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Sammelthread: Verkehrspolitik in Berlin
geschrieben von Arnd Hellinger 
Zum Thema fußgängerfeindliche Infrastruktur:
Erst gestern habe ich mit einem besonders extremen Fall zu tun gehabt - die Kreuzung Messedamm / Halenseestr. (am Autobahndreieck Funkturm). Dort dauert die Grünphase für Fußgänger gerade mal 5 Sekunden, da schafft man es nicht mal, zur Mittelinsel zu gelangen, ehe die Ampel auf Rot umspringt, anschließend ewige Warterei, um die nächste Fahrbahn überqueren zu können. Ein Trauerspiel...



1 mal bearbeitet. Zuletzt am 01.04.2019 10:14 von J. aus Hakenfelde.
Zitat
Marienfelde

2. Sprengstoff im neuen letzten Satz des § 22 Abs. 3: „Während aller Baumaßnahmen mit Auswirkungen auf das öffentliche Straßenland sollen Beschränkungen des Straßenraums nicht zu Lasten des Umweltverbunds erfolgen.“ Sollten sich Leute finden, die so etwas in der Realität einfordern, dann wird es krachen.


Ich greife mal einen Punkt raus: die alternative Wegführung bei Baustellen. Sprengstoff sehe ich da nur, wenn man in alten Denkmustern verhaftet ist, und andere Prioritäten auch für die Zukunft ausschließt.

Im Radverkehrsteil desselben Gesetzes gibt es eine ähnliche Regelung, die sogar schon gilt. Das funktioniert noch nicht optimal, aber zumindest der Handlungswille ist erkennbar.
Konkret sagt die Bestimmung, dass wo immer ein Radweg (oder -spur) durch Bauarbeiten eingeschränkt oder blockiert wird eine sichere, alternative Wegführung auszuschildern ist. Außerdem ist an der Baustelle ein genehmigter Verkehrszeichenplan auszuhängen (gut, das funktioniert bisher überhaupt nicht).
Für Bürger gibt es die e-Mailadresse:

rad+Baustelle@senuvk.berlin.de

unter der Probleme oder Zuwiderhandlungen gemeldet werden können. Ich habe das bisher zweimal gemacht, das erste Mal bekam ich am selben (!) Tag eine Antwort von der Sachbearbeiterin, die angab, die Stelle selbst (!) in Augenschein genommen zu haben und mir genau erklärte warum das wie lange so sein würde und wann das geändert würde. Das zweite Mal bekam ich gar keine Antwort, dafür war die Stelle am nächsten Tag entschärft und die vollkommen bekloppte Beschilderung auf ein bisschen weniger bekloppt geändert.

Das hat in den letzten Monaten zu einem echten Geisteswandel in den Behörden aber auch bie den bauausführeden Unternehmen geführt. Vor wenigen Jahren war es doch absolut Usus, Baucontainer einfach auf dem Radweg abzustellen, unbeschildert. Oder Querbaken aufzustellen mit dem Schild 'Radfahren verboten', 'Radfahrer absteigen'. Radwege, die an Baustellen im Nichts endeten, 'Radfahrer ab hier bitte in Luft auflösen und in 100 m wieder rematerialisieren'. Heute wird meist wenigstens versucht, eine Alternative zu schaffen - manchmal hilflos, mit Gelbmarkierung ein winziger Streifen auf dem Bürgersteig, manchmal adäquat, auf der Fahrbahn und sogar baulich mit Borden getrennt.

Die Sensibilisierung ist da, ein zentraler Ansprechpartner für Bürger ist da. Das macht nicht alles gut, aber viel, viel einfacher.
Zitat
schallundrausch
Zitat
Marienfelde

2. Sprengstoff im neuen letzten Satz des § 22 Abs. 3: „Während aller Baumaßnahmen mit Auswirkungen auf das öffentliche Straßenland sollen Beschränkungen des Straßenraums nicht zu Lasten des Umweltverbunds erfolgen.“ Sollten sich Leute finden, die so etwas in der Realität einfordern, dann wird es krachen.


Ich greife mal einen Punkt raus: die alternative Wegführung bei Baustellen. Sprengstoff sehe ich da nur, wenn man in alten Denkmustern verhaftet ist, und andere Prioritäten auch für die Zukunft ausschließt.
übrig.
(...)

Die Sensibilisierung ist da, ein zentraler Ansprechpartner für Bürger ist da. Das macht nicht alles gut, aber viel, viel einfacher.

Mal ein Schlag aus der Jugend: Mitte der 1980er Jahre - nach Übernahme des S-Bahnbetriebs in Berlin (West) durch die BVG-West - gab es Bauarbeiten im Bereich der Yorckbrücken, es blieb nur eine Fahrspur je Richtung übrig. Die Bushaltestelle der damaligen Linie 19 am S-Bf Yorckstraße (S 2) wurde aufgehoben, die Fahrgäste wurden auf die Haltestelle S-Bf Yorckstraße (Großgörschenstraße, S 1) verwiesen.

Auf meine schriftliche Bitte bei der BVG, "meine" Haltestelle zur S 2 doch wieder zu bedienen, bekam ich einen Anruf eines Kollegen der BVG (!), der mich überzeugen wollte, den Autofahrern sei eine Verzögerung durch haltende Busse nicht zuzumuten, was mich schon damals so gar nicht überzeugte (immerhin konnten die "Autler" ja anschließend dem Bus folgen, weil sich ein evtl. vor ihm liegender Stau durch den Haltestellenaufenthalt aufgelöst hätte). Wenn solche Dinge heute (nicht nur in der BVG) anders gesehen und entschieden werden, dann hat sich über die Jahrzehnte ja doch ein wenig bewegt.

Ein anderes Beispiel: Wegen Bauarbeiten entfällt eine von drei Richtungsfahrbahnen, von denen eine eine Busspur ist. Welche Spur soll also in so einem Fall entfallen? Richtig, die Überholspur für den MIV, während die Busspur blelbt. Wenn das in Zukunft öfter mal so entschieden wird, würde ich mich freuen.
Ich finde es gerade nicht mehr, aber hier wurde behauptet, die Straßenbahn würde auf der Seelenbinderstr. durch die Radspur behindert. Ich habe da heute eine kleine Abendspazierfahrt gemacht, und kann sagen, dass die Bahn dort höchstens durch Autofahrer behindert werden kann, die die Verkehrsregeln nicht beherrschen.

Auf der gesamten Strecke von der Ecke Bahnhofstr. bis zur Bellevuestr. sind dort in beiden Richtungen sogenannte Schutzstreifen markiert. Diese dürfen bei Bedarf auch von anderen Verkehrsteilnehmern als Radfahrern befahren werden. Da Bahn und Auto bei freier Fahrt ähnlich schnell sind, kann die Straßenbahn eigentlich nur von auf den Gleisen stehendem MIV behindert werden. Also kann der kluge PKW-Fahrer durchaus, wenn er im Rückspiegel die Bahn herannahen sieht, bei freiem Schutzstreifen rechts blinken, auf diesen wechseln, die Bahn durchlassen, und wieder nach Blinkzeichen auf die (linke) Fahrspur wechseln. Wenn die Vorrangschaltung funktioniert, kommt er so sogar schneller vorwärts, als wenn er stur auf seiner Spur bleibt und die Bahn nur mühsam bei "normaler" Phase vorrücken kann.
Was die Verkürzung des M48 auf den Abschnitt Busseallee - Mohrenstraße angeht, bin ich skeptisch dass dieser Schritt sinnvoll ist:

Mit dieser Aktion wird eine Direktverbindung zwischen Alex und Steglitz aufgehoben, die zwar gegenüber U2/S1 länger dauert, jedoch einen Sitzplatz garantiert und damit trotz längerer Fahrtzeit nicht gerade unattraktiv ist. Es wundert mich auch, dass man mit der Tram Alex - Steglitz plant, wenn man jetzt die Direktverbindung kappen möchte. Da die 200er-Busse zwischen Alex und Mohrenstraße auch nicht gerade leer sind, sehe ich große Kapazitätsengpässe auf dem Abschnitt.

Weiß hier jemand die konkreten Gründe, warum der M48 verkürzt werden soll?



2 mal bearbeitet. Zuletzt am 05.04.2019 12:45 von DaniOnline.
Einführung Fahrverbotszone ist in diesem Bereich ein ganz großes Thema, davor hat die BVG scheinbar Angst?!
Zitat
Harald01
Einführung Fahrverbotszone ist in diesem Bereich ein ganz großes Thema, davor hat die BVG scheinbar Angst?!

Warum kann für ein Massentransportmittel keine Ausnahmegenehmigung erteilt werden? Ist es dem Senat lieber, wenn pro eingespartem Diesel-Bus dann 50 Benziner-PKWs entlang fahren?

Fahren die 200er-Busse nicht mehr mit Diesel und werden auf den halben Takt verdichtet, um dem Fahrgastandrang gerecht zu werden?
Zitat
DaniOnline
Fahren die 200er-Busse nicht mehr mit Diesel und werden auf den halben Takt verdichtet, um dem Fahrgastandrang gerecht zu werden?

Der 200er wird dann mit E-Schlenkis fahren. Der Takt bleibt gleich.

x--x--x--x

Für mehr gelbe Farbe im Netzplan: die Farben der U4 und U7 tauschen!
Da der 200er ja sowieso auf Scania und Mercedes GN umgestellt sein sollte, ist es für die Linie egal, da die fahrzeuge Euro 6 erreichen, anders sieht es bei den Doppeldeckern aus.
Zitat
B-V 3313

Der 200er wird dann mit E-Schlenkis fahren. Der Takt bleibt gleich.

Da sind wir mal gespannt, ob bis dahin die Ladestruktur steht!
Gastbeitrag von Tino Schopf in der Berliner Zeitung:

[www.berliner-zeitung.de]

Dort heißt es unter anderem: "Wenn wir die Straßenbahn auf ein Riesen-Netz ausweiten, schaffen wir keine gesteigerte Effizienz, keine Effekte."

Diese Logik erschließt sich mir beim besten Willen nicht. Zum einen stellt sich natürlich die Frage, was genau unter einem "Riesen-Netz" zu verstehen wäre. Und dass der Ausbau von Straßenbahnen sehr wohl wesentliche positive Effekte erzielt, sollte heutzutage eigentlich zum Basiswissen gehören, wenn man in der Verkehrspolitik aktiv ist. Sehr viel eher scheinen mir einige Ideen der SPD, was den Ausbau des U-Bahnnetzes angeht, dem Gedanken der Effizienz zu widersprechen. Was bitte sehr soll an einer Verlängerung der U7 nach Heerstraße Nord effizient sein ?! Und auch die U8 zum Märkischen Viertel mag nice to have sein, aber effizient ... ?!

Kann es sein, dass die SPD gerade wieder einen kleinen Flirt mit der Verkehrspolitik 60er Jahre hat ?! Jedenfalls schein mir die SPD drauf und dran zu sein, auch auf diesem Gebiet eine richtungsweisende Politik zu verschlafen.



1 mal bearbeitet. Zuletzt am 08.04.2019 21:22 von Bovist66.
Es wurde schon sehr oft darüber gesprochen, dass bei gleicher Länge der U-Bahnbau wesentlich teurer ist als der Straßenbahnbau. Daher gehe ich davon aus, dass die in diesem Artikel erwähnten Streckenverlängerungen der Linien U2, U3 und U8 in den nächsten Jahrzehnten kaum eine Chance auf Realisierung hat.
Anonymer Benutzer
Re: Sammelthread: Verkehrspolitik in Berlin
09.04.2019 00:00
Zitat
Bovist66

Kann es sein, dass die SPD gerade wieder einen kleinen Flirt mit der Verkehrspolitik 60er Jahre hat ?! Jedenfalls schein mir die SPD drauf und dran zu sein, auch auf diesem Gebiet eine richtungsweisende Politik zu verschlafen.

Wir diskutieren ja das Thema oft und regelmäßig. Ich habe nur mal eine Frage an die ganzen "Hardcore-Straßenbahner" (bitte die Bezeichnung jetzt nicht so ganz ernst nehmen. ;-) )

Abgesehen vom Geld, was ja in der Tat ein Argument ist: Warum seid ihr denn so absolut felsensicher überzeugt davon, dass einzig die Straßenbahn DAS System der Zukunft ist? Ich mein, 60er Jahre hin oder her, aber heute profitiere ich von diesen Entscheidungen und bin froh, nicht mit ner Straßenbahn vom Alex nach Friedrichsfelde fahren zu müssen. Die "U-Bahnpolitik" damals war doch nicht verkehrt oder fahren heute leere Züge durch die Gegend? Kann denn wirklich jemand objektiv bewerten, welches System zukunftsweisend ist?
Zitat
Railroader

Wir diskutieren ja das Thema oft und regelmäßig. Ich habe nur mal eine Frage an die ganzen "Hardcore-Straßenbahner" (bitte die Bezeichnung jetzt nicht so ganz ernst nehmen. ;-) )

Abgesehen vom Geld, was ja in der Tat ein Argument ist: Warum seid ihr denn so absolut felsensicher überzeugt davon, dass einzig die Straßenbahn DAS System der Zukunft ist? Ich mein, 60er Jahre hin oder her, aber heute profitiere ich von diesen Entscheidungen und bin froh, nicht mit ner Straßenbahn vom Alex nach Friedrichsfelde fahren zu müssen. Die "U-Bahnpolitik" damals war doch nicht verkehrt oder fahren heute leere Züge durch die Gegend? Kann denn wirklich jemand objektiv bewerten, welches System zukunftsweisend ist?

Diesen Vergleich können wir gerne weiterdrehen. Herr Schopf schlägt ja als U-Bahn-Neubaustrecken Märkisches Viertel, Krumme Lanke und Pankow Kirche vor. Einzig bei letzterem Vorhaben kann ich mir vorstellen, dass der Vergleich mit "zukunftsweisend", Alex - Friedrichsfelde und "in 60 Jahren" so halbwegs passt, da es sich um einen stark wachsenden Stadtbezirk handelt und an der Oberfläche bereits erhebliche Verkehrsprobleme bestehen. Aber der Großteil der vergleichbaren Relation Alex - Pankow ist ja auch heute bereits mit der U-Bahn und der Straßenbahn erschlossen, zudem steht in Pankow ja auch noch die S-Bahn mit verschiedenen Zielen zur Verfügung.

Der entscheidende Fakt ist, dass die drei benannten, sicher verkehrlich sinnvollen, aber sich nicht wirklich dringlich aufdrängenden U-Bahn-Neubaustrecken so viel Kosten verursachen wie vielleicht 30 oder 40 km Straßenbahn-Neubaustrecke mit einem - sofern den Bedürfnissen entsprechend geplant - viel höheren Verkehrswert, mit dem um ein Vielfaches mehr Fahrgäste erreicht werden. Es geht also um die Effizienz beim Umgang mit Steuermitteln, um einen möglichst hohen Nutzen für möglichst viele Beteiligte zu generieren.

Würde Herr Schopf im Zuge der wachsenden Stadt eine gänzlich neue U-Bahn-Achse fordern - etwa die altbekannte U3/U10 unter der Greifswalder und Leipziger Straße - wäre das wenigstens ein Vorschlag, über dessen Zukunftstüchtigkeit sich streiten ließe, auch wenn die Kapazitäten der teils bestehenden, teils geplanten parallelen Straßenbahnstrecken mit der richtigen Gefäßgröße absehbar noch ausreichend sein werden. Aber die drei "Krepelstrecken" mehr oder weniger in der Peripherie aus Herrn Schopfs Artikel verdienen das Prädikat "zukunftsweisend" aus meiner Sicht nicht. Dann lieber für mutmaßlich fast gleiches Geld M41, M48 und M27 zu Straßenbahnen machen. So steht es sinngemäß ja auch im Koalitionsvertrag.

PS: Ja, die U-Bahn-Politik war teils verfehlt, die U8 Nord ist immer noch ziemlich leer. Krumme Lanke - Mexikoplatz wäre das sicher auch, in Pankow sind die U-Bahnen oft nicht brechend voll - wären sie in Pankow Kirche auch nicht, ist an landseitigen Endpunkten nun mal oft so. Und die Verlängerung ins Märkische Viertel würde die leere U8 Nord zwar stärken, aber wichtige Netzeffekte Richtung Pankow und Kutschi verfehlen, die mit einem anderen Verkehrsmittel dort oben im Norden günstiger hergestellt werden könnten ;-) Und nebenbei könnte damit auch noch eine feinere Flächenerschließung des Märkischen Viertels als mit der U-Bahn erfolgen.



2 mal bearbeitet. Zuletzt am 09.04.2019 00:43 von les_jeux.
Anonymer Benutzer
Re: Sammelthread: Verkehrspolitik in Berlin
09.04.2019 01:44
Zitat
les_jeux
Einzig bei letzterem Vorhaben kann ich mir vorstellen, dass der Vergleich mit "zukunftsweisend", Alex - Friedrichsfelde und "in 60 Jahren" so halbwegs passt, da es sich um einen stark wachsenden Stadtbezirk handelt und an der Oberfläche bereits erhebliche Verkehrsprobleme bestehen.

Richtig, und warum läuft der U-Bahnbau da dann noch nicht? Möchte man jetzt warten, bis die Verkehrswende durch ist und man die Autofahrer zum Umsteigen zwingt, wodurch der ÖPNV Langstreckenfahrgäste gewinnt und der Bezirk noch weiter wächst, bis man dann mal feststellt: "Oh, hier wäre ja ne U-Bahn sinnvoll, dauert dann nur mal eben 8 Jahre?"

Meine entscheidenden Fakten sind: Verkehrswende, Wohnraumsituation (Tendenz: In der Stadt arbeiten, außerhalb wohnen), steigende Einwohneranzahl, wachsende Fahrgastzahlen, trotz Schlechtleistung der VU. Der Bedarf ist da. ME ist die Vorstellung der Grünen daher überhaupt nicht zukunftsweisend, sondern viel zu kurz gedacht. Du kannst mit 300 Kilometer Bus für dasselbe Geld auch mehr Fahrgäste gewinnen als mit 30 Kilometer Straßenbahn und Gebiete feiner erschließen. Am Ende stellt sich die Frage, wie attraktiv das Ganze für die Pendler noch ist oder ob es nur darum geht, Kurzstreckenkunden abzuholen, die dann eben nicht mehr die 2 Kilometer mit dem Auto fahren, sondern in die Straßenbahn steigen, was auch nicht in der Masse passieren wird, wenn die Tickets nicht günstiger werden. Es sei natürlich denn, man zwingt sie mit exorbitanten Preisen fürs Parken dazu. Aber diesen Weg lehne ich ab. Erst bieten, dann fordern, nicht andersrum.



2 mal bearbeitet. Zuletzt am 09.04.2019 02:46 von Railroader.
Erstens sagt der SPD-Politiker doch gut, dass ihm die Straßenbahn wichtig ist und dass es ihm um ein sowohl als auch geht, was auch nötig ist, wenn man die Verkehrswende wuppen will.

Ob er das dann umsetzen kann steht auf einem anderen Blatt ;-)

Aber die Erkenntnis, dass für eine Verkehrswende viel weiter gegangen werden muss ist doch super.
Zitat
Bovist66
Gastbeitrag von Tino Schopf in der Berliner Zeitung:

[www.berliner-zeitung.de]

Dort heißt es unter anderem: "Wenn wir die Straßenbahn auf ein Riesen-Netz ausweiten, schaffen wir keine gesteigerte Effizienz, keine Effekte."

Diese Logik erschließt sich mir beim besten Willen nicht. Zum einen stellt sich natürlich die Frage, was genau unter einem "Riesen-Netz" zu verstehen wäre. Und dass der Ausbau von Straßenbahnen sehr wohl wesentliche positive Effekte erzielt, sollte heutzutage eigentlich zum Basiswissen gehören, wenn man in der Verkehrspolitik aktiv ist. Sehr viel eher scheinen mir einige Ideen der SPD, was den Ausbau des U-Bahnnetzes angeht, dem Gedanken der Effizienz zu widersprechen. Was bitte sehr soll an einer Verlängerung der U7 nach Heerstraße Nord effizient sein ?! Und auch die U8 zum Märkischen Viertel mag nice to have sein, aber effizient ... ?!

Kann es sein, dass die SPD gerade wieder einen kleinen Flirt mit der Verkehrspolitik 60er Jahre hat ?! Jedenfalls schein mir die SPD drauf und dran zu sein, auch auf diesem Gebiet eine richtungsweisende Politik zu verschlafen.

Was mir außerordentlich mißfällt, ist das "Timing" dieses Beitrags. Kein einziges der drei vom Vorgängersenat (!) "geerbten" sogenannten Straßenbahnneubauvorhaben ist planfestgestellt, Bauarbeiten für Neubaustrecken finden ausschließlich bei den beiden Schnellbahnen statt. Noch bevor es mit dem angeblich politisch gewollten Straßenbahnausbau überhaupt losgeht, wird er bereits "zerschrieben".


Einige kurze Anmerkungen zum Beitrag selbst:

1. "Bei der U-Bahn wird es 1500 neue Wagen geben. Außerdem wird eine Reihe von Netzergänzungen und Lückenschlüssen erfolgen. Sinnvoll wäre zuallererst eine Weiterführung der U8 ins Märkische Viertel, ebenso kann ich mir eine Verlängerung der U2 von Pankow nach Pankow Kirche vorstellen. Darüber hinaus würde auch Krumme Lanke – Mexikoplatz (U3) spürbare Angebotsverbesserungen bringen."

Das sind durchaus kühne Feststellungen. Die an sich wünschenswerte Finanzierung von 1.500 U-Bahnwagen ist in dieser Größenordnung nicht gesichert, das "BVG-Investitionsprogramm" dürfte dafür nicht ausreichend sein.

Die drei genannten Netzergänzungen sind sicher auch wünschenswert - nur wird nach meiner Überzeugung wegen der langen Planungsvorläufe sowie der Finanzierung bis zum Jahr 2030 keine einzige dieser Netzergänzungen fertig sein. Diese Vorhaben taugen daher nichts für eine Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in absehbarer Zeit.


2. "Doch aus fachlicher Sicht gilt es festzuhalten: Eine Straßenbahn, die im Straßenverkehr mitfährt, hat das Problem, dass sie spezielle Vorrangschaltungen benötigt, um nicht im Stau steckenzubleiben. Weil eine U-Bahn unter der Erde fährt, ist sie per se von diesen Zwängen entkoppelt."

Wenn die Berliner Straßenbahn mal Vorrangschaltungen bekäme, die diese Bezeichnung verdienen, wären wir immerhin einen Schritt weiter. Dann wäre eine Entwicklung der durchschnittlichen Reisegeschwindigkeit in Richtung 20 km/h über die Jahre sicherlich erreichbar, was für eine konventionelle Straßenbahn ein guter Wert wäre.

Stattdessen "durften" wir hier vor wenigen Tagen in einer Stellungnahme von BUND u.a. zur Planfeststellung der "Neubaustrecke" zum U-Bhf. Turmstraße etwas über geplante 44 Sekunden Haltezeit "für" die Tram an der Haltestelle Lesser-Ury-Weg lesen, selbst ohne Fahrgastwechsel oder Fußgänger.

Eine "Verkehrswende" (diese hochtrabende Wortschöpfung ist mir durchaus zuwider), die nur im Untergrund stattfindet, ist keine. Immerhin: Anders als in der (SPD-) Verkehrspolitik der 1950er und 60er Jahre "darf" die Straßenbahn weiterfahren, ihre Stellung gegenüber dem MIV soll "natürlich" nachrangig bleiben.


3. "Verkehrspolitisch sollte es uns darum gehen, die Menschen möglichst schnell von A nach B zu bewegen. Eine S-Bahn ist nur so schnell, weil sie in der Regel Halteabstände von durchschnittlich rund zwei Kilometern hat. Die U-Bahn hat in der Regel Halteabstände zwischen 500 und 1000 Metern. Bei der Straßenbahn sind es 300 bis 400 Meter, weshalb dieses Verkehrsmittel langsamer ist. Wenn wir die Straßenbahn auf ein Riesen-Netz ausweiten, schaffen wir keine gesteigerte Effizienz, keine Effekte."

Hier hilft ein Blick in den BVG-Zahlenspiegel 2018 (Stand 31.12.2017, der Zahlenspiegel 2019 steht ja noch aus): Dort wird der durchschnittliche Haltestellenabstand mit (gerundeten) 0,5 Kilometern angegeben; tatsächlich liegt er nach meiner Erinnerung ein wenig unter 500 Metern. Der inzwischen relativ große Haltestellenabstand bei der Berliner Straßenbahn stünde Reisegeschwindigkeiten von 20 - 25 km/h mit Sicherheit nicht im Wege - sondern eher die unter 2. angedeutete geistige Grundhaltung.

Einen schönen Tag wünscht Euch
Marienfelde
Nach dieser Einleitung...

"Ist es richtig, die Berliner aufzufordern, ihr Auto abzuschaffen? Die Antwort ist eindeutig: Nein! Natürlich müssen die Berliner nicht auf ihr Auto verzichten."

... ist eigentlich schon klar, wohin der Hase laufen soll, oder?! Die U-Bahn ist ja deswegen unter Autofahrern so beliebt, weil sie ihnen - abgesehen von der Bauphase - keinen Platz wegnimmt.
Zitat
Latschenkiefer
Nach dieser Einleitung...

"Ist es richtig, die Berliner aufzufordern, ihr Auto abzuschaffen? Die Antwort ist eindeutig: Nein! Natürlich müssen die Berliner nicht auf ihr Auto verzichten."

... ist eigentlich schon klar, wohin der Hase laufen soll, oder?! Die U-Bahn ist ja deswegen unter Autofahrern so beliebt, weil sie ihnen - abgesehen von der Bauphase - keinen Platz wegnimmt.

Ganz meine Gedanken. Tino Schopf gibt ja einleitend die Spannweite seines Beitrags an: Mobilität in der wachsenden Stadt Berlin. Dabei sind Schopfs Vorstellungen zum ÖPNV schon - wie in diesem Thread erwähnt - rückschrittlich. Der Umweltverbund insgesamt spielt bei ihm offenbar nur eine untergeordnete Rolle. Für den Radverkehr konstatiert er zwar eingangs, dass er - gemeinsam mit dem ÖPNV - immer stärker genutzt wird. Abgesehen von einem weiteren Satz ("Weder kann und wird Berlin ausschließlich eine Auto- noch ausschließlich eine Fahrradstadt sein.") wird der Radverkehr gar nicht weiter und der Fußverkehr nicht ein einziges Mal thematisiert: erbärmlich und alles andere als zukunftsweisend.
Ich kann diesen Statements ohnehin nicht viel abgewinnen. Politiker aller Parteien sind ja erstmal grundsätzlich für den "Ausbau des ÖPNV". Das ist auch in etwa so leicht und erkenntnisfrei zu sagen wie "für den Weltfrieden" zu sein. Wer kann da schon was dagegen haben?
Spannend wird es erst wenns darum geht Verkehrsflächen zu verteilen oder an finanziellen Anreizen der Verkehrsteilnehmer zu schrauben, dann werden die meisten entweder dünn oder es offenbart sich der wahre Geist.

*******
Das Gegenteil von ausbauen ist ausbauen.
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