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B-V 3313
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Marienfelde
Das ist auch mein Wissensstand. In Karlsruhe bestand die Bereitschaft, sich hinsichtlich der Lieferzeiträume zugunsten Berlins zu bewegen. Für den Einsatz der stattdessen weiter nach Karlsruhe gelieferten Einrichtungsfahrzeuge wären immerhin fünf Linien (47, 53, 54, 98 und 99) in Frage gekommen.
Dieses Märchen wird durch ständige Wiederholerei nicht wahrer. Die Karlsruher Wagen waren mit 2,40m Breite nicht für Berlin geeignet. Weder für eine angebliche Ausleihe, noch für einen einfachen Nachbau.
Das ist einer Deiner Beiträge, deren Tonfall unsereinem die Freude an diesen Forum regelrecht vergällen - positiv formuliert: Deine didaktischen Fähigkeiten sind womöglich erweiterbar.
Zur Sache selbst:
1. Die anstelle zeitgemäßer breiterer "Karlsruher" Straßenbahnzüge angeschafften Busse waren ja sogar noch breiter, und der BVG-West war eine entsprechende Anpassung ihrer Betriebshöfe in relativ kurzer Zeit möglich. Eine Modernisierung der Höfe für Straßenbahnzwecke wäre sicher auch möglich gewesen.
2. Das größere Problem wären vermutlich die Gleismittenabstände gewesen. Nehmen wir mal die mir naheliegende 1928 eröffnete Strecke zwischen Mariendorf, Rennbahn und dem Bf Lichtenrade:
Ich kann mir einen Bau dieser Strecke mit "Gleismittenabständen auf Kante" (also 2,60m oder meinetwegen die für die damalige GBS öfter genannten 2,63m bei einer Fahrzeugbreite von 2,20m) im Berlin des Jahres 1928 mit einem verkehrspolitisch auf der Höhe der Zeit agierenden Verkehrsstadtrat Ernst Reuter nicht vorstellen, korrigiert mich, wenn meine unbelegte Einschätzung falsch sein sollte.
Bleibt natürlich immer das Problem engerer Gleismittenabstände in älteren Netzbestandteilen. Derlei Probleme halte ich aber in überschaubaren Zeiträumen für lösbar. Aktuelles Beispiel wäre die "61" - wobei auf dieser Strecke
vor Erweiterung der Gleismittenabstände der Einsatz etwas breiterer Bahnen schon möglich war.
3. Der Bau der Mauer von 1961 war für die Entwicklung des ÖV in "Westberlin" durchaus elementar. Die Zahl der Berliner S-Bahnfahrgäste brach von 417 Mio. 1960 über 337 Mio. 1961 auf nur noch 215 Mio. im Jahr 1962 ein, bei durchschnittlichen Reiseweiten von über 14 Kilometern (sh. statistische Jahrbücher der DDR).
Schätzt man den auf "Westberliner" entfallenden Rückgang z.B. auf 140 Mio. Fahrgäste mit einer durchschnittlichen Reiseweite von 10 Kilometern, ergab sich ein Rückgang von 1.400 (!) Mio. Pkm, der in der Masse von der BVG-West aufgefangen werden mußte.
Die U-Bahn kam als Ersatz weniger in Betracht, weil sie das Netz der Reichsbahn tendenziell nicht konkurrenzierte, sondern ergänzte. Geht man von dem am 1. September 1961 vorhandenen Straßenbahnnetz aus [
www.saschateichmann.de] , wird die Möglichkeit eines teilweisen Ersatzes der S-Bahn durch die - wenn auch langsamere - Straßenbahn in vielen Relationen deutlich.
Leider wurde der Umbruch 1961 stadtpolitisch nicht zur gebotenen Veränderung der Verkehrspolitik genutzt.
4. Deine Ansicht, das Netz von rund 200 Kilometern im Zeitpunkt des Mauerbaus sei nur noch ein Stillegungskandidat gewesen, halte ich wirklich für abwegig und sogar für unvertretbar. Dann könnte man auch behaupten, die auf die Gesamtstadt bezogen marginalisierte heutige "Ostberliner Straßenbahn" mit ihrem mageren Anteil von 13,1% an den PKm der BVG (jedenfalls nach deren "offiziellen" Zahlen) hat keinerlei Perspektive.
Sogar eine "kleine, aber feine" Straßenbahn (für "WB" also z.B. der Erhalt des "Spandauer Netzes" mit späteren stadtbahnmäßigen Neubaustrecken zum Falkenhagener Feld und nach Staaken) wäre womöglich sinnvoll gewesen.
5. "Die BVG hat die Abschaffung des Doppeldeckers beschlossen" - so eine Meldung würde heute auf Unverständnis stoßen. Auch eine Meldung: "BVG-West beschließt Einstellung der Straßenbahn" wäre am 28.08.1953 nicht verstanden worden. Die von Ernst Reuter auch nach dem Zweiten Weltkrieg betriebene Verkehrspolitik spricht nicht für eine beabsichtigte Aufgabe des Straßenbahnbetriebs, mir scheint das Gegenteil der Fall zu sein.
Der frühe Tod Ernst Reuters kurz nach dem Beiratsbeschluß vom 28.08.1953 hat die spätere Uminterpretation in einen "Quasi-Stillegungsbeschluß" wohl erst möglich gemacht.
Soweit meine Gedanken.
Allseits einen schönen Abend wünscht Euch
Marienfelde
1 mal bearbeitet. Zuletzt am 04.10.2017 20:05 von Marienfelde.