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Abgeordneter Palmer: Plädoyer gegen Stuttgart 21
geschrieben von MH 
Pro und Contra
"Eisenbahnverkehr leidet"

Abgeordneter Palmer: Plädoyer gegen Stuttgart 21


Der Umbau des Stuttgarter Bahnknotens, der in der Landeshauptstadt mit dem Bau eines unterirdischen Tiefbahnhofs verbunden wäre, ist in der Bevölkerung umstritten. Der Grünen-Landtagsabgeordnete Boris Palmer stellte sich 2004 im OB-Wahlkampf gegen Stuttgart 21:

Warum sind ausgerechnet die Grünen und alle Umweltverbände gegen Stuttgart 21? Weil der Eisenbahnverkehr darunter leidet!

Im Fernverkehr entsteht ein unterirdischer Engpass mit nur noch acht Bahnsteigen und zwei statt bisher vier Zulaufgleisen aus Zuffenhausen (-Paris, -Köln, -Frankfurt, -Hamburg, -Berlin). Die Züge können nicht aufeinander warten, ein Taktfahrplan mit kurzen Umstiegszeiten ist technisch unmöglich, und der Bahnhof wird wegen der Enge des Talkessels zu einer Tempo- 30-Zone für den ICE.

Die oft wiederholte Behauptung, ohne Stuttgart 21 würden wir vom Fernverkehr abgehängt, ist ein Märchen. Der französische Schnellzug TGV fährt schon nächstes Jahr in dreieinhalb Stunden von Paris nach Stuttgart und würde durch Stuttgart 21 ganze zwei Minuten schneller. Das wird die Pariser sehr beeindrucken. Die Züge fahren nach Stuttgart, weil hier der nächste Fernbahnhof für fünf Millionen Menschen liegt.

Für die Fahrzeitgewinne von 24 Minuten brauchen wir die Neubaustrecke nach Ulm. Sie lässt sich aber besser und billiger mit dem vorhandenen Bahnhof und dem Flughafen verknüpfen. Express-S-Bahnen, die Einführung eines 10-Minuten-Takts und der Bau einer Stadtbahn zum Flughafen wären sofort möglich und wichtiger als ein einzelner ICE-Halt pro Stunde mit Stuttgart 21.

Auch im Regionalverkehr sind die Nachteile von Stuttgart 21 größer als die Vorteile: Die Fahrzeit aller S-Bahn-Linien verlängert sich um drei bis vier Minuten. Für die viel benutzten Strecken Waiblingen/Zuffenhausen/Esslingen-Stuttgart Hauptbahnhof sind das 20 Prozent Zeitverlust. Zeitgewinne entstehen hingegen vor allem da, wo sie niemand braucht, zum Beispiel auf der Strecke Tübingen-Schwäbisch Hall.

Und der Städtebau? Rund 40 Hektar Flächen vom inneren Nordbahnhof bis zur Landesbank können nicht bebaut werden, weil hier die Baustellenlogistik für Stuttgart 21 unterkommen soll. Das Bevölkerungswachstum in der Region Stuttgart wird 2020 enden. Die Flächen kommen also erst auf den Markt, wenn man sie nicht mehr braucht.

Finanziell ist der Tunnelbau abenteuerlich. Das Land, die Stadt und die Region zahlen - teils mit Geldwaschkonstruktionen - 2,4 Milliarden Euro. Bisher verschwiegene Zusatzkosten des Projekts summieren sich auf fast eine Milliarde Euro. Wir leben in einer sehr wohlhabenden Region, die sich das alles leisten könnte. Wenn wir aber auch in Zukunft wohlhabend sein wollen, sollten wird das Geld besser in Forschung, Bildung und den Kopf-Bahnhof investieren als in 33 Kilometer Tunnelstrecken.

Boris Palmer, aus den Stuttgarter Nachrichten vom 17.10.2006
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