BRT-Systeme für Berlin nach dem Vorbild von Metz und Straßburg 19.11.2015 10:09 |
Re: BRT-Systeme für Berlin nach dem Vorbild von Metz und Straßburg 19.11.2015 12:09 |
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EBostrab
auch wenn sich nach vielen Jahren des äußerst mäßigen Wachstums jetzt zumindest allmählich ein politischer Wille für das Wachstum des Berliner Straßenbahnnetzes abzeichnet, wird es wohl noch mindestens eine Dekade dauern, ehe eigentlich überfällige Maßnahmen ergriffen werden.
Daher treibt mich die Frage um, was dafür respektive dagegen sprechen könnte, bis dahin - zumindest ad interim - auf qualitativ höherwertige Bus-Rapid-Transit-Systeme, kurz: BRT, nach dem Vorbild von Straßburg bzw. Metz zu setzen. Schließlich ist mittlerweile auch die Fahrzeugindustrie kreativ geworden und baut vom Design her durchaus ansprechende, zuweilen einer Elektrischen fast nachgeahmte Modelle, die sich radikal vom ansonsten üblichen Busstandard abheben.
Gerade für eine Linie wie den M48 sähe ich hier ein ausgezeichnetes Potenzial, bei dem man durch den infrastrukturellen Busspur-Ausbau sogar eine adäquate Vorleistung für eine spätere Straßenbahnumstellung erbringen könnte.
Eines jedenfalls ist klar: Handlungsbedarf, den ÖPNV schnellstmöglich auszubauen und aufzuwerten, besteht!
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Ingolf
Der Bau einer kompletten BRT-Strecke mit Eigentrasse im praktisch gesamten Streckenverlauf erreicht Größenordnungen, die denen einer Straßenbahnstrecke nahekommen. Es ist ebenso wie bei einer Straßenbahn die komplette Umgestaltung der Straßenräume und Knoten nebst Signalisierung etc. erforderlich. Eine gewisse Kostenersparnis erreicht man durch den Verzicht auf Gleise und Oberleitungen.
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Ingolf
Jedoch kann man dann auch nicht die Vorteile der Straßenbahn nutzen. Diese bestehen aus wirtschaftlicher Sicht vor allem in den deutlich größeren Fahrzeugeinheiten, die eingesetzt werden können. Selbst ein potenziell eingesetzter Doppelgelenkbus (ca. 25m max. Länge) kann sich nicht ansatzweise mit der zulässigen Kapazität einer Straßenbahn (in Deutschland 75m) messen. Und in Berlin - auch in dem genannten Beispiel des M48-Korridors - haben wir verdammt viele Strecken, wo wir eine Kapazität von deutlich mehr bei als 25-Meter-Fahrzeugen im dichten Takt benötigen, um das vorhandene Potenzial an Fahrgästen auszuschöpfen. Und zwar schon heute.
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Ingolf
Und um ein relevantes Ergebnis aus Fahrgast- und Betreibersicht im Sinne von Beschleunigung und Zuverlässigkeit zu bekommen, wird auch ein habezu komplett auf Eigentrasse verlaufendes BRT-System erforderlich sein. Eine Art billiges "BRT light" mit ein wenig abgegrenzter Busspur und vielen Sektionen weiterhin im Mischverkehr wie bisher wird dahingegen keinen relevanten Nutzen stiften.
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Ingolf
Und mir ist nicht bekannt, dass die Busse in Metz und anderswo sich "radikal vom ansonsten üblichen Busstandard" abheben. Das andere Außendesign ändert nicht viel an den üblichen Fahreigenschaften, der Platzaufteilung, der Lebensdauer und der möglichen Gesamtlänge der Fahrzeuge. Hinzu kommt, dass das Sonderdesign und der experimentelle Antrieb in Metz den Preis eines Fahrzeuges auf ca. 800.000 Euro (!) hat anschwellen lassen. Und nun vergleiche man dieses bitte mit den Lebenszykluskosten einer deutlich längeren und auf etwa dreifache Lebensdauer ausgelegten Straßenbahn. Der Kosteneffekt ist damit völlig verpufft - man hat aber trotzdem nur ein Fahrzeug der 25-Meter-Klasse...
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Ingolf
Zudem ist übrigens die Planung und der Bau einer vollwertigen BRT-Trasse ähnlich komppliziert und aufwändig, wie bei einer Straßenbahnstrecke. Eine Beschleunigung des ÖPNV-Ausbaus ist daher mit BRT-Systemen nicht zu erwarten.
Was aus meiner Sicht durchaus zu befürworten wäre, ist auf den denkbaren Korridoren bei ohnehin geplanten Bauarbeiten zu Umgestaltung der Straßenräume die Anlage von Eigentrassenabschnitten, die bis zum Bau einer Straßenbahn mit ganz gewöhnlichen Bussen als Vorlauf befahren werden. Das erspart eine doppelte Umgestaltung der Straßenräume und ermöglicht die Beseitigung der einen oder anderen Unzuverlässigkeitsquelle, bevor die durchgreifend wirksame Gesamtlösung für den enstprechenden Korridor kommt.
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Ingolf
Ach ja: So wirklich durchschlagenden Erfolg haben die BRT-Trassen bei den europäischen Rahmenbedigungen nicht wirklich. Es gibt einige Einzelfälle - ein Boom ist da nicht in Sicht. Und bei einigen BRT-Trassen wird inzwischen der Umbau zur Straßenbahn vorbereitet (Utrecht mizt seiner Unianbindung, Paris mit der künftigen Straßenbahn T9). Die relevante Anwndungsnische ist daher nach Stand der Dinge in unseren Breiten eher gering. Und sie liegt sicher nicht in den stärktsbelasteten Buskorridoren dieser Stadt hier.
Re: BRT-Systeme für Berlin nach dem Vorbild von Metz und Straßburg 19.11.2015 17:31 |
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Ingolf
Jedoch kann man dann auch nicht die Vorteile der Straßenbahn nutzen. Diese bestehen aus wirtschaftlicher Sicht vor allem in den deutlich größeren Fahrzeugeinheiten, die eingesetzt werden können.
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Und mir ist nicht bekannt, dass die Busse in Metz und anderswo sich "radikal vom ansonsten üblichen Busstandard" abheben. Das andere Außendesign ändert nicht viel an den üblichen Fahreigenschaften, der Platzaufteilung, der Lebensdauer und der möglichen Gesamtlänge der Fahrzeuge. Hinzu kommt, dass das Sonderdesign und der experimentelle Antrieb in Metz den Preis eines Fahrzeuges auf ca. 800.000 Euro (!) hat anschwellen lassen.
Nur weil auf dem Wilhemsruher Damm eine Straßenbahn fährt, wird man ja im Märkischen Viertel nicht gleich alle Buslinien einstellen. Wer zur U-/S-Bahn möchte, muss ja auch heute bis Wittenau vorfahren, das ist sicherlich der HAupteil (so viele werden nicht nach Tegel weiterfahren und als Direktverbindung in die Stadt ist eine Straßenbahn M21 sicherlich viel attraktiver als M21/X21).Zitat
222
Im Märkischen Viertel und am M21, da die gute Anbindung nicht durch Verkürzung der Buslinien wegen einer Straßenbahn gefährdet wird. Außerdem kann man entlang der A111 nur schwer eine Straßenbahnstrecke bauen, dort können die Busse auf der normalen Straße mitfahren.
Re: BRT-Systeme für Berlin nach dem Vorbild von Metz und Straßburg 19.11.2015 18:40 |
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Salzfisch
Zur Streckenführung: Von Süden her bis Heckerdamm ist es kein Problem - ab dort wäre eine Führung über den (bis dahin vermutlich) ehemaligen Flughafen Tegel sinnvoll, ggf. Neubau der Brücken über die A111 für die Nordrichtung und den Hohenzollernkanal). Je nachdem, was aus dem Gelände wird, wären dort Haltestellen möglich und man erreicht nördlich der Tunneleinfahrt der A111 wieder den Kurt-Schumacher-Damm.
Ein weiteres "Verkehrsmittel" sollte man sich meiner Meinung nach nicht ans Bein binden - sonst könnte man ja gleich (wieder) über eine M-Bahn nachdenken...
Re: BRT-Systeme für Berlin nach dem Vorbild von Metz und Straßburg 20.11.2015 01:23 |
Re: BRT-Systeme für Berlin nach dem Vorbild von Metz und Straßburg 20.11.2015 08:59 |
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EBostrab
Unbestritten ist der finanzielle Aufwand bei einer BRT-Trasse im Vergleich zu einer klassischen Busspur signifikant höher. Ungeachtet dessen zeigen Beispiele aus Frankreich, dass die zwar mitunter stark variierenden Investitionen insgesamt dennoch z. T. beträchtlich unter dem Niveau einer Straßenbahn liegen. So betrugen die Baukosten für die Strecke der BHNS-Ligne G (Bus à haut niveau de service) in Strasbourg pro Kilometer rund fünf Millionen Euro. Dem gegenüber stehen gemittelte 20 Millionen Euro pro Kilometer bei der Straßenbahn.
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werkstattmeister
Dazu muss man aber sagen, dass dieser Vergleich nicht wirklich vernünftig ist. Die BHNS-Linie G verfügt streckenweise über keine Eigentrasse sonder nur angepasste und für den Autoverkehr gesperrte Straßen und führt teilweise durch unbebautes Gebiet. Außerdem muss man beachten, dass die Linie komplett aushalb irgendeines Stadt- oder Stadtteilzentrums verkehrt. Das da meine Baukosten nicht sonderlich hoch sind, ergibt sich von alleine.
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werkstattmeister
In den gemittelten Kosten bei der Straßenbahn sind auch die diversen Kunstbauten wie eigene Brücken etc. sowie die Tunnelstrecke enthalten. Außderdem wurden bei den verschiedenen Innenstadtquerungen der Straßenbahn sehr viel Wert auf spezielle Optik in Sachen Haltestellenausstattung, Fahrleitungsmasten, Bodenbelag usw. gelegt. Das da das Kostenverhältnis Tram zu BHNS weit auseinander fällt ist logisch aber nicht automatisch auf andere Städte übertragbar.
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Arec
Das Ärgerliche ist nun, dass man später für die Straßenbahn in der Straßenmitte wieder weniger Platz braucht.
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EBostrab
Ein interessanter Punkt könnten in der Tat Tunnel oder ähnliche Kunstbauwerke sein. Bemerkenswerterweise hat der 1,4 km lange Tunnel in Straßburg jedoch keinen wesentlichen Einfluss auf die Baukosten gehabt. Sie liegen bei der ersten Stammstrecke bei etwa 23 Millionen Euro je Kilometer, damit auf dem Niveau anderer französischer Straßenbahnneubauten und entsprechen exakt demselben Kilometerpreis, der beim Bau der zweiten, vollständig oberirdisch geführten Stammstrecke erforderlich war.
Re: BRT-Systeme für Berlin nach dem Vorbild von Metz und Straßburg 20.11.2015 15:15 |
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der weiße bim
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Arec
Das Ärgerliche ist nun, dass man später für die Straßenbahn in der Straßenmitte wieder weniger Platz braucht.
Das ist so nicht richtig. Künftige Straßenbahntrassen sind erstens für die nach BOStrab höchstzulässige Fahrzeugbreite von 2,65m (also breiter als die Maximalbreite von Omnibussen nach StVZO) auszulegen, …
Zitat
der weiße bim
… zweitens braucht man Platz für ein oder zwei Reihen Fahrleitungsmaste plus deren Sicherheitsabstände zum Fahrraum der Schienenfahrzeuge.
Die Masten am Straßenrand anzuordnen braucht genauso viel Platz und bringt zusätzliche Kosten für die Verlegung dort befindlicher Versorgungsleitungen und/oder Entfernung von Straßenbäumen mit sich.
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der weiße bim
Ein Tunnel im Netz erhöht entscheidend den Aufwand für die Fahrzeuge. Diese müssen in Deutschland für Tunnelbetrieb zwingend mit signaltechnisch sicherer Zugsicherungstechnik ausgerüstet werden. Was das kostet, sieht man derzeit bei der Umrüstung der hiesigen Gleichstrom-S-Bahnwagen auf ZBS. Bei älteren Fahrzeugen ist das ohne Neuzulassung technisch unmöglich. Tunnel für Dieselbusse benötigen zusätzlich aufwändige Be- und Entlüftungsanlagen.
Schienenbonus bei BRT-Systemen 20.11.2015 15:41 |
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der weiße bim
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Arec
Das Ärgerliche ist nun, dass man später für die Straßenbahn in der Straßenmitte wieder weniger Platz braucht.
Das ist so nicht richtig. Künftige Straßenbahntrassen sind erstens für die nach BOStrab höchstzulässige Fahrzeugbreite von 2,65m (also breiter als die Maximalbreite von Omnibussen nach StVZO) auszulegen, zweitens braucht man Platz für ein oder zwei Reihen Fahrleitungsmaste plus deren Sicherheitsabstände zum Fahrraum der Schienenfahrzeuge.
Die Masten am Straßenrand anzuordnen braucht genauso viel Platz und bringt zusätzliche Kosten für die Verlegung dort befindlicher Versorgungsleitungen und/oder Entfernung von Straßenbäumen mit sich.
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Florian Schulz
Ich möchte nochmal auf das Kostenargument und den Punkt eingehen, dass ein BRT-System kostengünstiger sei. Die Kosten über den Bau und Betrieb eines Verkehrssystem allgemein sind kein Selbstzweck, sondern man muss die Kosten dem Nutzen gegenüberstellen. Und da erwirkt die Straßenbahn einen höheren Nutzen, nämlich eine höhere Beförderungsqualität, größeres Fassungsvermögen und eine bessere Umweltbilanz. Wie Salzfisch schon ansprach, hat Berlin ein reiches Repertoire an Verkehrsmitteln für jede Art von Verkehr. Für ein zusätzliches Bussystem fehlt mir die Notwendigkeit.
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Florian Schulz
Das BRT-System ist eine Lösung für das Problem, große Verkehrsmengen komfortabel über längere Distanzen abzuwickeln ohne dafür ein komplett neues Schienenverkehrssystem installieren zu müssen.
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Florian Schulz
Dafür hat Berlin bereits eine geeignete Lösung parat, nämlich die Straßenbahn. Das Grundproblem ist doch, dass der Planungsvorlauf für eine neue Straßenbahnstrecke sehr lang ist, sodass den kurzfristigen Beförderungsengpässen nachhaltig kaum etwas entgegengewirkt werden kann. Bei der Planung einer BRT-Trasse sehe ich hierzulande ähnlich lange Planungszeiten wie bei einer Straßenbahntrasse. Denn eine eigene BRT-Trasse kann in Innenstadtbereichen nur dadurch realisiert werden, wenn der Straßenraum neu aufgeteilt wird. Die Neuaufteilung bringt Konflikte mit anderen Nutzern sowie mit den Betroffenen vor Ort mit sich.
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Florian Schulz
[...]
Daher stellt sich mir die Frage: Warum nicht gleich richtig?
Re: BRT-Systeme für Berlin nach dem Vorbild von Metz und Straßburg 20.11.2015 16:31 |
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Florian Schulz
Für ein zusätzliches Bussystem fehlt mir die Notwendigkeit. Das BRT-System ist eine Lösung für das Problem, große Verkehrsmengen komfortabel über längere Distanzen abzuwickeln ohne dafür ein komplett neues Schienenverkehrssystem installieren zu müssen. Dafür hat Berlin bereits eine geeignete Lösung parat, nämlich die Straßenbahn. [...]
Daher stellt sich mir die Frage: Warum nicht gleich richtig?
Re: BRT-Systeme für Berlin nach dem Vorbild von Metz und Straßburg 20.11.2015 16:36 |
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Logital
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Florian Schulz
Das BRT-System ist eine Lösung für das Problem, große Verkehrsmengen komfortabel über längere Distanzen abzuwickeln ohne dafür ein komplett neues Schienenverkehrssystem installieren zu müssen.
Ich halte BRT-Systeme eher für eine Lösung mittlere Nachfragen über kleinere und mittlere Distanzen "abzuwickeln".
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Logital
Natürlich gibt es aus sich heraus auch keine Notwendigkeit für ein neues technisches System. Aber es gibt zu jedem Verkehrskorridor eine passende technische Lösung. Es ist natürlich auch nicht nötig für wirklich jeden Korridor eine eigene zu bauen, aber Berlin ist groß genug um zumindest im Westteil der Stadt auch andere Aufwertungsmöglichkeiten des straßengebunden ÖPNV in betracht zu ziehen als nur die Straßenbahn.
[...]
Die Straßenbahn halte ich, sofern ein Netzbedarf (z.B. Spandau) besteht oder es sich gut an bestehende Strecken anschließen lässt (z.B. Turmstraße oder Kulturforum) für die richtige Lösung. Möchte man allerdings einen von Straßenbahnbestandsnetz entfernten Korridor attraktivieren bei dem heute aber dennoch kein Bedarf für ein größeres Netz besteht, wäre ein BRT optimaler. Zudem lässt sich das leicht teilinbetriebnehmen ohne die Linie brechen zu müssen.