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[M] Goetheplatz und U-Bahn-Planungen aus der NS-Zeit
geschrieben von Supertom 
Hallo!

Wie sollte eigentlich das Liniennetz nach den Planungen von 1936 aussehen? Der Lindwurmtunnel war ja damals schon im Bau, wie sollte eigentlich die Linie weiter verlaufen und welche anderen Linien waren geplant?

War der Bahnhof Goetheplatz eigentlich schon vor dem Krieg im Rohbau fertig, mir ist aufgefallen dass die Treppenabgänge im Vergleich zu den anderen Münchner Stationen relativ eng sind (die haben mich sehr an die alten Stationen in Berlin erinnert) oder liegt die Breite der Treppen an den Straßenverhältnissen?

Tom
Servus Supertom,

soweit ich weiß wollte Hitler damals einen Südring für die S-Bahn bauen! Der Ebenen auch unter dem Goetheplatz zum Sendlinger Tor und weiter Richtung Marienplatz führen sollte! Es gibt das buch von der Münchner U-Bahn. Ich glaub von Martin Pabst? Da steht auch vieles drinnen! Wenn mann heute zwischen Sendlinger Tor und Goetheplatz mal aus dem Fenster schaut, sieht mann in der Tunnelwand Einbuchtungen! Die waren für die Oberleitungsmasten der S-Bahn gedacht! Nachdem ja dann der Krieg in München anbrach wurden die Baurabeiten eingestellt! Der Tunnelabschnitt war zu Kriegsbeginn soweit ich weiß im Rohbau schon fertig! Die Bürgerinnen und Büger nutzen den Rohbau zum Schutz, vor Luftangriffen! Es soll wohl auch in der Höhe der Heutigen Hinterstellanlage Sendlinger Tor (U3/U6), Eingänge zu alten Bunkern geben! Nach dem Krieg wurde der Abschnitt zur "Schwammerlzüchtung" verwendet! Bis eben dann 1978 die U-Bahn den Tunnel verwendete!

KPM kann da sicherlich auch viel Erzählen!


Gruß SWM/MVG
Hallo!
Ich bin zwar nicht KPM, aber ein bißchen was kann ich auch dazu beitragen.
Zunächst einmal sollte festgehalten werden, daß die U-Bahn den Tunnel im regulären Betrieb seit dem 19. Oktober 1971 benützt (nicht 1978). Der Tunnel ging nach dem 2. Weltkrieg in das Eigentum der 1949 gegründeten Deutschen Bundesbahn über, die für diesen Tunnel wohl aber keine Verwendung hatte. Aus diesem Grund wurde in den damals feuchten und kühlen Räumen die besagte Schwammerlzüchtung (für alle Nicht-Bayern: Pilzzüchtung) eingerichtet. Diese hatte allerdings nur einige Jahre Bestand und der Tunnel wurde danach zur Schuttabladung verwendet. Außerdem drang mit der Zeit auch Wasser in den Tunnel ein. Erst als die U-Bahnplanungen der Landeshauptstadt München konkrete Züge annahmen, erinnerte man sich wieder an den alten Tunnel, da dieser genau jener Linienführung in diesem Bereich entsprach, die auch die U-Bahn fahren sollte. So kaufte die Landeshauptstadt München als Bauherr des U-Bahn-Projektes für 5 Millionen DM den Tunnel von der Deutschen Bundesbahn, ließ ihn instandsetzen und integrierte ihn in die erste U-Bahnlinie U6 (heute: U3 und U6). Der ebenfalls seinerzeit im Rohbau fertiggestellte Bahnhof Goetheplatz war 1971 die erste südliche Endstation in der Münchener U-Bahngeschichte. Auch heute noch unterscheidet sich der U-Bahnhof Goetheplatz von allen anderen U-Bahnhöfen Münchens. So sind die Bahnsteige länger als die sonst üblichen 120 Meter. Das sieht man sehr deutlich, da ein 6-Wagen-Zug, der normalerweise die gesamte Länge des Bahnsteiges einnimmt, immer noch einige (viele) Meter Bahnsteig "übrig" lässt. Ferner sind die Sperrengeschosse niedriger und enger ausgeführt, als die der übrigen Stationen. Zur besseren Vorstellung, sei man - aus baulicher Sicht - auf den S-Bahnhof "Unter den Linden" in Berlin verwiesen. Dieser Bahnhof hat ähnliche Parameter. Der Tunnel unterscheidet sich auch in der Bauausführung von den übrigen U-Bahntunneln in München. Wenn man am Sendlinger Tor mit einem U-Bahnzug in Richtung Goetheplatz ausfährt, passiert man erst die Wendeanlage Sendlinger Tor. Danach - in der Höhe, wenn keine Stützpfeiler mehr in der Tunnelmitte sind - geht die Strecke in den alten Tunnel über. Dieser hat in regelmäßigen Abständen - wie bereits erwähnt - Einbuchtungen, die wohl zweierlei Zwecke erfüllen (sollten):

* Aufnahme der Ausleger der Oberleitung (ursprünglich sollte die zu NS-Zeiten geplante S-Bahn mit Oberleitung betrieben werden)
* Fluchtraum (wohl mangels damals vorgeschriebenem Schutzraum zwischen Zug und Tunnelwand).

Was der Fahrgast - auch bei eingeschalteter Tunnelbeleuchtung - nicht sieht, ist, daß der Tunnel sehr hoch ist. Das hängt wohl mit dem geplanten Einbau der Oberleitung zusammen. Es gibt in der Literatur nur sehr wenige Fotos, die dies zeigen. Die Tunneldecke ist gleichzeitig die Fahrbahn der direkt darüber verlaufenden Lindwurmstraße.

Vor dem Bahnhof Goetheplatz kommt eine doppelte Gleisverbindung und der Tunnel weitet sich in einem recht steilen Winkel und mündet in den Bahnhof Goetheplatz. Das Design entspricht jenem der übrigen U-Bahnhöfe "der ersten Stunde" in München, jedoch fällt dem architektonisch interessierten Fahrgast sofort auf, daß die Mittelstützen sehr dicht beeinander stehen - auch untypisch für München - und der Bahnsteig verhältnismäßig breit ist. Auf das Sperrengeschoss ist weiter oben und im anderen Posting schon eingegangen worden. Südlich des Bahnhofs Goetheplatz geht der Tunnel noch wenige Meter weiter und dort wurde der Bau seinerzeit beendet. Heute wird dieser seinerzeit blinde Tunnelstutzen dahingehend benützt, als daß hier der bergmännisch aufgefahrene Tunnel in Richtung Süden (nächster Bahnhof: Poccistraße) beginnt/endet und gleich über einen starken Neigungswechsel verfügt.

Ich hoffe, daß dieses doch interessante Thema, zum besseren Verständnis hier beigetragen hat.

Viele Grüße
Der Fahrgast

Edit: Schreibfehler korrigiert



Nachricht bearbeitet (25.09.03 12:45)
Hallo zusammen,

die große Bauhöhe des Tunnels hängt sicherlich mit den Oberleitungen zusammen aber auch mit der damals alllgemein höheren Bauform. Viele Altbaulinien der Berliner U-Bahn haben auch sehr hohe Querschnitte, z.B. Pl. d. Luftbrücke-Tempelhof.

Laut dem Buch über die Münchener S-Bahn sollte der "Lindwurmtunnel" einem S-Bahnnetz dienen. Der Hbf. sollte westlich an der Einmündung des Südringes neu gebaut werden. Es hätte nach Berliner Modell eine Ringbahn und eine Ost-West und Nord-Süd-Durchmesserlinie gegeben. Der Tunnle war für die Nord-Süd-Linie gedacht. Im Süden sollte es Verzweigungen auf den Südring Richtung Hbf. und Richtung Wolfratshausen und Deisenhofen geben. Perspektivisch sollte es auch einen Abzweig nach Gauting/Tutzing geben.

Gruß
Alex
Servus.
Zunächst mal ist Dein Beitrag wirklich lobenswert "Der Fahrgast".
Was man vielleicht noch ergänzen könnte wäre, daß bei der Integration des alten Tunnelstücks in die neugebaute U6 man ursprünglich dieses NS-Zeit Relikt bergmännisch unterfahren wollte, um in der gewohnten Tiefenlage bleiben zu können und sich die Arbeit mit "aus alt mach neu" sparen zu können.
Diese Idee fand aber nicht genügend Befürworter und so mußte der @#$%&-Tunnel grundsaniert werden, u.a. wurden die alten Decken größtenteils weggesprengt und durch neue ersetzt.
Das es, wie SWM/ MVG schreibt, in Höhe der Abstellanlage Sendlinger Tor Eingänge zu alten Bunkern geben soll, wäre mir neu. Noch nie was davon gesehen.
Noch zum Sendlinger Tor Platz: Dieser war - soviel ich weiß - kurz vor Beginn des Krieges auch schon Baustelle (Beginn Aushub), wurde aber nach Einstellung der Bauarbeiten nach Kriegsbeginn einfach wieder zugeschüttet.

Was mich persönlich mal interessieren würde:
Ca. 20m hinter dem Bahnhof Goetheplatz Gleis 2 endet der alte Tunnel und mündet in den - wie schon von "Der Fahrgast" erwähnt - neueren Tunnel Richtung Poccistraße. Auf Höhe dieser letzten 20m trifftet das Streckengleis leicht nach links und es befinden sich rechts Öffnungen (etwa Türgröße) in der Wand, ich glaube mit Gittern verbaut, die nicht so ganz ins Bild passen. Wo sie hingehen läßt sich nicht genau sagen. Vielleicht eine Art Luftschacht? Jedenfalls gehören sie noch zum Tunnelbereich aus den 1930ern.
Weiß jemand mehr?

Gruß Subwaycommander.
Hallo Subwaycommander!

Vielen Dank für Dein Kompliment und für die zusätzlichen Infos. Deine Kenntnisse sind ebenfalls sehr gut. Hierfür von meiner Seite auch ein Kompliment. Dieses Tunnelstück ist wohl das interessanteste unterirdische Bauwerk, daß dem Verkehrswesen dient. Wohl auch das einzige Bauwerk, was eine längere und abwechslungsreiche Geschichte vorweisen kann.

Das mit den Bunkern und den zugehörigen Eingängen ist mir auch neu und ich könnte mir auch nicht vorstellen, wo diese bei der heutigen Bebauung sich befinden könnten.

Ebenso neu ist mir die damalige Planung, den bestehenden Tunnel zu unterfahren. Damit wären die Bahnhöfe Sendlinger Tor und Poccistraße wohl verhältnismäßig tief gelegen. Damit erklären sich dann auch die z.T. heftigen Neigungswechsel zwischen Marienplatz und Poccistraße. Interessant ist dabei, wie tief der neue Tunnel unter dem bestehenden Tunnel hindurch geführt werden hätte müssen, so daß das statisch vertretbar gewesen wäre. Ferner wäre - sodenn die ursprünglichen Pläne umgesetzt worden wären - von Interesse, welcher Nutzung der damals brach liegenden Tunnel zugeführt worden wäre. Alles Spekulationen - wir sehen ja, wie der Tunnel heute genützt wird.

Die von Dir erwähnten Einbuchtungen sind mir auch schon aufgefallen, jedoch konnte ich auch noch nicht herausfinden, welchem Nutzen sie dienen. Vielleicht hat das einen Zusammenhang mit den ursprünglich geplanten Oberleitungsanlagen (z.B. Abspannvorrichtungen, Speiseleitungen zur Fahrstromeinspeisung). Evtl. war hier auch eine Bauvorleistung für einen Zugung zu einem Unterwerk oder etwas in der Art. Dies sind allerdings auch nur Mutmaßungen. Ob das Baureferat, Abt. U-Bahn-Bau mehr weiß?
Auf jeden Fall ist es seltsam, daß der Tunnel nach dem Bahnhof Goetheplatz so stark nach links driftet. Für ein Stück dürfte wohl kein Schutzraum zwischen Zug und Tunnelwand vorhanden sein. Die Linkskurve könnte evtl. mit der Linienführung zusammenhängen, wobei dies eigenartig ist, da die ursprüngliche S-Bahn-Linienführung wohl auch - wie die heutige U-Bahn - unter der Lindwurmstraße hindurchgeführt hätte.
Wie man sieht, Fragen über Fragen. Vielleicht kann jemand sie uns beiden beantworten.

Viele Grüße und noch ein schönes Wochenende
Der Fahrgast



Nachricht bearbeitet (28.09.03 00:02)
Hallo Subwaycommander,

>und es befinden sich rechts Öffnungen (etwa Türgröße) in der Wand, ich glaube mit >Gittern verbaut

Hmm. Reine Mutmaßung, aber laut Planung hätte ja weiter südlich die Aufzweigung zum neuen Hbf. via Südring sein sollen. Es war in den 30ern und auch später üblich solche vorgesehenen Abzweigungen mit Nischen in den Tunnelwämdem zu berücksichtigen (siehe Jungfernstieg U1 oder südlich Anhalter Bf.).

Gruß
Alex
Hallo "Der Fahrgast" (darf man Dich auch anders nennen?)

Die Stelle mit der Unterfahrung des Nazitunnels stammt aus dem Buch

"Eine Stadt geht in den Untergrund" von Dr. K. Zimniok, dem ersten U-Bahnreferenten der Stadt München. Erschienen im Hugendubel Verlag 1980.

Dieses Buch kann ich Dir wärmstens empfehlen, wenn Du mehr Details über die Anfangsgeschichte der Münchner U-und S-Bahn der 60er und 70er Jahre erfahren möchtest. Es steht auf jeden Fall in versch. Bibliotheken, u.a. Stadtbib Nürnberg oder auch Zentralbib der TU München.
Ebenfalls Danke für die Komplimente.

Gruß Subwaycommander.
hey! echt cooler tip!

ich werd mir, wenn ich zeit hab, dieses buch mal ausleihen, interessiert mich sehr!
danke

MS

Hallo allseits,

ich weiß, das staubt jetzt etwas, wenn ich das Thema wieder aus der versenkung hebe [...], aber mich würde mal interessieren, ob es neue Erkenntnisse zu den oben aufgeworfenen Fragen gibt, speziell, was in den Buch nun dringestanden hat (und ob jemand Tunnelbilder evtl. auftreiben konnte.]

Gruß D. Vielberth
[www.gleistreff.de]
Alles ist wie immer, nur schlimmer... (Bernd das Brot)
Was für Fragen hast du denn so konkret? Das Zimniok-Buch liegt bei mir gerade neben dem Schreibtisch auf dem Stapel mit dem Eisenbahnatlas, dem U-Bahn-Buch, "25 Jahre U-Bahn-Bau in München" und "Das Berliner U- und S-Bahn-Netz", also wenn du Fragen hast ... Aber bisschen konkreter könnten sie schon sein :)

--
U-Bahn München
Hallo zurück,

naja das mit dem vergitterten Schacht einerseits, und anderereseits speziell Bilder. Also Bilder vom Bau, wie er zu Schwammerlzucht-Zeiten aussah, Bilder vom Umbau, und wie sieht er heute aus (auch von besagter hoher Decke). Weil meistens wenn ich U3/U6 fahre ist die so voll, das ich irgendwo stehe, bloß net da wo man was sieht, und abgesehen davon, komme ich net so häufig nach Münchnen. Ansonsten, wenn etwaige Netzspinnen zu jener @#$%&-Plannug gab' die natürlich auch (oder eine Stationsliste jener geplanten S-Bahn, nach der man einen Plan zeichnen könnte)

Danke schon mal im Voraus

Gruß D. Vielberth
[www.gleistreff.de]
Alles ist wie immer, nur schlimmer... (Bernd das Brot)
Ich stelle mal eine Vermutung an, warum der Tunnelstutzen nach dem Goetheplatz zwar gerade weitergeht, die Strecke heute aber bereits eine Linkskurve einleitet: Um einen möglichst großen Radius verwirklichen zu können, verlaufen die beiden Streckentunnel im Bereich Lindwurmstraße 115 sehr nah an der (südlichen) Bebauung und nicht in der Straßenmitte. Diesen größeren Radius erhält man, wenn die Kurve bereits am Bahnsteigende beginnt. Früher hätte man das sicher so geplant und gebaut, dass der Tunnel bis zur Biegung der Straße (etwa bei Hsnr 115) wohl geradeaus weiter verlaufen wäre und sich dann eine recht enge Kurve angeschlossen hätte (vgl. S-Bahn Berlin, U-Bahn Hamburg). Das erklärt jetzt allerdings nicht den kleinen "Gegenhaken", den die Linkskurve stadtauswärts beim Übergang in den neuen Tunnel macht.
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