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Auswirkungen von Covid-19 auf den ÖPNV
geschrieben von Marienfelde 
Das "Urban Transport Magazine" geht auf die Auswirkungen von Covid-19 auf den ÖPNV ein: [www.urban-transport-magazine.com]
Da steht zwar was über London Transport und britische Eisenbahnen drin, aber nichts über britische Busse ausserhalb von London: Und die sind in einer katastrophalen Krise. Denn die überwiegende Anzahl der Linien private betrieben werden - d.h. der Betreiber behält die Fahrgasteinnahmen und hat das Finanzrisiko, zwar stamen über 40% der Einnahmen auf staatlichen Mitteln aber diese Zuschüsse sind zum grossen Teil gesetzlich an (Rentner-/Schüler-)Fahrgastzahlen gebunden. Nun fallen die Einnahmen aus, und es muss erstmal ein neuer Mechanismus entworfen werden um die Betreibern vor der Pleite zu retten bzw. Buslinien vor der Einstellung zu retten. Da z.Z. es etwas unklar ist was eigentlich betrieben warden kann / soll, und sich dass sich auch andauernd ändert, und die Lokalverwaltungen wegen dem System nur sehr wenige ÖPNV-Experten haben, ist es alles ziemlich problemtisch.

Bei den britischen Eisenbahnen wurde ja auch, wie der Artikel beschreibt, gerade von einem Risikomodel zu einem Model das praktisch dem deutschen entspricht gewechselt. Dass ging aber nur weil das britische Franchising-Model schon seit Jahren in der Krise ist, und schon vorher immer wieder Franchises de facto Pleite gegangen sind, d.h. man wusset was zu tun war.

(Natürlich sind in den letzten Jahren auch zienlich viele Busfirmen unter gegangen, aber da hat die Regierung in London nie was getan, das wurde immer als lokales Problem gesehen. Die himmelschreiende Ungerichtkeit des britischen ÖPNV-Systems ist ja gerade das die ganzen Entscheidungsträger in London dem Rest des Landes ein System zumuten das selbst in den besten Zeiten zu vielen Problemen führt, und wie sich jetzt zeigt in Krisenzeiten nicht funktioniert, während London selbst praktisch ein kontinentaleuropäisches System die Stadtregierung einfach bestimmt was weiter fährt und was nicht.)
Zitat
christian schmidt
Da steht zwar was über London Transport und britische Eisenbahnen drin, aber nichts über britische Busse ausserhalb von London: Und die sind in einer katastrophalen Krise. Denn die überwiegende Anzahl der Linien private betrieben werden - d.h. der Betreiber behält die Fahrgasteinnahmen und hat das Finanzrisiko, zwar stamen über 40% der Einnahmen auf staatlichen Mitteln aber diese Zuschüsse sind zum grossen Teil gesetzlich an (Rentner-/Schüler-)Fahrgastzahlen gebunden. Nun fallen die Einnahmen aus, und es muss erstmal ein neuer Mechanismus entworfen werden um die Betreibern vor der Pleite zu retten bzw. Buslinien vor der Einstellung zu retten. Da z.Z. es etwas unklar ist was eigentlich betrieben warden kann / soll, und sich dass sich auch andauernd ändert, und die Lokalverwaltungen wegen dem System nur sehr wenige ÖPNV-Experten haben, ist es alles ziemlich problemtisch.

So richtig großes Mitleid mit einem Großteil des britischen Busmarktes habe ich nicht. Der Markt wird von wenigen großen Konzernen beherrscht, die zu großen Teilen den größten internationalen Investmentfonds gehören. Diese haben in den vergangenen Jahren zig Millionen aus dem ÖPNV-System abgezogen und diesen Investmentfonds als Dividende ausgeschüttet. [weownit.org.uk] Ein solches System muss man nicht unbedingt durch staatliche Hilfen und Zuschüsse retten, wenn es vorher stark auf Steuervermeidung und Eigenprofit orientiert gearbeitet hat.

Da man auch nach den derzeitigen Ausgangsbeschränkungen wieder im mehr oder weniger selben Umfang ÖPNV-Leistungen benötigen wird, werden die Mitarbeiter ihre Jobs wieder bekommen/behalten können. Ob es nun die selben Busgesellschaften sind, die dann die Fahrzeuge betreiben oder andere, ist relativ egal. Für die wenigen mittelständischen Betriebe wäre es natürlich schön, wenn sie weiter bestehen könnten, aber vermutlich wäre es so oder so nur eine Frage der Zeit gewesen, bis auch diese von den großen Konzernen geschluckt worden wären.

Zitat
christian schmidt
Die himmelschreiende Ungerichtkeit des britischen ÖPNV-Systems ist ja gerade das die ganzen Entscheidungsträger in London dem Rest des Landes ein System zumuten das selbst in den besten Zeiten zu vielen Problemen führt, und wie sich jetzt zeigt in Krisenzeiten nicht funktioniert, während London selbst praktisch ein kontinentaleuropäisches System die Stadtregierung einfach bestimmt was weiter fährt und was nicht.)

Die britischen Politiker im Unterhaus fühlen sich, auch wenn sie in London sitzen, traditionell sehr stark ihren jeweiligen Wahlkreisen verbunden. Würde grundsätzlich so entschieden, dass die Londoner Meinung durchgedrückt wird, gäbe es z.B. heute keinen Brexit. London war zu 60% für den Verbleib.

Im Grundsatz entspricht das britische ÖPNV-System genau dem, was die derzeitige Regierungspartei (die auch diejenige ist, die es durchgedrückt hatte) wirtschaftspolitisch fordert und womit sie häufig recht stabile Mehrheiten bekommt: eine stark wirtschaftsliberale Politik von der letztlich vor allem eine kleine Elite profitiert. In einer solchen Politik greift der Staat höchstens punktuell ein, wodurch es in manchen Städten zu Preiskämpfen zwischen verschiedenen Unternehmen auf Hauptstrecken kommt, während schwächer nachgefragte Strecken ein subventioniertes, ausgeschriebenes Angebot haben. Ich persönlich finde ein solches Wirtschaftssystem nicht optimal, aber wenn die politischen Mehrheiten so sind, sind sie halt so.
Zitat
Lopi2000
Zitat
christian schmidt
Da steht zwar was über London Transport und britische Eisenbahnen drin, aber nichts über britische Busse ausserhalb von London: Und die sind in einer katastrophalen Krise. Denn die überwiegende Anzahl der Linien private betrieben werden - d.h. der Betreiber behält die Fahrgasteinnahmen und hat das Finanzrisiko, zwar stamen über 40% der Einnahmen auf staatlichen Mitteln aber diese Zuschüsse sind zum grossen Teil gesetzlich an (Rentner-/Schüler-)Fahrgastzahlen gebunden. Nun fallen die Einnahmen aus, und es muss erstmal ein neuer Mechanismus entworfen werden um die Betreibern vor der Pleite zu retten bzw. Buslinien vor der Einstellung zu retten. Da z.Z. es etwas unklar ist was eigentlich betrieben warden kann / soll, und sich dass sich auch andauernd ändert, und die Lokalverwaltungen wegen dem System nur sehr wenige ÖPNV-Experten haben, ist es alles ziemlich problemtisch.

So richtig großes Mitleid mit einem Großteil des britischen Busmarktes habe ich nicht. Der Markt wird von wenigen großen Konzernen beherrscht, die zu großen Teilen den größten internationalen Investmentfonds gehören. Diese haben in den vergangenen Jahren zig Millionen aus dem ÖPNV-System abgezogen und diesen Investmentfonds als Dividende ausgeschüttet. [weownit.org.uk] Ein solches System muss man nicht unbedingt durch staatliche Hilfen und Zuschüsse retten, wenn es vorher stark auf Steuervermeidung und Eigenprofit orientiert gearbeitet hat.

(...)

Im Grundsatz entspricht das britische ÖPNV-System genau dem, was die derzeitige Regierungspartei (die auch diejenige ist, die es durchgedrückt hatte) wirtschaftspolitisch fordert und womit sie häufig recht stabile Mehrheiten bekommt: eine stark wirtschaftsliberale Politik von der letztlich vor allem eine kleine Elite profitiert. In einer solchen Politik greift der Staat höchstens punktuell ein, wodurch es in manchen Städten zu Preiskämpfen zwischen verschiedenen Unternehmen auf Hauptstrecken kommt, während schwächer nachgefragte Strecken ein subventioniertes, ausgeschriebenes Angebot haben. Ich persönlich finde ein solches Wirtschaftssystem nicht optimal, aber wenn die politischen Mehrheiten so sind, sind sie halt so.

Vielen Dank für den interessanten Link, auch in Großbritannien gibt es also Opposition gegen eine Politik, die den Busverkehr in der Fläche schwer beschädigt. Das auch "Rekommunalisierungen" des Busverkehrs von der Zentralregierung verhindert werden, wußte ich bis jetzt auch nicht.

Vielleicht ergeben sich durch die jetzt anstehende Krise aber auch Chancen für eine Reorganination des ÖV in Großbritannien: Wenn private Betreiber pleitegehen, besteht unmittelbarer Handlungsbedarf, und eine konservative Regierung kann ja abgewählt werden, so wie 1945.
Zum Busverkehr Großbritannien würde ich eher https://bettertransport.org.uk/ empfehlen.

"We own it" get etwas am eigentlichen Problem vorbei. So werden z.B. auch in London praktisch all Buslinien von Privatfirmen betrieben, und das funtioniert auch ganz gut weil TfL die Fahrpläne und -preise festlegt (und noch viele mehr, die Privatfirmen sind praktisch Auftragsfahrer). Klar, die Hochbahn zeigt das Eigenunternehmen noch besser sein können - und auch in Großbritannien gibt es ausserhalb von London noch einige städtische Busunternehmen (Lothian Bus, Nottingham Bus, Cardiff Bus, Reading Bus, usw), und diese Städte haben im die besten Bussysteme (insbesondere dort wo die Lokalbehörden und Busbetriebe das Gesetz, das eine Zusammenarbeit untersagt, schön unterlaufen).

In einigen Teilen des Landes ist die Profitgier der großen Konzernen ein großes Problem, in Newcastle haben z.B. mehrere Margen von >20% gehabt. Und da das Gesetz (1985 Transport Act) ausdrücklich verbietet das die Lokalverwaltungen dort wo es privat betriebene Busse gibt sich in Fahrpläne und Tarife einmischt (und auch die Neugründung von städtischen Busunternehmen expliziet verbietet) ist es schwierig da was zu machen.

In anderen Landesteilen sind hingegen die Gewinne viel geringer, und es gibt auch noch sehr viele kleinere Betreiber. Aber auch dort ist es problematisch das Betreiber eigentlich nicht miteinander kooperieren dürfen (und es deshab auch sehr schwierig ist für Lokverwaltungen mit allen lokalen Busgesellschaften zusammen zu arbeiten - und nur mit einigem und nicht mit anderen geht natürlich gar nicht).

Auf manchen Strecken hat das britische System natürlich schon Vorteile - auf einigen Magistralen in einigen Großstädten (z.B. Oxford Road in Manchester) fahren unheimlich viele Busse und sie sind auch ziemlich bnillig. Nur sind diese Vorteile halt teuer erkauft...
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