Da mich das Thema immer wieder ärgert, mache ich's mal neu auf, anstatt es an den Thread zur Straßenbahn Turmstraße zu hängen. Mir geht es um die Seite 7 der auf der Projektseite verlinkten Präsentation zur Neubaustrecke - um den immer gern genommenen Verkehrsmittelvergleich, was die Kapazität angeht.

[www.meinetram.de]

Offenbar hat man versucht darzustellen, was es braucht, um etwa 180 Leute zu befördern: Entweder 35 VW Golf, zwei Scania Citywide (unsere Gelenkbusse) oder einen F6Z (einen kleinen Flexity).

Schon die Betrachtung von Sitz- und Stehplatzangebot dieser Fahrzeuge müsste die Leute, die dazu etwas sagen sollen in Schwierigkeiten bringen, müssten sie doch ganz offen sagen, dass in der Straßenbahn die allermeisten Menschen stehen müssen, um diese Kapazitäten auszureizen. Mehr als selbst in den zwei Gelenkbussen. Wie verargumentiert man das so, dass den Leuten das neu zu installierende Verkehrsmittel schmackhaft gemacht wird? Rhetorische Frage, vermutlich wird das einfach ignoriert - bis einer fragt. Ich war nicht dabei und habe nicht gefragt. Ich stehe aber ganz gern mal in der Straßenbahn, mich persönlich stört das nicht so sehr - auch wenn ich jede Straßenbahn mit besonders vielen Sitzplätzen feiere. Ich war vor kurzem im Zürcher Cobra unterwegs - über 90 Sitzplätze in einem 36-Meter-Zug mit 2400 mm Breite! Aber eben in ER-Bauweise. Und mit nur einem (allerdings großzügigen) Mehrzweckbereich.

Jetzt aber wird's kritisch bei der Präsentation, vor allem im Vergleich Bus - Straßenbahn. Denn die BVG misst mit zweierlei Maß. Die Kapazität der beiden Scania wird in BVG-Berechnung dargestellt, die der Flexity nach Zulassung!

Was soll das? Mittlerweile dürfte bekannt sein, dass die BVG ein Fahrzeug als zu 100% besetzt ansieht, wenn alle Sitzplätze und 2/3 aller Stehplätze belegt sind. Weil sie genau weiß, dass die Stehplatzzahl eine theoretische Größe ist. Daher hat ein Scania Citywide 'nur' 54 Stehplätze. Zugelassen sind aber deutlich mehr.

Um den Flexity auf eine entsprechende Kapazität zu bringen, wurde auf diese Berechnung ganz offensichtlich nicht zurückgegriffen, denn für dieses Fahrzeug sind 131 Stehplätze angegeben. Also das, was ganz vorn im Fahrzeug auf dem Schildchen steht. Das im Scania zeigt übrigens 99 Stehplätze...

Also: Die BVG ist unehrlich und rechnet den Leuten die Straßenbahn schön.
Gleichzeitig ist die BVG ehrlich und stellt ganz deutlich dar, dass Straßenbahnfahrgäste hauptsächlich stehen.

Kurios: Es scheint kaum wen zu interessieren.

Und von der rechnerischen Sitzplatzahl im Flexity, die sich auch aus den Familiensitzen – die aber so gut wie nie als solche genutzt werden – ergibt, die also auf diese Weise zu einer ebenso theoretischen Kapazität wird wie die Stehplatzzahl, habe ich noch gar nicht gesprochen. Mit den neuen Zügen wird die Sitzplatzkapazität (durch ncoh mehr dieser Familensitze) noch schwammiger...

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Naja, das Thema dürfte sich wahrscheinlich allein dadurch erledigen, dass auf der Strecke zur Turmstraße eher F8Z zum Einsatz kommen werden.

Ärgerlicher finde ich, dass sie den ÖPNV an sich schlechtrechnet, weil sie nicht von einer realistischen Besetzung, sondern von theoretischen Werten ausgehen. Dass zwei Gelenkbusse oder eine Straßenbahn 180 Menschen befördern, ist Alltag - dass hintereinander 35 vollbesetzte Pkw fahren, doch eher die Ausnahme. Realistischerweise müsste man von 1,3 statt fünf Personen pro Pkw ausgehen, zumal in der Hauptverkehrszeit - und schon sind wir eher bei 130 Pkws, die durch eine Straßenbahn oder zwei Busse ersetzt werden.

Für den Fahrgast ist ein Verkehrsmittel voll, sobald jeder Sitzplatz besetzt ist. Was helfen theoretische Werte, wenn das Verkehrsmittel für den potentiellen Fahrgast unattraktiv ist und es dann schlecht angenommen wird?

Für eine Handvoll Haltestellen stehe ich ganz gerne mal, bei längeren Fahrten aber ist ein Sitzplatz schon wichtig.