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Fahren auf Verschleiß
geschrieben von Ecke 
Fahren auf Verschleiß
06.03.2006 08:05
Heute, Montag 06.03.2006 im Tagesspiegel

Fahren auf Verschleiß
Mitarbeiter: Chaos bei der Bahn nach Stellwerksdefekt war vorhersehbar, weil bei der Wartung von Anlagen gespart wird
Von Klaus Kurpjuweit


Für Zehntausende von Fahrgästen war es ein Horror: Nach einem Schmorbrand in einem Stellwerk war der Zugverkehr im Osten der Stadt am Donnerstag stundenlang unterbrochen. Aus sieben Zügen, die auf freier Strecke stecken geblieben waren, wurden Fahrgäste zum Teil erst nach mehr als eineinhalb Stunden befreit. So lange mussten sie ohne Heizung und ohne Toilette ausharren. Und das Chaos kann sich nach Angaben von Bahnmitarbeitern bald wiederholen.

Um Kosten zu sparen, investiere die Bahn nur noch das „Allernötigste“. Darunter leide auch die Wartung der alten, im Netz noch vorhandenen Anlagen, heißt es intern bei der Bahn AG. Der Ausfall eines Stellwerks mit diesen Folgen sei seit mehr als einem Jahr vorhersehbar gewesen. Zuständig dafür ist der Bereich Netz der Bahn AG. Die Bahn weist die Vorwürfe zurück und bezeichnet sie als „populistische Äußerungen des Betriebsrats“.

Ein Sprecher bestätigte allerdings, dass sich die Wartungsfristen in vielen Bereichen verlängert haben. Zudem habe sich der „Bedienbereich“ zum Teil erheblich erweitert. Konnten früher kleinere Störungen noch vom Fachpersonal an Ort und Stelle beseitigt werden, muss heute extra ein Reparaturtrupp herbeigerufen werden.

In der Vergangenheit sind die mechanischen Stellwerke in festgelegten Abständen in fast alle Einzelteile zerlegt und überprüft worden. Teile, die die Norm nicht mehr erfüllten, wurden ausgewechselt, auch wenn sie noch funktionierten. Verantwortlich waren fest eingeteilte „Signalwerker“, die „ihr“ Stellwerk – mit allen spezifischen Macken – bestens kannten.

Heute gebe es, so heißt es bei den Mitarbeitern, so gut wie keine vorsorgliche Pflege und Wartung mehr. Gehandelt werde nur noch bei aktuellen Störungen. Und diese häuften sich in einem nie gekannten Ausmaß. Vor vier Wochen habe es etwa im Stellwerk Mahlsdorf innerhalb von wenigen Tagen rund 20 Störungen unterschiedlichster Art gegeben.

Weil die Bahn inzwischen auch darauf verzichte, Ersatz- und Verschleißteile zu lagern, könne es mitunter Tage oder gar Wochen dauern, bis ein Defekt behoben werden kann – wie kürzlich nach einer Schrankenstörung an der Buckower Chaussee in Lichtenrade. Und oft bestelle man auch gar keine Neuware, sondern baue alte Teile irgendwo anders aus.

Die Bahn will in die alte Stellwerkstechnik nichts mehr investieren, weil die Anlagen durch elektronische Stellwerke ersetzt werden sollen. Ein großer Teil des Netzes bei der S-Bahn ist bereits umgestellt. So spart die Bahn Personal. Ein Mitarbeiter überwacht in der Zentrale dann einen riesigen Streckenabschnitt – auf der Wannseebahn etwa von Nikolassee bis zum Bahnhof Friedrichstraße; von Mai an sogar bis Nordbahnhof.

Kommt es in den neuen Anlagen zu einem größeren Defekt, ist meist der gesamte Regelungsbereich betroffen. Eine Schwachstelle seien die Klimaanlagen für die Rechner, heißt es. Ein Mitarbeiter kann bei einer Störung den Betrieb nicht mehr allein steuern. In solchen Fällen würden flexibel zusätzliche Mitarbeiter eingesetzt, so der Bahnsprecher.

Gespart wird nach Angaben von Mitarbeitern auch bei der Wartung der Züge. Die Zahl der Störungen sei dadurch bei der S-Bahn um rund ein Drittel gestiegen.

Auch die BVG musste bereits vor drei Jahren nach einer Pannenserie bei der U-Bahn zugeben, dass in vielen Bereichen „auf Verschleiß“ gefahren werde.

Die Fahrpreise aber steigen weiter.
Etwas erschreckend fand ich den Satz: "Heute gebe es, so heißt es bei den Mitarbeitern, so gut wie keine vorsorgliche Pflege und Wartung mehr. Gehandelt werde nur noch bei aktuellen Störungen" Ich hoffe, das es sich hierbei um eine übertriebene Äußerung handelt. Sonst dürften in den nächsten Jahren ja ständig hier und da die Stellwerke ausfallen. Irgendwann gehen bestimmte Teile halt mal kaputt, wenn man sie nicht wartet oder austauscht.
Fahrsteiger schrieb:
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> Etwas erschreckend fand ich den Satz: "Heute gebe es, so heißt es bei den Mitarbeitern, so gut wie
> keine vorsorgliche Pflege und Wartung mehr. Gehandelt werde nur noch bei aktuellen Störungen"
> Ich hoffe, das es sich hierbei um eine übertriebene Äußerung handelt. Sonst dürften in
> den nächsten Jahren ja ständig hier und da die Stellwerke ausfallen. Irgendwann gehen bestimmte
> Teile halt mal kaputt, wenn man sie nicht wartet oder austauscht.

Es ist wirklich so. Die Ausfälle werden sich fortsetzen. Nicht nur bei S-Bahn und DBAG, auch bei anderen Netzbetreibern wie BVG, Telekom, Vattenfall, Gasag, BWB u.s.w.
Gutbezahlte Unternehmensberatungsfirmen haben bereits vor Jahren diese Einsparpotentiale aufgezeigt. Rein rechnerisch ist es wesentlich kostengünstiger, die vorbeugende Wartung und Instandsetzung aufzugeben und nur noch entstandene Defekte und größere Fehler zu reparieren. Irgendwelche Imageschäden sind finanziell eben nicht kalkulierbar.
Die Geldgeber in der Politik verlangen es von den Unternehmen, von Jahr zu Jahr den Aufwand zu senken oder privatisieren solche Unternehmen, dann geht es noch schneller.

Da sich die Betriebsanlagen aller Netzbetreiber in den 90er Jahren in einem ordentlichen technischen Zustand befunden haben, dauert es natürlich ein paar Jahre, bis die Folgen dieser Veränderungen auch für den Nutzer spürbar werden. Eigentlich braucht sich darüber aber niemand wirklich zu wundern, in Großbritannien, Skandinavien und anderen Ländern ist man ja bereits länger soweit.


so long

Mario
Eigentlich braucht sich darüber aber niemand wirklich zu wundern, in Großbritannien, Skandinavien und anderen Ländern ist man ja bereits länger soweit. .. und was zum Beispiel die Londoner U-Bahn angeht damit bereits kräftig auf die Fresse gefallen.

Wer rechnen kann, ist klar im Vorteil.
"Die Bahn weist die Vorwürfe zurück und bezeichnet sie als „populistische Äußerungen des Betriebsrats“.


Wo bleibt denn nun der Aufschrei des "Betriebsrats".

JEDER MITARBEITER der DB AG kann die Tatsachen bestätigen,leider!!!
Dann dürften uns ja auch die provisorischen Brücken an der S1 in Friedenau, Lichterfelde West und kurz vor Griebnitzsee ja noch eine Weile erhalten bleiben. Dort ist wenigstens nicht zu erwarten, daß sie unvermittelt auseinander fallen. Hoffentlich fährt mal ein verirrter Kleinlaster an die Brücke am Bahnhof Yorckstraße (Großgörschenstraße), um die komplett tauschen zu müssen. Solange die bisherige Brücke noch mit niedriger Geschwindigkeit befahren werden kann, bleibt die wohl auch noch bis zum letzten Tag.
Fahrsteiger schrieb:
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> Dann dürften uns ja auch die provisorischen
> Brücken an der S1 in Friedenau, Lichterfelde West
> und kurz vor Griebnitzsee ja noch eine Weile
> erhalten bleiben. Dort ist wenigstens nicht zu
> erwarten, daß sie unvermittelt auseinander fallen.
> Hoffentlich fährt mal ein verirrter Kleinlaster an
> die Brücke am Bahnhof Yorckstraße
> (Großgörschenstraße), um die komplett tauschen zu
> müssen. Solange die bisherige Brücke noch mit
> niedriger Geschwindigkeit befahren werden kann,
> bleibt die wohl auch noch bis zum letzten Tag.

Ja wartet man jetzt darauf, dass die Brücken bei laufendem Betrieb einstürzen, oder wie??? Ich meine, dass ist ja denn eine Frage der Zeit (wie alles im Leben)...oder was? Das funktioniert dann so, wie bei den neuerdings einstürzenden Dächern; -Wirklich sehr ökonomisch ausgetüftelt von den Unternehmensberatern; -Da ertappe ich mich doch bei der dringenden Hoffnung, dass diese Unternehmensberater doch als erstes unter einem maroden Bauwerk erschlagen werden mögen...
:-]

Grüße
thomas


Rainy-Science schrieb:
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> Fahrsteiger schrieb:
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> > Hoffentlich fährt mal ein verirrter Kleinlaster an die Brücke am Bahnhof Yorckstraße
> > (Großgörschenstraße), um die komplett tauschen zu müssen.

> Ja wartet man jetzt darauf, dass die Brücken bei
> laufendem Betrieb einstürzen, oder wie???

Nein. Sicherheitsrelevante Sachen und gesetzlich vorgeschriebene Mindestanforderungen (wie z.B. Bauwerksprüfungen) werden in jedem Fall eingehalten, da ansonsten die Betriebserlaubnis erlischt. Gefahren durch dabei sichtbar werdende Mängel können auch durch Reduzierung der zulässigen Fahrgeschwindigkeit abgewendet werden. Ein aktuelles Beispiel ist die Brücke am Gleisdreieck auf der U2.
Bei den eigensicheren Zugsicherungsanlagen kann gar nichts passieren, da sich Störungen in jedem Fall zur sicheren Seite auswirken (alle Signale rot ist ein sicherer Zustand!).

so long

Mario
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