Die Kosteneffinzienz war damals noch nicht so ausschlaggebend wie heute. Im Gegenteil. Da die Hochbahn/Untergrundbahn ein neues Verkehrssystem darstellte, in dessen Genuss die Berliner erst seit zehn Jahren kommen, legte man beim Bau viel Wert auf ästhetische Gestaltung um die Akzeptanz zu erhöhen. Mit der Verlängerung der U-Bahn nach Wilmersdorf wurde der Bahnhof in seiner jetzigen Form von zwei auf
sechs fünf Gleise erweitert. Dazu erhielt er ein vom Architekten Alfred Grenander entworfenes repräsentatives Empfangsgebäude, das inmitten der Prachtstraße Tauentzienstraße gesetzt wurde. Zum Bauzeitpunkt große Kritik geerntet, weil es die Sichtachse zur Gedächtniskirche störte, freundeten sich die Berliner schnell mit dem Gebäude an. Die zerschneidende Wirkung dürfte auch Genander bewusst gewesen sein, weswegen er das Gebäude nicht bloß als Querriegel zur Straße gestaltete, so wie es für die Erschließung der neuen mehrgleisigen Bahnhofsanlage ausgereicht hätte. Stattdessen verlieh er dem Gebäude eine charakteristische kirchenähnliche Kreuzstruktur. Dadurch gelang ihm die Symbiose aus zentraler Erschließung aller Bahnsteige und einer ansprechender Architektur, die den Wittenbergplatz sein charakteristisches Stadtbild verlieh. Hätte man beide Außenbahnsteige, wovon bekanntlich nur der südliche realisiert wurde, nach außen gelegt, hätte das Empfangsgebäude noch breiter werden müssen. Die Tauentzienstraße, eine der bedeutendsten Prachtstraßen jener Zeit, wäre dadurch optisch zur Sachgasse geworden.
Viele Grüße
Florian Schulz
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Das Gegenteil von umfahren ist umfahren.