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Schweres Zugunglück bei Bad Aibling
geschrieben von Christian0911 
> Ist es denn sicher, dass eine vorgemerkte Fahrtstraße entgegen der Erlaubnisrichtung nicht freie Einfahrt bis zum nächsten Blocksignal
> ermöglicht, wenn die Erlaubnisrichtung gewechselt wird und der Durchrutschbereich durch den folgenden Block abgesichert ist?

Ich hab extra LST'ler gefragt, die sagen, geht nicht, der Fahrtsraßenwiderspruch kommt zu früh, als das ein Nachlaufen möglich wäre. Wenn ich die Aussage richtig verstanden habe, als der Erlaubniswechsel auf einer so frühen Ebene der Fahrwegsprüfung wie die Gleiswfreimeldeanlage und die Weichenlage drin. "Nachdrücken" einer zweiten Ausfahrt geht ja auch nur, wenn der Vorzug mindestens im Ausfahrblockabschnitt ist (der normale Ausfahrabschnitt innerhalb des Bf genügt nicht). Der Erlaubnismelder "grätscht" also wie eine Rotausleuchtung im Bf, oder eine nicht umgelaufene (oder nicht im Verschluss befindliche Weiche) gleich zu Beginn rein, wahrscheinlich bricht der Fahrstraßenaufbau (soweit er überhaupt anläuft) sogar noch unter Rangierstraßenniveau ab (unvollständige Spurausleuchtung).

> Kolbermoor mit grüner Ausfahrt?

Also ich gehe derzeit davon aus, das das Grün nicht durch eine bewusste Bedienhandlung, sondern wenn dann eher durch einen vergessenen Selbststeller entstand.

Gruß D. Vielberth
[www.gleistreff.de]
Alles ist wie immer, nur schlimmer... (Bernd das Brot)
Lieber Daniel, genau das, was Du beschreibst, bestätigt meinen Eindruck, dass die Kompliziertheit der Vorgänge letztendlich nicht mehr für jeden Beteiligten durchschaubar war und zum Desaster geführt hat. In meinem über 4 Jahrzehnte währenden Berufsleben bei der Justiz ist es immer wieder in vielerlei Lebensbereichen vorgekommen, dass Mitarbeiter versucht haben, (")mangelhafte(") Regeln, die viele Nachteile für den Arbeitsablauf und die Kunden gebracht haben, durch Tricks zu "verbessern" und dies jahrelang gut gegangen ist, bis es halt zum Unglück gekommen ist. Dann aber sind alle über den Mitarbeiter/in an der Front hergefallen und haben ihm/ihr die Schuld gegeben. Und das war juristisch i.d. Regel wohl auch in Ordnung. Die höherrangige Büroebene hat auf ihre aufgestellten Regeln verwiesen und bekundet es sei ja alles gut gelaufen, es seien keine Änderungen der Regeln angezeigt gewesen. Bei Anwendung ihrer Regeln wäre es zum Unglück nicht gekommen. Gerade engagierte Mitarbeiter/innen, denen ihr Beruf am Herz gelegen ist und ihn optimal für die Kunden ausführen wollten, sind in diese Falle getappt.
Du brauchst und sollst keine Tricksereien preisgeben noch besser wäre es aber, wenn Du im Arbeitsablauf erreichen könntest, dass keine Tricksereien erforderlich wären, dann bräuchte mir um Dich nicht Angst und Bange werden. Was sind schon 20 Minuten Verspätung im Vergleich zu 11 Menschenleben und -zig Verletzten.
Herzliche Grüße
Lebenskür
an Lebenskür

> Du brauchst und sollst keine Tricksereien preisgeben noch besser wäre es aber, wenn Du im Arbeitsablauf erreichen könntest, dass keine
> Tricksereien erforderlich wären, dann bräuchte mir um Dich nicht Angst und Bange werden. Was sind schon 20 Minuten Verspätung im
> Vergleich zu 11 Menschenleben und -zig Verletzten.

Keine Sorge, zu wissen, welche "Tricks" ein Stellwerk "abkann" ist was anderes, als diese selbst auch zu benutzen. Nur weil man weiß, wie sich Dinge prinzipiell beeinflussen lassen, heißt das nicht, das man es auch selber macht. Im Gegenteil. Das Regelwerk ist ja eigentich auch dazu da, uns "an der Basis" davor zu schützen, in Scherereien zu kommen. Solange wir regelwerkskonform handeln darf nichts passieren können, und wenn doch, sind wir zumindest nicht schuld. Ich schätze regelwerkskonformes Handeln als hohes Gut und versuche dies auch nach besten Wissen und gewissen so hand zu haben. Sicherlich ist es erforderlich das eigene Handeln stets kritisch zu hinterfragen, damit sich nicht im Laufe der Zeit Handlungsautomatismen einschleichen, die zu Flüchtligkeitsfehlern führen können, und wie überall wird es mal besser oder mal schlechter gelingen, aber das Ziel ist bei mir nach wie vor, das weder ich mir noch andere mir etwas vorwerfen können.

Gruß D. Vielberth
[www.gleistreff.de]
Alles ist wie immer, nur schlimmer... (Bernd das Brot)
Das Stellwerk Kolbermoor wurde 1977 gemeinsam mit dem Stellwerk Bad Aibling auf Sp Dr S 60 modernisiert. Der Bf Heufeld wurde dabei höchstwahrscheinlich in den Bad Aiblinger Stelltisch integriert.
1990 wurde der FDL-Posten und das Stellwerk in Kolbermoor aufgelöst und dem FDL in Bad Aibling übertragen. Leider gibt es keinerlei Infos zu dem Stelltisch in Bad Aibling, jedenfalls habe ich noch nichts gefunden.
Kann es nicht sein, dass der komplette Stelltisch aus Kolbermoor in Bad Aibling aufgebaut wurde, und
- entweder die komplette Relaisteuerung auch nach Bad Aibling umgezogen wurde (durch Verlängerung aller Steuerkabel - Weichen, Signale, Achszähler) nach Bad Aibling (wäre ja kein Problem, da deutlich < 6km),
- oder nur der Stelltisch umgezogen wurde und Schalt- und Ausleuchtanschlüsse mit einem Kabelbaum an der Relaianlage in Kolbermoor angeschlossen wurden?
Das würde dann heißen, dass der FDL zwei Stelltische zu bedienen hatte, und das das Verfahren mit der Erlaubnisrichtung ebenfalls beibehalten wurde.
Kann das sein?
an Laurenzbo

deine Frage ziehlt letztlich auf die Fragestellung ferngestellt oder ferngesteuert - ich weiß es auch nicht, aber es ist auch völlig egal ob es ein oder zwei Stelltische sind, die Erlaubnisabhängigkeit wird in jeden Fall einbaut sein.

Es gibt nur ganz wenige, ganz spezielle eingleisige Strecken, wo du die nicht hast. Ich kenne bislang nur ein Beispiel, dort liegen drei eingleisige Strecken nebeneinnander, die allesamt nur in Richtung von West nach Ost befahren werden. Dort gibt es auch nur Fahrstraßen in dieser Richtung, die Gegenrichtung fährt dort normal niemals lang, sollte es wegen einer Störung erforderlich sein, ist dort eben fahren auf Bef oder auf Zs1. Sowas findest du aber nicht auf einer planmäßig in zwei Richtungen befahrenen Strecke.

Bzw. um genau zu sein, wir reden hier natürlich nur von Strecken die nach Ril 408 betrieben werden, nicht von Strecken nach 436 (Zugleitbetrieb).

Gruß D. Vielberth
[www.gleistreff.de]
Alles ist wie immer, nur schlimmer... (Bernd das Brot)
@ Daniel Vielberth: Danke - es geht mir weniger um die Erlaubnisrichtung (das scheint inzwischen sicher zu sein, dass Rangierfahrstraßen gegen die Erlaubnisrichtung einlaufen können, auch wenn man außerhalb der ermittelnden Fachleute noch nicht weiss, ob das in Bad Aibling überhaupt relevant war). Mir geht es um die Frage, warum der FDL nicht schneller gemerkt hat, dass der Zug in Kolbermoor schon losgefahren war (erste Besetzmeldung im Rangierbereich zwischen Ausfahrsignal Bad Aibling und Einfahrsignal Kolbermoor im Rangierbereich bzw. Freimeldung des Bahnhofgleises). Wenn alle drei Bahnhöfe auf dem gleichen Stelltisch sind (Heufeld, Bad Aibling und Kolbermoor), hätte ihm das eigentlich ins Auge springen müssen - er scheint ja versucht zu haben, den TF in Kolbermoor vorschriftsmäßig über die Rücknahme zu informieren, und das Risiko einer Rücknahme ohne Absprache wäre ja klar da gewesen. Wenn Kolbermoor aber nebenan auf dem umgezogenen Stelltisch liegt (Platz in dem Stellwerksraum wäre wahrscheinlich da, Bad Aibling hatte mal viel mehr Gleise und einen Abzweig nach Feilnbach) und er nach der Aktion mit Ausfahrweiche umstellen, ZS1 geben und den Zug bis Kurpark und dem dann kurz grünen Blocksignal am Kurpark am Aiblinger Stelltisch (oder dort das zweite ZS1 geben, was ich mir nicht vorstellen kann) erst spät auf den Kolbermoorer Tisch geschaut hätte, wäre das auch ein Faktor. Wegen dem Funkloch hätte er vielleicht trotzdem keine Chance mehr gehabt, mit GSM-R den Unfall zu verhindern, aber vielleicht hätte es ja doch noch geklappt - die Funklöcher sind ja nicht fest und streckendeckend, die LA-Eintragung sagt nur, dass man in dem Bereich damit rechnen muss. Bei dem Szenario hätte jede Sekunde gezählt.



1 mal bearbeitet. Zuletzt am 26.02.2016 17:47 von LaurenzBo.
Laut Stuttgarter Zeitung gibt es auch Mängel im Sicherheitssystem.

[www.stuttgarter-zeitung.de]

Sind neuere Meldungen zur Ursache bekannt?

______

metrobits.org
> Sind neuere Meldungen zur Ursache bekannt?

Ich kenne keine. Die lückenhafte Abdeckung des GSM-R hat vielleicht eine wichtige Rolle gespielt. Zentrale Fragen bleiben aber nach wie vor offen.
Der Leverkusener Anzeiger berichtet, dass der Fahrdienstleiter vier Mal falsch gehandelt hat:

1. Er hatte versucht, dem Zug im Bahnhof Bad Aibling mit vier Minuten Verspätung grünes Licht zu geben, obwohl er hätte wissen müssen, dass er dem Gegenzug in Kolbermoor bereits freie Fahrt gewährt hatte.

2. Da dies nicht funktionierte, versuchte er es ein zweites Mal.

3. Beim erneutem Scheitern hatte er das Ausfahrsignal im Bahnhof Bad Aibling per Hand auf Grün geschaltet.

4. Er hatte das zweite Signal auf der Strecke per Knopfdruck als Ersatzsignal per Hand freigegeben und unterließ dabei zu prüfen, ob dieser Streckenabschnitt auch wirklich frei war.


Außerdem berichtet die Zeitung, dass der Fahrdienstleiter zwei Notrufe absetzte, als er seinen Fehler erkannte. Der erste war aber nicht angekommen und der zweite erfolgte erst nach dem Zusammenstoß. Es wird auch gesagt, dass der Vorfall noch untersucht wird und bisher in Deutschland noch kein einziges Bahnunglück durch den Ausfall des Bahnfunks verursacht wurde. Da bin ich mir nicht sicher, ob dies stimmt. Zusammenstöße auf eingleisige Strecke gab es schon immer wieder wegen Kommunikationsprobleme.
2003 stießen bei Schrozberg ebenfalls zwei Züge zusammen, weil meines Wissens auch der Fahrdienstleiter einen Fehler machte und die Lokführer nicht mehr informiert werden konnten.
War es 1971 in Dahlerau nicht genauso? So alt bin ich noch nicht.
an Henning

Punkt 3 kann definitiv nicht gehen, der Bediener kann mit Sicheheit kein Hp1 ohne Fahrstraße hindrücken, wenn, dann muss es auch dort Zs 1 sein.

Gruß D. Vielberth
[www.gleistreff.de]
Alles ist wie immer, nur schlimmer... (Bernd das Brot)
Genau erklärt steht in der Zeitung "Er hat das Ersatzsignal gezogen, das dann zwar weiter Rot zeigt, aber dem Lokführer mit drei weißen Punkten signalisiert, dass er dennoch fahren kann."
Stimmt. Der Beitrag ist aber in dem entscheidenden Punkt nicht klar:
Der vierte Fehler: Auch dieses Signal muss der Fahrdienstleiter per Knopfdruck als Ersatzsignal per Hand freigegeben haben.
Offensichtlich sind sich die Ermittler da noch nicht sicher. Und dafür gibt es zwei triftige Gründe:
1) Der FDL hat ausgesagt, dass er den 76505 in Bad Aibling mit einem Ersatzsignal auf die Strecke zum 800m entfernt gelegenen Haltepunkt Kurpark geschickt hat. Und hat dafür wahrscheinlich auch gute Gründe angegeben. Gesichert war der Block ja durch das Streckenblocksignal von Kolbermoor her, es hätte nichts passieren können. Er hat vehement bestritten, am Steckenblocksignal Kurpark ein zweites Mal Ersatzsignal gegeben zu haben. Dafür hätte er auch völlig geistig umnachtet gewesen sein müssen - die Taste heisst nicht umsonst unter Fahrdienstleitern auch "Knasttaste". Man überlegt es sich sehr gut, bevor man sie benutzt.
2) Wenn er das- aus irgendeinem nicht nachvollziehbaren Grund dennoch getan hätte, wüssten das die Ermittler definitiv. Weil die taste zusammen mit einer Hilfstaste gedrückt werden muss (schon, damit eine zufällige Fehlbedienung ausgeschlossen ist), und weil dabei ein Zähler weiterzählt und die Aktion dokumentiert. Der FDL muss dann den neuen Zählerstand in die Kladde eintragen und dazu schreiben, warum er ZS1 gegeben hat. Bei Schichtbeginn hat er vorher den Zählerstand abgeglichen. Den Zähler kann er nicht beeinflussen.
Wenn er also am Ausfahrsignal Bad Aibling und am Streckenblock Kurpark ZS1 gegeben hätte, wüssten das die Ermittler zweifelsfrei. Zudem muss der Lokführer beim Passieren des roten Signals die Indusitaste drücken, um die Zwangsbremsung zu vermeiden. Das wird auf dem Fahrtschreiber des Zuges festgehalten.
an LaurenzBo

> Er hat vehement bestritten, am Steckenblocksignal Kurpark ein zweites Mal Ersatzsignal gegeben zu haben. Dafür hätte er auch völlig geistig
> umnachtet gewesen sein müssen - die Taste heisst nicht umsonst unter Fahrdienstleitern auch "Knasttaste".

Naja als "Knasttaste" kenne ich eigentlich eine andere... Aber zu dem, das der FDL das bestreitet, finde ich nichts, hast du da ne Quellenangabe (ich kenne durchweg nur Medienberichte, die von zweimaliger Zs 1-Bedienung ausgehen)?

Gruß D. Vielberth
[www.gleistreff.de]
Alles ist wie immer, nur schlimmer... (Bernd das Brot)



1 mal bearbeitet. Zuletzt am 02.03.2016 20:06 von Daniel Vielberth.
Hat meiner Erinnerung nach der Staatsanwalt in der Pressekonferenz gesagt, in der auch die später abgesagte Nachstellung des Ablaufs auf der Strecke angekündigt wurde. Wenn das zweite Zs1 dokumentiert gewesen wäre, wäre diese Nachstellaktion wahrscheinlich von vornherein nicht nötig gewesen.
Jetzt bin ich aber neugierig - was ist denn die Knasttaste?

Das Video mit der genannten Aussage habe ich noch nicht gefunden - die PK war es nicht. Zwei andere für die Fragestellung interessante: https://www.youtube.com/watch?v=Gjt3DoOtku4
"Es wurde ein Sondersignal gegeben, dass nicht gegeben werden durfte." 21:45 Zu der Nachstellung auf der Strecke: "Wie der Geschehensablauf auf der Strecke, am besten sekündlich, war." 22:30
[www.youtube.com]



3 mal bearbeitet. Zuletzt am 03.03.2016 17:20 von LaurenzBo.
Verkettung von zwei Fehlleistungen führten wohl zu dem Unglück:

[www.nordbayern.de]

Viele Grüße
Christian0911
(Mein YouTube-Kanal)
Naja, dass der FDL irrtümlich beim ersten Notruf den Streckennotruf und nicht den Triebfahrzeugführernotruf erwischt hat, ist eine neue Info.
Die wirklich entscheidende Frage, wie beide Züge überhaupt auf Kollisionskurs in den Streckenabschnitt Kolbermoor - Bad Aibling Kurpark gekommen sind, ist aber noch offen. Herrmann hat sich anscheinend darüber nur sehr nebulös geäußert ("beide Züge auf eine eingleisige Strecke geschickt"). Wie das genau passiert ist, ist aber die entscheidende Frage. Wenn von zwei Fehlern des FDL die Rede ist, und der zweite die falsche Auswahl des Notrufkanals war, geht das nicht auf. Der erste, bereits bekannte Fehler war, den Zug in Bad Aibling mit einem ZS1 in den Abschnitt bis zum Signal Kurpark zu schicken, ohne vorher mit dem Gegenzug in Kolbermoor die Rücknahme der freien Ausfahrt in Kolbermoor abzuklären. Das wäre mit GMS-R als üblicher Weg ein Klacks gewesen - warum ist das nicht erfolgt?
Der Unfall wäre aber immer noch nicht möglich gewesen, obwohl beide Züge schon gegeneinander auf der eingleisigen Strecke waren. Die Streckenblocksignale hätten ihn zuverlässig verhindert. Es hätte nur einen Deadlock gegeben, und einer der beiden Züge hätte zurückfahren müssen. Ob aber am Streckenblocksignal Kurpark zum zweiten Mal ZS1 gegeben wurde, ist immer noch offen. Der FDL hat es bestritten, und es wäre über den protokollierenden Zählerstand im Stellwerk Bad Aibling und den zuletzt gefundenen Fahrtenschreiber des Zuges Richtung Kolbermoor zweifelsfrei nachgewiesen. Das wäre aber der dritte und entscheidende Fehler gewesen.
Sehr, sehr seltsam, diese neue außertourliche Information. Sie wirft neue Fragen auf, ohne einen Hinweis für die entscheidende zu geben. Meine Vermutung: Herrmann hat auf der Grundlage des Warnhinweises an die Bahn, dass bei dem GSM-R-Notrufsystem ein ernstes Problem besteht (Verwechslungsmöglichkeit beim Notruf), gegenüber der BILD geplaudert. Über die eigentliche Ursache des Unfalls, die wohl sehr komplex ist, und zu der sich niemand den Mund verbrennen will, bevor sie nicht über das Gutachten restlos aufgeklärt ist, hat er nichts gesagt, und vielleicht hat er die wichtigen Details dieses Verlaufs auch nicht verstanden.
Deswegen als Fazit: Der GSM-R Notruf hat eine tückische Fehlermöglichkeit, ohne die der Unfall vielleicht verhindert worden wäre. Das ist nicht akzeptabel. Gerade in der Panik, wenn der FDL merkt, welches Verhängnis in Gang gesetzt wurde, darf er sich nicht an Feinheiten der Untermenüs erinnern müssen. Notruf ist Notruf und muss unverzüglich richtig ankommen.
Und der eigentliche Grund dafür, dass überhaupt ein Notruf nötig wurde, ist immer noch offen. Dass die Technik wie geplant funktioniert hat, ist klar. Das hat ja das GSM-R-Notrufsystem auch getan, und trotzdem den Unfall - obwohl möglich - nicht verhindert. Hier liegt der Hund begraben.
Details zu der Notrufproblematik aus dem Bahnerforum:
"Wie kann man bei Dicora "C" (dieses Gerät wird der Fdl Bad Aibling wohl im Einsatz haben) die falsche Taste drücken? Die Wahrscheinlichkeit liegt bei 50% (N1 oder N2), also wird ja auch geübt. Übt man mit den richtigen Tasten (Quadrat und "N1"), stumpfen die Lokführer ab, weil sie in der Regel nur Probenotrufe hören. Also weicht man auf den Strecken-Notruf (Quadrat und "N2") aus. Und was passiert im Ernstfall? Man drückt die Tastenkombination "Quadrat + N2". Das hat man bis zum Erbrechen geübt, das kann man im Tiefschlaf. Gut, der Notruf kommt nie bei den Tf an, aber man hat den Notruf abgesetzt und jetzt wird alles gut. Ich würde mich nicht wundern, wenn genau dies in Bad Aibling passiert ist.

Warum also diese Überei? Weil man (zu spät) erkannt hat, dass die Überfrachtung der Notruf-Möglichkeit mit zig verschiedenen Strecken und Kanälen (Zug-Notruf, Strecken-Notruf, Rangier-Notruf) zu Irritationen führen kann. Also wird geübt, geübt, geübt. Logisch, dass es auf der anderen Seite der Leitung zu einer Gewöhnung kommt und wertvolle Sekunden verloren gehen.

Nun, jetzt sind auf der anderen Seite wertvolle Sekunden verloren gegangen. "
Hallo zusammen, hier im Forum. Ich verfolge die Diskussion hier seit dem ersten Eintrag. In meiner Kindheit bin ich zu einer Zeit, als noch Esslinger Triebwagen und von E44 gezogene Züge auf der Mangfalltalbahn unterwegs waren, die Strecke Kolbermoor - Bad Aibling hunderte Male auf dem Weg zur Schule und zurück gefahren. Ich kann mich noch gut an die Formsignale und Hebelstellwerke erinnern. Früher war auch an jedem Bahnhof ein FDL. Ich (als Laie) interssiere mich seit jeher für Zugsicherungstechnik und bitte die Fachleute hier um Nachsicht, falls ich etwas falsches schreiben sollte.
Für mich sind noch einige elementare Fragen offen, doch zunächst etwas, was mich etwas beunruhigt.
Am frühen Abend des Faschingsdienstag habe ich einen alten Freund getroffen. Nach seinem Bekunden gab es ein Interview auf einem Lokalsender, in dem ein junger Mann berichtete, dass am Wochenende vorher (also am 06./07. Februar) ein Zug trotz rotem Signal von Bad Aibling in Richtung Kolbermoor ausgefahren sei, nach kurzem Halt am Kurpark wieder zurück in den Bahnhof Bad Aibling fuhr, wo kurz darauf ein Gegenzug aus Kolbermoor eintraf. Leider konnte ich bis heute die Radiostation, die dieses Interview gegeben haben soll, nicht recherchieren. Ich frage mich, ob das eine "Finte" gewesen sein kann, wobei dann die Frage nach dem "warum so etwas in die Welt setzen" sofort hochkommt, oder aber, ob dieses Interview bewusst "zurückgehalten" wird. Vielleicht findet sich ja jemand hier, der gleiche oder ähnliche Info hat.
Es ist jetzt von zwei oder drei Fehlern des FDL die Rede. Ob das im Endeffekt noch mehr waren, ist egal, es waren derer einfach zu viele. Klar scheint ja zu sein, dass er den Zug Richtung Kolbermoor - warum auch immer - mittels ZS1 auf die Strecke geschickt hat. Was aber bitte zeigte das Blocksignal in Bad Aibling - Kurpark? Das kann doch unmöglich HP1 gezeigt haben, war doch der Streckenblock mit dem Zug von Kolbermoor kommend belegt. Also kann es doch nur sein, dass hier ein zweites Mal ZS1 gegeben wurde, was hier auch schon mehrfach "angedacht" wurde.
Dann muss aber nochmal menschliches Versagen seitens des TF passiert sein. Ich hab mal gelernt, dass nach einem ZS1 bis zum nächsten Hauptsignal auf Sicht mit max. 40 km/h gefahren werden darf. Wie wir wissen, waren beide Züge mit ca. 100 km/h unterwegs. In Anbetracht der Entfernung zur Unfallstelle muss der TF ab Kurpark richtig "Gummi" gegeben haben. Ob hier die wertvollen Sekunden gewesen wären? Wie auch immer: Fragen, Fragen, Fragen. Man darf gespannt sein, was die Ermittler rausfinden und vor allem - an Infos rausgeben.



1 mal bearbeitet. Zuletzt am 30.03.2016 13:54 von Captain_Bav.
Die Geschwindigkeitsbeschränkung auf 40km/h gilt nur, wenn am Hauptsignal, an dem ZS1 gegeben wurde, ein dunkel geschaltetes Vorsignal ist, und das nächste Hauptsignal noch nicht sichtbar ist. Dann muss der TF 40km/h fahren, bis er das folgende Signal sicher erkennen kann.

Deine Info über den möglichen Vorfall vom 6./7.2. ist hochinteressant. Das würde zu meiner Vermutung passen, dass ein Betriebsablauf wie am Unfalltag regelmäßig üblich war, ohne dass das Zusammenwirken unglücklicher Umstände und ein exaktes Timing zu dieser extrem unwahrscheinlichen Katastrophe führte. Auf der überbelasteten Strecke mussten häufig Begegnungsbahnhöfe abhängig von den Verspätungsverläufen gewechselt werden, und der Aufwand dafür kann mit einem Trick deutlich reduziert werden. Dieser Trick ist wahrscheinlich nicht einmal vorschriftswidrig (wenn auch nicht für den normalen Streckenbetrieb vorgesehen) und war wahrscheinlich auf diesem Abschnitt übliche Praxis. Wenn dieser Vorfall tatsächlich passiert ist, heisst das zusätzlich, dass am Wochenende davor der Zug in Kolbermoor nicht über die Rücknahme der freien Ausfahrt Richtung Bad Aibling per GSM-R informiert wurde, warum auch immer. Sonst wäre er in Kolbermoor stehen geblieben.

Genau das gleiche wie am Wochenende davor wäre dann auch am Faschingsdienstag passiert, wenn - so meine Vermutung - das Streckenblocksignal am Kurpark nicht kurz auf Grün gegangen wäre (ohne Einflussnahme des FDL) und den Zug Richtung Rosenheim auf die Strecke gelassen hätte, obwohl der Kolbermoorer Zug bereits ebenfalls mit Grün losgefahren war. Und das ganze ohne eine technische Fehlfunktion, das ist nämlich trotz voll funktionierender Technik sehr wohl möglich. Einzige Bedingung für diesen Ablauf ist neben dem Timing, dass der FDL vor der Rücknahme der bestehenden Ausfahrt Kolbermoor nicht über GSM-R den Tf des in Kolbermoor auf die Abfahrtszeit wartenden Zuges kontaktiert (oder wegen Funkloch nicht kontaktieren kann - die Meßfahrten zum Funkloch sagen nämlich zunächst sehr wenig darüber aus, ob unter bestimmten Bedingungen an einem bestimmten Ort eine Verbindung zustande kommt).
Ohne dieses extrem unwahrscheinliche Timing am Unglückstag wäre der Zug nach Rosenheim in Kurpark vor dem roten Streckenblocksignal gestanden, und der Zug aus Kolbermoor vor dem roten Streckenblocksignal nach der Unfallkurve vor dem Bahnübergang. Und der Zug aus Bad Aibling hätte wie am Wochenende vom HP Kurpark bis Bad Aibling zurückfahren müssen, um den Deadlock aufzulösen.

Es gibt für die Katastrophe dann wohl eine deutliche Mitschuld Dritter. Der FDL am Unfalltag war Springer, und wusste möglicherweise nichts von dem Vorfall am Wochenende davor, oder der Deadlock mit Zurückfahren konnte bislang fast immer vermieden werden und war nicht als potentielles Risiko (außer der entstehenden Verzögerung) erkannt worden. Auf jeden Fall wurde versäumt, nach dem Vorfall vom 6./7.2. Konsequenzen für den Betriebsablauf zu ziehen - immerhin wurden schon da zwei Züge gegeneinander auf den eingleisigen Abschnitt gelassen, wenn auch durch die Signaltechnik auf den ersten Blick völlig gesichert. Vielleicht war bislang diese Praxis vertuscht worden, und die technische Überprüfung der Signaltechnik die Woche davor war erfolgt, weil in Bad Aibling zu häufig ein Zug mit ZS1 nach Kurpark geschickt wurde und leitende Verantwortliche bei Sichtung der Stellwerkskladde sich gefragt haben, warum das so war. Den Trick hatte man entweder nicht auf dem Schirm, oder man hat ihn im Interesse eines zügigen Betriebsablaufs hingenommen.
an LaurenzBo:
>> Die Geschwindigkeitsbeschränkung auf 40km/h gilt nur, wenn am Hauptsignal, an dem ZS1 gegeben wurde, ein dunkel geschaltetes Vorsignal ist, und das nächste Hauptsignal noch nicht sichtbar ist. Dann muss der TF 40km/h fahren, bis er das folgende Signal sicher erkennen kann.

Wenn ich nicht komplett irre, gibt es am Block(Haupt)signal Kurpark kein Vorsignal. (Wofür auch, der vorausliegende Block geht bis zum ES Kolbermoor) Falls auch hier ZS1 gegeben wurde, ist doch eine entscheidende Frage, weswegen der TF derart "Gummi" gegeben hat, obwohl er bis zum ES Kolbermoor regelkonform nur 40 km/h hätte fahren dürfen. Die Unfallstelle liegt bekanntermaßen wenige hundert Meter hinter dem Blocksignal.
Du schreibst "grün am Blocksignal Kurpark" wäre technisch möglich, trotzdem der voraus liegende Block von einem Gegenzug belegt ist? Wie soll das denn gehen? Wäre ja eine fatale technische Fehlkonstruktion.........

Wenngleich meine Info zu dem Vorfall 6./7.2. "hochinterssant" ist, möchte ich nochmal darauf hinweisen, dass ich den Sender bislang noch nicht recherchieren konnte.

Was mich höchstgradig erschreckt, dass die Sicherungstechnik mit "Tricks" umgangen oder zumindest beeinflusst werden kann und seis nur drum, den Aufwand zu minimieren. Ist das tatsächlich so?



1 mal bearbeitet. Zuletzt am 31.03.2016 17:18 von Captain_Bav.
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