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U-Bahn Steilshoop: Die Entzauberung eines lang gehegten Mythos
geschrieben von NVB 
Bild 1:

Die Überbrückung wirkt von außen massiv wie ein Bunker, da die Konstruktion als Kastenbrücke gebaut ist. Die eigentliche Brückenfahrbahn etwa in der Mitte des Tragrahmens ist nur etwa ein Drittel so dick. Dieser hier sichtbare südliche Brückenseitenrahmen setzt sich nach oben als äußerst massives Betongeländer und nach unten als ebenso massive Schürze fort. Die gleiche Konstruktion befindet sich von außen nicht erkennbar auf der Nordseite der Brücke und zweifach mit etwa zwei Meter Abstand in der Längsmitte der Brücke.

Von unten betrachtet haben wir also zwei umgekehrt u-förmige Betonprofile, die sich an allen Enden auf insgesamt acht massive, etwa 30 Meter tief gegründete Betonpfeiler abstützen. Die relativ geringe Überdeckung des geplanten U-Bahntunnels war einem möglichst preiswerten Bau, dem leicht erreichbaren Zugang zum Einkaufszentrum und dem späteren Abgang zur U-Bahn mit dem hier vorgesehenen Mittelbahnsteig geschuldet.




Bild 2:

Hier nun der Durchgang, über den es so viele Spekulationen gab und immer noch gibt. Die Pfeiler können schon von ihrer zierlichen Konstruktion her nichts mit der darüber liegenden Betonkastenbrücke zu tun haben. Des Rätsels Lösung ist dann auch ganz einfach. Sie tragen die hier sichtbare Decke, eine Zwischendecke, die nur die Hohlräume der umgekehrt u-förmigen Betontröge der Brückenkonstruktion von unten abdeckt.

Wir blicken hier auf die Seite nach Osten und hinter der Wand befindet sich ab etwa Fußbodenhöhe eine Stützkonstruktion, die verhindert, dass der Druck der anschließenden, rund 150 Meter langen Schotterfüllung die provisorische Wand des Tunneldurchgangs zum Einsturz bringt. Die gleich aussehende Wand im Rücken des Fotografen dient auch nur als provisorische Trennwand zu verschiedenen Räumen, die - sehr unspektakulär - teilweise als Lagerräume genutzt werden. Unter den Fußböden sind keinerlei Hohlräume oder Vorratsbauten, sondern lediglich der nicht weiter behandelte Originaluntergrund dieser Gegend. Über die weitere Länge der Brückenkonstruktion im Rücken des Fotografen kann nur spekuliert werden. Die ab hier nicht mehr einsehbaren stählernden Spundwände setzen sich jedenfalls bis zur Einmündung des westlichen Cesar-Klein-Rings und des Schreyerrings fort.




Bild 3:

Hier blicken wir wieder nach Norden, etwas östlich von Bild 1. Ist hier endlich der geheimnisvolle Abgang zu den tiefen, Spannung erzeugenden Gefilden einer verschwiegenen Untergrundbahn? Nein, es ist die Enttäuschung pur! Durch diese Tür sind lediglich die kleinen Räumlichkeiten dieses Vorbaus bis hin zu den rechts noch sichtbaren roten Spundwänden und den Hohlräumen unter der Treppe zugänglich. Hinter den Spundwänden liegen geschätzte 15.000 Tonnen Schotter als Platzhalter und sonst gar nichts.




Bild 4:

Hinter diesen Spundwänden, die etwa 25 Meter in die Tiefe ragen, liegt Schotter, nichts als Schotter. Schotter deshalb, weil die Steine sich untereinander verhaken und damit viel weniger Druck als beispielsweise Kieselsteine, Sand oder Erde auf die Spundwände ausüben. Der Gedanke dieser Konstruktion war so einfach wie bestechend: Im Falle des U-Bahnbaus wird die Fahrbahn oben abgehoben, der Schotter und entsprechend der Notwendigkeit der darunter liegender Original-Untergrund abgegraben. Danach können die Tunnelsohle und die Tunnel-Seitenwände hin zu den Spundwänden auf beiden Seiten und die Tunneldecke betoniert werden. Die weit ins Erdreich gerammten Spundwände sorgen dafür, dass das Steilshoop-Center und das gegenüber stehende Hochhaus beim Ausschachten der U-Bahntunnel nicht in die Baugrube rauscht, wie weiland das inzwischen weltberühmt gewordene Kölner Archiv. Mein Informant - der sich vor Nachstellungen zahlreicher "Hobbyarchäologen" fürchtet und deshalb ungenannt bleiben möchte - sagte mir noch, dass Steilshoop zwischen acht und zwölf Meter über dem Meeresspiegel liegen würde und daher kaum Grundwasserprobleme bestünden.




Bild 5:

Wir stehen hier auf dem östlichen Widerlager der Betontrogbrücke(n). Die Spundwände beiderseits der Straße sind, wie bereits erklärt, vollständig mit Schotter befüllt und reichen etwa dreißig Meter bis hinter das Brückenhaus. Die Pfeiler des Brückenquerbaus gründen mit Rücksicht auf einen späteren U-Bahnbau auch etwa in dreißig Meter Tiefe. Im Falle des U-Bahnbaus hätte man „nur“ die Straße abzuheben, den Aushub zwischen den Spundwänden vorzunehmen, die Tunnelsohle, -wände und -decke zu betonieren und schließlich die Straße wieder anzulegen.




Zum Abschluss noch der Gurgel-Maps-Ausschnitt [maps.google.com] für einen Blick aus der Vogelperspektive auf den potenziellen U-Bahnhof Steilshoop. Es bleibt die Frage, warum für ein hypothetisches Bauwerk ein solcher Aufwand betrieben wurde? Aber auch hier ist des Rätsels Lösung wieder ganz einfach. Die umliegenden Gebäude erzeugen durch ihr extremes Gewicht einen gewaltigen Druck auf den Erduntergrund und bei Ausschachtungen in der vorliegenden unmittelbaren Nähe der Gebäude käme es durch den Gebäudedruck zwangsläufig zum Nachrutschen von Erdmaterial in die Baugrube mit den bekannten Folgen. Da die zu Verhinderung des Nachrutschens notwendigen Spundwände mit hohem rythmischen Druck in den Baugrund gerammt werden müssen, wären beim nachträglichen Einrammen erhebliche Erschütterungen des Erdreichs und damit in der näheren Umgebung eine erhebliche Beeinträchtigung benachbarter Bausubstanz zu befürchten.

Mit anderen Worten: Das Ausschachten von Erdreich an direkt benachbarten Massivbauten dieses Ausmaßes samt der Unterquerung eines pfeilergestützten Querbaus ist in so hohem Maße risikobehaftet, dass es gar keine andere Möglichkeit gab, als die vorbeugende bereichsweise Untergliederung des Erdreiches durch Spundwände. Das gilt insbesondere, wenn der Untergrund wie hier in Steilshoop aus einer kaum definierbaren Mischung von Morast und Trümmerschutt besteht.
1. Schöner Beitrag, danke!
2. Schade, dass die U-Bahn nie verwirklicht wurde.
Hoch interessant. Wie sieht das eigentlich in Mümmelmannsberg aus? Dort soll es auch einen alten U-Bahnhof geben, der nie in Betriebgenimmen worden ist. Er soll etwas weiter westlich parallel zu dem jetzigen liegn (unter dem Einkaufszentrum) und schon Fahrtreppen gehabt heben, die wieder ausgebaut worden sind...
wow , sehr interessant und gute Bilder die du da gemacht hast , Grade für mich als ur-Steilshooper der dort die ersten 15 Jahre meines Lebens verbracht hat ist das sehr interessant zu lesen

meine Nahverkehrs Bilder
Zitat
Computerfreak
Hoch interessant. Wie sieht das eigentlich in Mümmelmannsberg aus? Dort soll es auch einen alten U-Bahnhof geben, der nie in Betriebgenimmen worden ist. Er soll etwas weiter westlich parallel zu dem jetzigen liegn (unter dem Einkaufszentrum) und schon Fahrtreppen gehabt heben, die wieder ausgebaut worden sind...

Nö, der liegt quer zur jetzigen Station und wird meines Wissens -- wegen der baubedingt gegebenen guten Schalldämmung -- als Übungsraum für Jugendmusikgruppen genutzt.

Ich weiß nur aktuell nicht, ob er unter der Straße Mümmelmannsberg oder unter dem Havighorster Redder verbuddelt ist.
Ursprünglich war meines Wissens angedacht, die Merkenstraßen-Strecke nach Glinde weiterzubauen und über die derzeit als östliche Kehrgleise genutzte Trasse weiter durch die Kapellenstraße Richtung Kaninchenhügel zu buddeln.

Im Hochbahnbuch von André Loop oder auf den Seiten von Marcus Schomacker müßte dazu etwas zu finden sein.

Gruß Ingo

NVB
Flächennutzungsplan 1973
09.02.2011 09:40
Zuerst muss ich mein Lob über die Steilshooper Ausstellung loswerden: Klasse gemacht! Wer Lust hat, in der Geschichte - nicht nur von Steilshoop - zu wühlen, der wird hier garantiert fündig.

Lasst Euch mal diesen Flächennutzungsplan von 1973 "auf der Zunge zergehen", er zeigt wunderbar den Größenwahn der damaligen Zeit, obwohl die erste Rezession samt Ölkrise schon hinter uns lag. Ich wusste gar nicht, über was ich zuerst staunen sollte, über die Stadtautobahnen samt Kreuzungsdreieck mitten in Barmbek oder der beiden neuen U-Bahn-Linien. Der Plan zeigt aber auch indirekt die Überlegenheit der Stadt- oder Straßenbahn, wenn man sich die wenigen neuen U-Bahn-Stationen anschaut. Mit diesen sehr großen Haltestellenabständen würde man heute die doch sehr zur Bequemlichkeit neigenden Fahrgäste wohl kaum noch "hinter dem Ofen hervorlocken" können. Die Zeiten haben sich eben geändert und aus Erschließungssicht ist die Stadtbahn nicht nur preiswerter, sondern auch besser ...


Zitat
NVB
Die Zeiten haben sich eben geändert und aus Erschließungssicht ist die Stadtbahn nicht nur preiswerter, sondern auch besser ...

Kann man so sehen, muß man aber nicht ...

Aber ich pflichte bei das die Stadtbahn für bestimmte Städte, durchaus ein probanes Beförderungsmittel darstellt, aber für eine Stadt wie Hamburg wohl eher nicht.
Nicht aus städtebaulicher und verkehrlicher Sicht, vielmehr aus politischer und durchsetzungsfähiger Akzeptanz in der Bevölkerung.
Die Bevölkerung in Hamburg ist eben stark auf das Auto fokussiert. Was ja auch nicht schwer verwunderlich ist, wenn eine Dame wie Bertha Benz vor etwa 125 Jahren in Deutschland und später folgernd mit der sogenannten Höllenfahrt und Station Hamburg, die Werbetrommel in nachhaltiger Empathie für das Automobil rührte. Für die Stadt Hamburg folgte daraufhin die erste Tankstelle und auch Ampel in Deutschland.
Und das soll schon etwas bedeuten, das Hamburg seinen Anteil an der Wiege des deutschen Automobils inne hält.
Nicht ohne Grund werden heute noch Teile für alle Mercedes Modelle, vom Smart bis zur S-Klasse, im Hamburger Tempo Werk produziert.
Leider fehlt auf gegenteiliger Seite der entsprechende Part im Schienen ergo Lokomotivwesen, der zu einer vergleichbaren Initiierung führte.

Dies sind alles Geschehnisse die zu dem heutigen Status Quo in Sachen Hamburger Verkehrspolitik führten.

Und egal welche Farben nach der Wahl die Geschicke in Verantwortung hegen, ein tägliches Verkehrsaufkommen mit 1598 Pferdefuhrwerken, 12 957 Radfahrern, 1541 Straßenbahnen und nur 22 073 Automobile wie es bspw. 1929 an der Kreuzung Esplanade/Neuer Jungfernstieg existierte, wird es nicht mehr geben.
@Kate: In Hamburg ist man so aufs Auto fixiert, weil die Alternativen (Mehr SPNV z.B. in Form einer Stadtbahn) fehlen!
Zitat
NVB
Lasst Euch mal diesen Flächennutzungsplan von 1973 "auf der Zunge zergehen", er zeigt wunderbar den Größenwahn der damaligen Zeit, obwohl die erste Rezession samt Ölkrise schon hinter uns lag.

Der Yom-Kippur-Krieg war lt. Wikipedia Oktober 73 - da dürfte der Flächennutzungsplan schon fertig gewesen sein.
"Der Yom-Kippur-Krieg war lt. Wikipedia Oktober 73 - da dürfte der Flächennutzungsplan schon fertig gewesen sein."

Sicher, dabei hätte ich wetten können, dass die Ölkrise früher war, schließlich reichten die Auswirkungen der ersten Rezession 1966/67 bis in die 70er Jahre. So ist das eben mit (falschen) Erinnerungen ...
@ kate
Naja, immerhin haben wir wohl das erfolgreichste und wirtschaftlichste Nahverkehrsunternehmen am Start... ok ... schwacher Trost.

Zu den Gerüchten um die U-Bahnplanung in Steilshoop findet sich einiges bei www.geschichtsspuren.de in den Foren.

@NVB
Die Setzung der Spundwände war für die 70ger stand der Technik, heute ist es auch in so dicht umbauten Raum wie Steilhoop mittels hydraulischer Pressung möglich, entsprechend Spundwände zu setzen ohne Kolateralschäden herauf zu beschwören.

Zum Bebauungsplan mit der einzeichneten Strecke geht es hier: [www.geoportal-hamburg.de]

Grüße Djensi
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