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Warum S.-H. eigentlich zuständig?
geschrieben von Manuela von Poppeln 
Öffentlicher Personennahverkehr im Sinne dieses Gesetzes ist die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Verkehrsmitteln im Linienverkehr, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen. Das ist im Zweifel der Fall, wenn in der Mehrzahl der Beförderungsfälle eines Verkehrsmittels die gesamte Reiseweite 50 Kilometer oder die gesamte Reisezeit eine Stunde nicht übersteigt. (§2 RegG)

Schienenpersonennahverkehr(SPNV) ist die allgemein zugängliche Beförderung von Personen in Zügen, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen. Das ist im Zweifel der Fall, wenn in der Mehrzahl der Beförderungsfälle eines Zuges die gesamte Reiseweite 50 Kilometer oder die gesamte Reisezeit eine Stunde nicht übersteigt. (§2(5) AEG)

Die Sicherstellung einer ausreichenden Bedienung der Bevölkerung mit Verkehrsleistungen im öffentlichen Personennahverkehr ist eine Aufgabe der Daseinsvorsorge. Die Stellen, die diese Aufgabe wahrnehmen, werden durch Landesrecht bestimmt. (§1 RegG)

Die beteiligten obersten Landesverkehrsbehörden entscheiden (...), soweit es sich nicht um Eisenbahnen des Bundes handelt, darüber, ob Schienenpersonennahverkehr im Sinne des Absatzes 5 vorliegt. (§2(7) AEG)

Soweit - sogut. S.H. ist also dann zuständig, wenn die meisten Personen im Zug nicht weiter als insgesamt 50 Kilometer oder eine Stunde reisen wollen. Bei Strecken wie Hamburg-Lübeck kann man darüber ja noch streiten (mehr als 50 Kilometer aber weniger als eine Stunde, wenn die meisten Menschen nur von HBF zu HBF pendeln.) Aber die meisten werden einen Zu- und Abgang haben, also auch mehr als eine Stunde Gesamtreisezeit.
Bei Strecken wie Hamburg-Sylt oder der Hamburg-Flensburg sieht das schon anders aus. Hier liegt doch wahrscheinlich die gesamte Reisezeit der meisten Fahrgäste deutlich über einer Stunde, die Entfernung ist ohnehin mehr als 50Km .
Also sind derartige Zugrelationen doch eindeutig kein SPNV und die Zuständigkeit liegt somit auch nicht bei den Ländern sondern beim Bund.
Anonymer Benutzer
Re: Warum S.-H. eigentlich zuständig?
16.10.2005 10:34
Eine genaue Trennung, welche Verbindungen dem Nah- und welche dem Fernverkehr zuzuordnen sind, ist nicht ganz einfach und damit ist auch die im Gesetz vorgesehene strikte Trennung bei den ZUständigkeiten zwischen Nah- und Fernverkehr sicherlich problematisch.

Zwar könnte sich das Land Schleswig-Holstein auf den Standpunkt stellen, dass die Verbindung Hamburg - Flensburg Fernverkehr sei und nur noch RBen Neumünster - Flensburg im Anschluss an die REs Hamburg - Kiel bestellen, aber man muss auch die Folgen einer solchen Bestellpolitik sehen :

Für den Fernverkehr wäre zwar der Bund zuständig, der aber grundsätzlich auf dem Standpunkt steht, dass Fernverkehrsleistungen nicht von der öffentlichen Hand ausgeschrieben und bestellt, sondern eigenwirtschaftlich durch die Eisenbahnverkehrsunternehmen erbracht werden, also auch hier nicht als Besteller für FLEX-Züge auftreten wird.

Die DB (wie auch andere EVUs) wird jedoch keine wirtschaftliche Grundlage sehen, einen eigenwirtschaftlichen Fernverkehr mit angemessenem Zugangebot anzubieten (den es hier früher mal in Form der IR-Züge gab, die dann aber ja 2002 eingestellt wurden), so dass sich der durchgehende Zugverkehr zwischen Hamburg und Flensburg auf die zwei EC-Zugpaare nach Dänemark beschränken wird und Reisende, die aus Flensburg, Schleswig und Rendsburg nach Hamburg oder in einen der dort beginnenden Fernzüge umsteigen wollen, immer erst mit der RB nach Neumünster fahren und dort nochmals umsteigen müssten.

Die Folge wäre eine völlige Abhängung vom schnellen Reiseverkehr, was die Region als Wohnsitz wie auch als Wirtschaftsstandort nicht gerade attraktiver machen dürfte.

Hier hat sich also das Land S.-H. aus Gründen der Daseinsvorsorge für seine Einwohner gezwungen gesehen, Verkehre zu bestellen, bei denen die Zuständigkeit des Landes zumindest zweifelhaft ist.

Das Problem der gesetzlichen Trennung von Nah- und Fernverkehr stellt sich überall dort, wo ein angemessenes eigenständiges Fernverkehrsangebot nicht eigenwirtschaftlich zu leisten ist, ein reines Nahverkehrsangebot aber den Entfernungen innerhalb der Region nicht gerecht wird. Die Lösung wäre hier wahrscheinlich, Fernverkehrszüge, die etwa aus Richtung Ruhrgebiet als eigenwirtschaftlicher IC in Hamburg ankommen, als bestellten RE in Richtung Schleswig-Holstein weiterfahren zu lassen, um so zumindest das´Umsteigen zu ersparen und weiter eine direkte Anbindung an das Fernverkehrsnetz zu erhalten.
Dies ist aber zum einen problematisch, weil auch die DB innerhalb des Konzerns in separate Gesellschaften für den Nah- und Fernverkehr gespalten ist. Zum anderen besteht hier aber auch die Gefahr, dass zunächst jeglicher Fernverkehr außerhalb des Kernnetzes eingestellt wird, um ihn anschließend von den Ländern unterstützt als "Anschluss-Nahverkehr" wieder anzubieten.

Fakt sit jedenfalls : Die strikte Trennung von Nah- und Fernverkehr war einer der großen Fehler der Bahnreform von 1994, das prominenteste Opfer dieses Fehlers dürfte der Interregio gewesen sein, ein Zug, der gerade den mittleren Fernverkehr und den schnellen Regionalverkehr auf Hauptstrecken in einem Zugsystem zusammenfassen wollte.
Manuela von Poppeln schrieb:
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> Öffentlicher Personennahverkehr im Sinne dieses
> Gesetzes ist die allgemein zugängliche Beförderung
> von Personen mit Verkehrsmitteln im Linienverkehr,
> die überwiegend dazu bestimmt sind, die
> Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder
> Regionalverkehr zu befriedigen. Das ist im Zweifel
> der Fall, wenn in der Mehrzahl der
> Beförderungsfälle eines Verkehrsmittels die
> gesamte Reiseweite 50 Kilometer oder die gesamte
> Reisezeit eine Stunde nicht übersteigt. (§2 RegG)
>
> Schienenpersonennahverkehr(SPNV) ist die allgemein
> zugängliche Beförderung von Personen in Zügen, die
> überwiegend dazu bestimmt sind, die
> Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder
> Regionalverkehr zu befriedigen. Das ist im Zweifel
> der Fall, wenn in der Mehrzahl der
> Beförderungsfälle eines Zuges die gesamte
> Reiseweite 50 Kilometer oder die gesamte Reisezeit
> eine Stunde nicht übersteigt. (§2(5) AEG)


Hallo!

Es steht ja auch "überwiegend" da. Viele Gesetze lasse oft Interpretationsspielräume zu...

Thorsten.
Manuela von Poppeln schrieb:
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> Also sind derartige Zugrelationen doch eindeutig
> kein SPNV und die Zuständigkeit liegt somit auch
> nicht bei den Ländern sondern beim Bund.

Ich verstehe irgendwie nicht, warum das ein rein schleswig-holsteinisches Problem sein soll. Das könnte man doch genausogut im allgemeinen Bahnforum diskutieren, in praktisch jedem Bundesland dürfte Verbindungen geben, die auf einer Länge von mehr als 50 km den größeren Teil ihrer Fahrgäst an Bord behalten, angefangen direkt vor der Haustür auf Strecken wie Bremen/Rotenburg-Hamburg, ganz zu schweigen von Strecken in NRW, die sich oft von einer Ecke in die andere dieses nicht gerade kleinen Bundeslandes erstrecken. Und das sind nur die Gegenden, wo ich mich einigermaßen auskenne, im Süden und Osten wird es das auch geben.


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