Hallo zusammen,
die Oberzüge, so wie sie aktuell ausgeführt sind, können nur bauzeitlich genutzt werden. Es wäre prinzipiell aber sicherlich möglich gewesen, eine stützenlose Decke zu bauen. So, wie der Entwurf nun ausgeführt wird, mit den sieben schlanken Stützen mit den Trichtern oben, gefällt er mir aber sehr gut.
Ich möchte nochmal kurz versuchen, die Fragen zu beantworten:
Beton ist ein Baustoff, der sehr hoch auf Druck, aber nur wenig auf Zug belastet werden kann, sonst reißt (bricht) er. Mit Beton allein kann man beispielsweise eine Decke nur in der Art eines Gewölbes ausführen - dann treten nur Druckkräfte auf.
Umgekehrt ist es bei Stahl: Schon ein vergleichsweise dünner Draht kann hohe Zugkräfte aufnehmen, aber kaum Druckkräfte. Er würde auf Druck zur Seite ausweichen, Fachwerkkonstruktionen mit Doppel-T-Trägern oder ähnliches werden nötig.
Beides allein ist möglich und wird/wurde umgesetzt. Beides hat aber den Nachteil eines hohen Materialverbrauchs, aber vor allem einer großen Bauhöhe. Die Idee von Stahlbeton allgemein und Spannbeton im speziellen (hier bei den Oberzügen) ist es, beide Materialien so zu kombinieren, dass das Ergebnis sowohl hohe Druck- als auch hohe Zugkräfte aufnehmen kann.
Überhaupt möglich ist das, weil Beton und Stahl zufällig (fast) den gleichen Wärmeausdehnungskoeffizienten haben. Andernfalls würde sich die Tragfähigkeit bei schwankenden Temperaturen verändern.
Ich habe mal drei Handskizzen gemacht, ich hoffe, das ist verständlich:
Was passiert, wenn ein Balken (eine Decke) belastet wird (auch nur durch das Eigengewicht)?
Die Tunneldecke ist nicht so ausgelegt, dass sie über die ganze Spannweite frei tragen kann. Bisher liegt sie "in der Mitte" noch auf dem Erdreich auf.
Aktueller Zustand: Um das Erdreich unter dem Deckel entfernen zu können, muss der Deckel in der Mitte getragen werden. Die dafür vorgesehenen Stützen darunter gibt es aber noch nicht. Die Decke hängt deshalb bauzeitlich an Oberzügen. Siehe die Anker in der Skizze und auf den Fotos.
Damit die Oberzüge selbst die Zugkraft (das Gewicht des Deckels) aufnehmen können, wurden bogenförmig Spannglieder durch die Betonbalken geführt. Werden diese gespannt (frei im Betonbalken beweglich), wird entsteht in der Mitte eine Kraft nach oben, die die Gewichtskraft nach unten ausgleicht. Dadurch kann der Oberzug (Spannbetonbalken) den Deckel tragen.
Der bogenförmige Verlauf der Spannglieder bewirkt, dass der Betonbalken (fast) nur auf Druck belastet wird. Das ist quasi die Umkehrung des Gewölbeprinzips. Oder auch eine Hängebrücke innerhalb des Betonbalkens.
Weiterer Verlauf: Nun kann unter dem Deckel der Boden ausgehoben werden. Anschließend werden Tunnelsohle und Stützen gebaut. Stehen die Stützen, können die Oberzüge wieder entfernt werden.
Viele Grüße
Manuel
2 mal bearbeitet. Zuletzt am 06.05.2014 01:45 von manuelberlin.