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Volksentscheid zum Flughafen Tegel
geschrieben von Marienfelde 
Genau das wird ja auch passieren - Tegel bleibt maximal noch ein halbes Jahr geöffnet, nachdem der BER in Betrieb geht. Schönefeld alt sogar mehrere Jahre, die Kapazität wäre also absolut aufzufangen.

Tegel ist mittlerweile völlig veraltet, verlangt nach einer Komplettsanierung, in dessen Zeitraum er auch nur einen Bruchteil der heutigen Kapazität hätte - es wäre also selbst da nicht viel gewonnen. Die Personalprobleme wurden schon benannt - in der Branche gibt es einen akuten Fachkräftemangel (wie in nahezu allen Branchen), man braucht grundlos doppelt so viel Personal. Wer sich jetzt über die Summen aufregt, die am BER "verbrannt" werden, haut einfach nochmal welche auf den alten Flughafen Tegel drauf. Ich bin mir auch sicher, dass jeder führende Politiker bei CDU und FDP das weiß, weshalb die CDU auch bis vor kurzem die Nachnutzung von Tegel als Wissenschafts- und Wohnstandort gerne mitgetragen hat. Es ist ein reiner parteipolitisch motivierter Irrsinn, der hier aufgeführt wird, bis hin zur Drohung mit Neuwahlen. Der Senat wurde in der Gewissheit gewählt, dass Tegel schließen soll, die Koalition weicht also nicht ab, sondern die neue Opposition.

Eine wirtschaftsfreundliche FDP würde alles dafür tun, die Eröffnung des BER zu beschleunigen und die Nachnutzung von TXL zu gewährleisten, wo tausende neue Wohnungen und Arbeitsplätze geschaffen werden würden, vor allem in einem Bereich, der in Berlin jetzt schon floriert (WISTA & Co) und dessen Synergieeffekte weit in die Stadt ausstrahlen würden. Stattdessen wird ein fast innerstädtisches Relikt aus den 1970ern wiederbelebt, um die eigene Partei ins Rampenlicht zu bringen. So durchschaubar und leider doch für viele emotional zu aufgeladen, als dass sie sich rational damit auseinandersetzen. Siehe Fernverkehrshalt Bahnhof Zoo, siehe ICC, Palast der Republik oder auch die verhinderte Nachnutzung des Flughafens Tempelhof. Wahlweise würde Berlin aussehen wie 1237, 1945 oder 1989, hätte man die Bewahrer und Verhinder damals gefragt, ob sich etwas ändern soll oder nicht.
Die Bewahrer und Verhinderer sind ja nicht die FDP, da kenne ich ganz andere. Bur bei den Begegnungszonen gehts plötzlich ganz schnell. Der Volksentscheid für Tegel mag nciht besonders sinnvoll sein, er ist aber die Quittung für eine verfehlte Politik der Vergangenheit und Gegenwart.
Das mag sein - aber ein Volksentscheid zu einem spezifischen Thema sollte NIE eine Abrechnung mit einer verfehlten Politik in anderen Feldern sein, der - bei einer "erfolgreichen" Umsetzung im Sinne des Bündnisses / FDP - die Stadt auf Jahre nur zusätzlich lähmt, mehr Geld kostet und die bereits mit Millionengeldern geplante Nachnutzung Tegels verhindert.
Das mag sein, nur werden Volksentscheide nicht von Parteien ausgetragen und aus Gründen der Parteiräson veranstaltet, sondern das Volk grummelt und will entscheiden. Und das ist die Quittung. Das kann man denke ich nicht planen.
Zitat
Heidekraut
Das mag sein, nur werden Volksentscheide nicht von Parteien ausgetragen und aus Gründen der Parteiräson veranstaltet, sondern das Volk grummelt und will entscheiden. Und das ist die Quittung. Das kann man denke ich nicht planen.

Auch wenn das jetzt drastisch klingen mag, aber dann ist "das Volk" offenbar zu doof für das Instrument Volksentscheid und hat offenbar auch nichts aus der eigenen Vergangenheit gelernt.

Ich war einst großer Befürworter von Volksentscheiden und freute mich darüber, dass Rot-Rot damals die Hürden gesenkt hat. Inzwischen bin ich aber ob der ständigen Mißbrauchsversuche dieses Instruments völlig frustriert und desillusioniert. Die FDP, vor allem in Person von Herrn S. Czaja, setzt diesem verlogenen Quatsch nun mit dem Tegelentscheid die Krone auf und wird damit vor allem eine steigende Politikverdrossenheit erreichen.

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Bitte beachten Sie beim Aussteigen die Lücke zwischen Bus und Bordsteinkante!
Ganz genau. Ich stehe dem Plebiszit eher kritisch gegenüber von eh und je. Aber was die Parteien damit dann für eine Wahlkampfstrategie fahren, ist noch ein ander Ding.
Zitat
Jay
Zitat
Heidekraut
Das mag sein, nur werden Volksentscheide nicht von Parteien ausgetragen und aus Gründen der Parteiräson veranstaltet, sondern das Volk grummelt und will entscheiden. Und das ist die Quittung. Das kann man denke ich nicht planen.

Auch wenn das jetzt drastisch klingen mag, aber dann ist "das Volk" offenbar zu doof für das Instrument Volksentscheid und hat offenbar auch nichts aus der eigenen Vergangenheit gelernt.

Ich war einst großer Befürworter von Volksentscheiden und freute mich darüber, dass Rot-Rot damals die Hürden gesenkt hat. Inzwischen bin ich aber ob der ständigen Mißbrauchsversuche dieses Instruments völlig frustriert und desillusioniert. Die FDP, vor allem in Person von Herrn S. Czaja, setzt diesem verlogenen Quatsch nun mit dem Tegelentscheid die Krone auf und wird damit vor allem eine steigende Politikverdrossenheit erreichen.

Die Mehrheit des Volkes ist oft nicht in der Lage, die eigenen "wirklichen" Interessen zu erkennen. Dies gilt selbstverständlich für Wahlen und Abstimmungen: Wer "falsch" abstimmt, wählt womöglich auch "falsch". Stellt man die mühsam genug erreichten Abstimmungsinstrumente ("Volksentscheide") auf kommunaler und Landesebene zur Disposition, dann könnte man mit den gleichen Argumenten auch Wahlen zur Disposition stellen.

Mir selbst sind derlei Gedankengänge alles andere als fremd: "Die herrschenden Gedanken sind weiter Nichts als der ideelle Ausdruck der herrschenden materiellen Verhältnisse, die als Gedanken gefaßten herrschenden materiellen Verhältnisse; also der Verhältnisse, die eben die eine Klasse zur herrschenden machen, also die Gedanken ihrer Herrschaft.“ (MEW 3, S. 46)

Will man die derzeitigen Verhältnisse im Interesse der Mehrheit verändern, dann mit der Mehrheit, nicht gegen sie. Man muß eben hartnäckig für Mehrheiten bei Wahlen und Abstimmungen werben.

Auf das zum Teil vollkommen unverantwortliche Verhalten der sogenannten "Eliten" im Deutschland des 20. Jahrhunderts sei doch auch einmal hingewiesen, ohne dies jetzt weiter auszuführen.

Einen schönen Freitag wünscht Euch
Marienfelde
Moin!

Ich bin grundsätzlich für Volksentscheide, wobei das Wort Entscheid hier entscheidend (sorry ;-) ist. Das was die FDP da angeleiert hat, ist ja eher ein unverbindlicher Volkswunsch, von dem niemand weiß, ob er umsetzbar ist. So einen Volkswunsch gab es in Berlin bisher nur einmal: Bei der zum Glück gescheiterten Offenhaltung von Tempelhof. Alle anderen Volksentscheide haben ein konkretes Gesetz zur Abstimmung gestellt.

Natürlich soll sich niemand einbilden, dass bei Volksentscheiden nur gutes herauskommt, wie Heidekraut schon gesagt hat, entscheiden die Leute oft nach Bauchgefühl. Allerdings bilde ich mir eben auch nicht ein, dass es bei der parlamentarischen Demokratie irgendwie besser wäre. Dort kommen neben Bauchgefühl oft auch noch knallharte Lobby-Interessen hinzu.

Ich halte es da wie Churchill: Demokratie ist die schlechteste aller Regierungsformen - abgesehen von all den anderen Formen, die von Zeit zu Zeit ausprobiert worden sind.

iGEL
Zitat
Marienfelde
Die Mehrheit des Volkes ist oft nicht in der Lage, die eigenen "wirklichen" Interessen zu erkennen.

Das würde ich nicht so pauschal formulieren. Die Ausgestaltung der Volksentscheide ist ja so gestrickt, daß auch ein Bruchteil des Volkes damit seine Interessen durchsetzen kann. Umso ärgerlicher ist die meist sehr niedrige Wahlbeteiligung bei solchen Abstimmungen. Aus diesen Gründen stehe ich Volksentscheiden inzwischen auch eher kritisch gegenüber und befürworte eine Änderung dieser Prozedur, etwa durch eine Mindestwahlbeteiligung und eine Ausdehnung des Abstimmungszeitraumes; einzig und allein der Sonntag ist der denkbar schlechteste Tag für solche Sachen. Auch über die Orte der Wahllokale sollte einmal nachgedacht werden. In meinem Falle befindet es sich in einer Schule am Waldrand, wo außer Schulkinder samt Eltern sonst niemand vorbeikommt. Ein Wahllokal an einem zentralen Ort, das, sagen wir, von Mittwoch bis Freitag geöffnet hat, würde massiv zur Steigerung der Wahlbeteiligung beitragen.
Nochmal auf Tegel bezogen: Für alle, mit denen ich spreche und die für die Offenhaltung sind, spielen eigentlich nur die "kurzen Wege" eine Rolle. Davon abgesehen, das dies natürlich einer relativ egoistischen Position entspricht, frage ich mich ernsthaft, wie sich ein solches Argument so stark hält?

Für den ÖPNV kann das für vermutlich drei Viertel der Berliner nicht hinhauen, allein das Umsteigen auf den Bus ist nicht nur unkomfortabel sondern auch zeitraubend. Selbst die kürzeste Busstrecke über den Jakob-Kaiser-Platz finde ich alles andere als optimal, vom TXL ganz zu schweigen. Die Mär vom Zeitvorteil hat die Berliner Zeitung ja neulich erst widerlegt.

Die Gebühren für das Parken des eigenen PKW sind so exorbitant, dass es eigentlich keinerlei Unterschied zum BER machen dürfte, auch die Anfahrt selbst, über A111 oder Saatwinkler Damm, funktioniert nur so lange gut, bis nicht die kleinste Unwägbarkeit (Unfall, Baustelle, Staatsbesuch etc.) alles über den Haufen wirft (Rudolf-Wissell-Brücke, ick hör dir trapsen...).

Bleibt das Taxi. Das ist momentan wirklich für Menschen im Nordwesten Berlins zeitlich oft unschlagbar. Allerdings zahle selbst ich, der es keine acht Kilometer zum Flughafen hat, um die 20 Euro für eine Strecke. Den zeitlichen Vorteil dürften aber schon viele im Südwesten Berlins im Vergleich zum BER kaum noch haben.

Irgendwie finde ich allein diese Argumentationsebene schwierig, um für die Offenhaltung zu sein. Aber dann kommt noch hinzu, dass Tegel vermutlich der einzige westliche Flughafen in einem Wasserschutzgebiet ist, der Betrieb einer rechtlich vollkommen unvorhersehbaren Situation entgegen geht, der Flughafen einer Grundsanierung bedarf und es noch gar keine Lärmschutzzonen (mit den damit verbundenen Auswirkungen) gibt. Von den alternativen Entwicklungsmöglichkeiten des Areals ganz zu schweigen.

Alles Sachen, mit denen sich die Mehrzahl der Stimmberechtigten gar nicht beschäftigt. Muss sie auch nicht. Aber es gibt dieses Mal, verglichen mit der Abstimmung zu Tempelhof damals, noch weniger Aufklärungsversuche durch den Senat. Oder empfinde das nur ich so?



1 mal bearbeitet. Zuletzt am 25.08.2017 13:25 von hvhasel.
Zitat
Marienfelde
Zitat
Jay
Zitat
Heidekraut
Das mag sein, nur werden Volksentscheide nicht von Parteien ausgetragen und aus Gründen der Parteiräson veranstaltet, sondern das Volk grummelt und will entscheiden. Und das ist die Quittung. Das kann man denke ich nicht planen.

Auch wenn das jetzt drastisch klingen mag, aber dann ist "das Volk" offenbar zu doof für das Instrument Volksentscheid und hat offenbar auch nichts aus der eigenen Vergangenheit gelernt.

Ich war einst großer Befürworter von Volksentscheiden und freute mich darüber, dass Rot-Rot damals die Hürden gesenkt hat. Inzwischen bin ich aber ob der ständigen Mißbrauchsversuche dieses Instruments völlig frustriert und desillusioniert. Die FDP, vor allem in Person von Herrn S. Czaja, setzt diesem verlogenen Quatsch nun mit dem Tegelentscheid die Krone auf und wird damit vor allem eine steigende Politikverdrossenheit erreichen.

Die Mehrheit des Volkes ist oft nicht in der Lage, die eigenen "wirklichen" Interessen zu erkennen. Dies gilt selbstverständlich für Wahlen und Abstimmungen: Wer "falsch" abstimmt, wählt womöglich auch "falsch". Stellt man die mühsam genug erreichten Abstimmungsinstrumente ("Volksentscheide") auf kommunaler und Landesebene zur Disposition, dann könnte man mit den gleichen Argumenten auch Wahlen zur Disposition stellen.

Will man die derzeitigen Verhältnisse im Interesse der Mehrheit verändern, dann mit der Mehrheit, nicht gegen sie. Man muß eben hartnäckig für Mehrheiten bei Wahlen und Abstimmungen werben.

Einen schönen Freitag wünscht Euch
Marienfelde

Zwischen Volksentscheiden und Wahlen gibt es aber einen wesentlichen Unterschied: Volksentscheide beziehen sich auf ein konkretes Thema, und das Ergebnis lässt im Zweifel keine Korrekturen mehr zu. Besonders problematisch ist das eben bei komplexen Themen wie z.B. dem Brexit, wo selbst Experten der Materie die Tragweite der Entscheidung kaum abzuschätzen vermögen. Hinterher kann man mit einem falschen Votum kaum mehr gestalten, und es kehrt auch kein sozialer Friede ein (schon gar nicht bei knappen Ergebnissen). Bei einer Wahl stimmt man hingegen eher für eine politische Richtung, die sich anschließend auch offen für Kompromisse zeigen bzw. falsche Richtungen wieder verlassen kann (zugegeben: die Praxis ist natürlich oft anders).

Zudem geht es im Falle Tegels nicht nur darum, was eine diffuse Mehrheit der Bürger/innen denkt und fühlt, sondern auch um geltendes Recht. Und in einem Rechtsstaat muss Verlass darauf sein, dass z.B. das Urteil eines OVG (hier zur Schließung des Flughafens Tegel) auch gilt. Ansonsten könnte man ja auch jedes andere Gerichtsurteil hinterher einem Volksentscheid unterziehen. Dabei ist für mich auch kein Argument, dass der BER vielleicht überlastet sein könnte. Solche Entwicklungen hätten im Zweifel vor Erlass der betreffenden Urteile einbezogen werden können (und müssen). Hier hinter die bereits ergangene Rechtsprechung gleichsam zurückzutreten, käme für mich nur in Betracht, wenn höhere Gewalt oder ein wesentlicher unerwarteter gesellschaftlicher Umbruch (wie z.B. 1989 geschehen) eingetreten wären. Von alledem kann in Berlin derzeit aber gar nicht die Rede sein.
Zitat
Bovist66
Ansonsten könnte man ja auch jedes andere Gerichtsurteil hinterher einem Volksentscheid unterziehen.

Warum auch nicht? Immerhin sind diese Urteile ja im Namen des Volkes gesprochen worden. Stellt sich hinterher heraus, daß eine (wirkliche) Mehrheit des Volkes ganz anders denkt oder urteilen würde, stellt das doch nur die Richtigstellung des Urteils dar.
Zitat
Alter Köpenicker
Umso ärgerlicher ist die meist sehr niedrige Wahlbeteiligung bei solchen Abstimmungen. Aus diesen Gründen stehe ich Volksentscheiden inzwischen auch eher kritisch gegenüber und befürworte eine Änderung dieser Prozedur, etwa durch eine Mindestwahlbeteiligung und eine Ausdehnung des Abstimmungszeitraumes; einzig und allein der Sonntag ist der denkbar schlechteste Tag für solche Sachen.

Im Gegensatz zu Wahlen gibt es eine Mindestwahlbeteiligung bei Volksentscheiden - in Berlin 25%.
Gegen die Bebauung des Tempelhofer Feldes beispielsweise reichten die Stimmen von 29,7% der Wahlberechtigten.
Der Senat (352.430+248.324+255.701 Stimmen) wurde 2016 auch nur von einer Minderheit von 34,5% der Wahlberechtigten (2.485.379) gewählt.
[www.wahlen-berlin.de]
Spätestens angesichts der unterschiedlichen Tragweite konkreter Volksentscheide und allgemeiner Wahlen sehe ich da keinen relevanten Unterschied.

Zitat
hvhasel
Aber es gibt dieses Mal, verglichen mit der Abstimmung zu Tempelhof damals, noch weniger Aufklärungsversuche durch den Senat. Oder empfinde das nur ich so?

Definitiv. Es gibt bei dem Thema nichts zu gewinnen. Jeder politisch Verantwortliche, der sich gegen Tegel ausspricht, bietet sich als Sündenbock bezüglich BER an. Also lässt man die gänzlich unseriöse Ein-Thema-Partei FDP ihren völlig wertlosen Triumph einfahren - weder ist an Tegel etwas zu retten, noch droht der FDP, ihre hohlen Phrasen jemals in einer Regierung umsetzen zu müssen.

Zitat
Bovist66
Zwischen Volksentscheiden und Wahlen gibt es aber einen wesentlichen Unterschied: Volksentscheide beziehen sich auf ein konkretes Thema, und das Ergebnis lässt im Zweifel keine Korrekturen mehr zu. Besonders problematisch ist das eben bei komplexen Themen wie z.B. dem Brexit, wo selbst Experten der Materie die Tragweite der Entscheidung kaum abzuschätzen vermögen. Hinterher kann man mit einem falschen Votum kaum mehr gestalten, und es kehrt auch kein sozialer Friede ein (schon gar nicht bei knappen Ergebnissen). Bei einer Wahl stimmt man hingegen eher für eine politische Richtung, die sich anschließend auch offen für Kompromisse zeigen bzw. falsche Richtungen wieder verlassen kann (zugegeben: die Praxis ist natürlich oft anders).

Ein per Volksentscheid vorgeschlagener Gesetzentwurf lässt sich kaum umgehen. Ein Abgeordneter ist in keinster Weise seinen Wählern verpflichtet, sondern nur seinem Gewissen. Ersteres ist demokratischer und mit der Güte der Gewissensentscheidungen unserer Abgeordneten ist es selten weiter her, als mit jener der Volksentscheide.

Berlins Straßen sind zu eng, um sie nur dem MIV zu opfern!



3 mal bearbeitet. Zuletzt am 25.08.2017 20:32 von dubito ergo sum.
Zitat
dubito ergo sum
Im Gegensatz zu Wahlen gibt es eine Mindestwahlbeteiligung bei Volksentscheiden - in Berlin 25%.

Dieses Minimum erachte ich als deutlich zu gering angesetzt. Das Ergebnis sollte schon die Entscheidung einer Mehrheit aller Wahlberechtigten widerspiegeln.

Zitat
dubito ergo sum
Gegen die Bebauung des Tempelhofer Feldes beispielsweise reichten die Stimmen von 29,7% der Wahlberechtigten.

Eben. Das ist noch nicht mal ein Drittel des Stimmvolks. Da kann doch von einem Volksentscheid gar keine Rede sein.

Zitat
dubito ergo sum
Spätestens angesichts der unterschiedlichen Tragweite konkreter Volksentscheide und allgemeiner Wahlen sehe ich da keinen relevanten Unterschied.

Ich sehe hier einen frappierenden Unterschied: Zu Wahlen gehen eben nur jene Bürger, die sich von den sogenannten Volkvertretern vertreten lassen möchten. Da speilt die Wahlbeteiligung eine eher untergeordnete Rolle.

Bei einem Volksentscheid sieht die Sache schon ganz anders aus, da hier ganz konkrete Dinge entschieden werden, denen der Wille einer Mehrheit des Volkes zugrunde liegen sollte und zwar deshalb, damit der Volksentscheid nicht dafür benutzt werden kann, die Interessen einer Minderheit durchzusetzen. Daher halte ich eine Mindestwahlbeteiligung von über 50 Prozent für zwingend.
Zitat
Alter Köpenicker
Zitat
Bovist66
Ansonsten könnte man ja auch jedes andere Gerichtsurteil hinterher einem Volksentscheid unterziehen.

Warum auch nicht? Immerhin sind diese Urteile ja im Namen des Volkes gesprochen worden. Stellt sich hinterher heraus, daß eine (wirkliche) Mehrheit des Volkes ganz anders denkt oder urteilen würde, stellt das doch nur die Richtigstellung des Urteils dar.

Damit würde man die Unabhängigkeit der Rechtsprechung "berühren". Erlaubt mir, meinen Beitrag vom 1.08.17 zu zitieren:

"Im Hinblick auf Artikel 2 Absatz 2 des Grundgesetzes ("Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. ...") wird die Rechtsprechung gar nicht anders können, als "fluglärmbetroffenfreundlich" zu urteilen.

Liest man sich die Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts Stuttgart zu einem anderen Thema ("Fortschreibung des Luftreinhalteplanes/Teilplan Landeshauptstadt Stuttgart") einmal durch, dann wird die vsl. Tendenz der Rechtsprechung erkennbar."

In dem "anderen Thema" wird die mehrheitlich in Regierungen und Parlamenten verfolgte Politik voraussichtlich zu weiteren Urteilen auf der Linie des Verwaltungsgerichts Stuttgart führen (also zu mehr Fahrverboten - die die Politik ja angeblich verhindern will).

Um es zuzuspitzen: In dem anderen Thema könnte der Verband der Automobilindustrie dann "im Idealfall" Gerichtsurteile, die Bezug auf Artikel 2 Absatz 2 des Grundgesetzes nehmen, durch "Volksentscheid(e)" kippen.

In "unserem Thema" begibt sich die Berliner FDP womöglich ins verfassungspolitische Abseits - im Grunde ein Mißbrauch der Volksgesetzgebung. Sollte die Politik im Ernst versuchen, TXL offenzuhalten, würden (ursprünglich: werden) sich damit unabhängige Gerichte beschäftigen - für mich eine beruhigende Tatsache.

Ich wünsche Euch ein schönes Wochenende,
Marienfelde



1 mal bearbeitet. Zuletzt am 26.08.2017 11:33 von Marienfelde.
Zitat
Marienfelde
Zitat
Alter Köpenicker
Zitat
Bovist66
Ansonsten könnte man ja auch jedes andere Gerichtsurteil hinterher einem Volksentscheid unterziehen.

Warum auch nicht? Immerhin sind diese Urteile ja im Namen des Volkes gesprochen worden. Stellt sich hinterher heraus, daß eine (wirkliche) Mehrheit des Volkes ganz anders denkt oder urteilen würde, stellt das doch nur die Richtigstellung des Urteils dar.

Damit würde man die Unabhängigkeit der Rechtsprechung "berühren".

Dann darf die Rechtsprechung eben ihre Urteile nicht "im Namen des Volkes" fällen. Diese Floskel bringt nämlich zum Ausdruck, daß die Rechtsprechung vom Volke ausgeht, anders als bis zum Ende der Weimarer Republik, als die Urteile noch "im Namen des Reiches" ergingen.
Zitat
Alter Köpenicker
Dann darf die Rechtsprechung eben ihre Urteile nicht "im Namen des Volkes" fällen. Diese Floskel bringt nämlich zum Ausdruck, daß die Rechtsprechung vom Volke ausgeht, anders als bis zum Ende der Weimarer Republik, als die Urteile noch "im Namen des Reiches" ergingen.

Dazu ein Zitat aus der Wikipedia zum "im Namen des Volkes" (Hervorhebungen von mir):

Zitat
Wikipedia
Die Formel Im Namen des Volkes [...] bringt daher in erster Linie zum Ausdruck, dass die Richter als Vertreter des Souveräns Recht sprechen; da ihre Entscheidung allein an das Gesetz gebunden ist (Art. 97 Abs. 1 GG), bedeutet sie auch, dass das Urteil dem als Gesetz formulierten Willen der Bevölkerung entspreche; sie meint aber nicht eine Abhängigkeit von der Volksmeinung (vox populi) [...]

Viele Grüße
Florian Schulz

--
Das Gegenteil von umfahren ist umfahren.
Zitat
Alter Köpenicker
Zitat
Bovist66
Ansonsten könnte man ja auch jedes andere Gerichtsurteil hinterher einem Volksentscheid unterziehen.

Warum auch nicht? Immerhin sind diese Urteile ja im Namen des Volkes gesprochen worden. Stellt sich hinterher heraus, daß eine (wirkliche) Mehrheit des Volkes ganz anders denkt oder urteilen würde, stellt das doch nur die Richtigstellung des Urteils dar.

In Ergänzung zu dem Beitrag von @Marienfelde:

Würde man jegliche (oder auch nur höchstrichterliche) Urteile Volksentscheiden aussetzen, wäre das nicht weniger als eine Katastrophe. Einem Urteil geht eine gründliche Würdigung eines Sachverhalts voraus, die (wenigstens vom Ansatz her) alle Interessen der Beteiligten einbeziehen soll. Insbesondere sind viele Gerichtsurteile auch im Interesse des Schutzes von Minderheiten. Demokratie heißt eben nicht, dass immer nur die Mehrheit entscheidet, sondern dass Interessen umfassend abzuwägen sind - was bei Volksentscheiden sehr schwierig ist, insbesondere bei solchen mit einem hohen Komplexitätsgrad.

Die Mehrheit des Volkes wäre bei vielen Sachverhalten, die vor Gericht entschieden werden, selbst bei bestem Reflexionsniveau überhaupt nicht in der Lage, sich ein sachgemäßes Urteil zu bilden. Weil den meisten Menschen schon schlicht die Zeit fehlen würde, sich durch Berge von Akten und Beweismaterial durchzuarbeiten gescheige denn daraus die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen.

Um auf den Flughafen Tegel zurückzukommen: Die Gerichte haben eindeutig zugunsten des Lärmschutzes der Anwohner entschieden, und wenn die Mehrheit der Berliner/innen das anders sieht, dann darf das trotzdem nicht den Rechtsschutz eben dieser Anwohner aushebeln. Ansonsten wären wir bei Methoden, die eher in Diktaturen anzutreffen sind.



1 mal bearbeitet. Zuletzt am 26.08.2017 17:31 von Bovist66.
Zitat
Florian Schulz
Zitat
Alter Köpenicker
Dann darf die Rechtsprechung eben ihre Urteile nicht "im Namen des Volkes" fällen. Diese Floskel bringt nämlich zum Ausdruck, daß die Rechtsprechung vom Volke ausgeht, anders als bis zum Ende der Weimarer Republik, als die Urteile noch "im Namen des Reiches" ergingen.

Dazu ein Zitat aus der Wikipedia zum "im Namen des Volkes" (Hervorhebungen von mir):

Zitat
Wikipedia
Die Formel Im Namen des Volkes [...] bringt daher in erster Linie zum Ausdruck, dass die Richter als Vertreter des Souveräns Recht sprechen; da ihre Entscheidung allein an das Gesetz gebunden ist (Art. 97 Abs. 1 GG), bedeutet sie auch, dass das Urteil dem als Gesetz formulierten Willen der Bevölkerung entspreche; sie meint aber nicht eine Abhängigkeit von der Volksmeinung (vox populi) [...]

Solange die Entscheidungsfindung auf einer Gesetzesgrundlage beruht, ist dem auch nichts hinzuzufügen. Es werden aber auch oft Entscheidungen herbeigeführt, deren Sachverhalt nicht in einem Gesetz niedergeschrieben ist und da liegt ja gerade der Hase im Pfeffer.

------------------------

Ich möchte die Gelegenheit beim Schopfe packen und mich bei allen beteiligten Foristen, die zu meiner Entscheidungsfindung zum bevorstehenden Volksentscheid beigetragen haben, bedanken. Schlußendlich habe ich "Nein" angekreuzt.
Moin!

Zumal es doch sehr unwahrscheinlich ist, dass die Mehrheit der Berliner mit ja stimmt, schon eine Mehrheit der Wahlberechtigten wäre ja ein Erfolg. Vermutlich wird es aber eine Mehrheit der abgegebenen Stimmen geben, leider.

iGEL
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