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Internationale Studie belegt: Ohne Straßenbahn stirbt der Handel
geschrieben von BahnInfo-Redaktion 
Kaum ein Verkehrsmittel scheint eine so bewegte Geschichte wie die Straßenbahn zu haben. Als Fortbewegungsmittel war sie zum Anfang des 20. Jahrhunderts noch die Nummer eins, galt kurz danach bereits als antiquiert und befand sich spätestens ab den 1950ern dank des Omnibusses auf dem absteigenden Ast. Ganze Betriebe wurden stillgelegt respektive das Netz in den Tunnel verlegt.
Heute allerdings gelten die verkehrspolitischen Grundsätze von einst als überholt und die Elektrische feiert mit ihrem neuerlichen Namensgewand „Stadtbahn“ auf der ganzen Welt ihre Renaissance. Gleichwohl der Expansion bestehender sowie des Neubaus moderner Strecken, vor allem in Europa, gibt es nach wie vor Zweifler, denen der Bus wegen seiner geringeren Infrastruktur als kosteneffizienter erscheint. Dass diese Modellrechnung jedoch nur halbherzig formuliert ist und elementare Aspekte der Nachhaltigkeit ausblendet, belegen jetzt die Ergebnisse von Univ.- Prof. Dr. Carmen Hass-Klau, Wissenschaftlerin an der Bergischen Universität Wuppertal mit dem Lehr- und Forschungsgebiet Öffentliche Verkehrs- und Transportsysteme -Nahverkehr in Europa. Sie zeigen, dass die Straßenbahn weit mehr als nur eine Transportmöglichkeit darstellt und Synergien weckt, die ganz entscheidend Einfluss auf das Prosperieren jeweiliger Stadtquartiere nehmen.

So gibt es laut Prof. Hass-Klau zwischen der im Straßenbild integrierten Bahn und dem Marktwert der umliegenden Gebäude einen absoluten Zusammenhang innerhalb der Entwicklung.
„Bis jetzt haben wir Köln, Hannover, Karlsruhe, Freiburg und Mannheim analysiert. Vergleicht man dabei die Entwicklung in 300-m-Korridoren entlang neu gebauter Stadtbahnstrecken mit der Entwicklung in Gebieten ohne Stadtbahnanschluss, so lässt sich quer durch alle Verkaufsarten (Erstverkauf, Weiterverkauf, Umwandlung) feststellen, dass sich die Stadtbahninvestitionen positiv auf die Kaufpreise ausgewirkt haben“, die Forscherin wörtlich. Ferner präsentiere ihr zufolge Karlsruhe das signifikanteste Bild. Dort stehen einem Positivtrend entlang der Straßenbahnkorridore von in Zahlen +0,4% einem rezessiven Betrag in unterversorgten Gebieten von -3,7% gegenüber.
Noch drastischer seien die Erfahrungen ihr nach aus dem Ausland: „Eine Studie in England für Transport for London zeigt, dass in der Mehrzahl der Fälle die Hauspreise in Greater Manchester innerhalb eines 300-m-Radius einer Stadtbahnhaltestelle höher sind als in Straßen, die mindestens 600 m von einer solchen entfernt liegen. Die Preisunterschiede waren zwischen 7% und 30%.“
Weiter attestiert Prof. Hass-Klau eine Kondition gegenüber dem umliegenden Einzelhandel. Als Exempel benennt sie Straßburg. Hier habe man auf Verlangen der Unternehmer die Straßenbahn bewusst am Zentrum Schiltigheims vorbeigeführt. Heute bereuen ihren Angaben getreu die Händler den Widerstand von damals. Aber auch auf deutschem Territorium verhalte es sich nicht besser. Beispielsweise in Nürnberg, „wo durch den U-Bahn-Bau das Straßenbahnnetz stark reduziert wurde; besonders sind die früheren Linien 3/13/14 und 2/12 zu nennen, die in den südwestlichen Streckenabschnitten zu einer U-Bahn-Linie vereint wurden. Die Geschäfte an den früheren Haltestellen existieren heute zum größten Teil nicht mehr“.

Fakten, die der Professorin nur ein einziges Urteil erlauben: „Wir können mit großer Sicherheit annehmen, dass die Verlagerung oder die Herausnahme einer Straßenbahn gravierende negative Folgen für den Einzelhandel haben wird, die nicht durch ein Mehr an Parkplätzen oder eine Aufwertung der Einkaufsstraße kompensiert werden können. Außerdem sind Einbrüche bei den Immobilienpreisen und den Ladenmieten zu erwarten.“
Städte wie Berlin oder Neuss, die zeitweise mit dem Gedanken eines Verkehrsträgerwechsels spekulierten bzw. sich gegenwärtig damit auseinandersetzen, befinden sich also laut der Studie im Umkehrverhältnis zum aktuellen Trend. Ebenso widerlegen die Erkenntnisse jüngst bekräftigte Statements des Vorstandes Betrieb der Berliner Verkehrsbetriebe, Thomas Necker, der immer wieder bekannt gab, dass West-Berlin ein Beweis dafür sei, auch ohne die Straßenbahn verkehrlich gut bedient zu sein und laut forderte, ein Drittel des Gesamtnetzes der Hauptstadt auf den Prüfstand zu stellen. Damit scheint Necker derzeit jedoch allein auf weiter Flur zu stehen. Weder findet er für seine Äußerungen Unterstützung innerhalb der Politik noch bei den übrigen bundesweiten Verkehrsbetrieben. Hier sei die Rheinbahn AG benannt, die konträr Neckers Stereotyp die Studie bewusst kommuniziert und sich nachhaltig für den Erhalt der Elektrischen in der Neusser Innenstadt einsetzt.

Bild: In Düsseldorf hat die Straßenbahn Tradition; man setzt sich für sie ein. © Christian Linow



Artikel geschrieben von Christian Linow
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