Die Welt. heute Donnerstag 09.03.2006
Gewalt in BVG-Linienbussen eskaliert
Schüsse auf Insassen - Jugendliche schlagen Zeugin eines Raubüberfalls zusammen und verletzen sie schwer - Fahrgäste sehen tatenlos zu
von Hans H. Nibbrig
Wie sicher ist das Bus fahren in Berlin? Die seit langem geführte Debatte über diese Frage bekam am Dienstag abend und in der Nacht auf Mittwoch eine neue, erschreckende Aktualität. In Schöneberg wurde am Abend eine 57jährige Frau von einer Gruppe jugendlicher Straßenräuber angegriffen und verletzt, als sie per Handy die Polizei alarmieren wollte. Und in Spandau wurden zwischen 22.30 Uhr und 1.45 Uhr drei Busse von Unbekannten beschossen. Die Projektile verletzten wie durch ein Wunder niemanden.
Gegen 22.30 Uhr durchschlug ein Geschoß die Scheibe eines Busses der Linie 134, als dieser nach dem Verlassen der Haltestelle Altstadt Spandau gerade die Kreuzung Altstädter Ring Ecke Seegefelder Straße passieren wollte. Die 41jährige Fahrerin des Busses habe "einen lauten Knall wie von einem Feuerwerkskörper" gehört und sei von einem Fahrgast informiert worden, daß der Bus beschossen und eine Seitenscheibe beschädigt worden sei, teilte Polizeisprecherin Claudia Frank mit.
Etwa eine Stunde später stellte der Fahrer eines Gelenkbusses der Linie 236 an der Endhaltestelle U-Bahnhof Haselhorst fest, daß eine Seitenscheibe im hinteren Bereich auf der Fahrerseite ein Einschußloch aufwies. Wann genau der Bus beschossen worden war, konnte der 44jährige nicht sagen. Der letzte Anschlag ereignete sich gegen 1.45 Uhr an der Heerstraße kurz vor der Ecke Gatower Straße: Dort hörten Fahrer und Fahrgäste des Nachtbusses N 49 zwei Schüsse; zwei Seitenscheiben an der Fahrerseite des Busses wurden beschädigt.
Die Kripo der Polizeidirektion 2 hat inzwischen die Ermittlungen übernommen. Bislang haben die Beamten noch keinerlei Erkenntnisse. In allen Fällen wurden keine verdächtigen Personen bemerkt. Ob für alle drei Taten der oder die selben Täter in Frage kommen, ist ebenfalls noch ungeklärt.
Unmittelbar nach dem brutalen Raubüberfall in einem Bus der Linie 148 auf der Rheinstraße in Schöneberg, bei der eine 57jährige Zeugin verletzt wurde, konnte die Polizei noch in Tatortnähe vier der sieben Täter festnehmen. Da die Festgenommenen 12 und 13 Jahre alt und somit strafunmündig sind, wurden sie nach ihrer Vernehmung ihren Eltern übergeben.
Die vier Jungen hatten zusammen mit drei bislang noch unbekannten Komplizen kurz vorher in dem Bus zwei 13jährige attackiert und die Herausgabe von Handys und Wertsachen gefordert. Auf eines der Opfer schlugen die jungen Täter mehrfach ein.
Während die anderen Fahrgäste in dem vollbesetzten Bus unbeteiligt dem Geschehen zuschauten, griff die 57jährige Frau aus Schöneberg zu ihrem Handy, um die Polizei zu alarmieren. Als die Täter dies bemerkten, attackierten sie die Frau, schlugen sie zu Boden und flüchteten an der nächsten Haltestelle.
Ihre Entschlossenheit, dem brutalen Überfall nicht tatenlos zuzuschauen, brachte der Frau einen gebrochenen Arm ein. Sie wurde nach der Behandlung durch den Notarzt von der Feuerwehr in ein Krankenhaus eingeliefert.
Im Zusammenhang mit den Schüssen auf die drei Linienbusse untersucht die Kripo auch, ob möglicherweise Verbindungen zu früheren Taten bestehen. Vor allem 2002 gab es eine monatelange Serie von Anschlägen auf Linienbusse. In den meisten Fällen gaben die Täter Schüsse auf die Fahrzeuge ab, einige Male wurden die Busse auch durch Steinewerfer attackiert, in einem Fall wurde sogar eine mit Nägeln gefüllte Rohrbombe gezündet. Verletzt wurde glücklicherweise niemand
Höhepunkt der Serie war die Nacht vom 16. auf den 17. Juni 2002. Da gaben die Täter innerhalb weniger Stunden Schüsse auf zehn Busse ab. Zudem wurden drei Wartehäuschen und ein parkender Reisebus durch Schüsse beschädigt. Nicht einer der Täter konnte bislang gefaßt werden.
Der Sachschaden für die BVG ist nach Angaben einer Sprecherin immens. Eine Scheibe, die aus Sicherheitsglas bestehe, koste 250 bis 300 Euro, zuzüglich der Einbauarbeiten, so die Sprecherin. Zudem müßten die Busse für die Spurensicherung der Kripo stets für mehrere Stunden aus dem Verkehr gezogen werden.