US-Raumfähre), dennoch schien sich die M-Bahn - wie am Ende des Artikels beschrieben - gut bewehrt zu haben. Das die Kosten in Berlin explodierten, lag aber auch an den ständigen Rückschlägen, die das Projekt hinnehmen musste.

Dennoch konnte man 1991 ein vollautomatisches, hoch effizientes und sehr attraktives Nahverkehrssystem mit Zulassung zum Personenverkehr präsentieren. Die M-Bahn ließ sich leichter ins Stadtbild integrieren, verkehrte völlig unabhängig. Nachteilig waren höhere Investionskosten (im Vergleich zu Straßenbahnen), dafür jedoch eine wesentlich höhere Beförderungskapazität und geringere Betriebskosten.

Wie in dem Beitrag aufgeführt: leise, wartungsarm, energiesparend, sicher, flexible Trassierung, preiswerte Betriebskosten

Ein Beispiel:
Jenas Straßenbahn war um 1990 völlig veraltet und abgewirtschaftet. Das großen Neubaugebiet Jena-Lobeda im Süden der Stadt war nur über Buslinien erreichbar (hier wurde sogar mal über eine Einschienenbahn nachgedacht), so dass man in Jena vor der Wahl stand, die Straßenbahn auszubauen oder stillzulegen. Eine Entscheidung zugunsten einer M-Bahn (hätte vermutlich viele Fördermittel bedeutet) wäre denkbar gewesen.

MfG
Martin

Martin1 schrieb am 29.12.03 22:17

> im Rahmen eines vom Bundesministerium für Forschung und Technik
> geförderten Forschungsvorhabens wurde von 1984 bis 1991 in Berlin
> (West) die Magnetbahn auf der Strecke Gleisdreieck - Kemperplatz
> erprobt. Trotz mehrfacher Rückschläge (Brandanschlag vom 18.04.1987,
> Unfall am 19.12.1988 im Bhf. Kemperplatz) konnte am 28.08.1989 mit
> dem Probebetrieb mit Fahrgästen begonnen werden - die erste für den
> öffentlichen Personenverkehr zugelassene Magnetbahn der Welt (wieder
> eine Pionierleistung mehr für Berlin).
>
> [...]
>
> In Berlin ist es zum finanziellen und politischen Fiasko geworden, da hier
> hauptsächlich die Erprobung einer völlig neuen Technologie stattfand ist
> das auch teilweise verständlich.
>
> Warum ist das M-Bahnprojekt völlig in Vergessenheit geraten? Die
> technische Ausrüstung, die Fahrzeuge, Fahrwege und der Betriebsablauf
> schienen sich bewährt zu haben, zudem konnte die M-Bahn durch ihren
> vollautomatischen Zugbetrieb, ihre verschleißfreien Fahrwege und die
> verschleißarmen Fahrzeuge äußerst wirtschaftlich betrieben werden.
>
> Obwohl Anfang der 90er Jahre die Weichen im ÖPNV in neue Richtungen
> gestellt wurden, schien sich keine weitere Stadt für die M-Bahn zu
> interessieren. Beispielsweise war die Jenaer Straßenbahn nach der Wende
> faktisch schrottreif, ein vollständiger Umstieg auf ein neues System hätte
> vermutlich viel politischen Willen gebraucht, jedoch wären Fördermittel in
> großer Höhe wohl absehbar gewesen.

Die M-Bahn ist eine Hochbahn und kostet - Linearantrieb hin oder her - im Großen und Ganzen ungefähr soviel wie eine konventionelle Straßenbahn/Stadtbahn/U-Bahn auf Viadukten. Im Vergleich mit einer ebenerdigen Straßenbahn dürfte das also mindestens den Faktor drei ausmachen.

> Waren es technische, betriebswirtschaftliche oder politische Gründe, die
> zum Aussterben der M-Bahn führten?

Für das Scheitern der M-Bahn werden sicherlich von unterschiedlicher Seite unterschiedliche Gründe aufgeführt werden, hier jedenfalls einige:

- Die M-Bahn hatte in Berlin an entscheidenden Stellen nie wirklichen Rückhalt. Das zeigt sich schon an der Streckenführung im Niemannsland - und im Falle der Wiedervereinigung (die unerwarteterweise doch eingetreten ist) auf der durchgehenden U-Bahn im Weg. Der Gedanke, die Kleinprofil-U-Bahn durch die fahrerlose Magnetbahn zu ersetzen, war in der «Frontstadt» West-Berlin, wo auch Arbeitsplätze bei der BVG dazu dienten, die Menschen in der Stadt zu halten, nicht zielführend. Andererseits war sie bei den Autonomen als «Bonzenbahn» verschrieen. Auch den «Durchbruch» sollte man nicht unterschätzen.

- Als Ersatz für die Kleinprofil-U-Bahn wäre die M-Bahn in der Form, wie sie fuhr, ohnehin nicht geeignet gewesen, da sie allein schon aufgrund der kurzen Zuglänge keine ausreichende Kapazität besitzt. Was die Kosten betrifft (gut, spielte in West-Berlin nicht so die Rolle) sind Systeme mit Bahnsteigtüren sehr teuer, da an sie hohe Sicherheits- und Zuverlässigkeitsanforderungen gestellt werden.

- Nachdem die AEG in Adtranz aufgegangen war, hatte Adtranz zwei Kabinenbahnsysteme, so daß man sich hier gegen die M-Bahn entschied. Ein grundsätzliches Problem bei solchen Spielereien wie M-Bahn, Transrapid, oder früher die Alweg-Bahn (wobei in Okinawa (Japan) gerade eine gebaut wurde) ist, daß sie nicht wirklich mehr leisten als konventionelle Systeme. Attribute wie «leise, wartungsarm, energiesparend, sicher, flexibel», die immer wieder genannt werden, halten einer ehrlichen Prüfung nicht stand. Gerade bei Bahnsystemen besteht eigentlich immer das Problem, daß man es mit relativ geringen Stückzahlen zu tun hat (man vergleiche nur mit der Tagesproduktion beim Automobilbau), so daß eine völlige Neuentwicklung mit Winz-Chargen wirtschaftlicher Selbstmord ist. Daher sieht man solche technischen Spielereien auch nur dort, wo die Kosten eine untergeordnete Rolle spielen. Auch was die Sicherheit solcher Systeme angeht, sollte man Murphy's Law nicht vergessen - bei den konventionellen Systemen ist es aufgrund der viel längeren Einsatzzeit wesentlich wahrscheinlicher, daß man einen scheinbar völlig ausgeschlossenen Fall, den sich niemand hätte vorstellen können, schon entdeckt hat.

- Bei einem Antrieb, der im Fahrweg liegt, sehe ich mittelfristig das Problem, daß den Antrieb nicht einfach durch Einsatz neuer Fahrzeuge verbessern kann, sondern auch den Fahrweg angreifen muß. Wenn nur der Strom zum Fahrzeug übertragen werden muß, ist man da wesentlich flexibler. Auch ist der Fahrweg nicht wartungsfrei. Die M-Bahn fährt schließlich auf Rollen - und selbst wenn nicht, würden trotzdem Schwingungen auf den Fahrweg übertragen. Und der Witterung ist der Fahrweg so oder so ausgesetzt. Hier hätte ich auch Zweifel, ob man die Wartung des Fahrweges beim System (Betriebsunterbrechung?) ausreichend berücksichtigt hat.
@ Martin1:

Hauptgrund: Man wollte die Bahn nicht.
Die Grünen sprachen sich stets gegen die Technologie aus. Ganz besonders Michael Cramer von den Grünen sprach sich stets offen gegen die technik aus, mit der Begründung, er wolle keine Geisterbahnen in Berlin. Fahrerlose Kabinenbahnen wären nicht das Ziel seiner Politik. Genauer Hinterfragen konnte man dieses bei ihm nie ...

Mit der Schaffung der Ersatzstrecke bei Schönefeld gab sich die Industrie zunächst zufrieden. Dass es ein derartiges Hick-Hack um diesen Flughafen wird, war ja nicht abzusehen. Nun, nachdem die Anlagenteile verrottet sind, und daher entsorgt wurden, steht nicht einmal ein teil vom Großflughafen, in den Planungen ist die M-Bahn nicht mehr enthalten. Das Verkehrsproblem ist anders gelöst worden (auf den Ausbauplänen).

Andere Interessenten auf der Welt (Las Vegas) winkten ab weil es keine Referenzstrecken gab, oder die Pläne zerschnitten sich kurzfristig wegen anderer Ereignisse (Kobe).

Eigentlich ist es immer nur dumm gelaufen, beispielsweise dass die Auftraggeber (Flughafen Frankfurt) sich plötzlich anders entschieden, weil der Aufbau zu lange gedauert hätte (weil das System noch nicht zuende entwickelt war, in Berlin musste die letzte Entwicklungsphase abgebrochen werden).

Die Berliner winken bei dem Thema immer nur ab, etwa bei der Diskussion um die Mini-U5: Was für eine Chance für die M-Bahn, sich in der Hauptstadt zu präsentieren, um Besuchern der Stadt (besonders Staatsbesuche) die Technologie zu zeigen.
Jeder winkt ab: diese Bahn hat den Ruf, ungeheuer teuer zu sein. Dabei istd er Vergleich unfair: ein neues Transportmittel bedarf nunmal Entwicklungskosten. Da die M-Bahn bereits auf 2/3 entwickelt war (Kleinigkeiten fehlten noch,) ist er nur dumm gewesen, das gesamte Projekt in die Tonne zu treten (so kurz vor dem Ziel).

Die entwicklungsführende Unternehmen (AEG Westinghouse) war nicht in der Lage, das Projekt bis zum Schluss allein zu finanzieren (1994/5 gab es ja nochmals einen kleinen Versuchsaufbau in Braunschweig), Fördergelder von der öffentlichen Hand bleiben jedoch aus (zumindest in der notwendigen Höhe). Es wurde stets mit wichtigeren Projekten begründet (Wiederaufbau Deutschlands nach der Vereinigung). Dabei wäre es damals noch günstig gewesen, da ja noch die Fahrzeuge vorhanden waren ...

Und heute die öffentliche Hand zu fragen, ob sie ein Veruchsbetrieb mit Forschungsgeldern unterstützen würde (die geringer wären als die Metrorapid-Pläne!) sind aussichtslos.

Es war einfach eine schlechter Ort für die Versuchsstrecke am Gleisdreieck. Niemand konnte dies wissen, aber letztendlich hat der M-Bahn der Standort das "Genick gebrochen". Wäre es eine Trasse gewesen, die der Wiedervereinigung der Stadt nicht im Wege gestanden hätte, würden die Versuche sicherlich zuende gebracht worden.
Zitat Martin1:
<< Ein Beispiel:
Jenas Straßenbahn war um 1990 völlig veraltet und abgewirtschaftet. Das großen Neubaugebiet Jena-Lobeda im Süden der Stadt war nur über Buslinien erreichbar (hier wurde sogar mal über eine Einschienenbahn nachgedacht), so dass man in Jena vor der Wahl stand, die Straßenbahn auszubauen oder stillzulegen. Eine Entscheidung zugunsten einer M-Bahn (hätte vermutlich viele Fördermittel bedeutet) wäre denkbar gewesen.
>> Ob die M-Bahn in Jena es gebracht hätte, mag ich bezweifeln. Die M-Bahn sollte eine Nachfolge-Technologie des bisherigen Rad-Schienesystems sein. Ob diese Technologie allerdings wirklich so effizient gewesen wäre, haben Marco Miseroni und Masato Zechlin bereits bestens beschrieben. Ich denke, die M-Bahn wäre als neuartiges light-Stadtbahnsystem dort gut gewesen, wo bisher noch gar kein SPNV-System vorhanden war. Wo jedoch das bisherige Rad-Schiene-System bereits bestens etabliert ist, würde ich es nicht sinnvoll halten, dieses durch die neue M-Bahn Technologie zu ersetzen. Bei mir in Hamburg gab es seinerzeit ernsthaft die Diksussion, die M-Bahn von Berlin nach Hamburg zu holen, um mit dieser die Hafencity anzubinden. Jedoch nach Prüfung sämtlicher Kriterien ist man jetzt zu dem Schluss gekommen, dass für die Anbindung der Hafencity das bisherige Rad-Schiene-System immer noch das sinnvollste ist. Somit hat man sich jetzt entschlossen, für künftige neue Schnellbahnstrecken in Hamburg am bisherigen Rad-Schiene-System festzuhalten, so dass die Hafencity jetzt mit einer neuen U-Bahnlinie erschlossen werden soll. Voraussetzung für den Bau dieser neuen U-Bahnlinie ist, dass die CDU an der Regierung bleibt. Sollte die SPD wieder an die Regierung kommen, dürfte das Vorhaben der U4 gescheitert sein. Dieses sei nebenbei am Rande bemerkt.

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