CDU sammelt Unterschriften für Bürgerbegehren zum Bahnhof 17.06.2005 07:06 |
Re: CDU sammelt Unterschriften für Bürgerbegehren zum Bahnhof 17.06.2005 10:20 |
Re: CDU sammelt Unterschriften für Bürgerbegehren zum Bahnhof 18.06.2005 08:13 |
Abschied vom Bahnhof Zoo 19.06.2005 09:21 |
Zitat
Abschied vom Bahnhof Zoo
Immer noch trauert West-Berlin seiner alten Bedeutung hinterher. Derweil ist die Stadt dabei, sich aus der Mitte heraus neu zu erfinden
Von Klaus Hartung
Die Absicht, den Fernverkehr am Bahnhof Zoo zugunsten des neuen Hauptbahnhofs aufzugeben, konnte nicht wirklich überraschen. Überraschend war die Entgeisterung, der schockierte Aufschrei der Westberliner. Seit 1993 standen die Planungen des Regierungsviertels und des Verkehrskonzeptes fest. Man hätte wissen können, was kommt. Die Empörung ist reichlich verspätet.
Zum Thema
Grafik: Das Pilzkonzept
Umfrage: Fernverkehr am Bahnhof Zoo einstellen?
Natürlich deprimiert das Ende des Bahnhofs Zoo als Regionalbahnhof. Er ist ein Geschichtsort, der große Grenzbahnhof des geteilten Europas. Weiter nach Osten begann schon der grenzenlose Raum des sozialistischen Lagers. Andererseits fokussierte sich hier die Härte der Großstadt, mit den „Kindern vom Bahnhof Zoo“. Er hatte Atmosphäre, also etwas, was der Zentralbahnhof auf lange Zeit nicht haben wird. Der Bahnhof Zoo war der Vorraum der Metropole, ein Ort der Nervosität und geheimer Erwartungen. Noch immer ist er laut, eng, anrüchig und stets ein bisschen schmuddelig. Wer da aus der klimatisierten Ruhe des ICE steigt, muss schnell seinen Adrenalinhaushalt auf Touren bringen.
Der Zentralbahnhof hingegen ist eine gläserne Verteilungsmaschine, in der das Verweilen sofort zum Fehlverhalten wird. Er hat keine Nischen, die „Kinder vom Hauptbahnhof“ wird es nie geben. Allerdings: Wer da ankommt am leuchtenden Spreebogen, betritt nicht die Stadt, sondern zuerst den Staat, das Regierungsviertel – eine städtebauliche Pointe, deren Symbolkraft bislang noch kaum wahrgenommen wird.
Nostalgie ist das Innewerden eines Glücks im Medium des Verlustes. Da der größte Teil der Berliner irgendwann zugereist ist, war der Bahnhof Zoo immer auch der Ort des Ankommens, der geheime Geburtsort der Berliner. In einem Regionalbahnhof Zoo wird niemand mehr ankommen, da gibt es nur noch Ankunft oder Abfahrt. Es gibt also gute Gründe für die Wehmut. Aber zu diesem Gefühl gehört immer auch der Abschied. Dem aufschwellenden Gezeter um den verlorenen Bahnhof Zoo geht allerdings genau dies ab: die Bereitschaft und Fähigkeit, Abschied zu nehmen. Es überwiegt das Gekränktsein, der Jammer über eine notorische Zurücksetzung, das Ressentiment, das heißt das zwanghafte Wiederfühlen eines Gefühls. Der Tonfall ist bekannt, seit dem Fall der Mauer, seit der Zeit, als der Berliner Senat – vollkommen richtig – die Marschorder ausgab: „Aufbau Ost vor Ausbau West“. Seitdem wird über den innerstädtischen Liebesentzug geklagt, immer mit demselben Tremolo: Die City-West werde zur Zweitklassigkeit verurteilt, der Ku’damm verliere Kunden – die Stadtgeografie als Unrechtsurteil. Diese Klage ist ein Symptom, das einen tiefen Einblick in die innere Verfassung der Stadtgesellschaft erlaubt.
Gewiss, auch für Städte gilt die allgemeine Lebensweisheit: Zukunft braucht Herkunft. Urbanität ist nicht nur ein Stimmungswert für den Wirtschaftsstandort. Sie lebt mit der Erinnerung, hat immer auch einen konservativen retardierenden Kern. Wie produktiv er sein kann, lehrt ein Blick auf Dresden, zum Beispiel: Die Besinnung auf das goldene Zeitalter gehört dort zur Wirtschaftspolitik. Und die Fiktion einer neu-alten Identität von Hochbarock und Hochtechnologie, von Silicon und Sandstein floriert. Auch für Berlin, trotz aller Brüche in der Stadtgeschichte, gibt es eine Vergangenheit, die nahe ist und sich geradezu aufdrängt. Es ist die Zeit, in der der große Liebhaber und Flaneur Franz Hessel die „Versüdlichung“ Berlins entdeckte und ihren „republikanischen Stadtfrohsinn“ feierte. Es ist die Zeit, in der Berlin noch ein Ganzes war, in der Glanz und Glamour der neuen Weltmetropole aufleuchteten.
Eine Zuwendung zu dieser Vergangenheit wäre kein künstliches Konstrukt. Unmittelbar nach Kriegsende flackerte sie wieder auf, bis dann der Eiserne Vorhang fiel. Und überall dort, wo sich nach dem Fall der Mauer eine neue vitale Stadtkultur regt, von den Kabaretts bis hin zur neuen Berliner Mode, lässt sich das Genom der 20er Jahre entziffern. Wer die unübersehbare Daseinsfreude an Orten wie dem Kollwitzplatz oder dem Hackeschen Markt erlebt, der wird solche Begriffe wie „Versüdlichung“ und „republikanischer Stadtfrohsinn“ nicht für völlig deplatziert halten. Ganz naturwüchsig hat die Stadt schon längst die Spur zu sich selbst aufgenommen.
Aber welche Vergangenheit evozieren die selbstlosen Liebhaber des Bahnhofs Zoo? Und die analogen Ressentiments in Ost-Berlin? Welche Zukunft haben die vor Augen, die jene von aller Fantasie verlassenen Plattenbauten der Fischerinsel und die leeren Stadträume der Parkplätze und Verkehrsflächen im historischen Zentrum verteidigen? Das ist ja das Trostlose: Wenn der ideelle Gesamtberliner, der immer noch als Ost-West-Doppelwesen gedacht werden muss, die Stadtgeschichte reklamiert, kennt er nur eine Vergangenheit: die Teilung nämlich. Mit seinen stärksten Gefühlen bindet er sich ausgerechnet an das größte Elend der Stadt. Er identifiziert sich mit dem Identitätsverlust Berlins. Und das ist schon nicht mehr nostalgisch, sondern neurotisch.
Seit dem Fall der Mauer hat sich der Berliner mit dem Rücken voran in die Zukunft bewegt. Er wird geschoben und verharrt seit 1989, in einer Zeit, in der alles Anfang war, in gereizter Passivität. Das heißt auch: Alle Veränderungen musste er notwendigerweise als Verlust erfahren. Er kultivierte seinen Status als Opfer. Dieses verfehlte Stadtgefühl ist alles andere als harmlos, keineswegs nur eine Marotte oder bloßes Vertrautheitsritual, das nur deswegen besteht, weil nach 1989 alles sich änderte. Denn der Preis ist zu hoch: Realitätsverlust und Realitätsverweigerung.
Man kann über die Motive rätseln. Haben sich die Westberliner allzu lang und allzu sehr mit der beschämenden Realität der Mauer einverstanden gezeigt? Hat die ökonomische Daseinsgarantie, der sich beide Stadthälften erfreuten, eben weil sie getrennt waren, alle bestochen? Wie auch immer: Die Fixierung an jene Zeit führte zur Verweigerung des Neuen, der Wiedergewinnung jenes widersprüchlichen Stadtganzen. Aber gerade das war und ist noch immer geeignet, jede Verlusterfahrung zu relativieren.
So hat sich der gedoppelte Gesamtberliner der Agenda jener Epoche verweigert, die seit 1989 auf der Tagesordnung stand: die Wiedergewinnung der Stadtmitte. Berlin sei eine polyzentrale Stadt, verkündete prompt der Chor der West-Intellektuellen und der Ost-Intelligenzija in spontaner Komplizenschaft. Natürlich ist Berlin polyzentral wie jede große Metropole; aber ebenso selbstverständlich besitzt es eine organisierende Zentralität, das lehrt schon ein flüchtiger Blick in die Stadtgeschichte oder auf den Stadtplan. Nur: Dieses Zentrum liegt brach. Nachdem die große anachronistische Stadtfigur der Staatsachse der DDR mit dem Untergang des Realsozialismus sich auch selbst auflöste, hinterließ sie verschiedene Aggregatszustände städtischer Verödung. Dort, wo einst das Marienviertel stand, ist ein Antizentrum entstanden, das die Stadtteile nicht bindet, sondern auseinander treibt. Dass dieser unerträgliche Zustand dauert, hat seine Gründe. Denn der Westen wollte das historische Zentrum nicht, weil er den Bedeutungsverlust des Westzentrums fürchtete; und der Osten wollte es nicht hergeben.
Als „Wiederkehr der Städte“ bezeichnete der Kulturhistoriker Karl Schlögel die große Transformation von Osteuropa nach 1989. Für Berlin hieß das: Wiederkehr des Stadtzentrums. Das war nicht nur ein städtebauliches Projekt, sondern ein Anstoß zur Selbstermächtigung des Stadtbürgers, zur Wiederherstellung urbaner Identität. Der Bruch mit dem sozialdemokratischen oder realsozialistischen Etatismus hüben und drüben im Namen einer neuen stadtbürgerliche Verantwortung für das eigene Gemeinwesen stand auf der Tagesordnung.
Gerade die Renaissance des Zentrums hätte auch jenes versöhnende Dritte sein können, in dem die entfremdeten Stadthälften in Ost und West zueinander finden. Stattdessen wurde die Vereinigung Berlins als Angelegenheit der Sozialstaatsstadt verwaltet und zu einem sozialpolitischen Projekt der Angleichung der Lebensverhältnisse degeneriert. Der Stadtbürger war nicht gefragt, der Berliner blieb Einwohner. Er durfte sich dem Ossi-Wessi-Streit hingeben und etwas bekämpfen, was nie ein Problem war: die Mauer in den Köpfen.
Das chronische Verlustgefühl in Ost- und West-Berlin bis hin zur Klage über den verlorenen Bahnhof Zoo ist also Teil eines allgemeinen Syndroms. Dazu gehört die öffentliche Apathie angesichts der Schuldenlast der Stadt, das Abgestumpftsein gegenüber dem ökonomischen Schicksal Berlins: Unvorstellbar wäre in Berlin der Enthusiasmus, mit dem sich die Leipziger hinter die Parole „Leipzig kommt“ stellten. Stattdessen zeigt der gedoppelte Gesamtberliner einen Vitalitätsmangel, sobald es um die öffentlichen Dinge geht. Aber dieses Syndrom des verfehlten Stadtgefühls ist inzwischen bis zur Lächerlichkeit obsolet.
Denn die Verlagerung in die Mitte ist längst unterwegs. Seit 1998 verwurzelt sich das Regierungsviertel im Alltagsleben des Zentrums. Wenn die Stadt sich inszeniert, dann tut sie es am Gendarmenmarkt und nicht am Breitscheidplatz. Die Neuberliner orientieren sich am Hackeschen Markt (der zum großen Nacht-Treffpunkt geworden ist) und nicht am Savignyplatz. Die Investoren drängen, ihr Profitinteresse macht sie geschichtsgierig. Das Planwerk Innenstadt hat begonnen, den Generalzug der mittelalterlichen Struktur vom Spittelmarkt über den Molkenmarkt bis zum Marienviertel zu rekonstruieren. Der neue Hauptbahnhof wird ab 2006 mit seiner Dynamik einen neuen Vitalitätsschub in das Zentrum hineintragen. Mit dem Wiederaufbau des Stadtschlosses schließlich werden endlich die Berliner die große Rekonvaleszenz der Stadt nach dem Furor der Zerstörung vor Augen haben.
So ist hohe Zeit, dass Westberliner (und Ostberliner) ihre Verweigerung gegenüber dem gemeinsamen Zentrum aufgeben. Sie hat ohnehin schon zu viel Kraft und Zeit gekostet. Es ist Zeit, den Opferstatus aufzukündigen und bewusst Abschied zu nehmen. Dann werden die Westberliner erfahren, dass sie das, was sie an West-Berlin verloren, an Ganzberlin mehr als genug zurückgewonnen haben. Der Blick wird frei für den Reichtum und den Charme des alten Westens (der in der Weimarer Zeit der neue Westen war), und man wird sich rückhaltlos an dem etwas gemächlicheren Tempo und der erprobten Stadtkultur erfreuen können. Überhaupt wird dann endlich der große Reiz Berlins offenbar: Denn die Stadt besteht nicht nur aus Stadtteilen, sondern auch aus Zeitschollen; jede Fahrt durch die Stadt ist eine zeitgeschichtliche Exkursion.
Hier liegt die wahre Versöhnung zwischen Ost und West: nicht in der Angleichung, sondern im unbelasteten Genuss der Unterschiede. Die Stadtgesellschaft wird sich endlich aus ihrer zyklothymen Stimmungslage zwischen Großsprecherei und Verlustangst emanzipieren und den nötigen Optimismus gewinnen, den Berlin so sehr braucht, um seine historischen Chancen wahrzunehmen. Und schließlich: Es ist endlich an der Zeit, dass der Berliner seine innere Stadtgeografie, seine „mental map“, in Ordnung bringt und akzeptiert, dass weder die Mitte noch Kreuzberg im Osten der Stadt liegen.
Re: Abschied vom Bahnhof Zoo 19.06.2005 11:10 |
guter Artikel 20.06.2005 09:11 |
Unterschriften gegen Abbau West 23.06.2005 07:53 |
Zitat
Unterschriften gegen Abbau West
Im Bezirk kämpft man an vielen Fronten um den Erhalt des Bahnhofs Zoo als Fernbahnhof
Eva Dorothée Schmid und Peter Neumann
CHARLOTTENBURG. Für Hadzija Hadzic, Inhaber des Café Zoo, ist klar: Wenn kein ICE mehr am Bahnhof Zoo hält, muss er dichtmachen. 90 Prozent seiner Gäste sind Fernreisende. "Das bedeutet, dass wir hundertprozentig Pleite gehen", sagt Hadzic. 15 Mitarbeiter würden ihren Job verlieren. Ähnlich düster sehen die meisten Geschäftstreibenden am Bahnhof ihre Zukunft. Einzelhändler, Gaststätten- und Hotelbetreiber rechnen mit einem erheblichen Rückgang der Umsätze. "Ich befürchte, dass der Laden schließen muss", sagt Edelgard Hennig, Angestellte in einem Souvenirladen. Auch Roswitha Dionisius von Card&Co fürchtet, dass sie arbeitslos wird, wenn der Bahnhof Zoo kein Fernbahnhof mehr ist. Doch im Bezirk wird um den Bahnhof Zoo gekämpft.
"Über die Stadtbahn müssen weiterhin Fernzüge fahren", sagt Ingo Schmitt, CDU-Landesvorsitzender, Europaabgeordneter und Charlottenburger. Das Einzugsgebiet des Bahnhofs Zoo sei zum Beispiel mit Hannover vergleichbar. "Es wäre undenkbar, wenn so eine Stadt vom Fernverkehr abgehängt würde." Baustadtrat Klaus-Dieter Gröhler (CDU) sagt: "Es kann nicht sein, dass es hier einen Abbau West gibt und der Senat sieht zu." Seit einer Woche sammelt die CDU Charlottenburg-Wilmersdorf Unterschriften für ein Bürgerbegehren, das die Bezirksverordnetenversammlung dazu auffordert, sich mit dem Thema zu befassen. Damit das Bürgerbegehren eingeleitet werden kann, müssen zwei Prozent der Wahlberechtigten im Bezirk unterschreiben, also etwa 4 000 Personen. Etwas mehr als tausend haben bereits unterschrieben. Bis Anfang August will die CDU die Stimmen zusammen haben. In der zweiten Stufe müssen dann zehn Prozent, also rund 20 000 innerhalb von zwei Monaten unterschreiben. Das Bürgerbegehren werde "eindrucksvoll" zeigen, dass die Pläne der Bahn im Bezirk abgelehnt werden, sagt Schmitt.
Die Bezirksverordneten haben am vergangenen Donnerstag einstimmig den Bezirk beauftragt, sich für die Beibehaltung des Pilzkonzeptes und gegen die Pläne der Bahn einzusetzen, den Bahnhof Zoo künftig nicht mehr als Fernbahnhof zu nutzen. Während des Schlossfestes am vergangenen Wochenende wurden am Stand der BVV auch Unterschriften gesammelt. Sie sollen in Kürze der Bahn übergeben werden. Warum also noch ein Bürgerbegehren? Gröhler sagt, man wolle zeigen, dass hinter dem Anliegen die breite Bevölkerung steht. "Außerdem wollen wir das Thema am Kochen halten und Druck auf die Bahn ausüben.
Unterstützung kommt vom Fahrgastverband. Vorstandsvorsitzender Christfried Tschepe verweist darauf, dass es 1986 und 1988 mit Bürgerbegehren gelang, stillgelegte S-Bahn-Strecken wieder in Betrieb zu nehmen. Argumentationshilfe leistet auch Michael Cramer, Europaabgeordneter der Grünen. "Vor dem Krieg stiegen nicht mehr als drei Prozent der Bahnfahrgäste in Berlin um - für die anderen begann oder endete die Reise hier. Künftig werden es vielleicht fünf Prozent sein", sagte er. Ein riesiger Kreuzungsbahnhof, wie er mit dem neuen Hauptbahnhof an der Spree entsteht, werde eigentlich gar nicht gebraucht. Anfang der 90er Jahre hatten sich Senat und Bahn auf den Bau des neuen Bahnhofs und der neuen Nord-Süd-Verbindung verständigt. Schon damals hatte Cramer Bedenken geäußert: "Jetzt ist die damals absehbare Situation da - und keiner will es gewesen sein."
"Wenn die DB nicht mehr am Zoo halten will - vielleicht sind andere Bahnunternehmen interessiert", sagt die Bundestagsabgeordnete Franziska Eichstädt-Bohlig (Grüne). In der Tat: Wenn Connex wie angekündigt ab Sommer 2006 einen Fernzug zwischen Westerland (Sylt), Hamburg und Berlin anbietet, soll er auch am Bahnhof Zoo halten. Firmensprecher Andreas Winter: "Für uns wäre der Zoo ein wichtiger Einstiegspunkt. Die Anbindung an den Nahverkehr ist doch hervorragend."
Re: Unterschriften gegen Abbau West 23.06.2005 09:56 |
Re: CDU sammelt Unterschriften für Bürgerbegehren zum Bahnhof 23.06.2005 23:27 |
Zoo oder nicht Zoo: Wowereit und Mehdorn bei internem Treffen 25.06.2005 00:56 |
Re: Abschied vom Bahnhof Zoo 25.06.2005 01:50 |
Aus den Gleisen geraten 25.06.2005 07:44 |
Zitat
Berlin an der Bahn
Aus den Gleisen geraten
Von Gerd Appenzeller
Für Hartmut Mehdorn ist die Sache gelaufen. An den beiden östlichen Bahnsteigen jenes Bahnhofs, den weiter Lehrter Bahnhof zu nennen man uns am liebsten untersagen möchte, wird der künftige Reisende bereits heute mit einer großen Hinweistafel freundlich begrüßt: „Herzlich Willkommen auf dem Berliner Hauptbahnhof“, kann man vom S-Bahnsteig aus lesen. Wenn es nach Bahnchef Mehdorn geht, kommen auch künftige Adressaten des Grußes eher aus Brandenburg an der Havel und Kyritz an der Knatter als aus München oder Hamburg. Entgegen allen Planungen will die Bahn den Fernverkehr plötzlich in den Nord-Süd-Tunnel schicken und unter dem schicken Glasdach nur noch Stadt- und Regiobahnen halten lassen.
Ist dies schon angesichts der Zwei-Milliarden-Mark-Investition in die Stadtbahn und des ICE-tauglichen Umbaus mehrerer Bahnhöfe reichlich absurd, bringt eine weitere Folge der Mehdorn’schen Überrumpelungstaktik die Berliner in Ost und West in Rage. Sowohl der Bahnhof Zoo als auch der Ostbahnhof sollen vom Fernverkehr abgehängt werden. Der neue Hauptbahnhof soll einziger Fernbahnhof werden.
Zum Thema
Grafik: Das Pilzkonzept
Umfrage: Fernverkehr am Bahnhof Zoo einstellen?
Diesem Konzept könnten auch Stadtplaner noch folgen, wenn der neue Hauptbahnhof gut an den Nahverkehr angebunden und für den Individualverkehr leicht erreichbar wäre. Nichts davon trifft zu. Der Hauptbahnhof liegt zwar zentral, aber mitten in einer menschenleeren Einöde, zwischen dem Zentrum Ost und dem Zentrum West. Weder gibt es auf große Verkehrsmengen ausgelegte Straßen noch ausgewiesene Parkflächen oder eine U-Bahnanbindung, wenn man von der geplanten Bonsaibahn zum Brandenburger Tor einmal absieht.
Nun hat auch die Bahn ein Recht auf Fehlplanungen, wie es von den Banken über die Immobilienmakler bis zu den Wachstumsprognostikern jeder in Berlin Engagierte für sich beanspruchen darf. Es ist halt nicht alles so groß gekommen, wie gedacht. Aber dass man aus den falschen Annahmen von gestern, angesichts der Realität von heute, auch noch die Fehler von morgen ableiten möchte, geht zu weit. Nüchtern betrachtet, ist der neue Hauptbahnhof im Moment vielleicht sogar überflüssig. Das rechtfertigt aber nicht, funktionierende Verkehrsstrukturen zu zerschlagen, um dem Neubau seinen Sinn zu geben.
Der Widerstand dagegen hat nicht nur mit Sentimentalität zu tun. Natürlich darf man als West-Berliner beim Anblick des wahrlich nicht schönen Bahnhofs Zoo rührselige Gefühle bekommen. Die Ankunft in diesem Bahnhof war früher, wie die Fahrt über die Avus Richtung Funkturm, nach dem Passieren des Kontrollpunktes Dreilinden, so etwas wie die Vergewisserung, wieder daheim, frei zu sein. Es geht aber nicht um Nostalgie, sondern um den gesunden Menschenverstand. Was den West-Berlinern der Bahnhof am Zoo, ist den Ostberlinern der Ostbahnhof. Auch er liegt zentral, auch hier pulsiert das Leben. Von hier fahren, wie vom Zoo, alle Fernzüge ab. Bahnchef Mehdorn will der jeweiligen Hälfte der Stadt „ihren“ Zentralbahnhof streichen, das ist die simple Wahrheit.
Die Bahn hat in Berlin vieles gebaut, auf das sie stolz sein kann. Sie hat die Stadt bereichert. Die Bahn ist ein Unternehmen mit Tradition. Aber nicht alle Entscheidungen werden für die Ewigkeit getroffen. Die Frage, wo ein Zug hält, gehört zum Beispiel nicht zu den irreversiblen Entscheidungen. Zwar ist der neue Hauptbahnhof als zentrale Station Berlins gesetzt. Daneben aber können die Züge sowohl im Ostbahnhof als auch am Zoo halten. Andere Millionenstädte – siehe Hamburg – haben ebenfalls mehr als einen Haltepunkt im Fernverkehr. Wenn sich in einigen Jahren der Verkehr zur Mitte hin konzentriert, auch, weil es rund um den heutigen Lehrter Bahnhof nicht mehr nur Sandflächen gibt, sondern dort reges Leben pulsiert, kann man Haltepunkte aufheben.
Dass man einen Trumpf verspielt, wenn man sich unterirdisch in eine Metropole einschleicht, statt die Einfahrt als grandioses Erlebnis zu inszenieren, wird die Bahn hoffentlich schneller merken.
Re: Aus den Gleisen geraten 25.06.2005 08:20 |
Re: Aus den Gleisen geraten 25.06.2005 08:49 |
Re: Aus den Gleisen geraten 25.06.2005 09:42 |
Re: Aus den Gleisen geraten 25.06.2005 12:12 |