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Sammelthread: Verkehrspolitik in Berlin
geschrieben von Arnd Hellinger 
Zum ungünstigen Jahresergebnis der BVG-West im Jahre 1962 führte der Rechnungshof von Berlin u.a. aus:

"Die Ursachen für das ungünstige Jahresergebnis der BVG liegen vor allem in der vergleichsweise noch zu starken Personalintensität der U-Bahn und in dem Personaleinsatz bei den Oberflächenverkehrsmitteln, der gegenüber anderen großen Verkehrsbetrieben verhältnismäßig hoch ist.

Für einen modernen Straßenbahnzug mit 250 Plätzen sind 3 Fahrpersonen, für Busse der Berliner Type mit gleichem Platzangebot jedoch 6 Fahrpersonen nötig. Da es in den letzten Jahren nur in geringem Umfang gelungen ist, die Fahrgäste der stillgelegten Straßenbahnlinien auf die U-Bahn zu verweisen, hat sich der Bus-Betrieb ständig vergrößert und damit die Kostenlage laufend verschlechtert.

Eine Besserung ist erst dann zu erwarten, wenn die U-Bahn nach Vorbildern im In- und Ausland sowohl im Fahrdienst (Wegfall der Zugbegleiter) als auch im Bahnhofsdienst (Modernisierung des Zugabfertigungsdienstes) rationalisiert, das U-Bahn-Netz zügig ausgebaut und der Oberflächenverkehr entsprechend verringert wird."

Dies ergibt sich aus den Mitteilungen Nr. 18 des Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin (IV. Wahlperiode) vom 23. Juni 1964, Tz. 400. Hier fehlt mir leider das Wissen, um Euch diesen Text (PDF-Datei) zugänglich zu machen.

Dennoch wünsche ich Euch eine gute Nacht,
Marienfelde
Weil für Kraftverkehr kein Platz mehr bleibt, fahren jetzt die Rikschas

Berliner Zeitung
Nicht Platz, Dieselruß ist das Problem. Und das Lastenrad ist nur eine von vielen Möglichkeiten, um die alten Lieferwagen zu ersetzen.
So, wir gehen in eine neue Runde: Das Mobilitätsgesetz wurde nun verändert, korrigiert, ergänzt und erweitert und geht nun im nächsten Schritt an die Bezirksbürgermeister. Wenn die ihre Einwendungen vorgebracht haben und diese dann eingearbeitet wurden, geht es an den Senat, der es dann dem Abgeordnetenhaus zum Beschluss vorlegen kann. Wenn alles gut läuft, dann kann es noch vor Ostern verabschiedet werden.

Gleichzeitig wird das ÖPNV-Gesetz ersatzlos entfallen. Alle seine Bestimmungen werden in den 2. Abschnitt des Mobilitätsgesetzes übernommen werden, z.T. in modernisierter Form.
Einige Bestimmungen sollten einige hier zu Jubelstürmen verleiten. So wird der ÖV als generell prioritär gegenüber dem IV deklariert. Das soll sich insbesondere bei Aufteilung von Straßenräumen, Anlage von Sonderfahrstreifen und deren ständige Freihaltung, sowie der Einrichtung von Vorrangschaltungen niederschlagen.
Auch bei Baumaßnahmen oder Ersatzverkehren soll der ÖV beschleunigt werden. So sollen solche 'Bau'-Busspuren wie zuletzt in der Skaliitzer Straße oder in der Warschauer keine Ausnahme bleiben, sondern als Regel vorgeschrieben werden.
Auch eine Lex Union findet sich zwischen den Zeilen. Bei Großveranstaltungen soll die Hauptlast der An- und Abreise durch den ÖV getragen werden, gleichzeitig soll aber auch das Basisangebot für alle anderen gewährleistet bleiben. Dazu sollen notwendigerweise Einschränkungen (Absperrungen) für den IV ein Durchkommen des ÖV ermöglichen, gleichzeitig sollen Veranstalter mit Kombitickets ihren Besuchern einen möglichst niedrigschwelligen Zugang zum ÖV bieten.

Auch der Radverkehr, der im 3. Abschnitt geregelt ist, soll regelmäßig vor dem IV Priorität genießen. Hier sind aber die Bestimmungen wesentlich 'zahmer' geworden und nicht mehr so stark und konkret wie in den ersten Entwürfen. Das Gesetz ist jetzt allgemeiner gehalten. So fehlen nun konkrete Vorgaben zu Mindestbreite von Radwegen oder konkrete Kilometerzahlen zum jährlichen Ausbaupensum. Das entspricht meines Erachtens auch viel mehr dem Charakter eines Gesetzes, hier Bestimmungen qualitativ zu formulieren und vor die Klammer zu ziehen und die quantitative Ausgestaltung dann in den Radverkehrsplänen vorzunehmen, die nun gefordert werden.
Konkret gefordert werden die Radschnellwege, die es nun erstmals in Deutschland gesetzlich geregelt geben wird. Die Planungshoheit liegt hier beim Senat, sie sollen mittels PFV festgeschrieben werden.

Der IV findet auch Erwähnung in Form des Wirtschaftsverkehrs. Liefer- und Ladezonen sollen dafür überall, wo möglich, bereitgestellt und auch freigehalten und überwacht werden. Auch die Gestaltung von Radverkehrsanlagen muss darauf Rücksicht nehmen.

Insgesamt ein beeindruckendes Werk, wenn es denn verabschiedet wird. Denn hier geht es ja nicht um kurzfristige Ausbauziele sondern um allgemeine Grundsätze der Planung, die auch noch in Jahrzehnten Bestand haben können.

Und bevor jemand meckert: Das sind vor allem Soll-Bestimmungen, und vieles oder alles wird nicht einklagbar sein. Aber eine Soll-Bestimmung muss zur Anwendung kommen, es sei denn, es gibt gravierende Einschränkungen und Probleme bei der Umsetzung UND alle Alternativen wurden geprüft und gewürdigt UND es wurde eine Abwägungsentscheidung getroffen. Also alles andere als ein zahnloser Tiger.

Hier die PM von SenUVK:
http://www.berlin.de/sen/uvk/presse/pressemitteilungen/2017/pressemitteilung.657511.php

und das Gesetz im Download:
http://www.berlin.de/sen/uvk/_assets/presse/verkehr/171212_entwurf_mobilitaetsgesetz_senatsvorlage.pdf

Interessant sind auch die Erläuterungen im Anhang. Viel Spaß beim Studium!

Arian
Hallo Arian,

danke für Wiedergabe des Entwurfs und Deine Anmerkungen!
Aber einen Kommentar kann ich mir doch nicht verkneifen:

Zitat
schallundrausch
Auch der Radverkehr, der im 3. Abschnitt geregelt ist, soll regelmäßig vor dem IV Priorität genießen.

ist Radverkehr dann etwa kein IV mehr? ;-)
Zitat
Global Fisch
Hallo Arian,

danke für Wiedergabe des Entwurfs und Deine Anmerkungen!
Aber einen Kommentar kann ich mir doch nicht verkneifen:

Zitat
schallundrausch
Auch der Radverkehr, der im 3. Abschnitt geregelt ist, soll regelmäßig vor dem IV Priorität genießen.

ist Radverkehr dann etwa kein IV mehr? ;-)

Argh! Erwischt... ;)
So, es geht weiter: Die SPD hat klein beigegeben und fordert nun doch ein eigenes Kapitel mehr zum Autoverkehr. Stattdessen soll das Mobilitätsgesetz (wie geplant) am 28.6. ohne weitere Änderungen im Abgeordnetenhaus beschlossen werden.
Und ist das nun Deutschlands erstes Radgesetz? Mitnichten, vor allem ist es ein ÖPNV-Gesetz, das verbindliche Mindeststandards definiert und auch so das ein oder andere Bonbon enthält:

Zitat

So sollen Busse und Bahnen auf definierten Strecken Vorrang vor Autos erhalten. Von 2030 an sollen Busse und Bahnen vollständig emissionsfrei und klimaneutral fahren. Damit Busspuren und Straßenbahngleise schneller von Falschparkern geräumt werden, dürfen die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) künftig selbst den Abschleppdienst rufen.

Und man denkt schon weiter:

Zitat

Um Tempo 30 und Diesel-Fahrverbote könnte es ebenfalls gehen. Eine City-Maut wie in London wäre ein weiteres mögliches Thema. Wo und wann wäre so eine Gebühr sinnvoll? Paragraf 3, der Grundstandards formuliert, wird ergänzt. Danach soll Mobilität in allen Teilen Berlins gewährleistet sein. „Es ist ein Unding, dass Mieträder nur in der Innenstadt verfügbar sind“, so der SPD-Politiker. Auch beim Nahverkehr müsse es überall gleichwertige Angebote geben.

Na, ich bin ja schon mal gespannt auf die Umsetzung.

Berliner Mobilitätsgesetz Das erste deutsche Fahrradgesetz kommt im Juni
– Quelle: [www.berliner-zeitung.de] ©2018
Zitat
schallundrausch
Na, ich bin ja schon mal gespannt auf die Umsetzung.

Die Umsetzung ist ein verdammt langer Weg, vieles Sinnvolle (in der Ausrichtung) ist dabei. Wie ich das verstehe, soll das Gesetz die derzeitigen RRG-Politik-Ideen um den Verkehr zusammenfassen. Es ergeben sich ohnehin nur wenige individuelle Rechtsansprüche daraus, eher Sollvorschriften oder manchmal auch einfach Wunschvorstellungen. Eigentlich hätte man es auch lassen können, da viele jederzeit änderbare (an die reale Entwicklung anzupassende) Politikrichtlinien aufgeschrieben wurden. Das so zu fassende Gesetz könnte langfristig eher destruktiv wirken, denn bei zukünftigen Entwicklungen könnte man ohne Gesetz schneller reagieren und umplanen oder neue Ideen verfolgen (ohne erst auf Gesetzesänderungen durch das Abgeordnetenhaus zu warten).

apropos: " Von 2030 an sollen Busse und Bahnen vollständig emissionsfrei und klimaneutral fahren.": Schöne Zielvorstellung - im Sommer mit Sonnenenergie frisch aus den Kollektoren im dann leerstehenden Olympiastadion und im Winter mit Holzvergaser (klimaneutral) - freilich dann nicht ganz emissionsfrei... ;-)

Mit besten Grüßen

phönix
Zitat
phönix
apropos: " Von 2030 an sollen Busse und Bahnen vollständig emissionsfrei und klimaneutral fahren.": Schöne Zielvorstellung - im Sommer mit Sonnenenergie frisch aus den Kollektoren im dann leerstehenden Olympiastadion und im Winter mit Holzvergaser (klimaneutral) - freilich dann nicht ganz emissionsfrei... ;-)

…und was wohl die Sehgeschädigten dazu sagen, dass die Bahnen und Busse überhaupt keine Schallemissionen mehr abgeben ;-)
Nachdem ich keinen S-Bahn-Ausschreibungs-Thread gefunden habe, verlinke ich mal hier das nd-Interview mit Robert Seifert von der Gewerkschaft EVG zur Lage und Zukunft der S-Bahn. Immerhin dort hat die SPD noch Freunde.

Zitat
S-Bahn-Aufteilung ist »Blödsinn« – Gewerkschaft EVG kämpft gegen Trennung von Betrieb und Instandhaltung
Welcher der drei Koalitionspartner steht Ihrer Ansicht am nächsten?

Die SPD. Sie wollen die bisherige einheitliche Lösung, aber etwas billiger und besser. Die LINKE will im ersten Schritt den Fuhrpark und die Instandhaltung kommunalisieren, den Betrieb aber zunächst ausschreiben. Wir verstehen die Idee, können die Umsetzung aber nicht wirklich nachvollziehen. Der marktradikale Ansatz der Grünen würde für die Werkstattmitarbeiter zu deutlichen Einbußen führen und unserer Meinung nach auch den Betrieb destabilisieren.
Zitat
nicolaas
Nachdem ich keinen S-Bahn-Ausschreibungs-Thread gefunden habe, verlinke ich mal hier das nd-Interview mit Robert Seifert von der Gewerkschaft EVG zur Lage und Zukunft der S-Bahn. Immerhin dort hat die SPD noch Freunde.

Zitat
S-Bahn-Aufteilung ist »Blödsinn« – Gewerkschaft EVG kämpft gegen Trennung von Betrieb und Instandhaltung
Welcher der drei Koalitionspartner steht Ihrer Ansicht am nächsten?

Die SPD. Sie wollen die bisherige einheitliche Lösung, aber etwas billiger und besser. Die LINKE will im ersten Schritt den Fuhrpark und die Instandhaltung kommunalisieren, den Betrieb aber zunächst ausschreiben. Wir verstehen die Idee, können die Umsetzung aber nicht wirklich nachvollziehen. Der marktradikale Ansatz der Grünen würde für die Werkstattmitarbeiter zu deutlichen Einbußen führen und unserer Meinung nach auch den Betrieb destabilisieren.

Das scheint ja auf gegenseitiger Befruchtung zu beruhen. Der Grund, warum die EVG so sehr gegen das geltende Recht agitiert und gerne eine Lex S-Bahn hätte, ist ganz einfach der Fakt, dass sie ihre Felle wegschwimmen sieht, weil sie dann voraussichtlich deutlich weniger Einfluss hätte und die Konkurrenz von der GDL ihre Position stärken könnte. Sollte die Instandhaltung getrennt werden, dann könnte das einem Super-GAU für die EVG gleichkommen, weil dann unter Umständen die IG Metall zuständig ist.

Ob also das, was sich die EVG wünscht, wirklich auch im Sinne der S-Bahn ist, sei dahingestellt. Und natürlich können bei einer getrennten Instandhaltung auch neue Synergien entstehen - nämlich dann, wenn der Hersteller gleichzeitig für die Instandhaltung verantwortlich ist.

--- Signatur ---
Bitte beachten Sie beim Aussteigen die Lücke zwischen Bus und Bordsteinkante!
@jay:

Sorry, aber nur weil ein paar Möchtegern-Bahnsanierer um Herrn Heinemann bei der S-Bahn vor 10 Jahren Mist gemacht haben, ist deren Grundstruktur - Einheit von Betrieb und Instandhaltung - per se nicht schlecht. Das wird durchaus auch in anderen (Ausschreibungs-)Netzen so praktiziert. Einer "Lex S-Bahn Berlin" bedarf es also in diesem Punkt nicht...

Und ja, ich wäre deutlich dafür, die Bewirtschaftung der S-Bahn-spezifischen Infrastruktur (wieder) dem vom VBB mit diesen Verkehren beauftragten Unternehmen zu übertragen, egal ob das jetzt der DB, der BVG, NS, SNCF oder sonstwem gehört - die beiden Erstgenannten wären mir persönlich natürlich am liebsten. Auch dafür braucht man übrigens keine Spezialgesetzgebung, weil die EU Stadtschnellbahnen hier explizit als Ausnahmetatbestand definiert, sofern diese technisch weitgehend unabhängig vom übrigen Eisenbahnverkehr betrieben werden.

Nochmal: Je mehr Unternehmen an der Erstellung eines Produktes oder einer Dienstleistung beteiligt sind, desto schwieriger werden Problemlösungen im Sinne der Endkunden. Übrigens muss die britische Regierung gerade auch kleinlaut eingestehen, dass die Zerschlagung von British Rail nicht wirklich ihre beste Idee war...

Viele Grüße
Arnd
Nee Arnd, ich sehe bei dir da die rosarote Bundesbahn-Brille - tut mir leid. Weder war zu Bundesbahnzeiten alles rosarot noch ist die heutige DBAG ein Wohltäter. Da die Bundespolitik für das aktuelle Konstrukt verantwortlich ist, kann nur sie etwas daran ändern.

Auch ist deine weitere Annahme falsch: Es gibt keine Ausnahmeregelung für Stadtschnellbahnen sondern die Möglichkeit an kommunal kontrollierte Unternehmen direkt zu vergeben. Die S-Bahn Berlin GmbH ist KEIN solches Unternehmen, daher kann sie auch nicht mehr direkt mit der Verkehrsleistung beauftragt werden. Zudem ist die Losteilung aufgrund der Auftragsgröße als Pflicht anzusehen. Das ergibt sich aus bisherigen Urteilen zur Ausschreibungspraxis.

DB Netz ist nicht gewillt die Infrastruktur der S-Bahn abzugeben und somit besteht keine Chance ein kommunales Unternehmen "aus einer Hand" aufzustellen. Der Senat muss also andere Wege finden um (wieder) die Qualität zu erhalten die er (und wir) gerne hätte.

--- Signatur ---
Bitte beachten Sie beim Aussteigen die Lücke zwischen Bus und Bordsteinkante!
Anonymer Benutzer
Re: Sammelthread: Verkehrspolitik in Berlin
31.05.2018 00:15
Zitat
Jay
Der Grund, warum die EVG so sehr gegen das geltende Recht agitiert und gerne eine Lex S-Bahn hätte, ist ganz einfach der Fakt, dass sie ihre Felle wegschwimmen sieht, weil sie dann voraussichtlich deutlich weniger Einfluss hätte und die Konkurrenz von der GDL ihre Position stärken könnte.

Der Grund, weshalb die EVG hier plötzlich agiert ist einfach der, dass sie gerade mit den meisten Sitzen in den Betriebsrat gewählt wurde und sich nun natürlich bemüht, den Erwartungen der Wähler gerecht zu werden. Das ist auch nicht verkehrt, dafür wurden sie gewählt. Die EVG ist kein Fahrgastverband.
Anonymer Benutzer
Re: Sammelthread: Verkehrspolitik in Berlin
31.05.2018 00:35
Zitat
Jay

DB Netz ist nicht gewillt die Infrastruktur der S-Bahn abzugeben und somit besteht keine Chance ein kommunales Unternehmen "aus einer Hand" aufzustellen. Der Senat muss also andere Wege finden um (wieder) die Qualität zu erhalten die er (und wir) gerne hätte.

Was hat aber die Infrastruktur, die DB Netz nicht abgeben will, mit der Fahrzeuginstandhaltung zu tun? Haben wir künftig weniger Signal- und Weichenstörungen, wenn Stadler seine Fahrzeuge selbst wartet, die Nordsüdbahn von MTR Hongkong und die Stadtbahn von Arriva betrieben wird? Bisher hat mir die Frage, ob es denn auf Strecken, wo private Unternehmen fahren, besser läuft, keiner beantworten können. Dieser Gedanke, dass es mit einer Veränderung, wie die auch immer aussehen mag, alles besser wird, halte ich für eine Sicht durch die rosarote Brille. Zahlreiche Beispiele im In- und Ausland beweisen, dass es sich mitunter eher noch verschlimmer hat.



1 mal bearbeitet. Zuletzt am 31.05.2018 00:36 von Railroader.
Ein Vorteil ist, der private Auftragnehmer kann sich besser gegen DB Netz positionieren, was die S-Bahn Berlin GmbH als Konzernschwester der DB Netz AG nicht kann/darf. Es gab zwar mal solch einen Fall im Zusammenhang ich glaube Frohnau, wo ein Kehrgleis nicht freigeschnitten war, und die Züge nicht in Frohnau übernachten konnten und dafür nach Birkenwerder gefahren werden mussten. Liegt aber schon viele Jahre zurück, und Tom kann da bestimmt mehr zu schreiben.

MfG Holger



Hoch lebe die Meinungs- und Pressefreiheit!



Anonymer Benutzer
Re: Sammelthread: Verkehrspolitik in Berlin
31.05.2018 00:54
Zitat
Tradibahner
Ein Vorteil ist, der private Auftragnehmer kann sich besser gegen DB Netz positionieren, was die S-Bahn Berlin GmbH als Konzernschwester der DB Netz AG nicht kann/darf.

Wäre es dann aber nicht eher der richtige Schritt des Bundes, als hundertprozentiger Eigentümer der DB, hier Möglichkeiten zu schaffen, dass z.B. die S-Bahn die DB Netz in Regress nehmen darf? Kein Gesetz ist in Stein gemeißelt.

Aber auch hier baut dann wieder meine Frage auf: Läuft es infrastrukturmäßig auf ODEG-Strecken besser? Haben die weniger Signal- und Weichenstörungen? Ist DB Netz da schneller? Was nutzt es dem Fahrgast, wenn die DB dann den Regress zahlt, die Störungen aber dennoch so lange anhalten?

Ich verstehe einfach nicht, wie man die Hauptprobleme der S-Bahn: Personal- und Infrastrukturmängel, damit löst, dass ein anderes Unternehmen die Fahrzeuge wartet und die Strecken mit Tf unterschiedlicher Unternehmen gefahren werden. Hä? Jedem sollte logisch einleuchten, dass das wesentlich mehr Schnittstellen erfordert.

Mir scheint es eher so, als dass die Regierung irgendwie unter Druck steht und irgendwas machen muss, aber völlig unbeholfen agiert.



3 mal bearbeitet. Zuletzt am 31.05.2018 01:12 von Railroader.
Zitat
Tradibahner
Ein Vorteil ist, der private Auftragnehmer kann sich besser gegen DB Netz positionieren, was die S-Bahn Berlin GmbH als Konzernschwester der DB Netz AG nicht kann/darf.

Das mag zwar theoretisch richtig sein, stimmt aber mit der Realität (vgl. Städtebahn Sachsen oder in Rastatt gestrandete Güter-EVU) nicht so wirklich überein. Einem Stellrechner in Ostkreuz oder einem Weichenantrieb in Hermannstraße ist zudem piepegal, wessen Züge er im Einzelfall am Fahren hindert...

Problem ist doch: Durch die Aufteilung in Netz, StuS, Energie und EVU fühlt sich für das "Endprodukt" zuverlässiger (S-)Bahnbetrieb niemand mehr richtig verantwortlich, weil (natürlich) jedes Unternehmen primär seinen Bereich im Auge hat, sondern Jeder schiebt die Verantwortung auf den jeweils Anderen. Das entspricht zwar dann der betriebswirtschaftstheoretischen Lehrbuchmeinung, wird aber einem hochkomplexen System wie der Eisenbahn allgemein und einer Stadtschnellbahn im Besonderen nach internationaler Erfahrung nicht gerecht. Da muss man schon im Rahmen des rechtlich Möglichen vom Dogma abweichen - oder ggf. tatsächlich das Recht der Realität anpassen.

Welche konkreten Verbesserungen für den Endkunden (Fahrgast) soll denn die Abtrennung der Fahrzeuginstandhaltung vom Fahrbetrieb genau bringen und bei welchen Aufgaben möchte man da genau die Grenze zwischen Beiden ziehen? Wer füllt Sand nach, wer tauscht Leuchtmittel, wer Sitzpolster...?

Viele Grüße
Arnd
@ Arnd und Railroader - ich verstehe Eure individuelle Sicht auf die Dinge. Zumal bei Dir als Angestelltem in dem Verein. Ich habe auch Mitgefühl mit den Werksmitarbeitern in Schöneweide. Trotzdem finde ich, dass sie Prioritäten aus Fahrgastsicht anders liegen sollten.

Die S-Bahn aus einer Hand ist ein schöne Wunschvorstellung (ich hätte da trotzdem noch die ein oder andere Kritik), bleibt aber eine Illusion. Die Trennung von Netz und Betrieb ist gesetzlich gefordert. Eine Einheit aus Netz, Instandhaltung und Betrieb kann es nur unter kommunaler Herrschaft geben. Das ist, wie Jay schon schrieb, ausgeschlossen.

Nun müssen wir das beste aus den gesetzlichen Rahmenbedingungen machen. Sprich: die geforderte Trennung auch wirklich vollziehen. Nicht Gesetze hindern die S-Bahn daran, ihr Recht gegenüber der DB Netze einzuklagen, sondern vertragliche Regelungen. Daran wird sich nie etwas ändern, solange beide Seiten am Tisch den DB-Keks auf der Mütze haben. Bei der Infrastruktur haben wir es nicht in der Hand, beim Betrieb schon.

Dass der Betrieb durch getrennte Verantwortlichkeiten instabiler wird, halte ich für eine Chimäre. Betrieb und Instandhaltung sind doch jetzt schon getrennte Abteilungen im selben Unternehmen. Ein Werkstattmeister setzt sich doch nicht mal für ein paar tage auf den Bock, weil er lustig ist. Oder rechnet neue Fahplantabellen aus. Ich finde, die Instandhaltung gehört in die Hände dessen, der sich mit den Fahrzeugen am besten auskennt und am besten die Verantwortung für deren einwandfreies Funktionieren tragen kann. Das ist der Konstrukteur und Hersteller. Als EVU möchte ich heute nicht n Wagen in meinem Besitz haben, sondern ich will die Garantie, dass zu jedem Zeitpunkt N Wagen zur Verfügung stehen. Das entspricht auch viel mehr der Lebensrealität bei modernen Fahrzeugen: wurden früher noch Schmiedeteile in der Werkstatt angefertigt, werden heute ganze Komponentengruppen getauscht (und gegebenenfalls beim Hersteller wieder instandgesetzt).

Das Problem ist nicht nur, dass die S-Bahn unzuverlässig ist. Das viel größere Problem ist, dass sie dafür auch noch unverschämt teuer ist. Durch die Quasi-Monopolstellung bei der Ringbahnausschreibung wurden massiv überhöhte Bestellerentgelte durchgesetzt. Und da sage ich ganz klar: nein! So etwas darf sich nicht wiederholen. Wenn Du @Railroader sagst, dass der Personalmangel global ist und den auch ein Privater nicht besser in den Griff bekommt, dann sage ich: ok, aber dann will ich, dass sämtliche operativen Gewinne nicht dem Mutterkonzern und letztendlich dem Bund zugute kommen, sondern dass sie hier in Berlin bleiben und hier direkt wieder in den Betrieb investiert werden. Das geht nur mit einem kommunalen Unternehmen als Betreiber.

Von Dogmen abweichen, Gesetze der Realität anpassen... Schön wär's, aber das sind alles Dinge, die außerhalb unseres Einflussbereiches liegen, nämlich auf Bundes- oder EU-Ebene. Wir haben keine Chance, an den Rahmenbedingungen nur irgendetwas zu ändern. Der Bund hat mehrfach gezeigt, dass ihm die S-Bahnprobleme in Berlin herzlich egal sind. Im Verkehrsministerium sitzen Leute, die den Clean Diesel für eine innovative Zukunftslösung halten. Von dort haben wir null Unterstützung zu erwarten. Wir als Berliner müssen unsere eigenen Probleme hier und selbst lösen. Und das heißt: ausschreiben, privat vergeben (billig, schlecht) oder selber machen und an eine kommunale Gesellschaft übertragen (teuer, gut). Ich bin für beide Varianten zu haben. Was ich aber auf jeden Fall nicht will ist teuer und schlecht, aber genau anders kann es nicht werden, wenn die Verantwortung über die S-Bahn komplett in Bundeshand bleibt.
@Jay:
@schallundrausch:

zunächst einmal werden auch beim Fahrzeughersteller doch selbstverständlich nicht dieselben Leute für die Instandhaltung der Züge zuständig sein, die sie - irgendwann 10-30 Jahre vorher - einmal entwickelt und gebaut haben, sondern auch der wird dafür eine vom Produktionsgeschäft separierte Organisationseinheit oder Tochterfirma gründen. Insofern ist da kaum mit langfristigen Synergien zu rechnen und man kann getrost die Instandhaltung jenem Unternehmen überantworten, welches jeden Tag mit dem Material arbeiten muss - Lufthansa lässt ihre Flugzeuge auch nicht von Boeing oder Airbus/EADS warten...

Weiterhin liegen zum Thema Abgabe des Unternehmens "S-Bahn Berlin GmbH" bis dato nur Äußerungen der DB-Holding bzw. der S-Bahn selbst aus deren eigener unternehmerischer Sicht vor und das Thema "Infrastrukturbewirtschaftung und -instandhaltung durch S-Bahn oder Landesbetrieb" wurde m. W. in dem ganzen Kontext offiziell überhaupt noch nicht thematisiert, zumal der Bund - wie Ihr richtig feststellt, bestimmt der allein letztlich die Geschäftspolitik des Bahnkonzerns - bis dato nirgendwo belastbar äußert. Und hier könnte der Senat, so ihm die Sache wirklich wichtig wäre, beispielsweise durch sein Abstimmungs- und Verhandlungsverhalten im Bundesrat, beim Finanzausgleich etc. durchaus Druck auf den Bund ausüben.

Letzteres gilt auch im Hinblick auf eine Angleichung des Vergabe- und Wettbewerbsrechts an in Österreich, Spanien, den Niederlanden etc. gültige Regelungen, die den Regionen/Provinzen/Bundesländern/Verkehrsverbünden sehr wohl auch Direktvergaben des SPNV an die jeweilige "Staatsbahn" (ÖBB, Renfe, NS...) gestatten. Das sind alles EU-Länder.

Ich sehe also kein Naturgesetz, das zwingend Ausschreibungen und Zerschlagung vorhandener, funktionsfähiger Strukturen im ÖV erzwänge...

Viele Grüße
Arnd
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