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Der letzte Blick zurück des S-Bahnführers vor Abfahrt: überflüssig?
geschrieben von lebenskür 
Zu diesem Ergebnis scheint ein Strafprozess beim Amtsgericht Hersbruck nach einem Zeitungsbericht der NN vom 3. November 2015 gekommen zu sein.

Ein 46 Jahre alter wohl betrunkener Mann hatte am 31. Januar 2015 am S-Bahnhof Feucht das Warnsignal der sich schließenden Türen ignoriert. Dabei wurde eine seiner Hände in der sich schließenden Tür eingeklemmt. Der S-Bahnführer fuhr los, ohne sich vor Abfahrt durch den vorgeschriebenen Blick zurück zu vergewissern, ob jemand eingeklemmt ist. Als das Opfer versuchte, sich aus der misslichen Lage zu befreien, geriet es unter die anfahrende S-Bahn und starb. Der S-Bahnführer verteidigte sich mutmaßlich damit, dass die Sicherheitssysteme ihm ordnungsgemäß geschlossene Türen signalisiert hätten.

Das Gericht hat das Verfahren gegen eine Geldauflage von 4000.00 €uro, zu zahlen an eine gemeinnützige Einrichtung eingestellt.

Der "Journalist" schrieb nun: "In ersten Kommentaren von Zeugen wurde dem Lokführer die Schuld gegeben, das Gericht rehabilitierte den Mann nun".

Meine Einschätzung: Ohne die Akten zu kennen, kann ich zunächst einmal feststellen, dass das Gericht den Lokführer natürlich nicht rehabilitiert hat, denn sonst hätte es den Lokführer freisprechen müssen. Immerhin ist die Einstellung des Verfahrens von der Zahlung von 2 Monatsgehältern (netto) abhängig (also umgerechnet 60 Tagessätze). Sollte der Betrag nicht bezahlt werden, nimmt das Verfahren seinen Fortgang.
Die Vorgehensweise des Gerichts ist grundsätzlich so möglich, wenn die Schuld des Angeklagten gering erscheint und durch die Geldauflage das öffentliche Interesse an der
Strafverfolgung beseitigt ist (§153a Abs.2 der Strafprozessordnung)

Meine Frage an Euch als Eisenbahner: Steht es in Eurem Gutdünken, ob Ihr den Blick zurück vor Abfahrt macht?
Wisst Ihr, dass "geschlossene Türen" angezeigt werden kann, obwohl eine Hand dazwischen ist, an der ein Mensch hängt.?
Haltet Ihr das Versäumen des "letzten Blicks" für eine sogenannte lässliche Sünde oder eher als einen Kardinalsfehler für Euren Beruf. öffnet Ihr nicht das Fenster, wenn und weil es draußen kalt ist?

Herzlichen Dank schon jetzt für Eure Antworten. Gespannte Grüße Euer Hans Peter
Na, das kommt wohl auf die Türen des Zuges an, ob eine eingeklemmte Hand erkannt wird oder nicht. Wer soll denn auch bei der fahrerlosen U-Bahn den letzten Blick machen? Insofern ist die Frage was das Türsystem in dem Fall versprochen hat zu erkennen - wenngleich ich auch nicht glaube daß es bei Zügen allzuviele gibt die das erkennen würden.

Tschö
UHM
Bei der U-Bahn wäre ein solches "Fehlverhalten" egal ob von Mensch oder Automatikzug vermutlich ein Skandal...

Viele Grüße
Christian0911
(Mein YouTube-Kanal)
Nach meinem Kenntnisstand sind die Türkanten der U-Bahnwagen seit und wegen der Automatisierung wesentlich sensibler als früher und damit möglicher Weise (oder sogar sehr wahrscheinlich) auch sensibler als bei anderen ÖPNV-Systemen (Bus, Tram, S-Bahn usw.). Ich bezweifle, dass die S-Bahn ein ähnliches System hat und halte daher als Fahrgast und toleranter Mensch einen prüfenden Blick zurück während der Anfahrt schon alleine aus diesem Grunde für selbstverständlich. Sollte meines Erachtens Berufsethos sein.

Selbst bei der (automatischen) U-Bahn kann ein Fahrgast ja mitgeschleift werden, wenn er zwischen Bahnsteig und Zug gerät. Die Automatik prüft ja nur die Türen. Der Bahnsteigspalt hat eine Größe, in die manches Kind, manche erwachsene schlanke Person oder die Vorderräder eines Rollators oder Rollstuhls locker hineingeraten könnten. Das erkennt keine noch so sensible Türkante (weshalb ich die automatische U-Bahn im Übrigen für bedenklich halte). Und das gleiche gilt auch für die S-Bahn. Schon wegen dieser weiteren Gefahren müsste sich der Lokführer meines Erachtens durch einen Rückblick während des Anfahrens vergewissern.



1 mal bearbeitet. Zuletzt am 05.11.2015 16:35 von benji2.
Zitat
benji2
... Ich bezweifle, dass die S-Bahn ein ähnliches System hat

Das ist vom Fahrzeug abhängig. Der 442 hat so ein System:

Zitat:
Zusätzlich zu den normalen Funktionen der Außentür sind folgende Funktionen bzw. Ausstattungen
vorhanden:

* taktiler Türöffnungstaster an den Einstiegstüren mit akustischer Quittierung bei
Bedienung und Türfindesignal,
* Optische Türschließ- und Öffnungsanzeige,
* 2 elektrische Schaltleisten pro Tür (Schließkantenüberwachung),
* Personenflussmelder (Lichtschranke + Lichtgitter) pro Tür,
* Türanforderungstaster für Behinderte im Bereich der Mehrzweckräume,
* Anforderungstaster außen für Behinderte am Behinderteneinstieg,
* Fahrgastzähleinrichtung (optional)
Das Öffnen und Schließen der Außentüren wird akustisch und optisch angezeigt.
Zitat Ende


Der x-Wagen hat eine pneumatische Türsteuerung.

Gruß,
Wolfgang
[www.nahverkehr-franken.de]



1 mal bearbeitet. Zuletzt am 05.11.2015 23:16 von nvf.
Dieser Unfall ist für mich ein Beispiel, wie Sicherheitsmaßnahmen ihr Gegenteil bewirken können.

Offensichtlich hat sich der tragisch Verunglückte darauf verlassen, dass er eine sich schließende Tür noch erfolgreich blockieren könnte und damit auch die Abfahrt des Zuges. Er ist ja noch nach den Türschließsignalen angerannt gekommen, hat gerufen, man solle den Zug aufhalten und dummerweise hat das sogar ein anderer Fahrgast noch versucht. Der tragischen Irrtum, dass dies gefahrlos möglich sein, hat er mit dem Leben bezahlt. Schlimm für ihn und die Hinterbliebenen, aber die Hauptschuld trägt er meiner Meinung nach schon selbst.

Der Lokführer wird sicher auch ein Problem damit haben, dass seine Nachlässigkeit ein Menschenleben gekostet hat. Aber der später Verunglückte war definitiv noch nicht am Zug, als er die Schließung der Türen einleitete. Da kam der Mann erst auf den Bahnsteig gerannt und ich gehe davon aus, dass der Lokführer ihn da nicht wahrgenommen hat und wahrscheinlich gar nicht sehen konnte.

Ja, er hätte noch einmal nach dem Schließen der Türen zurückschauen müssen und sich davon überzeugen, dass da tatsächlich alles in Ordnung war. Aber dass jemand auf die blöde Idee kommen könnte, eine fast schon geschlossene Türe noch mit der Hand offen halten zu können; muss er mit so etwas tatsächlich rechnen? Der Mann war angetrunken, eine solche Dummheit ist in nüchternem Zustand kaum vorstellbar.

Ich möchte nicht in der Haut des Lokführers stecken und Mitverantwortung für so einen Unfall tragen müssen. Und er wurde ja doch recht fühlbar bestraft.

Aber das reicht dann meiner Meinung nach schon aus für die Fahrlässigkeit, die er begangen hat. Er hätte sich halt auch nicht auf die Sicherheitsmechanismen verlassen dürfen und sich nicht darauf, dass sich niemand derart grob fahrlässig in Lebensgefahr begibt. Aber mehr kann man dem Mann doch wirklich nicht vorwerfen.
Ich wurde in meinem Leben bestimmt schon mindestens ein Dutzend mal von irgendwelchen Türen von ÖPNV-Fahrzeugen eingeklemmt und habe wahrscheinlich genausooft eine sich schließende Tür aufgehalten, damit eine andere Person nicht eingeklemmt wird. Ich sehe darin keine Fahrlässigkeit, sondern eine Alltagssituation. Sowohl bei der automatischen U-Bahn als auch beim ÖPNV mit Fahrpersonal kommt es vor, dass die Türen geschlossen werden, ohne dass der Fahrgastwechsel beendet wäre. Für die Sicherheit der Fahrgäste zu sorgen ist daher in meinen Augen vor allem die Pflicht der Verkehrsunternehmen und der Fahrer. Es ist meines Erachtens zu viel verlangt, dass die Fahrgäste die Technik der Türen kennen und zum Beispiel wissen, ob eine Tür wieder aufgeht oder nicht, zumal dies bei den verschiedenen Systemen alleine im VGN und erst recht deutschlandweit und international ja völlig unterschiedlich ist.

Beispiel: Die hinteren Türen von Gelenkbussen gehen zum Teil noch nicht einmal zu, wenn jemand auch nur in der Nähe der Tür steht, was bei vollen Bussen äußerst nervig sein kann und den Haltestellenaufenthalt in die Länge zieht. Da ist das System der U-Bahntüren, die selbst dann zugehen, wenn jemand mitten in der Tür steht, völlig gegensätzlich. Bei den Nürnberger Straßenbahnen ist es irgendwas dazwischen: Hier geht die Tür nur dann nicht zu, wenn jemand im Schließbereich steht.

Von daher finde ich den Ausgang des oben genannten Gerichtsverfahrens auch eher bedenklich und der fehlende Rückblick entspricht nicht meiner Aufassung von einem verantwortungsvollen Miteinander, das auch ein Fehlverhalten von Fahrgästen mitberücksichtigt und "abfedert".



1 mal bearbeitet. Zuletzt am 06.11.2015 13:20 von benji2.
Hallo allseits,

Also wenn, dann könnte die Ausgangsfrage ohnehin nur ein Tf beantworten, allerdings die Frage ob "lässliche Sünde" oder "Kardinalfehler", würde ich persönlich eher von Fahrzeug bzw dem installierten Türsystem abhängig machen. Inwieweit interne Regelungen der EVU auch bei Türüberwachungen ähnlich denen der Automatik-U-Bahn den Prüfblick erfordern, oder ob der spezifische Verfahrensausgang nun eben speziell auf die Ausgangssituation bei x-wagen zugeschnitten ist, weiß ich nicht.

Ich selber sehe die Schuldfrage in dem konkreten Fall anhand der bislang publik gewordenen Umstände etwas anders als die Richter, m.M. liegt das deutlich größere schuldhafte Verhalten beim besagten Fahrgast. Wobei ich auch hier differnziere: Wer rechtzeitig vor publizierter Abfahrt eines Verkehrsmittels am Bahnsteig ist, das Verkehrsmittel hätte die Kapazität den Fahrgast zu transportieren, macht aber die Türen zu früh zu, dann sehe selbst ich Türaufhalten eher mal als "lässliche Sünde" an, während hingegen in dem Fall, das ein Fahrgast nicht zur rechten Zeit am Bahnsteig ist, und trotzdem versucht, sich (möglicherweise nachträglich) Zugang zum Fahrzeug zu erzwingen, ich ihm die Schuld für alles, was daraus resultieren könnte (incl Selbstschädigungen), zuweise. Das ist aber auch nur persönliche Einzelmeinung.

Um aus diesem Zwischenfall Schlussfolgerungen ziehen zu können, bräuchte man eine Reihe vergleichbarer Fälle, um zu sehen, ob die Entscheidung eher exotisch oder allgemeine Tendez in solchen fällen ist. Insofern sollte man das eine Urteil auch nicht überinterpretieren, wenngleich ich es schon für hart empfinde, sicher, ein Mensch ist gestorben, aber das wird am Tf ja vermutlich auch nicht spurlos vorbei gegangen sein,wir wissen ja nichtmal, ob er jetzt noch arbeitsfähig ist. Selbst nach "Freiwilligen" (ich denke ihr wisst was ich meine) ist ja mancher schon so fertig, das er nicht mehr kann, wievielmehr bei einem echten Unfall?

Gruß D. Vielberth
[www.gleistreff.de]
Alles ist wie immer, nur schlimmer... (Bernd das Brot)
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