Da du schon einen recht rauhen Ton anschlägst, werde ich mal zwei Sätze zurückpatzen und dann wieder sachlich.
Virtueller Stadtbahner schrieb:
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> wir bewegen uns hier im *Nahverkehrsforum
> Franken*, wozu Stuttgart eindeutig nicht zählt.
> Daher antworte ich hier nur kurz. Wenn Du das im
> *Nahverkehrsforum Süddeutschland* als neues Thema
> anlegst, kann man dort ausführlicher über *Deine*
> virtuelle Welt diskutieren.
Wir diskutieren hier über ein allgemeines Thema, wofür wir uns auch Informationen von anderswo besorgen müssen. Dass du Jahrgang 1962 bist, wird die Diskussion in keinster Weise reicher machen und deine Erfahrung kann nur deine persönliche Meinung stützen, sie muss aber trotzdem nachvollziehbar sein. Ich meine, dass du das Stuttgarter Netz mit seinen Problemen immer noch nicht genug kennst und willst Vorteile sehen, wo keine sind.
> Ich bin Jahrgang 1962 und wuchs als
> Kind/Jugendlicher in Nürnberg auf und verbrachte
> mindestens 4 Wochen im Jahr bei meinen Großeltern
> in Stuttgart. Ich habe daher die U-Bahn /
> Stadtbahnentwicklung in beiden Städten hautnah
> verfolgt und verglichen. Und bin mir 100%-ig
> sicher, dass eine U-Stadtbahn für Städte mit
> weniger als 1 Millionen Einwohnern die bessere
> Lösung ist.
Jetzt sachlich: Stuttgart hat ein Einzugsgebiet von knapp 3 Millionen Einwohnern, die Stadt Stuttgart selbst 650.000 Einwohner. Die unmittelbar an Stuttgart angrenzenden Städte bringen diese Zahl schnell auf 1 Mio Einwohner für den Einzugsbereich der U-Bahn.
> Ich habe über die Jahre viele Veröffentlichungen
> der Verkehrsbetriebe gelesen und die öffentlichen
> Diskussionen verfolgt. In Nürnberg gab es nur
> selten Kritik an der U-Bahn und den Wunsch, auf
> Stadtbahn umzustellen. In Stuttgart gab es
> häufiger Kritik an der Stadtbahn und den Wunsch,
> eine *echte* U-Bahn zu bekommen. Was eben beweist,
> dass (teure) Technik reizvoll ist und Leute
> begeistert, so lange sie sich nicht intensiv mit
> den Fakten beschäftigen.
In Hamburg hat man zuletzt überlegt aus der U-Bahn eine U-Stadtbahn zu machen. Die Herren aus Hamburg haben sich davor einige Städte angeschaut: Stuttgart, Nürnberg, Berlin, München und Straßburg. Stuttgart wurde anschließend im Hamburger Abendblatt nachher umfassend als abschreckendes Beispiel gezeigt, so dass die Bevölkerung jetzt einwenig angst vor der Straßenbahn hat.
Ich kann mir gut vorstellen, warum man sich in Stuttgart immer noch eine U-Bahn wünscht: Die Hohen Bahnsteige, die schwer ins Stadtbild einschneiden, die Rampen, die ganze Stadtteile zertrennen und die Kfz- und Personenunfälle, die die wuchtigen Züge zu verschulden haben.
> Bis etwa 1980 wurden die Stadtbahntunnel in
> Stuttgart so breit gebaut, dass später auch 2,90 m
> breite *echte* U-Bahnwagen darin hätten fahren
> können. Dann wurde diese langfristige Optionen
> begraben und die Tunnel nur noch für die 2,65 m
> breiten Stadtbahnen gebaut. Die Stuttgarter Tunnel
> ab 1980 sind daher schmaler und höher als die
> Nürnberger und kosten pro Kilometer etwa das
> Gleiche.
Diese Tunnel wurden zumeist im Schildvortrieb gebaut. Es wurden und werden zudem sehr viele Tunnel gebaut, die ihre Auslastung nicht rechtfertigen und sind zudem recht willkürlich verteilt.
> Dein Liniennetz bestätigt auch meine Hauptkritik
> an der U-Bahn in Nicht-Millionenstädten: Es gibt
> nur wenig Linien und damit wenig Stationen, von
> denen aus man direkt zu den wichtigsten Zielen
> kommt. In Nürnberg und Fürth wird es 2017 nur 42
> und in Deiner Grafik geschätzte 50 U-Bahnhöfe
> geben. Meine virtuelle Stadtbahn hat hingegen 168
> Stationen und die SSB Stuttgart sogar fast 200. Es
> leben und arbeiten also viel mehr Menschen im
> direkten Einzugsbereich der Stadtbahn und werden
> sie auch benutzen. Offizielle Planer gehen davon
> aus, dass jeder Umsteigezwang 20 bis 40% der
> potenziellen Fahrgäste davon abhält Bus und Bahn
> zu fahren. Zur U-Bahn müssen viele Fahrgäste
> umsteigen, daher ist die Gesamtnachfrage geringer
> als bei der Stadtbahn.
Angepeilt sind ca. 75 Haltestellen U-Bahn im Endzustand. Die U1 alleine würde es auf ca. 42 Stationen bringen und fährt von Leonberg nach Nellingen fast Luftlinie. Man könnte diese U1 sogar heute schon für eine gewisse Stange Geld realisieren und diese mit den Stadtbahnzügen betreiben. 70% der Strecke existiert schon heute.
Auch heute wird in Stuttgart viel umgestiegen, weil das Netz nicht konzentrisch ist und auch nicht die Regel gilt, dass alle Linien sich mindestens einmal schneiden. Manche Stadtbahnlinien haben sogar keinen Anschluss an die S-Bahn. Zudem machen der 12 Minutentakt und die langen Wege das Umsteigen unzumutbar. Ein Halt wie Plärrer verringert diese Effekte.
Was außer Acht gelassen wird: Eine Stadtbahn verkehrt auf einer Linie bestensfalls aufgrund der hohen Streckenauslastung alle 10 Minuten in der HVZ. Es ist bekannt, dass erst eine Ausdehnung auf einen 5-Minutentakt die Fahrgäste zum ÖPNV überzeugt (Umfrage aus Stiftung Warentest) und der ist nur auf Hauptverkehrsachsen möglich. Eine Ausdehnung auf 5 Minutentakt erhöt die Fahrgastzahlen zumeist um 60% und macht das Umsteigen erträglicher. Einen 5 Minutentakt gibt es in Stuttgart auf keiner Linie.
> In Millionenstädten ist die Verkehrsnachfrage
> natürlich so groß, dass es ein echtes U-Bahn-Netz
> gibt. Das erfüllt dann (mit 2 oder 3 mal so hohen
> Fahrgastzahlen) die gleiche Funktion wie ein
> Stadtbahnnetz in "kleineren Großstädten".
Das stimmt nicht. Auch Großstädte können nicht auf Straßenbahnen verzichten. Beispiel: München, Berlin und jetzt bald auch Hamburg. Dann Paris und London. Der Bau von U-Bahnlinien ist dort zumeist deutlich teurer als in kleineren Städten, weil alles untertunnelt werden muss und die Haltestellen doppelt so lang sein müssen. Von den Ideen aus den 60ern hat man sich verabschiedet und kehrt zu den traditionellen Ideen zurück. Straßenbahn und Bus machen die feinerschließung, die U-Bahn macht die Groberschließung. Straßenbahnen haben möglichst einen eigenen Gleiskörper und fahren nur in seltenen Fällen im Tunnel. Die U-Bahn fährt unabhängig vom Straßenverkehr. Sobald die traditionelle Straßenbahn nicht mehr reicht, sollte sich die Stadt ein gutes U-Bahnkonzept überlegen. Das ist in der Geschichte leider selten gelungen. Ich behaupte, man hat es nur in Hamburg und Nürnberg wirklich gut gemacht.
Wir können mit der Diskussion hier bleiben, Nürnberg ist stets als positives Beispiel geschildert und Stuttgart soll abschrecken.
> PS: Du schreibst in Deinem virtuellen U-Bahn-Netz
> häufig "Fortsetzung wie heute oberirdisch, aber
> kreuzungsfrei". Ist Dir bewusst, wie massiv die
> baulichen Unterschiede sind, weil die U-Bahn
> hermetisch abgeriegelt werden muss? Der Nürnberger
> oberirdische Abschnitt Stadtgrenze-Erberhardshof
> dient Verkehrsplanern als abschreckendes Beispiel
> dafür, wie ein öffentliches Verkehrsmittel
> Stadtteile zertrennen kann!
Die sind mir durchaus bewusst, doch das zerschneiden der Stadtteile ist ein bekanntes Manko der Stadtbahn. Die Haltestelle Eberhardshof ist eigentlich ein Beispiel für die U-Bahn und gegen die Stadtbahn, weil dies der einzige stadtbahnartige Abschnitt in Nürnberg ist. Soetwas hat man in Stuttgart fast überall. Die U1 auf dem Plan ab Silberwald existiert heute schon kreuzungsfrei ausgebaut und die Strecke hat Potential um auf 5-Minutentakt erweitert zu werden. Es ist eine der Hauptachsen. Leider gibt der Straßenbahnartige Abschnitt Charlottenplatz-Bopser das nicht her, weil der Individualverkehr da im Weg ist. Die Abbieger hätten dort fast nur Rotphasen.
Offtopic: Ich lebe erst drei Jahre hier in Stuttgart und habe schon zweimal erlebt, wie die Stadtbahn mit ungefähr Tempo 50 einen PKW gerammt hat. Einer davon ist tödlich verlaufen und war diesen Winter. Der Zug konnte nicht mehr bremsen. Das war ein großer Schock für mich. Die Ampel schaltete auf Rot, die Stadtbahn beschleunigte schon und die Fahrerin rutschte langsam und unbemerkt auf die Schienen. Der Zug drückte den PKw schräg aufs Gegengleis und dann kam auch schon der Gegenzug auf Gleis zwei mit Tempo 70 angefahren. Tod auf der Stelle.