Hallo,

nachdem vor gut sechseinhalb Jahren 100 Jahre Hochbahn mit der Eröffnung des Rings gefeiert wurde, gibt es heute ein weiteres 100-jähriges Jubiläum. Die sogenannte Walddörferbahn wurde provisorisch mit Dampfbetrieb eröffnet. Eine Besonderheit, die ansonsten nur noch auf der anderen Staatsbahn – der sogenannten Langenhornerbahn – vorkam.

Die ganze Geschichte von der Entstehung der Idee zur Linie, über die Umsetzung und den weiteren Verlauf bis in die heutige Zeit haben andere schon viel besser aufgeschrieben. Ich werde daher nur eine kurze Zusammenfassung schreiben und noch etwas zu den eingesetzten Dampfloks, über die es in den Hamburger Nahverkehrsnachrichten 4/2017 etwas zu lesen gab.

Zur damaligen Situation:
Damals war Hamburg von Preußen umgeben und das Verhältnis zwischen den Staaten innerhalb Deutschlands noch deutlich formaler und etwas feindseliger als heute unter den Bundesländern. Hamburg hatte über die Jahre, teils über Kauf, Ländereien in Preußen erworben, um unabhängiger zu werden. So gehörte beispielsweise bis vor einigen Jahren noch Teile Cuxhavens zu Hamburg.

Mit Eröffnung des Hochbahn-Rings kamen immer lautere Forderungen der Anlieger in den Hamburger Exklaven u.a. Farmsen/Berne, Volksdorf, Wohldorf/Ohlstedt und Großhansdorf nach einer schnellen und günstigeren Anbindung an die Hamburger Innenstadt auf. Bislang konnte man nur über die Kleinbahn Altrahlstedt – Wohldorf und ab Rahlstedt mit der Lübeck-Büchener Eisenbahn nach Hamburg gelangen. Diese Verbindung erreichte nur die Bewohner etwas nördlich von Meiendorfer Weg – Farmsen/Berne war komplett abgeschnitten – und entlang der Strecke bis Ohlstedt und darüber hinaus bis Wohldorf. Sie war dazu zeitaufwändig und war für damalige Verhältnisse teuer.

Kurz nach Eröffnung des Hochbahn-Rings begannen die Planungen und noch vor dem 1. Weltkrieg konnte mit dem Bau begonnen werden. Ging der Bau zunächst noch rasch voran, verlangsamte sich der gesamte Bau während des Kriegs. Am meisten bereitete die Materialknappheit Probleme, was eine Elektrifizierung der Strecke unmöglich machte.

Da aber auch der reine Gleisbau aufgrund der fehlenden Materialien Probleme bereitete, verzögerte sich eine mögliche Eröffnung immer weiter. Die Anlieger hatten zwar Verständnis aufgrund der Situation, machten ihrem Unmut aber trotzdem immer deutlicher Luft, sodass zumindest ein provisorischer Betrieb möglichst bald in Angriff genommen werden sollte.

Im Sommer 1918, nur noch wenige Monate vor Ende des Krieges, ergriff man konkrete Maßnahmen, um mit dem Betrieb starten zu können. Man mietete in Belgien erbeutete Werksloks vom Heer an und am 12. September 1918 war es soweit. Mit für den Dampfbetrieb angepassten U-Bahn-Wagen begann der provisorische eingleisige Betrieb zwischen Barmbek und Ohlstedt.

Man war lediglich in der Lage sechs Fahrten pro Tag und meist nur mit einem einzigen Wagen im Schlepp der Lok durchzuführen. Besonders an den nachfrage starken Wochenenden war das viel zu wenig.

Selbst dieser provisorische Betrieb war nicht stabil. So waren Störungen und Defekte an den betagten und für Streckenbetrieb eher ungeeigneten Loks nicht selten und ein Kabeln nach der Reservelok an der nächsten Station notwendig.

Damit nicht genug. Wie bekannt, ging der Krieg verloren und die Loks wurden schadanfälliger. Letztendlich dauerte dieser erste Betrieb der Strecke nur gut ein halbes bis dreiviertel Jahr, bis Anfang des Sommers 1919. Während eine der beiden Loks zu Reparaturarbeiten im Hafen war, forderte das Heer die Loks zurück, damit sie dem rechtmäßigen Besitzer wird zurückgegeben werden konnte.

Bis zum Herbst 1919 wurde die Lok versandfertig gemacht und wieder in ihre Heimat verschickt. Ungenauer wird es mit der zweiten Lok. Laut der im Artikel erwähnten Dokumente wollten die zuständigen Stellen diese ebenfalls zurückgeben, da sie auch gar keine anderen Wahl hatten und die Miete aufgrund des eingestellten Betriebs der Walddörferbahn unnütze Kosten waren. Letztendlich soll die Lok aber an den Bauunternehmer weitergegeben worden sein, der die Walddörferbahn und Langenhornerbahn baute. Der Bauunternehmer stellte offenbar seine Lok ebenfalls für den Betrieb der Walddörferbahn zur Verfügung und übernahm später den Betrieb der Langenhornerbahn.

Erst mit Beginn der 1920er Jahre konnte der zweigleisige, elektrische Ausbau endlich vollendet und der Betrieb der Walddörferbahn regulär aufgenommen werden.

Wie vielleicht einigen bekannt, gibt es aus dieser Anfangszeit viele Unklarheiten. Der Einsatz und Verbleib der belgischen Beuteloks ist durch den Artikel in den HN etwas deutlicher geworden, Fragen bleiben. Ebenso wie bei der Strecke nach Großhansdorf. Es soll hier, wie geplant, ein zweites Gleis gegeben haben, was aber später abgebaut und als Stromschiene verwendet wurde. Ebenso ist nicht abschließend geklärt, ob es je einen Betrieb bis Beimoor gegeben hat. Sichtbar ist nur, dass es den Bahnsteig und den Zugang dazu gibt sowie der Bahndamm zwischen Großhansdorf und Beimoor existiert.

Daneben gibt es eine Vielzahl von kleinen Besonderheiten an der Strecke. So wurden ungewöhnlich viele Haltestellen „auf Vorrat“ fertiggestellt und teils erst sehr viel später eröffnet, da man im Bereich der Haltestellen Ansiedlungen erwartete, aber noch keine nennenswerte Siedlungsdichte vorhanden war. Die Haltestelle Habichtstraße wurde sogar erst 1930 eröffnet und besaß damals noch eine Weichenverbindung und eine Art kleines Stellwerk dafür.

Andere Beispiele sind die vielen Überbleibsel der Kleinbahn Altrahlstedt – Wohldorf, wie beispielsweise das Testgleis in Berne.

Wer mag, kann die Suchmaschine seines Vertrauens zu weiteren Informationen zur Strecke befragen.

Viele Grüße
Boris

PS: Die Hochbahn hat auch etwas dazu geschrieben.
Schöner Bericht, vielen Dank. Leider ist die Webseite von Marcus Schomaker immer noch offline, der einiges dazu gesgt hat. Aber das mit dem zweiten Gleis als Stromschiene: Das 2. Gleis wurde nicht direkt als Stromschine verwendet (unterschiedliche elektrische Leitfähigkeit von Stromschiene und Fahrschiene) sondern als Kompensation für die Stromschienen quasi "in Zahlung" gegeben während der Rohstofknappheit unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg.

Freundliche Grüße
Horst Buchholz - histor



2 mal bearbeitet. Zuletzt am 14.09.2018 00:50 von histor.
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