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Sammelthread: Verkehrspolitik in Berlin
geschrieben von Arnd Hellinger 
Zitat
Christian Linow
Freilich kann man auch den Autoverkehr verbuddeln, was man in Düsseldorf mit dem Rheinufertunnel und dem Kö-Bogen-Tunnel ja auch im großen Stil bereits gemacht hat. Unterdessen zu glauben, dass man den MIV komplett aus der Stadt verbannen kann, mag zwar wünschenswert, aber kaum umzusetzen sein.

Wenn die Autolobby keine Argumente mehr hat, kommt immer die Aussage, dass man ja nicht den ganzen MIV verbannen könne. Wer redet denn vom ganzen?

Aber wie kommt die Autolobby zu der Annahme, dass sie soviel des öffentlichen Raums in Anspruch nehmen kann, wie sie mag, und ansonsten Anspruch auf Tunnel oder eine Umgehungsstraße hat?

Es muss doch andersrum sein: wir haben eine gewissen Fläche in der Stadt zur Verfügung, und die wird naturgemäß nicht größer. Davon ausgehend muss (gerade in Innenstädten) diskutiert werden, wieviel wir für das Abstellen und Bewegen von 10 m² Blech zu opfern, die im Durchschnitt gerade einmal mit 1,2 Personen belegt sind. Und das ist es dann eben. Damit muss der Pkw-Verkehr klarkommen.

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Christian Linow
Insofern ist die Wehrhahnlinie kein Autoförderprogramm, weil eine Komplettsperrung von Elisabethstraße und Friedrichstraße schlichtweg unmöglich erscheint, es der Straßenquerschnitt aber auch nicht erlaubte, hier beschleunigte oder gar besondere Bahnkörper anzulegen.

Und Ampelschaltungen, die dafür sorgen, dass sich die Autos außerhalb der Engstelle stauen, sollen auch nicht möglich sein?

Zitat
Christian Linow
Sie wären vor allem da gefahren, wo Menschen gehen, sofern freigegeben mit dem Rad fahren oder verweilen wollen. Schlicht da, wo man ihre Geschwindigkeit hätte dezimieren müssen und da, wo es - wie Karlsruhe zeigt - erhebliche Störeinflüsse gibt.

Klar. Auf dem Corneliusplatz hätte man ja bei einer oberirdischen, ins Umfeld eingebundenen Straßenbahnstrecke quasi keinen Platz mehr zum Verweilen.
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def
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Christian Linow
Den Bau einer Straßenbahn lehnen aber die meisten ab. Selbst unter Grünen-Wählern findet sich keine Mehrheit: [www.ndr.de]

Wie heißt es so schön? Eine Straßenbahnstrecke ruft zweimal Proteste hervor: wenn sie gebaut werden soll - und wenn sie stillgelegt werden soll. Insofern ist es wenig verwunderlich, wenn es in einer Stadt ohne Straßenbahn keine Mehrheit dafür gibt.

Exakt. Es gibt überall einen sehr hohen Anteil an konservativen Haltungen. Das hat nichts mit der politischen Auffassung zu tun, sondern ist grundlegender. Bisher lief es ja so einigermaßen, also kann es so weiterlaufen. Hamburg hat ohne Straßenbahn passabel gelebt, also braucht man keine, Berlin hat mit einem Flughafen in Tegel passabel gelebt, also kann er da bleiben. Wenn die Straßenbahn da ist, braucht man sie; wenn sie nicht da ist, braucht man sie eben nicht. Man hat sich so im Leben eingerichtet.

Von der Haltung ist wahrscheinlich niemand so ganz frei.
Geht ja soweit, dass auch hier im Forum ansonsten durchaus ÖPNV-affine scheuen, den raschen Rückbau von Parkplätzen oder nur Parkraumzonen zu fordern...
Zitat
def
Wie heißt es so schön? Eine Straßenbahnstrecke ruft zweimal Proteste hervor: wenn sie gebaut werden soll - und wenn sie stillgelegt werden soll.

Sieht man hier ja auch hervorragend. Was war das Geschrei groß, als die Uferbahn auf der Kippe stand...'ne ähnliche Trasse entlang der Havel nach Kladow neu planen...die Überraschung bezüglich der Reaktion auf solche Gedanken wäre moderat.

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Zitat
Philipp Borchert
...'ne ähnliche Trasse entlang der Havel nach Kladow neu planen...die Überraschung bezüglich der Reaktion auf solche Gedanken wäre moderat.

Tendenziell hast Du natürlich recht, wenngleich Dein Vergleich hinkt. Für eine neue Uferbahn in Kladow gebe es baurechtlich wohl keine Genehmigung, wenn ich mich richtig an die Diskussionen zur Schmöckwitzer Strecke erinnere.
Ich glaube, dass mir gerade einige relevante Informationen fehlen. Wieso wäre eine Straßenbahn Heerstr.- Kladow denn nicht genehmigungsfähig? Welche gesetzlichen Regelungen stünden einem solchen Vorhaben denn entgegen? Oder geht es hier weniger um die Straßenbahn per se sondern eher um den Wortteil "Ufer"? Eine tatsächliche Trassierung am Ufer entlang wäre so gesehen gewiss schwierig, einmal wegen Umwelt- bzw. Artenschutz (wegen der Flora und Fauna im wassernahen Lebensraum Uferbereich) andererseits weil vielerorts (im betrachteten Korridor) Privatgrundstücke bis ans Ufer heranreichen und teilweise bebaut sind.

Wieso eine straßennahe bzw. straßengebundene Trassierung im Zuge Gatower Str. / Heerstr. - Alt-Gatow - Alt-Kladow nicht möglich sein würde, ist für mich nicht nachvollziehbar.

Wahrscheinlich stehe ich einfach nur auf dem Schlauch, übersehe das Offensichtliche und rede daher nur Blödsinn, also bitte klärt mich auf ;-)
Die Schmöckwitzer Strecke ist größtenteils eine echte Uferbahn, mit allen damit verbundenen Vorteilen für die Fahrgäste. Bei der Diskussion vor einigen Jahren wurde von einigen angeführt, dass ein Neubau bei solch einer Streckenführung nicht mehr genehmigungsfähig wäre (Artenschutz, Abholzung von Bäumen für neue Strecke, Verschmutzung durch Öle/Fett-Emissionen aus dem Betrieb direkt am Wasser sind unzulässig usw.).
Die Trassierung einer Kladower Uferstrecke wäre deshalb selbst bei Klärung der Eigentumsverhältnisse (Erwerb von diversen Privatgrundstücken) nach den damaligen Informationen wohl analog nicht genehmigungsfähig.

Mit besten Grüßen

phönix



1 mal bearbeitet. Zuletzt am 09.01.2020 17:52 von phönix.
Zitat
phönix
Die Schmöckwitzer Strecke ist größtenteils eine echte Uferbahn, mit allen damit verbundenen Vorteilen für die Fahrgäste. Bei der Diskussion vor einigen Jahren wurde von einigen angeführt, dass ein Neubau bei solch einer Streckenführung nicht mehr genehmigungsfähig wäre (Artenschutz, Abholzung von Bäumen für neue Strecke, Verschmutzung durch Öle/Fett-Emissionen aus dem Betrieb direkt am Wasser sind unzulässig usw.).
Die Trassierung einer Kladower Uferstrecke wäre deshalb selbst bei Klärung der Eigentumsverhältnisse (Erwerb von diversen Privatgrundstücken) nach den damaligen Informationen wohl analog nicht genehmigungsfähig.

Jein. Das "Problem" der Strecke war, dass sie durch ein Trinkwasserschutzgebiet führt. Das Wasserwerk Friedrichshagen entnimmt dort in dem Bereich Wasser, das natürlich nicht verschmutzt werden soll. Daher gelten besondere Anforderungen, insbesondere an die Entwässerung.

--- Signatur ---
Bitte beachten Sie beim Aussteigen die Lücke zwischen Bus und Bordsteinkante!
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def

Wenn die Autolobby keine Argumente mehr hat, kommt immer die Aussage, dass man ja nicht den ganzen MIV verbannen könne. Wer redet denn vom ganzen?

Jetzt bin ich neugierig und fragend zugleich. Wer bitte ist die Autolobby? Ist die Autolobby ein Querschnitt der Gesellschaft? Jener Gesellschaft, die - wie in Hamburg bei der jüngsten Umfrage - durchaus gewillt ist, den Raum zulasten des Autos und zugunsten von Radfahrern sowie Fußgängern neu aufzuteilen? Wenn das die Autolobby ist, betreiben die einen seltsamen Lobbyismus.

Zitat
def

Aber wie kommt die Autolobby zu der Annahme, dass sie soviel des öffentlichen Raums in Anspruch nehmen kann, wie sie mag, und ansonsten Anspruch auf Tunnel oder eine Umgehungsstraße hat?

Wie kommt die Straßenbahnlobby zu der Annahme, dass sie so viel des öffentlichen Raums in Anspruch nehmen kann, wenn ein Tunnel Flächen freisetzt, die für breitere Gehwege und Radstreifen genutzt werden können und sonst nicht da wären oder es die Folge wäre, dass man als Radfahrer entweder zwischen oder knapp neben den Rillengleisen fahren müsste?

Zitat
def

Es muss doch andersrum sein: wir haben eine gewissen Fläche in der Stadt zur Verfügung, und die wird naturgemäß nicht größer. Davon ausgehend muss (gerade in Innenstädten) diskutiert werden, wieviel wir für das Abstellen und Bewegen von 10 m² Blech zu opfern, die im Durchschnitt gerade einmal mit 1,2 Personen belegt sind. Und das ist es dann eben. Damit muss der Pkw-Verkehr klarkommen.

Dem stimme ich an sich vollkommen zu. Klar muss aber sein, dass sich auch hierfür Mehrheiten in der Gesellschaft finden müssen.

Zitat
def

Und Ampelschaltungen, die dafür sorgen, dass sich die Autos außerhalb der Engstelle stauen, sollen auch nicht möglich sein?

Dynamische Straßenraumfreigabe ist hier wohl das Stichwort, wie sie auch bei der Straßenbahn über die Leipziger Straße realisiert werden soll. Gerne zitiere ich hierzu Dr.-Ing. Anette Albers: „... die Abstimmung mit der dynamischen Straßenraumfreigabe sind in der Regel gegeben, wenn sich im Streckenzug keine übergeordneten querenden Verkehrsbeziehungen und keine Knotenpunkte mit konkurrierenden ÖPNV-Linien befinden, wenn die Fahrzeugfolge etwa 12 Fahrzeuge je Richtung und Stunde nicht überschreitet und wenn die Kraftfahrzeugverkehrsstärken ca. 1500 Kfz/Sp-h bei einspurigem Richtungsverkehr bzw. 3000 Kfz/Sph zweispurigem Richtungsverkehr nicht übersteigen und in Knotenpunktbereichen erforderliche Aufstellungen für Abbiegeströme angelegt werden.“

Und wie ginge man mit den querenden Linien in Bilk und am Graf-Adolf-Platz vor? Hat man überall ausreichend Platz für die in Rede stehenden Aufstellungen und zugleich eine angemessene Radinfrastruktur? Wie berücksichtigt man überhaupt den Radverkehr vor dem Hintergrund der dynamischen Straßenraumfreigabe?

Zitat
def

Klar. Auf dem Corneliusplatz hätte man ja bei einer oberirdischen, ins Umfeld eingebundenen Straßenbahnstrecke quasi keinen Platz mehr zum Verweilen.

Doch! Und das war auch der Tenor. Nur bringt jenes Verweilen bei einer dichten Taktfolge Schwierigkeiten in puncto Zuverlässigkeit für die Straßenbahn mit sich, was in Karlsruhe sogar zum Brechen einzelner Linien geführt hat.



1 mal bearbeitet. Zuletzt am 10.01.2020 00:36 von Christian Linow.
Anonymer Benutzer
Re: Sammelthread: Verkehrspolitik in Berlin
10.01.2020 01:12
Zitat
Christian Linow

Wie kommt die Straßenbahnlobby zu der Annahme, dass sie so viel des öffentlichen Raums in Anspruch nehmen kann [...]

Die Tramlobby unterstellt ja auch gerne, dass sich eigentlich irgendwie jeder vom MIV belästigt fühlen muss und dessen Eindämmung nur mehr Lebensqualität bringen kann (was ja an sich nicht falsch sein mag), gesteht aber andererseits Bedenken gegenüber einer Straßenbahn nicht zu. Wer sich hier kritisch zu Lärm oder Unfallgefahren äußert, wird recht schnell angegriffen und diffamiert, wobei die Sorgen ja nicht per se unbegründet sind.
Zitat
Christian Linow
Jetzt bin ich neugierig und fragend zugleich. Wer bitte ist die Autolobby? Ist die Autolobby ein Querschnitt der Gesellschaft? Jener Gesellschaft, die - wie in Hamburg bei der jüngsten Umfrage - durchaus gewillt ist, den Raum zulasten des Autos und zugunsten von Radfahrern sowie Fußgängern neu aufzuteilen? Wenn das die Autolobby ist, betreiben die einen seltsamen Lobbyismus.

Ich habe die krude These, dass mindestens 80 % dieser Mehrheit ihren Wunsch nach Umgestaltung des Straßenraums zulasten des Autoverkehrs recht schnell vergessen, sobald es um konkrete Maßnahmen und nicht nur um den allgemeinen Wunsch geht. Und 90 %, wenn diese Maßnahmen auf Hauptstraßen stattfinden.

Es ist doch sicher wie immer. Wenn man fragt, ob man Klima und Umwelt schützen sollte, werden die meisten Menschen natürlich zustimmen. Wenn man fragt, ob sie selbst dafür weniger Auto fahren, fliegen, konsumieren (Smartphones, Kleidung...) oder Fleisch essen würden, würde die Zustimmung stark schrumpfen (es geht noch nicht mal um Komplettverzicht!).

Wenn man fragt, ob die Menschen am anderen Ende der Lieferkette (Schneider in Bangladesh, Milchbäuerinnen in Brandenburg etc.) mehr verdienen sollen, werden auch die meisten zustimmen. Wenn man fragt, ob man dafür 20 % mehr für die Hose oder die Milch bezahlen würde, würde die Zustimmung ebenfalls stark schrumpfen.

Zitat
Christian Linow
Wie kommt die Straßenbahnlobby zu der Annahme, dass sie so viel des öffentlichen Raums in Anspruch nehmen kann, wenn ein Tunnel Flächen freisetzt, die für breitere Gehwege und Radstreifen genutzt werden können und sonst nicht da wären oder es die Folge wäre, dass man als Radfahrer entweder zwischen oder knapp neben den Rillengleisen fahren müsste?

Also zum einen: beschäftige Dich mal mit dem Platzbedarf des MIV und eines Straßenbahnsystems. Natürlich inkl. der notwendigen Abstellflächen. Zum anderen: in den allermeisten Fällen ist, gerade in Berlin (man beachte ab und zu mal den Foren- und Threadtitel), ausreichend Platz für eine Straßenbahnstrecke, Radfahrer UND Fußgänger. Was stört, ist der MIV! Selbst in gründerzeitlichen Viertel sind problemlos eine Straßenbahnstrecke, zwei breite Radwege und Bürgersteige möglich - wenn man Parkplätze nicht als sakrosankt betrachtet. Stattdessen werden (auch von Dir) die Teilnehmer des Umweltverbundes gegeneinander ausgespielt, während Parkplätze als sakrosankt betrachtet werden. Die Lösung ist dann nicht, einen Teil des Umweltverbundes zu verbuddeln, sondern auf Parkplätze zu verzichten.

Aber da kommt dann zum Tragen, was ich im ersten Absatz angesprochen habe: Sobald es bei der Einschränkung des MIV um konkrete Maßnahmen geht, wird sicher geschrien, dass das nicht gehe, überhaupt unerhört sei, unrealistisch, wirklichkeitsfremd, ein Tortur, Zwangsbeglückung!

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Christian Linow
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Es muss doch andersrum sein: wir haben eine gewissen Fläche in der Stadt zur Verfügung, und die wird naturgemäß nicht größer. Davon ausgehend muss (gerade in Innenstädten) diskutiert werden, wieviel wir für das Abstellen und Bewegen von 10 m² Blech zu opfern, die im Durchschnitt gerade einmal mit 1,2 Personen belegt sind. Und das ist es dann eben. Damit muss der Pkw-Verkehr klarkommen.

Dem stimme ich an sich vollkommen zu. Klar muss aber sein, dass sich auch hierfür Mehrheiten in der Gesellschaft finden müssen.

Und von denen ist selbst das straßenbahnlose Hamburg gar nicht so weit weg, wie Du behauptest. Warum sollte es in Berlin anders aussehen?

Nebenbei solltest Du einmal in einen Atlas Deiner Wahl und ins Grundgesetz bzw. Landesverfassungen schauen: weder Hamburg noch Berlin liegen in der Schweiz. Deutschland und seine Bundeländer sind parlamentarische Demokratien. Es braucht keine gesellschaftliche, sondern eine parlamentarische Mehrheit, um Projekte durchzusetzen! Sicher kann eine gesellschaftliche Mehrheit nicht schaden. Aber die sind m.E. sehr viel flexibler als hier einige tun.

Zitat
Christian Linow
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def
Und Ampelschaltungen, die dafür sorgen, dass sich die Autos außerhalb der Engstelle stauen, sollen auch nicht möglich sein?

Dynamische Straßenraumfreigabe ist hier wohl das Stichwort, wie sie auch bei der Straßenbahn über die Leipziger Straße realisiert werden soll. Gerne zitiere ich hierzu Dr.-Ing. Anette Albers: „... die Abstimmung mit der dynamischen Straßenraumfreigabe sind in der Regel gegeben, wenn sich im Streckenzug keine übergeordneten querenden Verkehrsbeziehungen und keine Knotenpunkte mit konkurrierenden ÖPNV-Linien befinden, wenn die Fahrzeugfolge etwa 12 Fahrzeuge je Richtung und Stunde nicht überschreitet und wenn die Kraftfahrzeugverkehrsstärken ca. 1500 Kfz/Sp-h bei einspurigem Richtungsverkehr bzw. 3000 Kfz/Sph zweispurigem Richtungsverkehr nicht übersteigen und in Knotenpunktbereichen erforderliche Aufstellungen für Abbiegeströme angelegt werden.“

Und wie ginge man mit den querenden Linien in Bilk und am Graf-Adolf-Platz vor? Hat man überall ausreichend Platz für die in Rede stehenden Aufstellungen und zugleich eine angemessene Radinfrastruktur? Wie berücksichtigt man überhaupt den Radverkehr vor dem Hintergrund der dynamischen Straßenraumfreigabe?

Gut, dann muss man die Straßen eben doch ganz für den MIV (außer Anlieger) sperren. Aber auch hier zeigt sich dann sicher wieder das, was ich im ersten Absatz beschrieben habe.

Zitat
Christian Linow
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def

Klar. Auf dem Corneliusplatz hätte man ja bei einer oberirdischen, ins Umfeld eingebundenen Straßenbahnstrecke quasi keinen Platz mehr zum Verweilen.

Doch! Und das war auch der Tenor. Nur bringt jenes Verweilen bei einer dichten Taktfolge Schwierigkeiten in puncto Zuverlässigkeit für die Straßenbahn mit sich, was in Karlsruhe sogar zum Brechen einzelner Linien geführt hat.

Also zum einen: hältst Du den geneigten Mitleser eigentlich für komplett bescheuert? Du stellst selbst Fotos von einem großen Platz ein, hier dem Corneliusplatz - und dann behauptest Du, dass ein Gleispaar an dessen Rand ein Verweilen unmöglich machen würde?

Zum anderen: Du reitest immer wieder auf dem EINEN Beispiel aus Karlsruhe rum. Wie sieht es eigentlich mit den umgedrehten Beispielen aus - gescheiterte Tunnelprojekte? Straßenbahnen, die ohne Not in den Tunnel verbannt wurden, obwohl eigentlich genug Platz ist? In denen die einzelnen Linien z.T. im 30-min-Takt verkehren? (Was bleibt dann eigentlich von der atemberaubenden Zeitersparnis von Tunnelstrecken, wenn man die Bahn gerade verpasst hat und 28 min warten muss? Wie lange könnte man für die Baukosten eines Tunnels einen 15-min-Takt finanzieren?) Die baufällig sind, weil ihre Errichtung vom Bund gefördert wird, nicht aber ihre Sanierung? All das findet man im Ruhrgebiet, nicht nur einmal. Dazu dann noch Stadtbahnen, die weitab der Siedlungsschwerpunkte verlaufen (U35-Süd in Bochum), was für die Tür-zu-Tür-Reisezeit ziemlich nachteilig ist, oder dank Tunnelanlagen einen Umweg fahren müssen (U79 südlich der Duisburger Innenstadt).

Und das sind noch nicht einmal die "gescheitertsten" Tunnelprojekte: In Ludwigshafen am Rhein wurde sogar schon ein Straßenbahntunnel stillgelegt. Und zeigt dabei eben einen weiteren großen Nachteil: Tunnel kann man nicht einfach liegen lassen, wenn sie stillgelegt werden. Sie kosten weiter: im Betrieb wie im Abriss. Straßenbahngleise kann man einfach erstmal liegen lassen und dann im Zuge der nächsten (ohnehin regelmäßig notwendigen) Straßensanierung beseitigen.



2 mal bearbeitet. Zuletzt am 10.01.2020 07:05 von def.
Zitat
Railroader
Zitat
Christian Linow

Wie kommt die Straßenbahnlobby zu der Annahme, dass sie so viel des öffentlichen Raums in Anspruch nehmen kann [...]

Die Tramlobby unterstellt ja auch gerne, dass sich eigentlich irgendwie jeder vom MIV belästigt fühlen muss und dessen Eindämmung nur mehr Lebensqualität bringen kann (was ja an sich nicht falsch sein mag), gesteht aber andererseits Bedenken gegenüber einer Straßenbahn nicht zu. Wer sich hier kritisch zu Lärm oder Unfallgefahren äußert, wird recht schnell angegriffen und diffamiert, wobei die Sorgen ja nicht per se unbegründet sind.

Diese Sorgen kommen halt auffällig oft dann, wenn der Bau der Straßenbahn zu Einschränkungen im MIV führt. Und anders als beim Pkw ist der Gefahrenbereich bei der Straßenbahn ganz gut sichtbar.
Zitat
def
(...)
Zitat
Christian Linow
Wie kommt die Straßenbahnlobby zu der Annahme, dass sie so viel des öffentlichen Raums in Anspruch nehmen kann, wenn ein Tunnel Flächen freisetzt, die für breitere Gehwege und Radstreifen genutzt werden können und sonst nicht da wären oder es die Folge wäre, dass man als Radfahrer entweder zwischen oder knapp neben den Rillengleisen fahren müsste?

Also zum einen: beschäftige Dich mal mit dem Platzbedarf des MIV und eines Straßenbahnsystems. Natürlich inkl. der notwendigen Abstellflächen. Zum anderen: in den allermeisten Fällen ist, gerade in Berlin (man beachte ab und zu mal den Foren- und Threadtitel), ausreichend Platz für eine Straßenbahnstrecke, Radfahrer UND Fußgänger. Was stört, ist der MIV! Selbst in gründerzeitlichen Viertel sind problemlos eine Straßenbahnstrecke, zwei breite Radwege und Bürgersteige möglich - wenn man Parkplätze nicht als sakrosankt betrachtet. Stattdessen werden (auch von Dir) die Teilnehmer des Umweltverbundes gegeneinander ausgespielt, während Parkplätze als sakrosankt betrachtet werden. Die Lösung ist dann nicht, einen Teil des Umweltverbundes zu verbuddeln, sondern auf Parkplätze zu verzichten.
(...)

Nebenbei solltest Du einmal in einen Atlas Deiner Wahl und ins Grundgesetz bzw. Landesverfassungen schauen: weder Hamburg noch Berlin liegen in der Schweiz. Deutschland und seine Bundeländer sind parlamentarische Demokratien. Es braucht keine gesellschaftliche, sondern eine parlamentarische Mehrheit, um Projekte durchzusetzen! Sicher kann eine gesellschaftliche Mehrheit nicht schaden. Aber die sind m.E. sehr viel flexibler als hier einige tun.
(...)

1. Nun benötigt der Fahrgast in einem gut besetzten öffentlichen Verkehrsmittel weniger Platz als ein Fußgänger oder Radfahrer. Würden sich die Anhänger/innen des "Umweltverbunds" gegeneinander ausspielen lassen, wäre demnach z.B. auch die Straßenbahn gegenüber dem Radverkehr zu bevorzugen.

2. Im stets anzustrebenden "Idealfall" stimmen parlamentarische und gesellschaftliche Mehrheiten überein, wobei die Interessen und Bedürfnisse der unterlegenen Minderheit im Rahmen des Möglichen auch berücksichtigt werden.

Die Idee, parlamentarische Mehrheiten selbst gegen große Mehrheiten in der Bevölkerung einzusetzen, ist nicht unbedenklich. Auch in unserem Land fühlen sich nicht wenige Menschen mit ihren Interessen und Bedürfnissen in Parlamenten und Regierungen ohnehin nicht (mehr) vertreten.

Ohne ins Detail zu gehen: Die Ursachen des in großen Teilen der Bevölkerung wahrnehmbaren Gefühls der politischen Ausgrenzung sind mit Sicherheit nicht nur in diesen Bevölkerungsteilen zu suchen.
Am Kottbusser Tor hat übrigens mal wieder eine aggressive Radfahrerin einen LKW gerammt. So ungefähr jedenfalls. Es wird wirklich Zeit, das Radfahren generell zu verbieten.

[www.berliner-zeitung.de]

P.S.: Wer in diesem Beitrag Ironie und Sarkasmus findet, darf beides behalten.
Zitat
VvJ-Ente
Wer in diesem Beitrag Ironie und Sarkasmus findet, darf beides behalten.

Vielen Dank. Aber wohin damit - hab' schon ganze Schränke voll damit. Dazu noch die ganzen Schubladen mit den Rechtschreibfehlern...

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Sie befinden sich HIER.
Wenn ihr so weitermacht, gibt's Ärger mit Stefan! Humor in einem Forum - was denkt ihr Euch eigentlich dabei?
Zitat
Marienfelde
Die Idee, parlamentarische Mehrheiten selbst gegen große Mehrheiten in der Bevölkerung einzusetzen, ist nicht unbedenklich. Auch in unserem Land fühlen sich nicht wenige Menschen mit ihren Interessen und Bedürfnissen in Parlamenten und Regierungen ohnehin nicht (mehr) vertreten.

Im vorgebrachten Hamburger Fall sind wir aber nicht bei großen Mehrheiten, sondern bei einer eher kleinen Mehrheit, die man m.E. nict fix ist und durch eine entsprechende Kommunikation verändert werden kann. Dazu gehört das Entwerfen einer Vision und ihre konsequente Veröffentlichung, dazu gehören Erfolgsbeispiele aus anderen Städten ("Autoverkehr um x % gesunken", "Innenstadthandel belebt" etc.) Wieviele der Befragten werden sich denn ernsthaft mit dem Thema auseinandergesetzt haben? Und wieviele denken noch an die alte Straßenbahn? Wieviele sind einfach nur genervt davon, dass das Thema seit 20 Jahren immer wieder hochkommt? Wieviele kennen überhaupt Erfolgsgeschichten? Hätte es die massive internationale Renaissance der Straßenbahn seit den 80er Jahren gegeben, wenn es nicht genug Erfolgsgeschichten gegeben hätte?

Parteien haben die Aufgabe, zur Willensbildung beizutragen. Das wäre ein klassischer Fall dafür. Um immer nur billig aktuelle Umfragen umzusetzen, braucht es keine Parteien. Das kann auch eine Expertenregierung leisten.



1 mal bearbeitet. Zuletzt am 10.01.2020 10:54 von def.
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Marienfelde
Die Idee, parlamentarische Mehrheiten selbst gegen große Mehrheiten in der Bevölkerung einzusetzen, ist nicht unbedenklich. Auch in unserem Land fühlen sich nicht wenige Menschen mit ihren Interessen und Bedürfnissen in Parlamenten und Regierungen ohnehin nicht (mehr) vertreten.

Im vorgebrachten Hamburger Fall sind wir aber nicht bei großen Mehrheiten, sondern bei einer eher kleinen Mehrheit, die man m.E. nict fix ist und durch eine entsprechende Kommunikation verändert werden kann. Dazu gehört das Entwerfen einer Vision und ihre konsequente Veröffentlichung, dazu gehören Erfolgsbeispiele aus anderen Städten ("Autoverkehr um x % gesunken", "Innenstadthandel belebt" etc.) Wieviele der Befragten werden sich denn ernsthaft mit dem Thema auseinandergesetzt haben? Und wieviele denken noch an die alte Straßenbahn? Wieviele sind einfach nur genervt davon, dass das Thema seit 20 Jahren immer wieder hochkommt? Wieviele kennen überhaupt Erfolgsgeschichten? Hätte es die massive internationale Renaissance der Straßenbahn seit den 80er Jahren gegeben, wenn es nicht genug Erfolgsgeschichten gegeben hätte?

Parteien haben die Aufgabe, zur Willensbildung beizutragen. Das wäre ein klassischer Fall dafür. Um immer nur billig aktuelle Umfragen umzusetzen, braucht es keine Parteien. Das kann auch eine Expertenregierung leisten.

Ja, vollkommen richtig. Bei 45 : 51 und 1.000 (?) Befragten könnte bei einem Volksentscheid mit repräsentativer Beteiligung (also sinnvollerweise an einem Wahltag) womöglich sogar schon die (vom NDR nicht angegebene) statistische Fehlerquote zu einem anderen Ergebnis führen.

Davon abgesehen, empfinde ich vor dem Hintergrund der ja seit mehr als 40 Jahren fehlenden praktischen "Erfahrungen" mit der Straßenbahn in der eigenen Stadt einen Wert von 45% Trambefürworter/innen als eher ermutigend, zumal die Argumente "unserer" Leute doch nicht dumm sind.

Für Hamburg würde ich mir ein überparteiliches "Stadtbahnbündnis" wünschen, das einen konsensfähigen ersten Schritt für die Wiederaufnahme des Straßenbahnbetriebs vorschlägt. Im "Idealfall" würde dann z.B. eine Koalition mit einer zur Tram mehrheitlich dennoch in Opposition stehenden FDP nicht an der "Stadtbahnfrage" scheitern.
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Ich habe die krude These, dass mindestens 80 % dieser Mehrheit ihren Wunsch nach Umgestaltung des Straßenraums zulasten des Autoverkehrs recht schnell vergessen, sobald es um konkrete Maßnahmen und nicht nur um den allgemeinen Wunsch geht. Und 90 %, wenn diese Maßnahmen auf Hauptstraßen stattfinden.

Sicherlich gibt es eine schwer quantifizierbare Wankelmütigkeit, die nicht zuletzt auch auf die Muster menschlicher Vermeidungsverhalten zurückzuführen und von daher nicht atypisch ist. Gleichwohl stehen diesen Gesinnungsschwankungen ebenso zahlreiche positive Beispiele gegenüber. Im Verkehrssektor seien in der Prävention Protestbewegungen zu benennen wie die Bürgerinitiative Westtangente in Berlin oder die unterschiedlichen Formationen von Aktivisten im Hamburg der 1970er, deren Erfolg maßgeblich die Osttangente als Teil der A 25 verhinderte. Vor dem Hintergrund des Straßenrückbaus gibt es nicht minder arrivierte Bündnisse, wenn man an das NETZWERK MENSCHENGERECHTE STADT und den geplanten Abriss der Breitenbachplatzbrücke denkt. Den Hamburger Initiatoren von Ottensen macht Platz ist es gar gelungen, ein ganzes zusammenhängendes Quartier in einem zeitlichen Versuch von Autos zu befreien. Die Evaluation steht in Kürze aus, und dass das nicht zwangsläufig wieder in den alten Status quo führen muss, zeigen nicht zuletzt Wiens Mariahilfer Straße und Münchens Sendlinger Straße. Der Ballindamm an der Alster ist ein weiteres Exempel, bei dem der Vorstoß zum Straßen- sowie Parkplatzrückbau von den Anliegern kam, die sich an der acht Millionen Euro teuren Maßnahme mit 1,2 Millionen Euro selbst beteiligen.

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Also zum einen: beschäftige Dich mal mit dem Platzbedarf des MIV und eines Straßenbahnsystems. Natürlich inkl. der notwendigen Abstellflächen. Zum anderen: in den allermeisten Fällen ist, gerade in Berlin (man beachte ab und zu mal den Foren- und Threadtitel), ausreichend Platz für eine Straßenbahnstrecke, Radfahrer UND Fußgänger. Was stört, ist der MIV! Selbst in gründerzeitlichen Viertel sind problemlos eine Straßenbahnstrecke, zwei breite Radwege und Bürgersteige möglich - wenn man Parkplätze nicht als sakrosankt betrachtet. Stattdessen werden (auch von Dir) die Teilnehmer des Umweltverbundes gegeneinander ausgespielt, während Parkplätze als sakrosankt betrachtet werden. Die Lösung ist dann nicht, einen Teil des Umweltverbundes zu verbuddeln, sondern auf Parkplätze zu verzichten.

Vielen Dank für den Hinweis! Ich wäre bis dato sicher nie auf den Gedanken gekommen, die Platzbedarfe der Verkehrsmittel miteinander zu vergleichen. Gewiss hätte ich keine Ahnung davon gehabt, dass in Berlin dem Pkw im Schnitt 19 Mal mehr Fläche als einem Radfahrer zur Verfügung steht (Quelle: Clevere Städte). Auch der Foren- bzw. Threadtitel wären mir ohne Deinen Aplomb schier entgangen. Gouvernantenhaft anmutenden Vota hänge ich gemeinhin an, erst recht, wenn sie eloquente Repetitionen bedienen.

So möchte ich Deine Anregung beherzigen und ein fotografisches Beispiel aus Berlin bringen. Die Wassersportallee bis zu ihrem Ende als Grünauer Straße bezeichnete der Tagesspiegel vor ein paar Monaten einmal als Radfahrhölle und verkehrliches Desaster, das es sicher nicht bleiben müsste, wenn man die sakrosankten Parkplätze entfernte. Oder etwa doch nicht?



Dass Rillengleise ein erhebliches Risiko für Radfahrer darstellen, ist alles andere als neu. Erst recht, wenn Velos Weichenverbindungen und Gleisbögen passieren müssen. In Essen belegen so genannte Alleinunfälle hervorgerufen durch Straßenbahnschienen exempli causa den ersten Platz der Unfallursachen bei Radfahrern. [www.planet-wissen.de]

In Amsterdam sieht es nach einer Studie von DTV Consultants nicht besser aus. Dort sind es 38% aller Unfälle, die sich darauf zurückführen lassen. Sonach geht es nicht um das Ausspielen der Verkehrsmittel des Umweltverbunds untereinander, sondern darum, welche Möglichkeiten sich bei einem Neubau bieten. Auf Düsseldorf bezogen lautete meine Frage ergo, welche Platzverhältnisse bei einem Fortbestand der oberirdischen Straßenbahnstrecken bestünden und ob sich die mit einer ebenfalls angemessenen Radinfrastruktur in Einklang bringen ließen, nicht zuletzt auch in Anbetracht der Erfordernisse für eine dynamische Straßenraumfreigabe. Die Planung der Wehrhahnlinie jedenfalls war von vornherein genauso darauf zugeschnitten, die Radwege im Bereich der Friedrichstraße und Elisabethstraße zu verbessern.

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Aber da kommt dann zum Tragen, was ich im ersten Absatz angesprochen habe: Sobald es bei der Einschränkung des MIV um konkrete Maßnahmen geht, wird sicher geschrien, dass das nicht gehe, überhaupt unerhört sei, unrealistisch, wirklichkeitsfremd, ein Tortur, Zwangsbeglückung!

Ist denn eine Straßenbahn, die als bedingungs- und al­ter­na­tiv­los hochstilisiert wird, nicht eine ebensolche Zwangsbeglückung?

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Nebenbei solltest Du einmal in einen Atlas Deiner Wahl und ins Grundgesetz bzw. Landesverfassungen schauen: weder Hamburg noch Berlin liegen in der Schweiz. Deutschland und seine Bundeländer sind parlamentarische Demokratien. Es braucht keine gesellschaftliche, sondern eine parlamentarische Mehrheit, um Projekte durchzusetzen! Sicher kann eine gesellschaftliche Mehrheit nicht schaden. Aber die sind m.E. sehr viel flexibler als hier einige tun.

Wieder einmal wäre es mir ohne Deinen Rat fast entgangen, in einer repräsentativen Demokratie zu leben. Und ich habe Deinen Fingerzeig ernst genommen und einen Blick in die von Dir mir empfohlenen Gesetzestexte gewagt. Laut Art. 64 GG müssen Bundeskanzler und Bundesminister einen Eid leisten, dessen Wortlaut Art. 56 Satz 2 GG festlegt. Danach heißt es: „Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe.“ Äquivalente enthalten die jeweiligen Landesverfassungen. Exemplarisch sei das Berliner Senatorengesetz § 4 erwähnt: „Ich schwöre, mein Amt gerecht und unparteiisch, getreu der Verfassung und den Gesetzen zu führen und meine ganze Kraft dem Wohle des Volkes zu widmen.“

Doch was ist nun das Wohl des Volkes? Artikel 20 Absatz 2 GG klärt (un-)missverständlich: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.“

Mehrheiten, auch die des Volkssouveräns, spielen also sehr wohl eine Rolle, werden indes naturgemäß durch Gesetze und die Gewaltenteilung beschränkt. Ungeachtet dessen wählt das Volk seine Vertreter, deren Programmatik sich jedoch Majoritäten ausbedingt. Salopp ausgedrückt: Wer mit seinen Vorstellungen und mit seinem Parteiprogramm nicht punktet, wird auch nicht gewählt. In Hamburg siegte die SPD unter Olaf Scholz 2011 fulminant, nicht zuletzt auch, weil sich dieser energisch gegen eine Straßenbahn ausgesprochen hat.

Lese und interpretiere ich es jetzt richtig, dass Du es offensichtlich auch billigend in Kauf nähmst, wenn Parteien etwas anderes versprächen, mit dem Ziel das Gegenteil davon zu praktizieren? Ist das das Wohl des Volkes? In meinen Augen ist es eher eine Ohrfeige für die Demokratie!

Notabene schreibt Artikel 62 der Verfassung von Berlin:

„Volksbegehren können darauf gerichtet werden, Gesetze zu erlassen, zu ändern oder aufzuheben, soweit das Land Berlin die Gesetzgebungskompetenz hat. Sie können darüber hinaus darauf gerichtet werden, im Rahmen der Entscheidungszuständigkeit des Abgeordnetenhauses zu Gegenständen der politischen Willensbildung, die Berlin betreffen, sonstige Beschlüsse zu fassen. Sie sind innerhalb einer Wahlperiode zu einem Thema nur einmal zulässig.“

Es wäre also hilfreich, auch während der Legislatur gesellschaftliche Mehrheiten herzustellen und zu behalten.

Zitat
def
Gut, dann muss man die Straßen eben doch ganz für den MIV (außer Anlieger) sperren. Aber auch hier zeigt sich dann sicher wieder das, was ich im ersten Absatz beschrieben habe.

Aber auch in diesem Falle bedarf es parlamentarischer Mehrheiten, die gesellschaftliche Mehrheiten im Vorwege voraussetzen. Ganz allgemein ausgedrückt: Vor 50 Jahren waren offenkundig die Mehrheiten auf eine autogerechte Stadt fixiert. Um das zu ändern, benötigt man neue Pluralitäten, weil alles andere genauso eine Zwangsbeglückung wäre und die Straßenbahn dann sakrosankt dastünde.

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Also zum einen: hältst Du den geneigten Mitleser eigentlich für komplett bescheuert? Du stellst selbst Fotos von einem großen Platz ein, hier dem Corneliusplatz - und dann behauptest Du, dass ein Gleispaar an dessen Rand ein Verweilen unmöglich machen würde?

Ich halte niemanden für bescheuert. Umgekehrt kann ich natürlich fragen, ob man rein suggestiv mich womöglich für bescheuert hält, wenn man mir empfiehlt, in Verfassungen zu schauen, sich der Flächenverteilung besser einmal anzunehmen respektive den Threadtitel zu beachten. Abgesehen davon habe ich auch Fotos abseits des Corneliusplatzes an sich gezeigt, auf denen die Straßenbahn raummäßig beengte Häuserschluchten passiert.

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def

Zum anderen: Du reitest immer wieder auf dem EINEN Beispiel aus Karlsruhe rum. Wie sieht es eigentlich mit den umgedrehten Beispielen aus - gescheiterte Tunnelprojekte? Straßenbahnen, die ohne Not in den Tunnel verbannt wurden, obwohl eigentlich genug Platz ist? In denen die einzelnen Linien z.T. im 30-min-Takt verkehren? (Was bleibt dann eigentlich von der atemberaubenden Zeitersparnis von Tunnelstrecken, wenn man die Bahn gerade verpasst hat und 28 min warten muss? Wie lange könnte man für die Baukosten eines Tunnels einen 15-min-Takt finanzieren?) Die baufällig sind, weil ihre Errichtung vom Bund gefördert wird, nicht aber ihre Sanierung? All das findet man im Ruhrgebiet, nicht nur einmal. Dazu dann noch Stadtbahnen, die weitab der Siedlungsschwerpunkte verlaufen (U35-Süd in Bochum), was für die Tür-zu-Tür-Reisezeit ziemlich nachteilig ist, oder dank Tunnelanlagen einen Umweg fahren müssen (U79 südlich der Duisburger Innenstadt).

Wie sieht es denn mit gefloppten Straßenbahnstrecken aus? [rue89bordeaux.com]
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Christian
Auch der Foren- bzw. Threadtitel wären mir ohne Deinen Aplomb schier entgangen. Gouvernantenhaft anmutenden Vota hänge ich gemeinhin an, erst recht, wenn sie eloquente Repetitionen bedienen.

So ein langer Text von Dir wäre sicherlich besser lesbar, wenn Du Dich nicht darin im Wettbewerb mit wem auch immer um die meisten eingearbeiteten Fremdworte verlieren würdest - so zumindest mein Eindruck. Nach dem Satz habe ich aufgehört. Es geht mir nicht darum, dass ich die erklärt brauche - im Zweifel kann ich selbst nachschauen. Aber für wen hast Du den Text verfasst, wer soll ihn erfassen können?

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Philipp Borchert
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Christian
Auch der Foren- bzw. Threadtitel wären mir ohne Deinen Aplomb schier entgangen. Gouvernantenhaft anmutenden Vota hänge ich gemeinhin an, erst recht, wenn sie eloquente Repetitionen bedienen.

So ein langer Text von Dir wäre sicherlich besser lesbar, wenn Du Dich nicht darin im Wettbewerb mit wem auch immer um die meisten eingearbeiteten Fremdworte verlieren würdest - so zumindest mein Eindruck. Nach dem Satz habe ich aufgehört. Es geht mir nicht darum, dass ich die erklärt brauche - im Zweifel kann ich selbst nachschauen. Aber für wen hast Du den Text verfasst, wer soll ihn erfassen können?

Wer keine Argumente hat, muss halt mit einer möglichst komplizierten Sprache vom fehlenden Inhalt ablenken...
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