Tunnelmaus schrieb:
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> Das schöne alte Kreuzungsbauwerk auf der
> S-Bahnstrecke zwischen den Bahnhöfen Westkreuz und
> Grunewald erscheint mir irgendwie so überflüssig?
> Denn es kreuzt nichts, jedenfalls keinen
> Verkehrsweg. Hat hier jemand Informationen
> darüber?
Die Frage ist berechtigt und jedes mal wenn ich dieses Bauwerk sehe, frage ich mich wie viele Reisende in den Zügen es wohl bemerken und sich über die grüne Brücke wundern! Natürlich wäre es etwas aufwändig, nur für Kleingärten einen solchen "Tunnel" zu errichten, es sei denn hier würden z.B. regelmäßig Kröten ihre Bahn ziehen! ;-)
Nun zur Geschichte:
am 15.4.1879 wurde die sogenannte "Wetzlarer Bahn" zwischen Grunewald und Blankenheim(Kr. Sangerhausen) Trennungsbahnhof über Wannsee - Belzig - Güterglück - Güsten - Sandersleben eröffnet, an das übrige Berliner Eisenbahnnetz wurde sie mit Kurven nach Charlottenburg Gbf und Halensee an die Ringbahn angeschlossen.
Der Personenverkehr wurde, wegen der noch nicht fertiggestellten Stadtbahn, ab Halensee über die Ringbahn nach Süden bis zur Abzw. Vdp (zwischen den heutigen Bahnhöfen Schöneberg und Südkreuz gelegen), über den inneren westlichen Ringbahnanschluss der Dresdner Bahn (nur noch als kurzer Trassenansatz an der Naumannstr. erkennbar) zum Dresdner Bahnhof (südlich des Landwehrkanals gelegen und bereits 1887 stillgelegt) geführt.
Der Bau der Bahn erfolgte auf Betreiben des Militärs, das während des Krieges 1870/71 festgestellt hatte, dass ein schneller Truppenaufmarsch gen Frankreich durch die Linienführung der vorhandenen Eisenbahnen sehr erschwert war. Im Volksmund führte die Bahn, für die auch noch die Teilstrecken Silberhausen Trennungsbf - Eschwege - Treysa und Lollar - Wetzlar sowie kurze Abschnitte im Raum Koblenz und Trier gebaut wurden, daher auch den Namen "Kanonenbahn".
Nachdem am 7.2.1882 die Berliner Stadtbahn eröffnet wurde, konnte am 1.6.1882 eine Anschlussstrecke Charlottenburg - Grunewald eröffnet und der Personenverkehr der Kanonenbahn endlich direkt durch die Stadt zum Schlesichen Bahnhof geführt werden. Soweit die Vorgeschichte.
Am 1.5.1896 wurden zwischen Charlottenburg und Grunewald besondere Vorortgleise in Betrieb genommen, die eine Trennung des Vorort- und Fernverkehrs ermöglichten. Diese Vorortstrecke lag und liegt zwischen dem heutigen Westkreuz und der Rampe zum heutigen S-Bf. Grunewald in einem Einschnitt, die Ferngleise der Kanonenbahn liegen daneben auf einem Damm. Da separate Vorortgleise über Grunewald hinaus erst am 16.4.1937 in Betrieb genommen wurden, mussten bis dahin Vorort- und Ferngleise im Bereich Grunewald zusammengeführt werden. Während das Fernbahn-Streckengleis Grunewald - Charlottenburg östlich des abwärts führenden Vorort-Streckengleises Grunewald - Charlottenburg seine Lage behielt, wurde das Fernbahn-Streckengleis der Gegenrichtung mittels eines Überwerfungsbauwerkes über das Vorort-Streckengleis Charlottenburg - Grunewald auf dessen westliche Seite geführt und senkte sich bis zum Bf. Grunewald ab, wo beide Gleise vereinigt wurden.
Dieses Überwerfungsbauwerk ist der o.g. Tunnel, der nun seit 1937, dem Zeitpunkt der vollständigen Trennung von Vorort- (S-Bahn-) und Fernverkehr, ohne Gleisanlagen ist und in der Folge offensichtlich von der Eisenbahnlandwirtschaft okkupiert wurde.
Zusätzlich sei noch erwähnt, dass östlich des Tunnels von 1896 bis 1928 ein Haltepunkt Eichkamp bestand, Näheres hier:
[
www.stadtschnellbahn-berlin.de]
Übrigens: der erste mir vorliegende Fahrplan der Kanonenbahn sah 1897 in jeder Richtung sechs Fernzüge ab/bis Berlin vor, davon immerhin ein Schnellzug nach Trier (ab Schles. Bf. 8 Uhr morgends, an Trier 10 Uhr 38 abends.) mit Kurswagen Frankfurt(Main), an 8 Uhr 2 abends!
Beste Grüße
Harald Tschirner