"Den Fahrausweis bitte!" - Mit diesem Satz kassieren Betrüger ab
Die BVG rät: Ausweise von Kontrolleuren genau prüfen
Peter Neumann
In der U-Bahn treiben offenbar falsche Kontrolleure ihr Unwesen. Sie geben vor, für die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) zu arbeiten und versuchen, Fahrgäste an Ort und Stelle abzukassieren. "Es sind uns vereinzelt Fälle bekannt, in denen nicht zweifelsfrei festgestellt werden konnte, ob es sich um echte Kontrolleure handelte. Wenn der Verdacht besteht, stellen wir Strafantrag gegen Unbekannt", gesteht BVG-Sprecherin Petra Reetz ein. Jens Wieseke vom Fahrgastverband IGEB fordert, "mit allen Mitteln gegen falsche Kontrolleure vorzugehen". Sonst könnte der gute Ruf des Berliner Nahverkehrs leiden.
BVG und Polizei sprechen zwar von Einzelfällen. Doch jeder Fall ist für die betroffenen Fahrgäste zumindest unangenehm. Jürgen Müller aus Karlshorst zum Beispiel fühlt sich "persönlich beleidigt". Er war am 13. Februar gegen 2.45 Uhr mit drei Bekannten auf der U-Bahn-Linie 2 unterwegs, als ihn vier Männern in Zivilkleidung ansprachen. "Sie hatten die 50 anderen Fahrgäste im Wagen kontrolliert und zeigten dann uns ihre Ausweise. Ob die echt waren, konnten wir natürlich nicht feststellen", sagt der frühere Ingenieur für Elektrotechnik. Eine Frau aus seiner Gruppe hatte vergessen, ihren Fahrschein zu stempeln. Folge: "Wir mussten auf dem U-Bahnhof Gleisdreieck aussteigen. Dort wollten die Männer 40 Euro." Sie begannen zu schimpfen und drohten uns Gewalt an.
Inzwischen aber hatte sich der 57-Jährige daran erinnert, dass er mit seiner Umweltkarte am Wochenende gratis einen Erwachsenen mitnehmen darf - die Frau mit dem ungestempelten Fahrschein fuhr also gar nicht schwarz. "Trotzdem bedrohte uns der Anführer der Kontrolleure weiter." Bitten, erneut die Dienstausweise zu zeigen, lehnten die Männer ab. Als der Konflikt auszuufern drohte, ging Müller zur Notrufsäule und beschwerte sich bei der BVG. Sofort verließen die angeblichen Kontrolleure den U-Bahnhof.
Für den Fahrgast war das ein erster Hinweis darauf, dass es sich um Betrüger handelte. Der zweite Hinweis: Normalerweise haben Kontrolleure ein Dateneingabegerät dabei - diese Männer hatten so etwas nicht. Als ihm dann die BVG später mitteilte, dass in jener Nacht die letzte Kontrolle auf der U 2 um 1.30 Uhr geendet hatte, war ihm klar: "Das waren keine echten Kontrolleure." Die BVG riet ihm, Strafanzeige zu stellen - wegen Betrugs. Diese Anzeige liegt nun beim Polizeiabschnitt 52.
Wenn das Personal künftig wieder Dienstkleidung tragen würde, hätten es Betrüger schwerer, sagt Müller. Doch dieser Forderung will sich der Fahrgastverband nicht anschließen. "Auch für uns ist es nachvollziehbar, dass BVG und die S-Bahn Kontrolleure in Zivilkleidung einsetzen", sagt der stellvertretende Vorsitzende, Matthias Horth.
Uniformierte seien viel zu leicht erkennbar - Ticketprüfungen würden kaum noch Wirkung zeigen. Horth und Wieseke raten Fahrgästen, sich bei Kontrollen den Ausweis zeigen zu lassen und diesen aufmerksam zu prüfen.
Das ist auch der Tipp, den die BVG gibt. Um ihre Kunden zu informieren, hat das Unternehmen auch in seinem Kundenmagazin "BVG plus" Muster der Dienstausweise abgedruckt.
An der Praxis, Kontrolleure in zivil einzusetzen, hält die BVG weiter fest. Denn mit dieser Strategie ist sie bislang gut gefahren. 2003 waren bei Ticketkontrollen noch 5,7 Prozent der Fahrgäste ohne gültigen Fahrschein - im vergangenen Jahr betrug dieses Quote nur noch 3,7 Prozent. Weil die Zahl der Kontrollen weiter erhöht wurde, erwischten die Fahrscheinprüfer rund 665 000 Schwarzfahrer - zirka 80 000 mehr als 2003.
Mit dem Eifer des Personals nimmt auch die Zahl der Kundenbeschwerden, die beim Fahrgastverband eingehen, zu. Wieseke: "Gestern berichtete uns eine Frau, dass sie in einer vollen Straßenbahn nicht schnell genug zum Ticketautomaten gelangte - sie musste 40 Euro zahlen."
Berliner Zeitung, Dienstag, 01. März 2005