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Öffi-Flatrate
geschrieben von Tradibahner 
Re: Öffi-Flatrate
12.10.2016 15:42
Tallinn ist nicht Berlin und taugt mit seiner Einwohnerzahl auch nicht als Vorbild für Berlin.
Autofreie Kleinstädte mit sozialistischen ÖPNV mögen möglich sein, sind sicherlich kein Ziel für eine Millionenstadt mit entsprechendem Umland.
Re: Öffi-Flatrate
12.10.2016 16:02
Zitat
Ronny_Sommer
Tallinn ist nicht Berlin und taugt mit seiner Einwohnerzahl auch nicht als Vorbild für Berlin.
Autofreie Kleinstädte mit sozialistischen ÖPNV mögen möglich sein, sind sicherlich kein Ziel für eine Millionenstadt mit entsprechendem Umland.

Und warum sollte dies so sein? Welcher Zusammenhang besteht zwischen der Umsetzbarkeit eines umlage- oder steuerfinanzierten ÖPNV und der Größe der Stadt? Ab einer bestimmten Stadtgröße dürfte sich das ÖPNV-Netz in einer europäischen Stadt halbwegs proportional zur Einwohnerzahl verhalten. Und auch Tallinn hat ein Umland, das in diesem Finanzierungsmodell außen vor ist. Sprich: die Umlandbewohner müssen wie auch Touristen ein Ticket lösen.
Re: Öffi-Flatrate
12.10.2016 16:43
Zitat
Lopi2000
Und auch Tallinn hat ein Umland, das in diesem Finanzierungsmodell außen vor ist. Sprich: die Umlandbewohner müssen wie auch Touristen ein Ticket lösen.

Allein dieser Umstand zeigt, daß das Modell nicht für Berlin taugt.
Re: Öffi-Flatrate
12.10.2016 20:43
Zitat
Ronny_Sommer
Zitat
Lopi2000
Und auch Tallinn hat ein Umland, das in diesem Finanzierungsmodell außen vor ist. Sprich: die Umlandbewohner müssen wie auch Touristen ein Ticket lösen.

Allein dieser Umstand zeigt, daß das Modell nicht für Berlin taugt.

Nein, allein das tut er eben nicht.
Re: Öffi-Flatrate
12.10.2016 21:04
Zitat
der weiße bim
Nach einem Jahr nun die Antwort eines ex-Finanzsenators in der Boulevard-Zeitung [www.bz-berlin.de]

Und dieses Interview ausgerechnet mit einem Verkehrsexperten, der täglich mit seinem Auto unterwegs ist: [www.tagesspiegel.de] *kopfschüttel*

"Es gibt Besserwisser, die niemals begreifen, dass man recht haben kann und trotzdem ein Idiot ist."
Re: Öffi-Flatrate
12.10.2016 21:42
Zitat
Ronny_Sommer
Zitat
Lopi2000
Und auch Tallinn hat ein Umland, das in diesem Finanzierungsmodell außen vor ist. Sprich: die Umlandbewohner müssen wie auch Touristen ein Ticket lösen.

Allein dieser Umstand zeigt, daß das Modell nicht für Berlin taugt.

Hat irgendjemand vorgeschlagen, sowas als Vorbild für Berlin zu machen.? Nein, natürlich nicht.

Das war einfach ein Bericht, ein Denkanstoss. Wahrscheinlich hast du nur die Hälfte verstanden. Aber wenn du Lust hast, kannst du mir ein PN schreiben über was du wirklich verstanden hast.
Kann man hier nichts schreiben oder Posten ohne das es gleich 1:1 als Beispiel für Berlin interpretiert wird? Zur Zeit hängt Berlin mindestens Zehn, wenn nicht Fünfzehn Jahre hinter gleichwertige Städte hinterher. Insbesondere in Ticketing, Fare Collection, Passenger Safety Feelgood Factors at Stations, Information usw..

IsarSteve
Re: Öffi-Flatrate
12.10.2016 21:58
Zitat
Wutzkman
Zitat
Ronny_Sommer
Allein dieser Umstand zeigt, daß das Modell nicht für Berlin taugt.

Nein, allein das tut er eben nicht.

Doch weil sich der ganze Hickhack um die Kosteteilung mit Brandenburg bei die Grenze überschreitenden Linien verstärken wird. Außerdem bin ich entschieden gegen eine ÖPNV Zwangsabgabe!



2 mal bearbeitet. Zuletzt am 12.10.2016 22:03 von Ronny_Sommer.
Jay
Re: Öffi-Flatrate
12.10.2016 22:30
Zitat
Ronny_Sommer
Zitat
Wutzkman
Zitat
Ronny_Sommer
Allein dieser Umstand zeigt, daß das Modell nicht für Berlin taugt.

Nein, allein das tut er eben nicht.

Doch weil sich der ganze Hickhack um die Kosteteilung mit Brandenburg bei die Grenze überschreitenden Linien verstärken wird. Außerdem bin ich entschieden gegen eine ÖPNV Zwangsabgabe!

Da geht nicht mehr viel zu verstärken. Eigentlich müsste die ganze Kosten- und Einnahmeaufteilung mal komplett neu verhandelt werden. Da ist alles im System festgefahren und es fehlt der Wille eine notwendige Tarifreform durchzuführen. Kostet ja alles Geld. Der eingeführte Index ist völliger Quatsch, weil die Preiserhöhungen genauso wie vorher politisch ausgeklüngelt werden.

"Zwangsabgaben" für den ÖPNV gibt es heute schon - das nennt sich allgemeines Steueraufkommen. Schon allein über diese Stellschraube lässt sich viel bewirken. Als Beispiel wird da gerne Wien gebracht, das die Jahreskarte radikal auf 365€ reduziert hat und diesen Preis nun schon mehrere Jahre konstant hält. In die Richtung könnte man ja in Berlin durchaus auch gehen. 50€ pro Monat, ermäßigt 25€ und als Abo dann 500 bzw. 250 wäre da z.B. ein möglicher erster Schritt (für Berlin AB). Problem ist natürlich, dass Berlin nicht im luftleeren Raum schwebt und die immer größer werdende Schere zwischen AB und ABC am Stadtrand deutlich den Parkdruck jener Pendler erhöht, die mit dem Auto zum nächsten Bahnhof fahren. Da fahren eben schon heute viel zu viele zum nächsten S-Bahnhof im B-Bereich. Rahnsdorf und Friedrichshagen an der S3 oder Buch an der S2 sind Beispiele, wo die vorhandenen P+R-Anlagen völlig überbelegt sind.

--- Signatur ---
Bitte beachten Sie beim Aussteigen die Lücke zwischen Bus und Bordsteinkante!
Re: Öffi-Flatrate
13.10.2016 06:01
Zitat
Ronny_Sommer
Zitat
Wutzkman
Zitat
Ronny_Sommer
Allein dieser Umstand zeigt, daß das Modell nicht für Berlin taugt.

Nein, allein das tut er eben nicht.

Doch weil sich der ganze Hickhack um die Kosteteilung mit Brandenburg bei die Grenze überschreitenden Linien verstärken wird.

Das liegt jedoch nicht daran, dass in Tallinn Umlandbewohner wie Touristen ein Ticket lösen müssen, wie du es oben behauptest.


Zitat
Ronny_Sommer
Außerdem bin ich entschieden gegen eine ÖPNV Zwangsabgabe!

Ich bin auch entschieden gegen so vieles. Aber auch das würde Berlin im Zweifelsfall nicht an der Umsetzung hindern. ;)
def
Re: Öffi-Flatrate
13.10.2016 07:46
Beim derzeitigen Zustand des Berliner ÖPNV stehe ich einer Öffi-Flatrate sehr skeptisch gegenüber, da er die zu erwartenden Fahrgaststeigerungen gar nicht verkraften würde. Es braucht zunächst ein Investitionsprogramm in neue Fahrzeug (v.a. S- und U-Bahnen) und die Beschleunigung von Straßenbahnen und Bussen.

Eine erste Maßnahme wäre, die jährlichen Preiserhöhungen auszusetzen und einige schwerwiegende Mängel des Tarifs zu beseitigen. Ich denke da z.B. an ein Anschluss-Tageskarte. Und auch der Preis für kurze Strecke, die leider knapp über der Gültigkeitsgrenze für Kurzstrecken liegen

Im nächsten Schritt könnten die Preise schrittweise gesenkt werden - ob es dann tatsächlich kostenlos sein muss, sei dahingestellt. In Wien hat man letztlich auch einen guten Kompromiss gefunden, die Jahreskarte für 365 EUR, also einen Euro pro Tag. Der Anteil des ÖPNV beim Modal Split liegt dort bei 40 %. Wenn ich mit unseren dortigen Partnern spreche, bin ich erstaunt, wie selbstverständlich die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel selbst in der Mittelschicht ist - das gleiche Milieu, das in Berlin stolz verkünden würde, dass sie gestern tatsächlich U-Bahn gefahren sind, hat in Wien selbstverständlich eine Jahreskarte. Das heißt nicht, dass sie für alle Wege den ÖPNV nutzen, sie haben einen sehr pragmatischen Zugang - wie's halt gerade passt.

Allerdings zeigt Wien auch die Grenzen des Modells: der MIV-Anteil am Modal Split ist nur unwesentlich geringer als in Berlin. Das liegt m.E. vor allem am ÖPNV jenseits der Stadtgrenze. Während in der Stadt selbst der ÖPNV weitaus besser ist als in Berlin, kehrt sich das ganze an der Stadt- und Landesgrenze um. Wo im Berliner Umland Städte und Gemeinden i.d.R. noch alle 20 min angebunden sind, am Wochenende sogar mit Nachtverkehr, fährt im Wiener Umland teils halbstündlich, teils sogar nur stündlich eine S-Bahn nach Wien hinein. Busverkehr findet v.a. am Wochenende nur rudimentär statt. Eine Besserung ist kaum zu erwarten, da das Wiener Umland ein anderes Bundesland ist und die dort regierende ÖVP (das Pendant zur CDU, allerdings eher zur sächsischen als zur Berliner CDU) auch nicht unbedingt als ÖPNV-affin gilt. (Wir können in Berlin extrem dankbar sein, dass das S-Bahn-Netz weitgehend vor den Segnungen des Föderalismus geschaffen wurde. Was wir unter heutigen Voraussetzungen zu erwarten hätten, sieht man am Trauerspiel Kremmener Bahn.)

Was das für Berlin heißt? Letztlich muss ein Gesamtkonzept für die Region her, sowohl bei der Netz- als auch bei der Tarifentwicklung. Da könnte es durchaus von Vorteil sein, dass die nächsten Jahren in beiden Bundesländern vsl. SPD und Linke regieren. (Kein Vergleich zu Wien, wo die in der Hauptstadt besonders linke SPÖ seit Jahrzehnten der konservativen ÖVP im umgebenden Niederösterreich gegenübersteht.) Hoffentlich wird diese Chance auch genutzt.

*Ergänzung*

Ein Problem ist in Berlin auch die zuweilen noch erstaunlich ideenlose und konservative Verkehrspolitik, exemplarisch an den Verkehrsproblemen zwischen Marzahn-Hellersdorf und Köpenick/Adlershof zu beobachten. Denn eigentlich würde eine moderne Verkehrspolitik erstmal ergründen, wieso hier der MIV so stark ist (mit allen negativen Folgen: Stau, Lärm...) und der ÖPNV so schwach.

Schon eine zehnminütige Analyse der ÖPNVs würde zeigen, wo das Problem liegt: zwischen der M17 und der Stadtgrenze sind mit Ausnahme des X69 alle ÖPNV-Korridore an der S5 oder der U5 gebrochen. (Die Stippvisiten von 192, 195 und 395 auf der "anderen Seite" der S5 erachte ich jetzt mal als nicht relevant für die Thematik.) Und der X69 fährt nur alle 20 min und zu eher eingeschränkten Betriebszeiten. Die übrigen Linien fahren dann auch noch größtenteils alle 20 min.

Deutliche Verbesserungen könnten also schon durch relativ kleine Maßnahmen erfolgen, z.B. einer Verlängerung des neuen 269ers Richtung Marzahn oder durch Ausbau der Mahlsdorfer Straßenbahn für einen stabilen (!) 10-min-Takt und - freilich eher mittelfristig - ihre Verlängerung nach Hellersdorf. Und ganz Verwegene könnten ja auf die Idee kommen, den BAR als vorhandene Infrastruktur, die relativ kostengünstig ausgebaut werden könnte, mit Bahnsteigen an Knotenpunkten auszustatten und einen Tangentialverkehr anzubieten.

Und in Berlin? Bleibt beim ÖPNV im Großen und Ganzen alles, wie es ist (bis auf den kleinen Lichtblick 269 zum U Kaulsdorf Nord), stattdessen plant man mit der TVO eine kilometerlange Schnellstraße. Wenn die nicht wenigstens von einem häufig verkehrenden Expressbus mit guten Umsteigmöglichkeiten zu den Radialen befahren wird, hat der ÖPNV auf diesen Korridoren völlig verloren. (Wie sieht's denn eigentlich mit der Mahlsdorfer Straßenbahn aus? Läuft der Betrieb inzwischen stabiler als nach Verlängerung der 63? Und wann ist mit der Verlängerung des 10-min-Takts zum S-Bahnhof zu rechnen?)



1 mal bearbeitet. Zuletzt am 13.10.2016 08:38 von def.
Zitat
Jay
Zitat
Ronny_Sommer
Zitat
Wutzkman
Zitat
Ronny_Sommer
Allein dieser Umstand zeigt, daß das Modell nicht für Berlin taugt.

Nein, allein das tut er eben nicht.

Doch weil sich der ganze Hickhack um die Kosteteilung mit Brandenburg bei die Grenze überschreitenden Linien verstärken wird. Außerdem bin ich entschieden gegen eine ÖPNV Zwangsabgabe!

Da geht nicht mehr viel zu verstärken. Eigentlich müsste die ganze Kosten- und Einnahmeaufteilung mal komplett neu verhandelt werden. Da ist alles im System festgefahren und es fehlt der Wille eine notwendige Tarifreform durchzuführen. Kostet ja alles Geld. Der eingeführte Index ist völliger Quatsch, weil die Preiserhöhungen genauso wie vorher politisch ausgeklüngelt werden.

"Zwangsabgaben" für den ÖPNV gibt es heute schon - das nennt sich allgemeines Steueraufkommen. Schon allein über diese Stellschraube lässt sich viel bewirken. Als Beispiel wird da gerne Wien gebracht, das die Jahreskarte radikal auf 365€ reduziert hat und diesen Preis nun schon mehrere Jahre konstant hält. In die Richtung könnte man ja in Berlin durchaus auch gehen. 50€ pro Monat, ermäßigt 25€ und als Abo dann 500 bzw. 250 wäre da z.B. ein möglicher erster Schritt (für Berlin AB). Problem ist natürlich, dass Berlin nicht im luftleeren Raum schwebt und die immer größer werdende Schere zwischen AB und ABC am Stadtrand deutlich den Parkdruck jener Pendler erhöht, die mit dem Auto zum nächsten Bahnhof fahren. Da fahren eben schon heute viel zu viele zum nächsten S-Bahnhof im B-Bereich. Rahnsdorf und Friedrichshagen an der S3 oder Buch an der S2 sind Beispiele, wo die vorhandenen P+R-Anlagen völlig überbelegt sind.

Noch ein Argument für das Wiener Modell!
Dass das Kostenargument nicht zieht, hat Wien längst bewiesen: Die (verlässlichen, stetigen, planbaren) Mehreinnahmen durch die Jahreskarte haben die Rückgänge aus dem Verkauf von Einzeltickets überkompensiert! Von wegen niedrigere Preise führen zu höherem Subventionsbedarf.
Zieht Euch das rein, Wien hat mittlerweile über 715.000 Jahreskarten im Umlauf, das sind mehr Abonnenten als zugelassene Autos.
Bezogen auf die Bevölkerungszahl sind das über 41% Jahreskarteninhaber. In Berlin gibt es noch unter 650.000 Abonnenten, eine Quote ähnlich der von Wien entspräche über 1,4 Millionen Jahreskarten. Ein riesiges Potential.
Und natürlich schafft man sich damit 'neue Probleme', die man aber sehr einfach und effizient angehen kann. In Wien werden P+R-Kapazitäten am Stadtrand gerade massiv ausgebaut. Außerdem erhöht das den Druck auf das Umland, seinerseits was für attraktive Öffis zu tun, wenn die Autofahrer die Einfallstraßen bis zur Stadtgrenze blockieren. Dann muss sich auch Brandenburg endlich mal positionieren.

Ein solch radikaler Schritt führt temporär und lokal zu Überlastungen, das ist klar, siehe Wien U6. Aber er erhöht eben auch den öffentlichen Druck und führt zu Investitionen in Betrieb und Netz (Wien: U6 im 2,5-Min-Takt, U2-Ausbau, U5-Neubau, Tram-Netzerweiterung) die sonst schwieriger oder nicht zu rechtfertigen gewesen wären. Und die das System Öffis wiederum stärken und attraktiver machen. Kein Teufelskreis, sondern eine positiv-Spirale.

Zitat
def
Allerdings zeigt Wien auch die Grenzen des Modells: der MIV-Anteil am Modal Split ist nur unwesentlich geringer als in Berlin. Das liegt m.E. vor allem am ÖPNV jenseits der Stadtgrenze.

Glaub ich nicht, der Grund, dass der MIV-Anteil relativ ähnlich ist, liegt an dem signifikanten Fahrradanteil in Berlin, der in Wien fast komplett fehlt. Da wurde einfach 30 Jahre lang gepennt. Das ändert sich aber gerade radikal. Seit die Grünen was zu melden haben, wird der Radverkehr massiv gefördert. Allerdings gibt es in dem Bereich ein Lernkurve, die Rad-Infrastruktur der ersten Jahre ist oft verschlungen, unlogisch und konfliktreich. Man kann aber beobachten, wie die Projekte von Jahr zu Jahr besser werden. Bleibt spannend, ob sich damit ein weiter Shift MIV->Fahrrad erzielen lässt, oder ob sich Fahrrad und Öffis gegenseitig kannibalisieren.
def
Re: Öffi-Flatrate
13.10.2016 22:01
Zitat
schallundrausch
Ein solch radikaler Schritt führt temporär und lokal zu Überlastungen, das ist klar, siehe Wien U6.

Die U6 ist wegen ihrer Überlastung und des zuweilen speziellen Milieus auch immer wieder Thema der lokalen Satireseite.

Zitat
schallundrausch
Zitat
def
Allerdings zeigt Wien auch die Grenzen des Modells: der MIV-Anteil am Modal Split ist nur unwesentlich geringer als in Berlin. Das liegt m.E. vor allem am ÖPNV jenseits der Stadtgrenze.

Glaub ich nicht, der Grund, dass der MIV-Anteil relativ ähnlich ist, liegt an dem signifikanten Fahrradanteil in Berlin, der in Wien fast komplett fehlt.

Ich ging vorhin von eben jener Kannabalisierung aus und habe jetzt ich nochmal nachrecherchiert, Du hast recht: der Anteil des MIV ist im letzten Jahrzehnt gesunken (Zahlen von 2006, pdf, S. 35; 2015), der des Fahrrads leicht gestiegen. Wobei Wien Berlin ein stadtweites und faktisch kostenfreies Fahrradverleihsystem voraus hat (die erste Stunde ist kostenlos, so dass auch die meisten Wege gratis sind; danach 1 EUR/Stunde).

Allerdings sehe ich eben ohne Einbeziehung des Umlands in ein gemeinsames Konzept die Grenzen dennoch bald erreicht. Ein einfaches Indiz ist der Modal Split bei Einpendlern, der eher an Los Angeles als an Wien erinnert: pdf, S. 46.

Zurück nach Berlin: wie ich schon schrieb, halte ich derzeit ein solche Jahreskarte in Berlin für keine gute Idee. Sie würde nicht nur auf einzelnen Linien zu bestimmten Zeiten (wie eben auf der Wiener U6), sondern stadtweit zu Überlastungserscheinungen führen. Zu befürchten ist, dass viele Wahlfreie das ganz schnell sein lassen und dann völlig für den ÖPNV verloren sind. Deshalb bevorzuge ich als mittelfristiges Ziel eine verbilligte Jahreskarte, und bis dahin eben starke Investitionen in Streckennetz, Fahrzeuge und natürlich Personal (zusätzliche Fahrer, -s Werkstattpersonal), um die zu erwartende Steigerungen auch auffangen zu können.



1 mal bearbeitet. Zuletzt am 13.10.2016 22:07 von def.
Haha, danke für den Link, den kannte ich noch nicht. Leider sehr, sehr dicht an der Realität...

Beim Fahrradverleihsystem hast Du absolut recht - Berlin: High Tech, aber unbenutzbar, Wien: schrottige Gurken, aber funktioniert.

Die Studie von der Arbeiterkammer hab ich auch mal (nicht durch-) gelesen, aber das ist doch interessant, wie man mit geringen Eingriffen beabsichtigt, das ganze S-Bahnnetz aufzuwerten. Aber die Arbeiterkammer ist sowieso geil (allein der Name!), ich liebe die.

Einzig bei der Reihenfolge der Umsetzung von Maßnahmen sind wir unterschiedlicher Meinung. Wir wollen ja genau dasselbe. Aber ich bin so desillusioniert, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass irgendwann mal eine Berliner Stadtregierung massiv in den ÖV investiert, das Angebot ausweitet und durch gesteigerte Attraktivität massiv neue Nutzer zieht. Deswegen finde ich den Weg 'fatal' eigentlich sehr sexy. Man sollte sich halt nicht unvorbereitet erwischen lassen und die Pläne für extra Fahrzeugbestellungen, wegzustreichende MIV-Spuren, aufzulösende Parkplätze und zu markierende Radstreifen nicht allzu tief in der Schublade verkramt haben.
def
Re: Öffi-Flatrate
14.10.2016 07:32
Zitat
schallundrausch
Einzig bei der Reihenfolge der Umsetzung von Maßnahmen sind wir unterschiedlicher Meinung. Wir wollen ja genau dasselbe. Aber ich bin so desillusioniert, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass irgendwann mal eine Berliner Stadtregierung massiv in den ÖV investiert, das Angebot ausweitet und durch gesteigerte Attraktivität massiv neue Nutzer zieht. Deswegen finde ich den Weg 'fatal' eigentlich sehr sexy. Man sollte sich halt nicht unvorbereitet erwischen lassen und die Pläne für extra Fahrzeugbestellungen, wegzustreichende MIV-Spuren, aufzulösende Parkplätze und zu markierende Radstreifen nicht allzu tief in der Schublade verkramt haben.

Hier könnten wir uns treffen: ich würde die billige Jahreskarte auch nicht auf den St. Nimmerleinstag verschieben, wenn vielleicht mal alle Neufahrzeuge da sind und das Netz ausgebaut ist. Aber zumindest die ersten Serienfahrzeuge der neuen Baureihen von S- und U-Bahn sollten im Einsatz sein, damit dann relativ schnell Nachschub kommt, und Pläne für weitere Ausbauten rechtskräftig vorbereitet, so dass der Bau unverzüglich starten kann.

Wir sollten nämlich beim Wien-Berlin-Vergleich eins nicht vergessen: den aus Berlin bekannten gnadenlosen Abbau von Kapazitäten auf das vermeintlich Notwendige hat es in dieser starken Form in Wien nie gegeben. Zwar hat man in den ersten Jahrzehnten U-Bahn-Bau auch in Wien nach Eröffnung der U-Bahn wegen vermeintlichen Parallelverkehrs beim Oberflächenverkehr stärker zusammengestrichen als es sein sollte*, im Großen und Ganzen war der Netz aber immer dichter als in Berlin, sowohl bezogen auf Taktdichte als auch räumlich. Dazu kommt, dass alle U-Bahn-Linien seit Ausbau und Verlängerung der U2 mit maximaler Zuglänge verkehren können und dies auch tun. Insgesamt konnte also bei Einführung der 365-Euro-Jahreskarte auf höhere Kapazitäten zurückgegriffen werden, die wegen laufender Fahrzeuglieferungen bei der U-Bahn auch recht schnell aufgestockt werden konnten.

In Berlin kann man hingegen noch nichtmal die volle Zuglänge auf der U1 sicherstellen, und Taktverdichtungen im Berufsverkehr sind wegen des Wagenmangels in Groß- und Kleinprofil derzeit völlig unmöglich - trotz der im internationalen Vergleich eher dünnen 4- bis 5-min-Takte. Die dringend notwendige Verdichtung der M1 ist seit Jahren Zukunftsmusik. Auf der Osttangente muss sogar damit gerechnet werden, dass ihre Kapazitäten wegen des Neubaus der Rhinstraßenbrücke über Jahre massiv reduziert werden, auch weit entfernt von der eigentlichen Baustelle. Und mit der S-Bahn fange ich lieber gar nicht erst an.

____________
* absolutes Negativbeispiel ist die Innere Mariahilfer Straße als größte Einkaufsstraße der Stadt, die trotz ihrer Länge nun fast völlig ohne Oberflächenverkehr da steht
Re: Öffi-Flatrate
14.10.2016 11:12
Zitat
def
Zitat
schallundrausch
Einzig bei der Reihenfolge der Umsetzung von Maßnahmen sind wir unterschiedlicher Meinung. Wir wollen ja genau dasselbe. Aber ich bin so desillusioniert, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass irgendwann mal eine Berliner Stadtregierung massiv in den ÖV investiert, das Angebot ausweitet und durch gesteigerte Attraktivität massiv neue Nutzer zieht. Deswegen finde ich den Weg 'fatal' eigentlich sehr sexy. Man sollte sich halt nicht unvorbereitet erwischen lassen und die Pläne für extra Fahrzeugbestellungen, wegzustreichende MIV-Spuren, aufzulösende Parkplätze und zu markierende Radstreifen nicht allzu tief in der Schublade verkramt haben.

Hier könnten wir uns treffen: ich würde die billige Jahreskarte auch nicht auf den St. Nimmerleinstag verschieben, wenn vielleicht mal alle Neufahrzeuge da sind und das Netz ausgebaut ist.

Ich schließe mich da schallundrausch an. Und nicht vergessen: einen ähnlichen Schritt hat es 1989 in West-Berlin schon gegeben, ohne dass die Folgen katastrophal gewesen wären.

Und man sollte nicht vergessen: ein Gutteil der Bevölkerung hat sowas bereits. Studenten (gerade die sind mobil), viele Rentner...

Eine komplette Flatrate scheint mir jetzt auch schon verfrüht, aber günstige Jahreskarten halte ich für ohne größere Probleme für realisierbar.
Re: Öffi-Flatrate
14.10.2016 12:34
Zitat
Global Fisch
Ich schließe mich da schallundrausch an. Und nicht vergessen: einen ähnlichen Schritt hat es 1989 in West-Berlin schon gegeben, ohne dass die Folgen katastrophal gewesen wären.

Das waren doch ganz andere Vorraussetzungen. 1989 hatte man noch eine größere Fahrzeugreserve als heute, mehr Personal und es wurden massiv Busspuren eingeführt. Und trotzdem gab es ab Oktober 1989 z.B. auf jedem Busbetriebshof die berühmten Kreidetafeln mit dem Satz: "Dienste auf Frei zu vergeben!". Der Mauerfall und seine Folgen verdeckten das drohende Chaos dann.

x--x--x--x

Für mehr gelbe Farbe im Netzplan: die Farben der U4 und U7 tauschen!
def
Re: Öffi-Flatrate
14.10.2016 13:28
Zitat
B-V 3313
Das waren doch ganz andere Vorraussetzungen. 1989 hatte man noch eine größere Fahrzeugreserve als heute, mehr Personal und es wurden massiv Busspuren eingeführt. Und trotzdem gab es ab Oktober 1989 z.B. auf jedem Busbetriebshof die berühmten Kreidetafeln mit dem Satz: "Dienste auf Frei zu vergeben!". Der Mauerfall und seine Folgen verdeckten das drohende Chaos dann.

Eben. 1989 war bekanntermaßen vor den konzeptlosen Sparorgien der Nullerjahre. Und eben diese müssen zunächst zumindest teilweise rückgängig werden, bevor man die Nachfrage extrem steigert. Dieses konzeptlose Sparen gab es eben in Wien nie (siehe oben), weshalb die Einführung der 365-Euro-Jahreskarte ohne größeres Chaos möglich war.
Re: Öffi-Flatrate
14.10.2016 13:39
Zitat
def
1989 war bekanntermaßen vor den konzeptlosen Sparorgien der Nullerjahre.

Die Sparerei fing schon 1992 an und ging dann gute 20 Jahre.

Dem restlichen Beitrag stimme ich uneingeschränkt zu. ;-)

x--x--x--x

Für mehr gelbe Farbe im Netzplan: die Farben der U4 und U7 tauschen!
def
Re: Öffi-Flatrate
15.10.2016 08:18
Zitat
B-V 3313
Die Sparerei fing schon 1992 an und ging dann gute 20 Jahre.

Da kann man sich trefflich streiten. Die heute stark zurückgefahrenen Kapazitäten bei S- und U-Bahn sind vor allem auf die Nullerjahre zurückzuführen. In den 90ern wurden immerhin für beide Verkehrsmittel neue Fahrzeuge beschafft - die Entscheidungen, keine weiteren zu beschaffen und von den älteren zu viele abzustellen, fielen in den Nullerjahren, und die Erkenntnis, dass dies ein Fehler war, brauchte nochmal ein halbes Jahrzehnt.

Der Höhepunkt der S-Bahn-Krise ist inzwischen sieben Jahre her. Obwohl seitdem klar ist, dass es zu wenig Fahrzeuge gibt, gibt es von der neuen Baureihe noch nichtmal einen Prototypen. Und daran ist die Landespolitik mit ihrer jahrelangen Verzögerung der Ringbahn-Ausschreibung nicht ganz unschuldig.

Aber immerhin, bei der S-Bahn ist ein Licht am Ende des Tunnels sichtbar. Im U-Bahn-Großprofil ist man noch lange nicht so weit. Die jüngsten H-Züge sind auch schon wieder 14 Jahre alt (anderthalb PKW-Leben), die Stadt wächst seit 2005 beständig (vom "Zensusknick" 2011 einmal abgesehen), und dennoch hat man die Entwicklung neuer Großprofilzüge völlig verschlafen.

Auch der Fahrermangel bei der Straßenbahn geht nicht auf die 90er Jahre zurück. Und selbst beim Bus gab es vor einigen Jahren monatelang wegen Fahrzeugmangels massive Ausfälle. Das Problem konnte recht schnell behoben werden, da beim Bus weniger lokale Spezifika vorhanden sind und neue bzw. gebrauchte Busse recht schnell und einfach am Markt erhältlich sind.

Letztlich ist es aber eh egal, ob die Fehlentscheidungen in den 90ern oder Nuller- bzw. sogar Zehnerjahren getroffen wurden, beides war bekanntlich nach 1989.

Was heißt das für die Zukunft? Aus meiner Sicht, dass für alle Verkehrssysteme beständig zulassungsfähige Fahrzeugentwürfe in der Schublade liegen müssen, die bei Bedarf schnell umgesetzt werden können. Letztlich wäre eine kontinuierliche Erneuerung und ggf. Erweiterung des Fahrzeugparks sowieso sinnvoller, als alle 15-20 Jahre hunderte neue Fahrzeuge zu beschaffen.

Und was heißt das fürs Threadthema? Eben dass eine sofortige Einführung einer Billig-Jahreskarte oder gar der ÖPNV-Flatrate kontraproduktiv ist. Stattdessen sollten in einem ersten Schritt die Fahrpreise eingefroren werden (wenn sich die "Anpassung" nicht mehr vermeiden lässt, eben die ab Januar gültigen Fahrpreise), auch das wäre nach 25 Jahren ausschließlicher Preiserhöhungen schonmal ein Fortschritt. Zugleich setzt man sich ein Ziel, wann eine günstigere Jahreskarte eingeführt wird, und konzentriert sich darauf, bis dahin die notwendigen Kapazitäten zu schaffen. Die Einführung (aus meiner Sicht um 2019 oder 2020) selbst wäre dann der zweite Schritt.

(Nebenbei wäre auch eine Analyse sinnvoll, auf welchen starken Korridoren der ÖPNV einen besonders geringen Anteil am Modal Split hat - mir fällt hier z.B. wieder Marzahn-Hellerdorf - Köpenick/Adlershof ein.)

Eins noch, um dem Argument "Brandenburg hat bei den Tarifen mitzureden" vorzubeugen: auch Wien ist Teil eines Verkehrsverbundes, der dort sogar drei Bundesländer umfasst. Wenn Brandenburg sich gar nicht beteiligt, kann ein günstigerer Nahverkehr notfalls zunächst auch im Alleingang innerhalb Berlins durchgezogen werden, so wie man es in Wien auch getan hat. Besser und zielführender wäre natürlich eine länderübergreifende Lösung - und die politischen Möglichkeiten dafür sind zumindest in den nächsten Jahren in Berlin/Brandenburg sehr viel besser als in Wien/Niederösterreich.
Re: Öffi-Flatrate
15.10.2016 14:44
Nur wozu dienten die Fahrzeugbeschaffungen in den 90er Jahren? Anfangs ging man noch von einem Berlin mit 5 Millionen Einwohnern aus und da das U-Bahnnetz noch wuchs (U8 nach Wittenau, nach Hermannstraße, die Wiedereröffnungen von U2 und U1/ 15) und durch die Bahnsteigverlängerungen entlang der U6 und man die Fahrzeuge der BVB ersetzen wollte, musste man Bahnen bestellen. Nebenbei waren die Fahrzeugbeschaffungen auch immer ein Politikum, da man damit Arbeitsplätze in der Region erhalten wollte. Nebenbei baute man massiv Personal ab. Neben den Zugabfertigern bei der U-Bahn wurden durch die neuen Züge viele Werkstattpersonale entbehrlich. Das gilt auch für die Straßenbahn. So verzichtete man jahrelang auf Neueinstellungen und schob die älteren BVGer durch die 58er-Regelung aus dem Unternehmen. Da gab es unter vorm Walde dann Veranstaltungen im ICC unter dem Motto "Wir machen die BVG für da sneue Jahrtausend fit" und man teilte den personellen Schrumpfkurs bis zum Jahre 2000 und darüber hinaus mit. Gleichzeitig kam der Gedanke einer Billiglohn-Tochterfirma auf (BT) und man experimentierte beim Bus erstmals mit den Blockpausen. Buslinien vergab man schon seit 1992 fremd. Irgendwann merkte man, dass Berlin doch nicht so schnell wächst und durch die vielen S-Bahneröffnungen+Anstieg der Motorisierung im Ostteil der Stadt schrumpften die Fahrgastzahlen. Da wurde dann beschlossen, auf die GT8 bei der Straßenbahn zu verzichten, die Busbetriebshöfe Helmholtzstraße und Usedomer Straße zu schließen und den HK-Prototypen keine Serie folgen zu lassen. Beim Bus sparte man schon vorher, der Doppeldecker sollte bis auf wenige Exemplare weg und dafür Gelenkwagen von der Stange beschafft werden.

Das fehlende Personal aus den Jahren des Einstellungsstops merkt man bis heute.


Übrigens sind die positiven Entwicklungen der letzten Zeit, zumindest von der BVG-Seite aus, auch ein Verdienst der hier so oft gescholtenen BVG-Chefin Nikutta.

x--x--x--x

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