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Oberleitung und Stromschiene parallel
geschrieben von peterl 
Liebe Community,

im Zuge der Debatte was mit der S-Bahn Berlin geschieht wurde u.a. diskutiert einen Teilbereich des Ringes auszuschreiben. In einem anderen Forum laß ich, dass man dort nicht zusätzlich eine Oberleitung installieren könnte, weil es zu technischen Problemen kommen würde.

In Birkenwerder gibt es das aber zumindestens augenscheinlich. Wie kann das sein?

Vielen Dank im Vorraus
Birkenwerder ist eine Insellösung, wo auf einem recht kurzen Stück eine komplizierte und (wartungs)aufwendige Tecknik installiert ist. Gleich- und Wechselstrom vertragen sich nicht so ohne Weiteres...

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Bitte beachten Sie beim Aussteigen die Lücke zwischen Bus und Bordsteinkante!
peterl schrieb:
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> In Birkenwerder gibt es das aber zumindestens augenscheinlich. Wie kann das sein?

Ein leider sehr großer Nachteil der Gleichstrom-Elektrifizierung der Berliner Ring-, Stadt- und Vorortbahnen aus den 1920er Jahren. Es kann an ein Gleis nur immer ein Stromsystem angeschlossen werden, weil es sonst einerseits zu Schäden an Wechselstrom-Triebfahrzeugen und andererseits zu starken Korrosionschäden an erdverlegten Anlagen durch Rückströme der Gleichstrombahn käme. Man müsste also eine betriebssichere abschnittsweise Umschaltung einsetzen mit Trenntransformatoren für die Wechselstrombahn. Bei längeren Gemeinschaftsstrecken ein irrsinniger Aufwand, weshalb es bisher nur für einzelne Gleise in Birkenwerder und Erkner angewandt wurde.

so long

Mario
Vielen Dank! Das heißt in Birkenwerder wird immer an / abgeschaltet?
Eigentlich müsste die Oberleitung nie angeschaltet werden (so man das denn so machen würde), da die komische RB20 (warum heißt die so) auf dieser Strecke mit den Dieseltriebwagen GTW bedient wird.

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Hierzu möchte ich ein Beispiel aus Zürich beisteuern. Zwischen Selnau und Zürich HB verwenden die S4 (Wechselstrom 15 kV) und die S10/Uetlibergbahn (Gleichstrom 1200 V) dieselbe Gleisanlage, ohne dass hierzu Gleisanlagen abschnittsweise stromlos geschaltet werden müssen. Die 15-kV-Oberleitung ist auf der Strecke mittig aufgehängt, die 1200 V-Oberleitung ist seitlich verschoben über demselben Gleis aufgehängt.
Arne schrieb:
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> Hierzu möchte ich ein Beispiel aus Zürich
> beisteuern. Zwischen Selnau und Zürich HB
> verwenden die S4 (Wechselstrom 15 kV) und die
> S10/Uetlibergbahn (Gleichstrom 1200 V) dieselbe
> Gleisanlage, ohne dass hierzu Gleisanlagen
> abschnittsweise stromlos geschaltet werden müssen.
> Die 15-kV-Oberleitung ist auf der Strecke mittig
> aufgehängt, die 1200 V-Oberleitung ist seitlich
> verschoben über demselben Gleis aufgehängt.

Hast du dazu technische Details?
In der Schweiz ist die außermittige Aufhängung einer zusätzlichen Gleichstromfahrleitung leichter, da die Stromabnehmer-Schleifleisten der SBB gegeüber dem Standardmaß der DB/ÖBB mit Rücksicht auf die vielen engen Tunnel wesentlich schmaler ausgeführt sind. Die Parallelführung der Wechselstrom- und Gleichstromfahrleitung beschränkt sich allerdings auf einen 2,4 km langen Abschnitt. Hier wäre die Verwendung von Trenntrafos für die Wechselstrombahn gut möglich.

so long

Mario
Wenn die Gleise für den Gleichstrombetrieb nicht geerdet sein müssen, sonst hat man wieder das gleiche Problem wie bei der Berliner S-Bahn / DB. Bei der S-Bahn kommen die Gleichstromzüge ja auch nicht mit der Oberleitung in Berührung, die Wechselstromzüge nicht mit der Stromschiene. Es geht also nicht um ein Kontaktproblem, sondern darum, daß die Systeme an sich elektrisch inkompatibel sind. Ähnliche Probleme, wenngleich der verschiedenen Polarität geschuldet,gibt es ja auch bei der Berliner U-Bahn (Großprofil/Kleinprofil).

Dennis
drstar schrieb:
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> Wenn die Gleise für den Gleichstrombetrieb nicht
> geerdet sein müssen, sonst hat man wieder das
> gleiche Problem wie bei der Berliner S-Bahn / DB.

Wegen der vagabundierenden Ströme sollen die Fahrschienen von Gleichstrombahnen möglichst wenig leitende Verbindungen zur Erde aufweisen. Genau umgekehrt ist es bei Wechselstrombahnen, deren Gleise und metallische Anlagen im Oberleitungsbereich möglichst gut geerdet werden.

> Ähnliche Probleme, wenngleich der verschiedenen Polarität geschuldet,gibt es ja
> auch bei der Berliner U-Bahn (Großprofil/Kleinprofil).

Die beiden Teilnetze der Berliner U-Bahn sind jedoch kompatibel, da sie eine gemeinsame Rückleitung und für Gleichstrom durchverbundene Fahrschienen benutzen. Es gibt sogar umschaltbare Gleichrichter, die je nach Bedarf das Groß- oder Kleinprofilnetz versorgen können. Kleinprofilfahrzeuge sind auf Großprofilstrecken durchaus betriebsfähig, wenn man kleinere Anpassungen vornimmt und entsprechende Stromabnehmer montiert. Umgekehrt geht das natürlich aus Profilgründen nicht.

so long

Mario
Stimmt, bei der 15kV-Bahn sind die Gleise geerdet, bei der S-Bahn nicht. Dennoch hat man ja die räumliche Trennung der verschiedenen stromzuführenden Leitungen, und trotzdem ist es eben technisch aufwendig, beides parallel zu installieren und zu nutzen am gleichen Gleis, weshalb es zumindest in Berlin und Umgebung ausschließlich einzelne Insellösungen gibt.
Mich würde an dieser Stelle mal interessieren, ob der Schotter in den Gleisen nicht trotzdem eine Erdung herstellen könnte, denn meines Wissens nach ist dieser ja elektrisch leitend.

Dennis
Warum muss sich Berlin auch diese Extrawurst leisten. Statt wie fast überall üblich auf Oberleitungsbetrieb umzusteigen. Die Chance hätte man vielleicht nach dem Mauerfall gehabt. Bilde ich mir jedenfalls ein.

mfg: Ihr Fahrgastbetreuer a.D (seit dem 29.09.2011)

Wer Rechtschreibfehler findet darf Sie ohne Kommentar behalt
Die "Chance" wurde durchgerechnet und verworfen, da nicht finanzierbar. Die Umrüstung der S-Bahn hätte mehrere Milliarden gekostet, und eine ganze Menge Probleme mit sich gebracht.

Gleichstrom- & Stromschiene ist im Stadtverkehr optimal, weswegen auch viele U-Bahnsysteme auf diese Weise ausgerüstet sind. Es ist keine Extrawurst, sondern die Vorreiterrolle Berlins bei der Elektrifizierung des Vorortverkehrs. Nach vielen Versuchen hatte sich dieses System als das stabilste und am Besten zu beherrschende System herausgestellt. Die Hamburger haben sogar erst mit Oberleitung begonnen und dann auf Stromschiene umgestellt.

Die Trennung zwischen S-Bahn und sonstigem Netz bringt viele Vorteile. So ist sie betrieblich unabhängig und wird nicht durch die Verspätungen im Fernverkehr beeinflusst. Die Bahnsteighöhen sind überall gleich, was im restlichen Deutschland nicht der Fall ist. Und nicht zuletzt ist das Netz groß genug, um eigenständig wirtschaftlich betrieben werden zu können, es besteht also auch keinerlei Zwang zur Verbindung. Einzig an den Außenende kann man die Strecke nicht mal (mehr) "einfach so" verlängern.

Auch das S-Bahnchaos wäre keinesfalls milder ausgefallen. Wenn ein solch großer Wagenpark ausfällt, dann ist das verwendete System egal, denn es stehen nirgendwo große Fahrzeugreserven herum.

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Bitte beachten Sie beim Aussteigen die Lücke zwischen Bus und Bordsteinkante!
Fahrgastbetreuer schrieb:
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> Warum muss sich Berlin auch diese Extrawurst
> leisten. Statt wie fast überall üblich auf
> Oberleitungsbetrieb umzusteigen. Die Chance hätte
> man vielleicht nach dem Mauerfall gehabt. Bilde
> ich mir jedenfalls ein.

Lies Dich in die Geschichte der Berliner Eisenbahn ein und Du wirst verstehen warum man hier Dinge gemacht hat, die anderswo nicht möglich sind bzw. waren.

Gruß KB
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Lehrter Bahnhof 1871-1959(!)

Gegen Tempo 30 auf Hauptstrassen
Jay schrieb:
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> Die Umrüstung der S-Bahn hätte mehrere Milliarden gekostet, und eine ganze Menge Probleme mit sich gebracht.

Sie hätte auch eine ganze Menge Probleme gelöst.

> Gleichstrom- & Stromschiene ist im Stadtverkehr optimal, weswegen auch viele U-Bahnsysteme auf diese Weise ausgerüstet sind.

Für den U-Bahnbereich ist diese Aussage seit über 100 Jahren voll zutreffend.

> Nach vielen Versuchen hatte sich dieses System als das stabilste und am Besten zu beherrschende System
> herausgestellt. Die Hamburger haben sogar erst mit Oberleitung begonnen und dann auf Stromschiene umgestellt.

Für den Vorortverkehr war die System-Festlegung 750 V Gleichspannung mit seitlicher Stromschiene in den 1920er Jahren akzeptabel, heute wäre sie es nicht mehr. Aus guten Gründen legten die Hamburger eine höhere Nennspannung (1,2 kV) zu Grunde. Der Stand der Technik bei den Gleichrichtern Mitte der 1920er Jahre ließ den Berliner Ingenieuren der DRG leider bei der Spannung noch keine Wahl. Für die betrieblich und technisch vorteihaftere höhere Spannung von 1,2 bzw 1,5 kV waren die neu eingeführten Quecksilberdampfgleichrichter noch in Entwicklung, rotierende Umformer wie bei der Hochbahngesellschaft wären zu teuer geworden. Einmal in den Fertigungskosten für die Maschinensätze und die Gebäude zu ihrer Unterbringung, zum anderen hatten rotierende Umformersätze einen schlechteren Wirkungsgrad und benötigten die ständige Anwesenheit von Betriebspersonal. Man einigte sich auf eine optionale spätere Spannungserhöhung auf 1,5 kV, die höchste mit einer seitlichen Stromschiene vertretbare Spannung. Zu ihrer Realisierung wird es leider nicht kommen, obwohl seit Anbeginn der elektrisierten S-Bahn alle Fahrzeuge, Kabelanlagen, Unterwerke diese berücksichtigen mussten, was sicher einige Mehrkosten verursacht hat. Inzwischen wurde sie offiziell beerdigt.

> Die Trennung zwischen S-Bahn und sonstigem Netz bringt viele Vorteile. So ist sie betrieblich
> unabhängig und wird nicht durch die Verspätungen im Fernverkehr beeinflusst. Die Bahnsteighöhen
> sind überall gleich, was im restlichen Deutschland nicht der Fall ist. Und nicht zuletzt ist das Netz
> groß genug, um eigenständig wirtschaftlich betrieben werden zu können, es besteht also auch
> keinerlei Zwang zur Verbindung.

Leider trifft letzteres nicht zu. Wirtschaftlich betreibbar ist das separate S-Bahnnetz nur bei Zugfolgen wie auf dem Innenring, der Stadtbahn und Nordsüdbahn. Auf den Vorortstrecken sind bei der heutigen leistungsfähigen und flexiblen Zugsicherungstechnik eigene S-Bahngleise betrieblich nicht erforderlich. Schön, wenn man sie hat, aber auch ganz schön teuer.

> Auch das S-Bahnchaos wäre keinesfalls milder ausgefallen. Wenn ein solch großer Wagenpark
> ausfällt, dann ist das verwendete System egal, denn es stehen nirgendwo große Fahrzeugreserven herum.

Der fast totale Zusammenbruch entstand bei dem Versuch, die S-Bahn ähnlich kostensparend zu betreiben, wie es mit der Berliner U-Bahn und Straßenbahn seit vielen Jahren getan wird. Beim systembedingt viel aufwändigeren Eisenbahnbetrieb ging das sofort "in die Hose", bei Straßenbahn und U-Bahn kommt das auch noch, aber wesentlich später (falls nicht bald was entscheidend geändert wird).

so long

Mario
Gibts eingentlich (öffentlich einsehbare) Studien, die eine sukzessive Umstellung unter Beschaffnung von Kombifahrzeugen mal durchgerechnet haben?

Kennt jemand den Stückpreis einer BR481/423?
Es sind einige Studien erstellt worden, ob öffentlich einsehbar ist mir nicht bekannt.
Alle kamen aber zu dem Ergebnis, daß es im Falle von Berlin (und analog in Hamburg) keinerler betriebliche und wirtschaftliche Vorteile brächte das DC-System auf 15kV AC umzustellen.
Größtes Problem ist dabei die Nordsüd S-Bahn, welche sich nicht umstellen läß, auch wenn sich das viele Laien nicht vorstellen können bzw. nicht wahr haben wollen!
Die S-Bahn Berlin und Hamburg sind in sich geschlossene und autarke Systeme und nicht mit den anderen S-Bahnen in Deutschland zu vergleichen.

Gruß KB
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Lehrter Bahnhof 1871-1959(!)

Gegen Tempo 30 auf Hauptstrassen
@Mario: Ganz im Gegenteil, gerade auf den Außenstrecken macht sich die betriebliche Trennung mehr als bezahlt. Ob Oranienburg, Bernau, Erkner, Königs Wusterhausen, Blankenfelde, Teltow, Potsdam oder Spandau - die Fahrplanstabilität würde massiv darunter leiden und damit natürlich auch die Innenstadtstrecken, auf die ja die Außenäste durchgebunden sind. Bevor bei der S-Bahn das Kapital massiv abgezogen wurde, war sie eine wirtschaftliche Vorzeigetochter der Deutschen Bahn. Heute muss dafür eben die UBB (u.a.) herhalten...

Natürlich ist nicht jeder Ast für sich wirtschaftlich, gerade deswegen bildet man ja ein Netz, um über die gewinnbringenden Streckenteile die defizitären Streckenstreckenteile auszugleichen.

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