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Wozu dient dieser Tunnel? (S-Bahn Westkreuz-Grunewald)
geschrieben von Tunnelmaus 
Das schöne alte Kreuzungsbauwerk auf der S-Bahnstrecke zwischen den Bahnhöfen Westkreuz und Grunewald erscheint mir irgendwie so überflüssig? Denn es kreuzt nichts, jedenfalls keinen Verkehrsweg. Hat hier jemand Informationen darüber?

Hier kann man es im Luftbild sehen:
[maps.google.de]

Und hier vom Boden aus:
[www.eisenbahn-tunnelportale.de]

Wozu diente dieses Bauwerk?
Wann wurde es gebaut?
Seit wann wird es nicht mehr als Kreuzung genutzt?
Gab es überhaupt jemals eine kreuzende Strecke?

Gruß

Tunnelmaus
Die Strecke Grunewald-Nikolassee wurde erst 1937 viergleisig ausgebaut. Vorher kreuzte das Richtungsgleis der Fernbahn hier die Vorortgleise um dann hinterm Bf Grunewald als zweigleisige Strecke im Mischbetrieb bis Nikolassee zu führen.

Gruß KB
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Lehrter Bahnhof 1871-1959(!)

Gegen Tempo 30 auf Hauptstrassen
Tunnelmaus schrieb:
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> Das schöne alte Kreuzungsbauwerk auf der
> S-Bahnstrecke zwischen den Bahnhöfen Westkreuz und
> Grunewald erscheint mir irgendwie so überflüssig?
> Denn es kreuzt nichts, jedenfalls keinen
> Verkehrsweg. Hat hier jemand Informationen
> darüber?

Die Frage ist berechtigt und jedes mal wenn ich dieses Bauwerk sehe, frage ich mich wie viele Reisende in den Zügen es wohl bemerken und sich über die grüne Brücke wundern! Natürlich wäre es etwas aufwändig, nur für Kleingärten einen solchen "Tunnel" zu errichten, es sei denn hier würden z.B. regelmäßig Kröten ihre Bahn ziehen! ;-)

Nun zur Geschichte:

am 15.4.1879 wurde die sogenannte "Wetzlarer Bahn" zwischen Grunewald und Blankenheim(Kr. Sangerhausen) Trennungsbahnhof über Wannsee - Belzig - Güterglück - Güsten - Sandersleben eröffnet, an das übrige Berliner Eisenbahnnetz wurde sie mit Kurven nach Charlottenburg Gbf und Halensee an die Ringbahn angeschlossen.

Der Personenverkehr wurde, wegen der noch nicht fertiggestellten Stadtbahn, ab Halensee über die Ringbahn nach Süden bis zur Abzw. Vdp (zwischen den heutigen Bahnhöfen Schöneberg und Südkreuz gelegen), über den inneren westlichen Ringbahnanschluss der Dresdner Bahn (nur noch als kurzer Trassenansatz an der Naumannstr. erkennbar) zum Dresdner Bahnhof (südlich des Landwehrkanals gelegen und bereits 1887 stillgelegt) geführt.

Der Bau der Bahn erfolgte auf Betreiben des Militärs, das während des Krieges 1870/71 festgestellt hatte, dass ein schneller Truppenaufmarsch gen Frankreich durch die Linienführung der vorhandenen Eisenbahnen sehr erschwert war. Im Volksmund führte die Bahn, für die auch noch die Teilstrecken Silberhausen Trennungsbf - Eschwege - Treysa und Lollar - Wetzlar sowie kurze Abschnitte im Raum Koblenz und Trier gebaut wurden, daher auch den Namen "Kanonenbahn".

Nachdem am 7.2.1882 die Berliner Stadtbahn eröffnet wurde, konnte am 1.6.1882 eine Anschlussstrecke Charlottenburg - Grunewald eröffnet und der Personenverkehr der Kanonenbahn endlich direkt durch die Stadt zum Schlesichen Bahnhof geführt werden. Soweit die Vorgeschichte.

Am 1.5.1896 wurden zwischen Charlottenburg und Grunewald besondere Vorortgleise in Betrieb genommen, die eine Trennung des Vorort- und Fernverkehrs ermöglichten. Diese Vorortstrecke lag und liegt zwischen dem heutigen Westkreuz und der Rampe zum heutigen S-Bf. Grunewald in einem Einschnitt, die Ferngleise der Kanonenbahn liegen daneben auf einem Damm. Da separate Vorortgleise über Grunewald hinaus erst am 16.4.1937 in Betrieb genommen wurden, mussten bis dahin Vorort- und Ferngleise im Bereich Grunewald zusammengeführt werden. Während das Fernbahn-Streckengleis Grunewald - Charlottenburg östlich des abwärts führenden Vorort-Streckengleises Grunewald - Charlottenburg seine Lage behielt, wurde das Fernbahn-Streckengleis der Gegenrichtung mittels eines Überwerfungsbauwerkes über das Vorort-Streckengleis Charlottenburg - Grunewald auf dessen westliche Seite geführt und senkte sich bis zum Bf. Grunewald ab, wo beide Gleise vereinigt wurden.

Dieses Überwerfungsbauwerk ist der o.g. Tunnel, der nun seit 1937, dem Zeitpunkt der vollständigen Trennung von Vorort- (S-Bahn-) und Fernverkehr, ohne Gleisanlagen ist und in der Folge offensichtlich von der Eisenbahnlandwirtschaft okkupiert wurde.

Zusätzlich sei noch erwähnt, dass östlich des Tunnels von 1896 bis 1928 ein Haltepunkt Eichkamp bestand, Näheres hier:

[www.stadtschnellbahn-berlin.de]

Übrigens: der erste mir vorliegende Fahrplan der Kanonenbahn sah 1897 in jeder Richtung sechs Fernzüge ab/bis Berlin vor, davon immerhin ein Schnellzug nach Trier (ab Schles. Bf. 8 Uhr morgends, an Trier 10 Uhr 38 abends.) mit Kurswagen Frankfurt(Main), an 8 Uhr 2 abends!

Beste Grüße
Harald Tschirner
Harald Tschirner schrieb:
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>
> Der Personenverkehr wurde, wegen der noch nicht
> fertiggestellten Stadtbahn, ab Halensee über die
> Ringbahn nach Süden bis zur Abzw. Vdp (zwischen
> den heutigen Bahnhöfen Schöneberg und Südkreuz
> gelegen), über den inneren westlichen
> Ringbahnanschluss der Dresdner Bahn (nur noch als
> kurzer Trassenansatz an der Naumannstr. erkennbar)
> zum Dresdner Bahnhof (südlich des Landwehrkanals
> gelegen und bereits 1887 stillgelegt) geführt.

Auf dem Luftbild erkennt man noch mehr: [maps.google.de] Das dürfte ein Pfeiler des Überwerfungsbauwerks darstellen. Frühere Bilder vom Dezember 1953 bestätigen dies.

Viele Grüße
Florian Schulz

--
Das Gegenteil von umfahren ist umfahren.
Anschlußfrags:
Wo worde denn überall nach der Elektrifizierung der S-Bahn- von Fernverkehr getrennt? Mir fällt da spontan nur der nördliche Außenring ein, auf den anderen Strecken gab es getrennte Gleise oder der Gemeinschaftsbetrieb findet heute noch (auf dem Papier) statt.

Bäderbahn
Florian Schulz schrieb:
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(nur noch
> als
> > kurzer Trassenansatz an der Naumannstr.
> erkennbar)
> > zum Dresdner Bahnhof (südlich des
> Landwehrkanals
> > gelegen und bereits 1887 stillgelegt) geführt.
>
> Auf dem Luftbild erkennt man noch mehr:


Stimmt, dazu passend dieses Bild vom 14.5.2007, entstanden an dem auf dem Google-Bild erkennbaren gelben Fleck!



Aber diese Pfeiler wurden seither im Zusammenhang mit dem derzeit noch andauernden Bau der Wilhelm-Kabus-Str.* über das Gelände des alten Militärbf. abgerissen, womit eben nur noch das westliche Widerlager über die Naumannstr. an diese, in den 1930igern stillgelegte, Kurve erinnert.

Die damals abgerissene Rampe dieser Kurve (und des gleichzeitig stillgelegten östlichen inneren Ringbahnanschlusses der Dresdner Bahn) befand sich übrigens im Bereich der heutigen S-Bahngleise, die damals etwas weiter östlich verliefen und zwecks Erweiterung der Wagenabstellanlage für den Anhalter Bf. verlegt werden konnten. Die heute noch westlich neben den S-Bahngleisen sichtbare Rampe war immer die Zufahrt zum Militärbahnhof.

* [de.wikipedia.org]

Beste Grüße
Harald Tschirner



1 mal bearbeitet. Zuletzt am 27.02.2010 19:34 von Harald Tschirner.


Bäderbahn schrieb:
-------------------------------------------------------
> Anschlußfrags:
> Wo worde denn überall nach der Elektrifizierung
> der S-Bahn- von Fernverkehr getrennt? Mir fällt da
> spontan nur der nördliche Außenring ein, auf den
> anderen Strecken gab es getrennte Gleise oder der
> Gemeinschaftsbetrieb findet heute noch (auf dem
> Papier) statt.

Wenn ich "Berliner S-Bahn" von Peter Bley von 2003 richtig interpretiere:

Kaulsdorf - Mahlsdorf 15.12.1930
Zehlendorf - Schlachtensee 1.9.1934
Grunewald - Wannsee 16.4.1937
Lichtenberg - Kaulsdorf 3.7.1941
Mahlsdorf - Strausberg 1.8.1944 (elektrisch aber erst 1948)
(Blankenburg) Akw - Schönfließ 2.9.1984

Beste Grüße
Harald Tschirner
Harald Tschirner schrieb:
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> Bäderbahn schrieb:
> --------------------------------------------------
> -----
> > Anschlußfrags:
> > Wo worde denn überall nach der Elektrifizierung
> > der S-Bahn- von Fernverkehr getrennt? Mir fällt
> da
> > spontan nur der nördliche Außenring ein, auf
> den
> > anderen Strecken gab es getrennte Gleise oder
> der
> > Gemeinschaftsbetrieb findet heute noch (auf dem
> > Papier) statt.
>
> Wenn ich "Berliner S-Bahn" von Peter Bley von 2003
> richtig interpretiere:
>
> Kaulsdorf - Mahlsdorf 15.12.1930
> Zehlendorf - Schlachtensee 1.9.1934
> Grunewald - Wannsee 16.4.1937
> Lichtenberg - Kaulsdorf 3.7.1941
> Mahlsdorf - Strausberg 1.8.1944 (elektrisch aber
> erst 1948)
> (Blankenburg) Akw - Schönfließ 2.9.1984

Zu erwähnen wäre noch, das auf einzelnen beim Mauerbau stillgelegten Strecken nie eine Trennung erfolgte.
Auch Hennigsdorf - Velten war bis 1983 Mischbetrieb...

1961 wurde der, erst seit 1952 bestehende, Mischbetrieb Schönhauser Allee - Pankow aufgelöst.
Bäderbahn schrieb:
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> Anschlußfrags:
> Wo worde denn überall nach der Elektrifizierung
> der S-Bahn- von Fernverkehr getrennt? Mir fällt da
> spontan nur der nördliche Außenring ein, auf den
> anderen Strecken gab es getrennte Gleise oder der
> Gemeinschaftsbetrieb findet heute noch (auf dem
> Papier) statt.

Die Gleise des nördlichen Außenringes wurden erst nach dem Mauerbau (19.11.1961) mit einer Stromschiene versehen. Zur Elektrifizierung der Fernbahn wurden sukzessiv neue S-Bahngleisanlagen daneben neu gebaut.

Gruß KB
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Lehrter Bahnhof 1871-1959(!)

Gegen Tempo 30 auf Hauptstrassen
Vielen Dank für die Antwort! Ist ja erstaunlich, dass das Bauwerk noch steht, wenn es jetzt seit über 70 Jahren ohne Funktion ist.
Als Ergänzung zur Liste von Harald Tschirner:

Auf mehreren alten Reichsbahn-Karten ist zwischen Borgsdorf und Oranienburg ein Mischbetrieb verzeichnet:
[www.blocksignal.de]

Dieser wurde jedoch offenbar schon vor der 15kV-Elektrifizierung auf zweimal 1 Gleis geändert.
Tunnelmaus schrieb:
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> Vielen Dank für die Antwort! Ist ja erstaunlich,
> dass das Bauwerk noch steht, wenn es jetzt seit
> über 70 Jahren ohne Funktion ist.


Erstaunlich mag sein, aber keineswegs unüblich. Würde man hier eine Liste derartiger Verkehrsbauten anführen, hätten wir wohl Monate zu tun diese zu zu vervollständigen.
Brücken, Tunnel, Fundamente, Bahntrassen, Abzweigungen von Straßen oder Schienenwegen die seit Jahren keine Bedeutung mehr oder sogar noch nie hatten gibt es etliche in und um Berlin. Man könnte das sogar noch auf Gebäude ausweiten ...
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