hallo,
Späteule schrieb:
> möchte ich
> einfach nur einmal wissen warum es zur Zeit
> ,leider wohlgemerkt, eine sehr hohe Fluktuation
> von Mitarbeitern auf den Betriebshöfen gibt??
die antwort wird leider etwas länger.
zum ersten: wie oben gesagt ist der job deutlich anspruchsvoller als er allgemein in der bevölkerung wahrgenommen wird. einer vom land kommt beispielsweise im stadtverkehr einfach nicht klar - das alles hat eine ganz andere quantität und qualität.
ich habs eben nochmal überflogen, es gibt ca. 300 fahrkarten die im HVV anerkannt werden.
sogar ein ÖPNV-fan hat seinen traumjob hingeschmissen, weil ihm das alles schlicht zu viel war.
2) ein grosser knackpunkt ist die schicht. mit 6/3 kommen viele nicht klar, auch wenn sie bei der einstellung gedacht haben, das sei schon nicht so schwierig. ist es aber im privatleben eben doch. auch die wechselnden dienstarten (früh, übergang, spät) sind für viele ebenfalls nicht so einfach.
wer mit 6/3 nicht zurecht kommt braucht viel geduld um wochenend-freier zu werden: 7-10 jahre muss man da schon auf der warteliste stehen, bei einigen höfen wenn man ganz viel glück hat "nur" 5 jahre (da zur zeit viele in den ruhestand gehen). anzumerken ist, das die u-bahnfahrer es praktisch auch so haben, als sog. "zettelfahrer" sogar noch fieser.
vielleicht könnte man da was machen, indem man das ganze system reformiert. aber dann hast du sofort alle betriebsräte von allen 5 höfen + die im hochbahnhaus vor dir, die sturm laufen und den weltuntergang herbeireden.
3) die belegschaft macht sich das leben sehr schwer. ein neuer mitarbeiter hört praktisch als erstes vom lehrfahrer, wie scheisse doch die hochbahn ist und wie tief er beruflich gesunken ist. und früher war alles besser. dann erzählen alteingessene den neuen irgendwelche horror-geschichten. unterhalte dich mal mit jungen kollegen. das frustriert viele auch, erstickt engagment bereits im keim. spätestens wenn man an die berüchtigten betonköpfe kommt.
4) nicht gerade optimale wertschätzung der arbeit. das weihnachtsgeld ist natürlich eine schöne sache, aber ein bonus/malus-system wäre nicht schlecht - wer keine fahrgastbeschwerden etc. PP hat bekommt dann eben etwas mehr. viele fahrer machen einen verdammt guten job und hätten einen bonus für ihre arbeit verdient. jemand, der einige fahrgastbeschwerden gesammelt hat, die sich als gerechtfertigt erwiesen haben (anmerkung: praktisch _jeder_ fahrgastbeschwerde wird nachgegangen, auch wenn es "nur" eine standard-antwort gibt) bekommt im gegenzug eben etwas weniger. das spornt doch an. geht aber nicht, siehe punkt 2.
(hierzu sei noch angemerkt das es einen bonus gibt, wenn ein mitarbeiter einen vorschlag macht oder initiave zeigt, die dem unternehmen signifikant nützt. und dieser bonus ist wirklich nicht schlecht).
5) das finanzielle. zwar zahlt die hochbahn von allen VUs ansich am meisten, und für einen single ist das sicher auch wunderbar, aber eine familie davon zu ernähren - das wird schon schwieriger (vor allem wenn nur einer verdient). das ist ganz ähnlich wie bei den lokführern.
6) viele busfahrer haben einen gelernten beruf, oder sind hochschulabsolventen oder studierte, sind aber fahrer geworden, weil es keinen job respektive studienplatz gab. inzwischen entspannt sich die lage aber auf dem arbeitsmarkt und sie gehen in ihre alten berufe zurück, weil sie beispielsweise da bessere schichten haben und ggf. mehr verdienen.
7) aktuell ist die dänemark-geschichte und auch die schweiz braucht wohl fahrer - und die zahlen deutlich besser (ungefähr die selbe taktik, mit welche die hochbahn vor 25 jahren leute aus anderen regionen abgeworben hat). nun muss man erstmal abwarten wie sich das entwickelt. ich persönlich bin da skeptisch; zwar ist die bezahlung besser, aber eben auch die lebenshaltungskosten. ich könnte darüberhinaus meine geliebte heimatstadt sowieso nicht den rücken kehren. man muss ja nicht nur (ggf.) eine neue sprache lernen, sondern komplett sein leben umstellen. das muss aber jeder für sich selbst entscheiden.
ein zurück zur HOCHBAHN gibt es nicht, wer einmal gekündigt hat wird nicht wieder eingestellt.
8) ein kleiner teil von neuen mitarbeitern wird nicht übernommen, weil es zuviele fahrgastbeschwerden, zuviele (gravierende) unfälle gab oder derjenige unzuverlässig ist.
9) fahrgäste. oben habe ich ja auch nur einen teil des spektrums angesprochen. spätabends besoffen-aggressive fahrgäste kommen ja noch dazu. oder "fahrgäste", die reinkommen, den fahrer sehen, ihn anspucken und nach hinten gehen. alles schon vorgekommen (ein S-Bahn-fahrer hat mir berichtet das dort sowas auch vorkommt, wenn sie vorne die seitenfenster aufhaben).
derartige fahrgäste sind natürlich eine kleine minderheit, aber es macht doch vielen fahrern das leben verständlicherweise sehr schwer.
generell geniesst der beruf in der bevölkerung auch wenig ansehen. die VUs versuchen immerhin dagegen zu steuern (die HOCHBAHN mit "der alltag unserer bufahrer - mit etwas abstand betrachtet" und die VHHPVG mit "ein herz für busfahrer").
10) die HOCHBAHN nimmt derzeit sehr viele leistungen zurück, die bisher andere VUs gefahren haben. daher gibt es auf einigen höfen deutlich mehr dienste als vorher, was zu höherer unterdeckungen in den einzelnen DEs führt. besonders betroffen ist augenscheinlich hummelsbüttel.
unterm strich: diesen job kann nicht jeder machen. erst recht nicht unter dem gesichtspunkt, das es eben keine beförderungsfälle, sondern kunden sind - sprich: das man bei allem stress auch noch freundlich bleibt.
es gibt sehr viele busfahrer, die tag ein, tag aus einen stressigen und anspruchsvollen job ganz wunderbar machen. die engagiert und trotz aller widrigen umstände kundenfreundlich sind. die tolle kollegen sind wo sich auch freundschaften entwickeln.
daneben gibt es einige, für die es alles in allem zuviel ist oder die eine andere möglichkeit für ihr leben sehen. und daher kommt auch die von dir angesprochene fluktuation, die derzeit durch 7) besonders gewürzt ist.
gruss, rycon.