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Sammelthread: Verkehrspolitik in Berlin
geschrieben von Arnd Hellinger 
Zitat
Bd2001
Zitat
Christian Linow
Die optisch freilich ansprechende Gestaltung hat allerdings ihren Preis und ist laut einer Studie des Centre d'études et d'expertise sur les risques, l'environnement, la mobilité et l'aménagement (Cerema) eine der Hauptursachen für Fußgängerunfälle mit Straßenbahnen. Demnach sei es sogar elementar wichtig, einen stärkeren Kontrast zwischen Bahnkörper und Fußgängerbereichen herzustellen. Ingleichen bemängelt das Cerema, wenn Zäune oder andere Begrenzungen zur Straßenbahnstrecke schlecht wahrnehmbar sind, woraus sich die Forderung nach einer deutlich sichtbaren Trennung ableiten lässt.

Warum passieren dann in Berlins Fußgängerzonen so wenig Fußgängerunfälle? Was macht Berlin anders?

Dazu eine Anekdote am Rande: Als ich vor ein paar Jahren über den Alex lief, stießen in etwa 50 Metern Entfernung zwei Radfahrer zusammen. Während die Frau benommen liegen blieb, stand der drahtige Kurierfahrer relativ schnell wieder. Natürlich bildete sich relativ schnell eine kleine Traube, aber das Bemerkenswerte: Eine Straßenbahnfahrerin hielt mit ihrer Bahn an, stieg aus und erkundigte sich.

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Bitte beachten Sie beim Aussteigen die Lücke zwischen Bus und Bordsteinkante!
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Ingolf

Ich habe das Gefühl, Dir geht es insgesamt darum, das System Straßenbahn abzulehnen und Schienen möglichst nur im Untergrund der Stadt zu sehen. Mit welcher Motivation auch immer. Das kannst Du natürlich gerne machen - aber ebenso gerne werde ich Dir da widersprechen.

Das schätze ich an Dir, wirklich, dass Du auf Augenhöhe verhandelst und mit Meinungsfreiheit tolerierst, anstelle mit Meinungshoheit dominieren zu wollen. Dafür zunächst einmal ein dickes Dankeschön. Und dennoch, auch wenn es vielleicht so rüberkommen oder auf Dich wirken mag, lehne ich das System Straßenbahn mitnichten per se ab. Ich sehe es vielleicht kritischer als manch ein anderer und halte im Gegensatz dazu partiell auch eine U-Bahn in ihrer Gesamtwirkung für ein probates Mittel. Sowohl vor dem Hintergrund der mehrfach angeklungenen Mehrheitsverhältnisse als auch dann, wenn es örtliche Engpässe gibt. Im Gegenzug gibt es indes genauso Straßenbahnstrecken, die ich für überfällig oder wünschenswert erachte.

In Berlin beispielsweise wäre in meinen Augen eine Südtangente, wie sie ja im Stadtentwicklungsplan mobil2010 vor über 15 Jahren thematisiert wurde, ein Gebot der Stunde. Immerhin haben in ihrem Einzugsbereich mit der Waldsassener Straße und der Nahariyastraße gleich zwei nicht weit voneinander entfernte Großsiedlungen keinen Schienenanschluss in einem Radius von rund zweieinhalb Kilometern.


Variantenvorschläge für eine geplante Südtangente im StEP Verkehr mobil2010 aus dem Jahre 2003. Quelle: Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, SenUVK

Des Weiteren hielte ich eine Straßenbahn von Adlershof ins Kosmosviertel bzw. eine Tram von Adlershof nach Rudow für sinnvoll, genauso wie eine Verlängerung vom Virchow-Klinikum nach Charlottenburg, um nur einige Beispiele zu nennen.

Und in diesem Zusammenhang:

Zitat
def

Aber ist es nicht bei all diesen Voraussetzungen ziemlich dämlich, die Erreichbarkeit der Offenbacher Innenstadt aus dem Frankfurter Süden auch noch stark einzuschränken? Warum sollte man aus dem Frankfurter Stadtteil Oberrad kommend denn nun eigentlich nach Offenbach fahren, wenn man kurz vorm Ziel auch nochmal umsteigen muss?

Selbstverständlich sind Angebotsverschlechterungen im ÖPNV kontraproduktiv, noch dazu bei solchen Vorzeichen. Von daher finde ich den Vorstoß auch gut, die 16 wieder ins Zentrum Offenbachs verlängern zu wollen.

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Ingolf

Die ganzen genannten Studien gibt es auch für den Autoverkehr - kommt da jemand auf die Idee, diesen komplett unter die Erde zu legen oder alle Straßen durch Zäune zu separieren?

Zu Recht wird doch Straßenrückbau bzw. der Ausbau der Radinfrastruktur abseits von Immissionen sowie Emissionen vor allem auch unter diesem Aspekt geführt. In stark frequentierten Bereichen kann unterdessen das Untertunneln des motorisierten Indiviualverkehrs durchaus eine Lösung sein, wie nicht zuletzt Düsseldorfs Rheinufertunnel demonstriert.

Zitat
Landeshauptstadt Düsseldorf, Stadtarchiv

Das Rheinufer als belebte Achse für den Automobilverkehr im Jahr 1980, © Landeshauptstadt Düsseldorf/Stadtarchiv


Seit 25 Jahren rollt der Verkehr unterirdisch. Oben drüber entstand die Rheinuferpromenade, die Fußgängern und Radfahrern das Gebiet zurückgab.

Einhergehend mit der Untertunnelung des Rheinufers wurde ebenso die angrenzende Altstadt vom Autoverkehr großflächig befreit. Ein in meinen Augen sichtbarer Gewinn, für den es keine wirklich bessere Alternative gegeben hätte. Schließlich hätte eine, wenn auch zurückgebaute, oberirdische B1 nach wie vor teilenden Charakter entlang des Flussufers.

Zitat
Ingolf

Wie viele Unfälle gäbe es, wenn die genannte Anzahl Fahrgäste in Montpellier in Autos und Bussen unterwegs gewesen wäre (wie vor der Straßenbahn)? Und komme bitte jetzt nicht mit, dass diese Strecken auch als U-Bahn hätten gebaut werden können - das wäre auch in Montpellier nicht bau- bzw. finanzierbar gewesen. Dafür ist man jetzt dabei, eine fünfte Straßenbahnlinie in Montpellier zu planen.

Ich könnte jetzt die Unfallforschung der Versicherer (UDV) zitieren, die in ihrer 2016 durchgeführten Studie bilanziert: „Bezogen auf die Fahrleistung sind Unfälle mit Straßenbahnen achtmal so schwer wie Unfälle mit Pkw, bezogen auf die Beförderungsleistung allerdings nur ein Fünftel so schwer. Wird jedoch nur die Anzahl der Getöteten betrachtet, dann ist die Straßenbahn auch hinsichtlich Beförderungsleistung nicht besser als der Pkw und hinsichtlich Fahrleistung sogar 35-mal unsicherer.“ Mir geht es aber gar nicht um solch ein „Bullshit-Bingo“, bei dem mal der eine mit seiner Studie das Recht für sich reklamiert und mal der andere als Sieger zu thronen scheint. Und ich finde, auf das Beispiel Montpellier bezogen, den Ausbau der Straßenbahn gut. Genauso wie in Strasbourg, wo die Investitionskosten bei einer VAL wegen Unwägbarkeiten wie zum Beispiel dem Grundwasser höchstwahrscheinlich aus dem Ruder gelaufen wären, zumal die Erschließungsmöglichkeiten mit einer Tram dort deutlich besser sind.

Aber:

Zitat
Ingolf

Und genau die von Dir hier geführte Diskussion gibt es schon seit Jahrzehnten. Natürlich birgt eine stärker gemischte Nutzung des öffentlichen Raums mehr Risiken - auch Unfälle. Und sie erfordert mehr Kompromisse für alle Nutzer.

[...]

Die seit nun gut drei Jahrzehnten währende Renaissance der Straßenbahn - auch als in den öffentlichen Raum integriertes städtisches Verkehrsmittel - steht da absolut symptomatisch für den Trend der Abkehr der maximalen Trennung der Räume. Und natürlich gehört dazu weit mehr, als eine Straßenbahn.
Und ich sehe - bei aller Diskussion um Konflitkpunkte im Detail - diesen Ansatz als absolut richtig. Den es kommt darauf an, was am Schluss für die Menschen und die Umwelt in der Summe rauskommt - und nicht auf einzelne technische Parameter, wie z.B. Beförderungsgeschwindigkeit durch die Innenstadt.

Ingolf

Wir sind in diesem Punkt gar nicht so weit auseinander. Worauf ich mit all meiner Kritik hinaus will, ist, dass die - nicht von Dir, aber allgemein durchaus gern vernehmbare - Folklore rund um die (für unsere Schweizer das) Tram mir manches Mal zu weit geht. Nämlich dann, wenn der Eindruck erzeugt wird, die Straßenbahn wäre das Verkehrsmittel schlechterdings, mit dem sich alle Verkehrs- und Stadtraumprobleme lösen ließen. Oder wie es ein Freund von mir ironisierte: „Eine echte Allzweckbahn!“ In gleichem Maße, wie ich Fußgängerzonen nicht pauschal für ein K.-o.-Kriterium der Tram halte, sondern die Straßenbahn auch in diesen Arealen als Bereicherung einstufe, wenn der Platz vorhanden ist, sehe ich die Elektrische andernorts in Fußgängerzonen als schwierig an. Daraus folgere ich jedoch nicht zwangsläufig eine U-Bahn. Wenn es die Raumverhältnisse erlauben, sollte meines Erachtens anstelle einer integralen Infrastruktur eine sanfte, aber sichtbare Trennung von Straßenbahn und übrigem Stadtraum hergestellt werden, um die in Rede stehenden Unfallzahlen zu minimieren.

Der Unterschied zwischen uns beiden dürfte aber zweifellos sein, dass ich bei Tunneln kein Denkverbot habe. Sollte der Platz lokal nicht da sein oder übersteigen in anderen Fällen die Fahrgastzahlen Mengen jenseits der üblichen Kapazitäten, sind in meinen Augen U-Bahnsysteme sehr wohl ein probates und attraktives Mittel. Die Wahl des Verkehrsmittels sollte nie undifferenziert erfolgen, sondern stets ein Abwägen aller wechselwirkenden Faktoren sein.

Zu diesen Faktoren zähle ich am Ende auch eine gewisse Beharrlichkeit einer gesellschaftlichen Mehrheit wie in Hamburg, die sich relativ konstant gegen eine Stadtbahn ausspricht.

Zitat
Ingolf

Ansonsten teile ich auch grundsätzlich nicht den Ansatz, dass wenn der Neu- / Ausbau einer Straßenbahn ersteinmal scheitert, dann eben das 10x so teure Verkehrssystem U-Bahn forciert umgesetzt werden sollte.
Dafür sind mir die öffentlichen Mittel zu schade, denn in den allerwenigsten Fällen wird eine U-Bahn den zehnfachen Nutzen einer Straßenbahn entfalten (Anders sieht es aus, wenn wir z.B. aus Kapazitätsgründen zwingend eine U-Bahn brauchen, aber das ist im Moment hier nicht das Thema).
Ich halte es da eher mit dem in der Schweiz üblichen Ansatz: Scheitert ein Tramprojekt (und nicht nur ein solches) in einem Plebiszit, wird dieses oft nicht sofort zu den Akten gelegt oder gar eine U-Bahn aus dem Hut gezaubert, sondern das Projekt wird überarbeitet, die wichtigsten Kritikpunkte eingearbeitet und dann erneut zur Abstimmung vorgelegt. So mehrmals geschehen z.B. in Bern oder Zürich - mit Erfolg. Auch in Frankreich gab es einige Fälle, wo die ersten Projektentwürfe auf keine breite Zustimmung getroffen sind (wenn auch ohne Plebiszite a la Schweiz). Doch auch da wurde überarbeitet, neu diskutiert und dann i.A. realisiert.

Äquivalent zu Strasbourg, wo mit der VAL-Métro und der Straßenbahn zwei Vorschläge auf dem Tisch lagen und am Ende die Bürger mithilfe der Wahl von Catherine Trautmann für die Tram votierten, werden indirekt auch in der Hansestadt auf der einen Seite mit dem strikten Schnellbahnausbau (SPD, FDP, AfD) und auf der anderen Seite mit der (ergänzenden) Stadtbahn (CDU, Grüne, Linke) zwei Angebote gemacht, über die der Wähler in sechs Wochen befindet. Das aber unterscheidet die Elbmetropole von den französischen bzw. Schweizer Beispielen, wo es erstens kein bestehendes U-Bahnnetz gibt und damit zweitens dieser Gegenvorschlag erst gar nicht zur Debatte und zur Verfügung stand. Und wenn am Ende dieser Kette eine gesellschaftliche Mehrheit eine parlamentarische Mehrheit legitimiert, deren Programmatik und Ideal der U-Bahnbau ist, dann respektiere ich zum einen diese Entscheidung und sage zum anderen, dass für mich eine U-Bahn besser als keine Straßenbahn ist.
Zitat
Christian Linow

Äquivalent zu Strasbourg, wo mit der VAL-Métro und der Straßenbahn zwei Vorschläge auf dem Tisch lagen und am Ende die Bürger mithilfe der Wahl von Catherine Trautmann für die Tram votierten, werden indirekt auch in der Hansestadt auf der einen Seite mit dem strikten Schnellbahnausbau (SPD, FDP, AfD) und auf der anderen Seite mit der (ergänzenden) Stadtbahn (CDU, Grüne, Linke) zwei Angebote gemacht, über die der Wähler in sechs Wochen befindet. Das aber unterscheidet die Elbmetropole von den französischen bzw. Schweizer Beispielen, wo es erstens kein bestehendes U-Bahnnetz gibt und damit zweitens dieser Gegenvorschlag erst gar nicht zur Debatte und zur Verfügung stand. Und wenn am Ende dieser Kette eine gesellschaftliche Mehrheit eine parlamentarische Mehrheit legitimiert, deren Programmatik und Ideal der U-Bahnbau ist, dann respektiere ich zum einen diese Entscheidung und sage zum anderen, dass für mich eine U-Bahn besser als keine Straßenbahn ist.

@Christian Linow:

Die Vergleiche passen für meine Begriffe nicht richtig. Ich habe 1996 meine Diplomarbeit zum Thema der Verkehrspolitik in Straßburg geschrieben, mich also mit der dortigen (Verkehrs-)Politik näher befasst. Es ließe sich nur schwer nachweisen, in welchem Umfang genau die Alternativen VAL-Metro und Tramway den Wahlerfolg von Catherine Trautmann tatsächlich herbeigeführt haben. Bedenke bitte, dass der damalige Gegenkandidat der Konservativen, Marcel Rudloff, in Straßburg als wenig charismatisch galt. Zudem scheint nach langjähriger Regierungszeit der bürgerlich-konservativen Parteien in Straßburg der Wunsch nach einem politischen Wechsel eine Rolle gespielt zu haben. Frau Trautmann stand damals als gegenüber Herrn Rudloff deutlich jüngere und dynamischer wirkende Politikerin auch schlichtweg für einen als geboten scheinenden Generations-Wechsel. Ob Herr Rudloff, der 1996 meines Wissens nach langer Krankheit starb, schon 1989 gesundheitlich angeschlagen war, müsste ebenfalls in die Betrachtung einbezogen werden. Mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit war auch ein größerer Teil der Wähler/innen aus unterschiedlichen Gründen tendenziell gegen die VAL-Metro. Damit war aber im Umkehrschluss nicht automatisch ein Plädoyer pro Straßenbahn verbunden.

Die aktuelle politische Situation in Hamburg scheint mir indessen auch nur entfernt mit der Konstellation in Straßburg 1989 vergleichbar zu sein. Gewiss: Die Hamburger SPD wirkt abgewirtschaftet, die GAL steht eher für die Zukunft - zumindest kommt es bei mir so an. Doch in einer Großstadt mit > 1 Mio Einwohner überlagern sich eher mehr politisch relevante Themen als in einer Stadt von 300 000 - 400 000 Einwohnern. Anders gesagt: Das Thema Verkehr konkurriert in Hamburg im Zweifel auch stark mit anderen für wichtig befundenen Fragen, z.B. nach der Verfügbarkeit und Bezahlbarkeit von Wohnraum, Hafen- und Elbausbau, Schulpolitik, Sicherheit etc.. Egal wer gewinnt oder verliert: Es wäre sehr schwer, von den Wahl-Ergebnissen auf die Befürwortung oder Ablehnung eines Straßenbahn-Systems für Hamburg zu schließen.

Hinzu kommt, dass es in Hamburg derzeit auch nur mehr oder minder vage Denkmodelle für ein Straßenbahn-System gibt. Wer also nicht zu den "Verkehrsfreaks" gehört, hat im Zweifel überhaupt keine klare Vorstellung, wie ein Straßen- oder Stadtbahnsystem in Hamburg überhaupt aussehen könnte. Und selbst die "Freaks" wissen es ja letztendlich nicht. Daher haben irgendwelche Umfragen über die Akzeptanz eines Straßenbahnsystems derzeit nur eine mit Verlaub sehr begrenzte Aussagekraft.

Nicht zuletzt wäre nach dem Kontext eines möglichen Straßenbahnnetzes zu fragen - nur so ergeben Umfragen eigentlich Sinn. Soll man z.B. den sehr kostspieligen U-Bahnbau zu Lasten des Hochwasserschutzes forcieren oder anstelle dessen Abstriche beim Tunnelbau machen und dafür das Geld anteilig in den Hochwasserschutz und den Aufbau eines preiswerteren Straßenbahnsystems investieren? Dann würden die Menschen aufgefordert, einmal eine Auffassung zu hinterfragen, wonach der U-Bahnbau nur still und leise störungsfrei voranschreitet - finanziert mit Geldern, die irgend jemand von außerhalb schon irgendwie bereit stellen wird und dabei bitte sehr gleichzeitig noch die Steuern senkt.
Zitat
Christian Linow
Der Unterschied zwischen uns beiden dürfte aber zweifellos sein, dass ich bei Tunneln kein Denkverbot habe. Sollte der Platz lokal nicht da sein oder übersteigen in anderen Fällen die Fahrgastzahlen Mengen jenseits der üblichen Kapazitäten, ...

Ich habe gerade auch in dieser Diskussion mehrmals betont, dass Schnellbahnen - einschließlich Tunnelstrecken - ab bestimmten Kapazitäten resp. Entfernungen erforderlich sind. Beispielsweise finde ich den Projektansatz von "i2030" für Berlin/Brandenburg absolut richtig.

Vermutlich sehe ich die Einsatzkriterien von U-Bahnen deutlich "strenger" als Du. Sondern als übergeordnetes Verkehrssystem für lange Entfernungen und sehr hohe Nachfrage. Und zudem nicht als adäquaten Ersatz für ein Straßenbahnnetz.

Auf eine weitere Vertiefung von Montpellierhamburgstrasbourgfrankfurtdüsseldorf verzichte ich jetzt mal - das wirde sonst jede weitere Diskussion sprengen. ;-)

Ingolf



2 mal bearbeitet. Zuletzt am 13.01.2020 23:19 von Ingolf.
Ein Irrtum.
Bitte löschen.
Danke



1 mal bearbeitet. Zuletzt am 13.01.2020 23:20 von Ingolf.
Zitat
Christian Linow
Ich könnte jetzt die Unfallforschung der Versicherer (UDV) zitieren, die in ihrer 2016 durchgeführten Studie bilanziert: „Bezogen auf die Fahrleistung sind Unfälle mit Straßenbahnen achtmal so schwer wie Unfälle mit Pkw, bezogen auf die Beförderungsleistung allerdings nur ein Fünftel so schwer. Wird jedoch nur die Anzahl der Getöteten betrachtet, dann ist die Straßenbahn auch hinsichtlich Beförderungsleistung nicht besser als der Pkw und hinsichtlich Fahrleistung sogar 35-mal unsicherer.“

Der Vergleich hinsichtlich Fahrleistung ist halt ziemlich unseriös, da (von einigen Museumsfahrzeugen abgesehen) weder Autos noch Straßenbahnen zum Selbstzweck unterwegs sind, sondern um Personen über eine bestimmte Strecke zu befördern. Insofern ist nur ein Vergleich pro Personenkilometer sinnvoll.

Zitat
Christian Linow
Wir sind in diesem Punkt gar nicht so weit auseinander. Worauf ich mit all meiner Kritik hinaus will, ist, dass die - nicht von Dir, aber allgemein durchaus gern vernehmbare - Folklore rund um die (für unsere Schweizer das) Tram mir manches Mal zu weit geht. Nämlich dann, wenn der Eindruck erzeugt wird, die Straßenbahn wäre das Verkehrsmittel schlechterdings, mit dem sich alle Verkehrs- und Stadtraumprobleme lösen ließen. Oder wie es ein Freund von mir ironisierte: „Eine echte Allzweckbahn!“

Verkehrsmittel können ihre Vorteile in bestimmten Situationen ausspielen. Und in sehr vielen Städten und Stadtteilen ist das eben aktuell die Straßenbahn. Auf Berlin bezogen: die durchschnittliche Wegelänge in Berlin sind gerade einmal 6 km (pdf, S. 14/ im pdf-Dokument S. 16). Das ist eine Wegelänge, bei der die U-Bahn nicht unbedingt große Tür-zu-Tür-Reisezeitvorteile gegenüber einem Straßenbahnsystem mit vielen Direktverbindungen und kürzeren Zugangszeiten zur Haltestelle hat. (Was im Umkehrschluss nicht bedeutet, dass die U-Bahn überflüssig ist - ein Durchschnitt bedeutet ja, dass es auch längere Wege gibt.)

Einen besonders hohen Anteil am Modal Split hat der MIV mit 35 % außerhalb der Ringbahn (ebd., S. 16/18), und gerade dort werden tangentiale Verbindungen auch eher stiefmütterlich behandelt (allenfalls mit Ausnahme der M13, M17, X11/M11 und X21/M21). Nun wird es kaum möglich sein, hier flächendeckend U-Bahnen zu bauen, um den MIV-Anteil zu verringern - also müssen andere, flächendeckendere Maßnahmen ergriffen werden. Kurzfristig eine massive Verbesserung des tangentialen ÖPNV durch bessere Taktdichten und Betriebszeitenausweitung, z.B. auf den Linien X69, X54 und X33. Mittelfristig eben auch mehr tangentiale Straßenbahnstrecken wie die von Dir erwähnte Südtangente. Aber auch die Umstellung vorhandener Metrobuslinien auf Straßenbahnen, auch im Zentrum, z.B. beim M44.

Zitat
Christian Linow
Der Unterschied zwischen uns beiden dürfte aber zweifellos sein, dass ich bei Tunneln kein Denkverbot habe. Sollte der Platz lokal nicht da sein oder übersteigen in anderen Fällen die Fahrgastzahlen Mengen jenseits der üblichen Kapazitäten, sind in meinen Augen U-Bahnsysteme sehr wohl ein probates und attraktives Mittel.

Das hat auch niemand bestritten. Nur wurden halt schon genug sinnfreie Tunnel gebaut, bei denen es vor allem darum ging, dem MIV auf gar keinen Fall wehzutun. Und mit ähnlichen Argumenten wurden einst riesige Straßenbahnnetze wie in Hamburg oder Westberlin komplett stillgelegt. Da ist eine gewisse Skepsis der ÖPNV-Lobby doch durchaus verständlich.



1 mal bearbeitet. Zuletzt am 14.01.2020 06:43 von def.
Zitat
Bovist66
(…)
Nicht zuletzt wäre nach dem Kontext eines möglichen Straßenbahnnetzes zu fragen - nur so ergeben Umfragen eigentlich Sinn. Soll man z.B. den sehr kostspieligen U-Bahnbau zu Lasten des Hochwasserschutzes forcieren oder anstelle dessen Abstriche beim Tunnelbau machen und dafür das Geld anteilig in den Hochwasserschutz und den Aufbau eines preiswerteren Straßenbahnsystems investieren? Dann würden die Menschen aufgefordert, einmal eine Auffassung zu hinterfragen, wonach der U-Bahnbau nur still und leise störungsfrei voranschreitet - finanziert mit Geldern, die irgend jemand von außerhalb schon irgendwie bereit stellen wird und dabei bitte sehr gleichzeitig noch die Steuern senkt.

Wir bekommen ja zunehmend eine Ahnung, vor welche auch finanziellen Herausforderungen die Menschheit durch den Klimawandel gestellt wird (dabei klingt das Wort so schön harmlos).

Wie die Abwägung zwischen unaufschiebbarem Hochwasserschutz und einer (!) neuen U-Bahnstrecke in Hamburg ausfallen würde, liegt auf der Hand: Der Bau der einen (!) neuen U-Bahnstrecke würde entsprechend der Entwicklung der öffentlichen Haushalte zeitlich gestreckt werden.

Die meisten Menschen in Deutschland leben nicht in Großstädten und Städten ab 50.000 Einwohnern, sondern in kleineren Städten und Gemeinden. Eine Konzentration von Verkehrsinvestitionen auf wenige teure Tunnelprojekte in großen Städten erscheint mir daher nicht nur falsch, sondern sogar unvertretbar.

Eine "Verkehrswende" ist auf so einer Basis nicht zu erreichen, weil der PKW-Anteil an den Personenkilometerleistungen dann "in der Fläche" weiterhin eher bei 90 als bei 80% liegen wird.

Meines Erachtens sind Konzepte erforderlich, durch die der ÖV zu einer bundesweit verfügbaren, flächendeckenden Alternative ausgebaut wird. Unterhalb der Ebene einer "Flächenbahn" wären Landesbusnetze aufzubauen, für die finanzierungsseitig wahrscheinlich Mittel in einer Höhe benötigt würden, die mit den Regionalisierungsmitteln für den SPNV vergleichbar sind.

Düsseldorf bekommt irgendwann noch eine weitere schöne (teure) Tunnelstrecke dazu, während die im Rhein-Sieg-Kreis gelegene Gemeinde Wachtberg (bei Bonn) mit ihren 20.000 Einwohnern dank der in NRW betriebenen Verkehrspolitik weiter ohne Schienenanschluß bleibt (im Land NRW gibt es 36 Mittelstädte ohne Schienenanschluß im Personenverkehr, sh. hier: [eisenbahn.fandom.com]



1 mal bearbeitet. Zuletzt am 14.01.2020 10:03 von Marienfelde.
Zitat
Bovist66

Die Vergleiche passen für meine Begriffe nicht richtig. Ich habe 1996 meine Diplomarbeit zum Thema der Verkehrspolitik in Straßburg geschrieben, mich also mit der dortigen (Verkehrs-)Politik näher befasst. Es ließe sich nur schwer nachweisen, in welchem Umfang genau die Alternativen VAL-Metro und Tramway den Wahlerfolg von Catherine Trautmann tatsächlich herbeigeführt haben. Bedenke bitte, dass der damalige Gegenkandidat der Konservativen, Marcel Rudloff, in Straßburg als wenig charismatisch galt. Zudem scheint nach langjähriger Regierungszeit der bürgerlich-konservativen Parteien in Straßburg der Wunsch nach einem politischen Wechsel eine Rolle gespielt zu haben. Frau Trautmann stand damals als gegenüber Herrn Rudloff deutlich jüngere und dynamischer wirkende Politikerin auch schlichtweg für einen als geboten scheinenden Generations-Wechsel. Ob Herr Rudloff, der 1996 meines Wissens nach langer Krankheit starb, schon 1989 gesundheitlich angeschlagen war, müsste ebenfalls in die Betrachtung einbezogen werden. Mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit war auch ein größerer Teil der Wähler/innen aus unterschiedlichen Gründen tendenziell gegen die VAL-Metro. Damit war aber im Umkehrschluss nicht automatisch ein Plädoyer pro Straßenbahn verbunden.

Ich hatte in diesem Zusammenhang ja bereits ein Video vom Wahlabend des 19. März 1989 verlinkt, wo Catherine Trautmann und Marcel Rudloff die Ergebnisse analysieren. Und ihre Äußerungen sind sehr eindeutig, was das dominierende Thema VAL versus Tramway betrifft: [www.ina.fr]

Dass die Straßenbahn beherrschendes Sujet war, zeigt auch ein Artikel der taz vom 18. März 1989 vor dem zweiten Wahlgang, letzteren Catherine Trautmann fulminant für sich entscheiden konnte. Hinsichtlich einer avisierten Kooperation zwischen der linken PS und den Grünen schreibt die taz: „Am späten Montagabend segelten bereits die ersten Abzüge des gemeinsamen Programms aus den Druckmaschinen und kündeten von dem ‚Neuen Straßburg‘: mit Trambahn statt Luxus-Metro, begrünten Plätzen und entrußter Luft.“

Ingleichen schreibt die führende elsässische Tageszeitung Dernières Nouvelles d’Alsace zum 10. Februar 1989: „A Strasbourg, Catherine Trautmann présente son ‚contrat‘ proposé aux Strasbourgeois. Il comprend notamment ‚l’extension du secteur piétonnier.‘ La liste menée par Mme Trautmann réaffirme son ‚opposition‘ au projet de VAL (une sorte de métro) voulu par Marcel Rudloff. ‚Pour le prix d’une seule ligne de VAL, on peut construire tout un réseau de tramway‘, note Mme Trautmann.“

Dass ihr Sieg ergo in erster Linie auf das Streitthema Métro contra Straßenbahn zurückzuführen ist, kann daher kaum bestritten werden.

Zitat
Bovist66

Die aktuelle politische Situation in Hamburg scheint mir indessen auch nur entfernt mit der Konstellation in Straßburg 1989 vergleichbar zu sein. Gewiss: Die Hamburger SPD wirkt abgewirtschaftet, die GAL steht eher für die Zukunft - zumindest kommt es bei mir so an. Doch in einer Großstadt mit > 1 Mio Einwohner überlagern sich eher mehr politisch relevante Themen als in einer Stadt von 300 000 - 400 000 Einwohnern. Anders gesagt: Das Thema Verkehr konkurriert in Hamburg im Zweifel auch stark mit anderen für wichtig befundenen Fragen, z.B. nach der Verfügbarkeit und Bezahlbarkeit von Wohnraum, Hafen- und Elbausbau, Schulpolitik, Sicherheit etc.. Egal wer gewinnt oder verliert: Es wäre sehr schwer, von den Wahl-Ergebnissen auf die Befürwortung oder Ablehnung eines Straßenbahn-Systems für Hamburg zu schließen.

Laut der Sonntagsfrage des NDR vom 9. Januar dieses Jahres führt das Thema Verkehr den Wahlkampf an:

Mobilität/Verkehr/Infrastruktur
39%
Wohnen/Mieten
33%
Bildung/Schule/Ausbildung
19%
Umweltschutz/Klimawandel
18%
Flüchtlinge/Einwanderung/Ausländer
12%
Soziale Ungerechtigkeit/Armut/Hartz IV
10%
Innere Sicherheit/Kriminalität/Terror
6%
Gesundheitswesen/Pflege
5%
Wirtschaft
4%
Arbeitslosigkeit/Arbeitsmarkt
4%
Familienpolitik/Kinderbetreuung

Zitat
Bovist66

Hinzu kommt, dass es in Hamburg derzeit auch nur mehr oder minder vage Denkmodelle für ein Straßenbahn-System gibt. Wer also nicht zu den "Verkehrsfreaks" gehört, hat im Zweifel überhaupt keine klare Vorstellung, wie ein Straßen- oder Stadtbahnsystem in Hamburg überhaupt aussehen könnte. Und selbst die "Freaks" wissen es ja letztendlich nicht. Daher haben irgendwelche Umfragen über die Akzeptanz eines Straßenbahnsystems derzeit nur eine mit Verlaub sehr begrenzte Aussagekraft.

Auf den aktuellen Wahlkampf bezogen stimmt das, weil die eine Stadtbahn befürwortenden Parteien äußerst vorsichtig, um nicht zu sagen, zurückhaltend mit dem Thema umgehen. Das aber kommt nicht von ungefähr, berücksichtigt man Olaf Scholz' Wahlsieg 2011, den er mit einer absoluten Mehrheit errungen hatte. Damals wiederum gab es von Grünen und CDU nicht bloß vage Ankündigungen, sondern bereits ein Planfeststellungsverfahren, dessen Ende mit Christoph Ahlhaus' Rolle rückwärts Ende 2010 eingeläutet wurde. Hierzu auch ein Link zu einem ob der jähen Beerdigung nie veröffentlichten Werbevideo: [www.youtube.com]

Die Ursachen für den Triumph von Olaf Scholz sind unbenommen vielschichtig. Aber auch damals trieb die Straßenbahn die Menschen um. Das Hamburger Abendblatt schrieb am 22.11.2010: „Eine deutliche Mehrheit der Hamburger lehnt den Bau der Stadtbahn ab. Das ergab eine repräsentative Psephos-Umfrage im Auftrag von ‚Bild‘, ‚Welt‘ und Sat.1. Danach sind 61 Prozent gegen das wichtigste Verkehrsprojekt des schwarz-grünen Senats, 31 Prozent sprachen sich dafür aus. In allen politischen Lagern ist die Ablehnung größer als die Zustimmung: 69 Prozent der CDU-Wähler sind gegen die Stadtbahn, 62 Prozent der SPD-Wähler und sogar 53 Prozent der GAL-Wähler. Psephos-Geschäftsführer Hans-Jürgen Hoffmann sagte der ‚Welt‘: ‚Das Projekt könnte ein ähnliches Schicksal ereilen wie die Primarschulreform.‘“

Mit Blick auf die gegenwärtigen Umfrageergebnisse lässt sich hieraus sehr wohl ein konstantes Meinungsbild ableiten, das sich eben nach meinem Dafürhalten andere Lösungen ausbedingt, als auf den Tag zu warten, wo man Mehrheiten für eine Straßenbahn herstellen kann.

Zitat
Bovist66

Nicht zuletzt wäre nach dem Kontext eines möglichen Straßenbahnnetzes zu fragen - nur so ergeben Umfragen eigentlich Sinn. Soll man z.B. den sehr kostspieligen U-Bahnbau zu Lasten des Hochwasserschutzes forcieren oder anstelle dessen Abstriche beim Tunnelbau machen und dafür das Geld anteilig in den Hochwasserschutz und den Aufbau eines preiswerteren Straßenbahnsystems investieren? Dann würden die Menschen aufgefordert, einmal eine Auffassung zu hinterfragen, wonach der U-Bahnbau nur still und leise störungsfrei voranschreitet - finanziert mit Geldern, die irgend jemand von außerhalb schon irgendwie bereit stellen wird und dabei bitte sehr gleichzeitig noch die Steuern senkt.

Das aber wäre nicht zuletzt wegen der Fördermittelpraxis ein Vergleich zwischen Äpfel und Birnen. Zielführender wäre in meinen Augen hier eher ein Plebiszit mit einem Vergleich zwischen U-Bahn und Straßenbahn auf Augenhöhe, wo man die Vorteile und den Geldeinsatz bei beiden Verkehrsmitteln einander gegenüberstellt.
Zitat
Christian Linow
Die Ursachen für den Triumph von Olaf Scholz sind unbenommen vielschichtig. Aber auch damals trieb die Straßenbahn die Menschen um. Das Hamburger Abendblatt schrieb am 22.11.2010: „Eine deutliche Mehrheit der Hamburger lehnt den Bau der Stadtbahn ab. Das ergab eine repräsentative Psephos-Umfrage im Auftrag von ‚Bild‘, ‚Welt‘ und Sat.1. Danach sind 61 Prozent gegen das wichtigste Verkehrsprojekt des schwarz-grünen Senats, 31 Prozent sprachen sich dafür aus. In allen politischen Lagern ist die Ablehnung größer als die Zustimmung: 69 Prozent der CDU-Wähler sind gegen die Stadtbahn, 62 Prozent der SPD-Wähler und sogar 53 Prozent der GAL-Wähler. Psephos-Geschäftsführer Hans-Jürgen Hoffmann sagte der ‚Welt‘: ‚Das Projekt könnte ein ähnliches Schicksal ereilen wie die Primarschulreform.‘“

Zehn Jahre später steht es also nur noch bei 51:45 für die Gegner, die Zustimmung hat deutlich zugenommen, die Gegnerschaft deutlich nachgelassen. Das soll sich nicht durch eine geschickte Kampagne drehen lassen, zumal ja offensichtlich 4 % unentschieden sind?

Zitat
Christian Linow
Mit Blick auf die gegenwärtigen Umfrageergebnisse lässt sich hieraus sehr wohl ein konstantes Meinungsbild ableiten, das sich eben nach meinem Dafürhalten andere Lösungen ausbedingt, als auf den Tag zu warten, wo man Mehrheiten für eine Straßenbahn herstellen kann.

2010: 61:31 gegen die Straßenbahn (also etwa 2/3 dagegen, 1/3 dafür, fast doppelt so viele Gegner wie Befürworter)
2019: 51:45 gegen die Straßenbahn (etwas mehr als die Häfte dagegen, knapp die Hälfte dafür)

Das ist für Dich ein konstantes Meinungsbild?

Die Umfragen zum Brexit sagten übrigens auch eine kleine Mehrheit für die Remainers voraus. Seriöse Umfragen geben deshalb eigentlich immer einen Spielraum für die einzelnen Werte an - in den Medien werden die dann weggekürzt und nur auf die Hauptwerte reduziert.

Die Umfragewerte klingen eher wie einer Aufforderung an die Befürworter:

- die Vorteile der Stadtbahn deutlicher herauszuarbeiten und zu kommunizieren und
- bestimmte Befürchtungen aufzunehmen und (durch Überarbeitung der Planung, aber auch durch das Widerlegen von Falschbehauptungen) zu entkräften.

Wie Ingolf schon zur Schweiz schrieb: wenn dort Straßenbahnprojekte abgelehnt werden, werden sie nicht ad acta gelegt, sondern überarbeitet, und dann im nächsten Versuch angenommen. Wieso sollte das nicht in Hamburg anders sein, zumal sich die Stimmung ja offensichtlich langsam dreht?



1 mal bearbeitet. Zuletzt am 14.01.2020 10:36 von def.
Zitat
def

Zehn Jahre später steht es also nur noch bei 51:45 für die Gegner, die Zustimmung hat deutlich zugenommen, die Gegnerschaft deutlich nachgelassen. Das soll sich nicht durch eine geschickte Kampagne drehen lassen, zumal ja offensichtlich 4 % unentschieden sind?

Diese Ambivalenzen sind ja nun nicht gerade selten und dürften nicht zuletzt auch auf die Neuausrichtung der CDU zurückzuführen sein, die mit ihrem Vorstoß einer Stadtbahn ebenfalls auf deren Wählerschaft einwirkt. Ungeachtet dessen hält sich die Ablehnung kontinuierlich auf einem mehr oder weniger gleichbleibend hohen Niveau.

Am Ende wird man in sechs Wochen sehen, wer die Nase vorne hat, wenn der Wähler entschieden hat. Gibt es danach eine vom Volk und dessen Mehrheit legitimierte politische Mehrheit für eine Stadtbahn, ist es gut. Gibt es die für die U-Bahn, ist es auch gut; in dem Sinne, als ich darauf hoffe, dass man den Ankündigungen Taten folgen lässt und ich die Umsetzung respektiere. Genauso wie man andersrum den Bau einer Straßenbahn zu respektieren hat.

Zitat
def

Die Umfragewerte klingen eher wie einer Aufforderung an die Befürworter:

- die Vorteile der Stadtbahn deutlicher herauszuarbeiten und zu kommunizieren und
- bestimmte Befürchtungen aufzunehmen und (durch Überarbeitung der Planung, aber auch durch das Widerlegen von Falschbehauptungen) zu entkräften.

All das kann man ja gerne tun und sollte man auch machen. Aber wie ich oben bereits hervorhob, ist mir letztlich an einer finalen Entscheidung gelegen. Und wenn es am Ende eine Koalition gibt, die U-Bahnen bauen will, soll sie das machen, weil es erstens wohl der Mehrheit des Wählerwillens zu entsprechen scheint und zweitens mir persönlich eine U-Bahn eben lieber als keine Straßenbahn ist.
Mal ehrlich, ich frage mich, wenn Hamburg in 100 Jahren sowieso nur noch eine Inselkette ist, ob die Investitionen in derartige Verkehrssysteme dort noch sinnvoll ist. Wäre es da nicht besser Berlin darauf vorzubereiten die Hamburger Bevölkerung teilweise aufzunehmen?

Gruß Nemo
---

Eine Straßenbahn ist besser als keine U-Bahn!!
Zitat
Christian Linow
Zitat
def

Zehn Jahre später steht es also nur noch bei 51:45 für die Gegner, die Zustimmung hat deutlich zugenommen, die Gegnerschaft deutlich nachgelassen. Das soll sich nicht durch eine geschickte Kampagne drehen lassen, zumal ja offensichtlich 4 % unentschieden sind?

Diese Ambivalenzen sind ja nun nicht gerade selten und dürften nicht zuletzt auch auf die Neuausrichtung der CDU zurückzuführen sein, die mit ihrem Vorstoß einer Stadtbahn ebenfalls auf deren Wählerschaft einwirkt. Ungeachtet dessen hält sich die Ablehnung kontinuierlich auf einem mehr oder weniger gleichbleibend hohen Niveau.

Am Ende wird man in sechs Wochen sehen, wer die Nase vorne hat, wenn der Wähler entschieden hat. Gibt es danach eine vom Volk und dessen Mehrheit legitimierte politische Mehrheit für eine Stadtbahn, ist es gut. Gibt es die für die U-Bahn, ist es auch gut; in dem Sinne, als ich darauf hoffe, dass man den Ankündigungen Taten folgen lässt und ich die Umsetzung respektiere. Genauso wie man andersrum den Bau einer Straßenbahn zu respektieren hat.

Zitat
def

Die Umfragewerte klingen eher wie einer Aufforderung an die Befürworter:

- die Vorteile der Stadtbahn deutlicher herauszuarbeiten und zu kommunizieren und
- bestimmte Befürchtungen aufzunehmen und (durch Überarbeitung der Planung, aber auch durch das Widerlegen von Falschbehauptungen) zu entkräften.

(...)

Ich versuche mal eine Umkehrung: Die (erneute) Neuausrichtung der CDU ist auch auf tiefgreifende Einstellungsveränderungen in einem Teil der Bevölkerung in Fragen der Verkehrspolitik zurückzuführen.

Der Schwenk der CSU zu einer Stadtbahn in Regensburg ist kein Zufall; auch nicht die Unterstützung eines niedersächsischen CDU-Landtagsabgeordneten für eine Stadtbahnlösung im Raum Osnabrück (wer eine dazugehörige Petition unterstützen möchte, sei auf diese hingewiesen: [www.openpetition.de]

Ich stimme def zu: Ein Umfrageergebnis von 45 : 51 spricht sehr dafür, die Bemühungen für eine Ergänzung des dortigen Schnellbahnnetzes durch eine Stadtbahn fortzusetzen. Mit einem Stadtbahnnetz wird man auf lange Sicht verkehrspolitisch mehr bewirken, als mit einer U-Bahn.

Die Leute, die (zu sehr) auf Tunnellösungen setzen, werden im Bundesmaßstab letztlich am Geld scheitern - eine "unterirdische Verkehrswende" ist irreal,

meint Marienfelde.
Zitat
Marienfelde
Die meisten Menschen in Deutschland leben nicht in Großstädten und Städten ab 50.000 Einwohnern, sondern in kleineren Städten und Gemeinden. Eine Konzentration von Verkehrsinvestitionen auf wenige teure Tunnelprojekte in großen Städten erscheint mir daher nicht nur falsch, sondern sogar unvertretbar.

Eine "Verkehrswende" ist auf so einer Basis nicht zu erreichen, weil der PKW-Anteil an den Personenkilometerleistungen dann "in der Fläche" weiterhin eher bei 90 als bei 80% liegen wird.

41,05 % aller Einwohner leben in Städten > 50.000 EW;
59,49 % aller EW leben in Städten > 20.000 EW

Siehe
[de.statista.com]
Leider ist die Quelle nur mit einem bezahlten Account sichtbar, aber ich denke, dass die Daten valide sind.

Wo jemand wohnt, zeigt leider nicht, wo er oder sie hin muss, also wie seine/ihre Wege sind. Nicht jeder Weg
ist innerhalb der Gemeinde. Verkehrswende geht schon bei der Flächennutzungsplanung los (also wo weise
ich Gewerbeflächen = Arbeitsplätze aus). Denn da müssen die Menschen ja hin. Wenn das eine Brache neben
einer Autobahn/Bundestraße ist, kann man vorhersehen, wie die Menschen dorthin gelangen. Leider werden
bei der Flächennutzungsplanung oft Verkehrsflächen außer Straßen nicht "reserviert"/vorgesehen.

Übrigens: je mehr der MIV-Anteil in Städten sinkt, desto größer wird der MIV-Anteil in Deutschland für "die Fläche". Logisch.
Interessant sind eher die gesamten Pkm des MIV.

Ich stimme dir zu, dass einzelne Tunnel keine Verkehrswende machen. Zunächst ist doch eine
Verkehrswegeanalyse notwendig - welche Wege gibt es, wie werden sie bewältigt und was
kann ich da besser machen. Und dann schaue ich, wie ich mein Geld (Stichwort Politik = Mangelverwaltung)
sinnvoll investiere.
Zitat
Christian Linow

Ich hatte in diesem Zusammenhang ja bereits ein Video vom Wahlabend des 19. März 1989 verlinkt, wo Catherine Trautmann und Marcel Rudloff die Ergebnisse analysieren. Und ihre Äußerungen sind sehr eindeutig, was das dominierende Thema VAL versus Tramway betrifft: [www.ina.fr]

Dass die Straßenbahn beherrschendes Sujet war, zeigt auch ein Artikel der taz vom 18. März 1989 vor dem zweiten Wahlgang, letzteren Catherine Trautmann fulminant für sich entscheiden konnte. Hinsichtlich einer avisierten Kooperation zwischen der linken PS und den Grünen schreibt die taz: „Am späten Montagabend segelten bereits die ersten Abzüge des gemeinsamen Programms aus den Druckmaschinen und kündeten von dem ‚Neuen Straßburg‘: mit Trambahn statt Luxus-Metro, begrünten Plätzen und entrußter Luft.“

Ingleichen schreibt die führende elsässische Tageszeitung Dernières Nouvelles d’Alsace zum 10. Februar 1989: „A Strasbourg, Catherine Trautmann présente son ‚contrat‘ proposé aux Strasbourgeois. Il comprend notamment ‚l’extension du secteur piétonnier.‘ La liste menée par Mme Trautmann réaffirme son ‚opposition‘ au projet de VAL (une sorte de métro) voulu par Marcel Rudloff. ‚Pour le prix d’une seule ligne de VAL, on peut construire tout un réseau de tramway‘, note Mme Trautmann.“

Dass ihr Sieg ergo in erster Linie auf das Streitthema Métro contra Straßenbahn zurückzuführen ist, kann daher kaum bestritten werden.

Das ist ja alles schön und gut, nur beweist das eben nicht, dass Catherine Trautmann wegen ihrer Straßenbahn-Politik die Wahl gewinnen konnte. Ich stimme Dir natürlich zu, dass das Thema Straßenbahn in dem Wahlkampf eine wichtige Rolle spielte. Um aber den genauen Einfluss des Themas Straßenbahn auf das Wahlergebnis der Kommunalwahl 1989 in Straßburg belegen zu können, müsste man Studien auf dem Gebiet der empirischen Sozialforschung mit entsprechender Methodik durchführen. Alles andere bleibt für meine Begriffe Spekulation. Um es vielleicht so zu erläutern: Stell Dir vor, Frau Trautmann hätte damals mit großem rhetorischen Geschick für die VAL-Metro gekämpft, und Herr Rudloff wäre der rhetorisch weniger überzeugende Befürworter der Straßenbahn gewesen. Vermutlich hätte Frau Trautmann dann genauso sehr die Wahlen gewonnen, und hinterher hätte es geheißen, die Bürgerinnen und Bürger in Straßburg seien für die U-Bahn und gegen die Straßenbahn gewesen. Alles klar :-) ?!

Zitat
Christian Linow

Laut der Sonntagsfrage des NDR vom 9. Januar dieses Jahres führt das Thema Verkehr den Wahlkampf an:

Mobilität/Verkehr/Infrastruktur
39%
Wohnen/Mieten
33%
Bildung/Schule/Ausbildung
19%
Umweltschutz/Klimawandel
18%
Flüchtlinge/Einwanderung/Ausländer
12%
Soziale Ungerechtigkeit/Armut/Hartz IV
10%
Innere Sicherheit/Kriminalität/Terror
6%
Gesundheitswesen/Pflege
5%
Wirtschaft
4%
Arbeitslosigkeit/Arbeitsmarkt
4%
Familienpolitik/Kinderbetreuung

Was nichts anderes heißt als dass Wohnen und Bildung zusammen mehr Gewicht haben als das Thema Verkehr. Wenn z.B. eine Partei auf dem Gebiet der Verkehrspolitik "grottenschlecht" ist, aber bei den Themen Wohnen und Bildung glänzen kann, fallen ihr womöglich trotzdem auch die Stimmen derer zu, die eigentlich eine andere Verkehrspolitik wollen. Es gilt auch hier: Man kann Korrelationen zwar leicht behaupten, aber sie zu beweisen, ist ungleich schwerer.

Zitat
Christian Linow

Mit Blick auf die gegenwärtigen Umfrageergebnisse lässt sich hieraus sehr wohl ein konstantes Meinungsbild ableiten, das sich eben nach meinem Dafürhalten andere Lösungen ausbedingt, als auf den Tag zu warten, wo man Mehrheiten für eine Straßenbahn herstellen kann.

Was heißt denn "ausbedingen"? Und auch das eindeutigste Meinungsbild steht und fällt mit den Realitäten. Aus unterschiedlichen Gründen ist es eben nicht mehr möglich, mit Millarden-Geldbeträgen Tunnelbahnen zu konstruieren, die einen eher nur begrenzten Nutzen für die Fahrgäste haben und den MIV im wesentlichen unangetastet lassen oder ihn gar fördern. Das mag schon in den 1970er-Jahren zwar falsch, aber immerhin noch realisierbar gewesen sein. Heute können wir es uns im Vorfeld einer globalen Umweltkatastrophe schlichtweg nicht mehr leisten, eine solche Verkehrspolitik zu betreiben - egal, was irgendwelche Meinungsbilder, zumal von vor neun Jahren, besagen.

Zitat
Bovist66

Nicht zuletzt wäre nach dem Kontext eines möglichen Straßenbahnnetzes zu fragen - nur so ergeben Umfragen eigentlich Sinn. Soll man z.B. den sehr kostspieligen U-Bahnbau zu Lasten des Hochwasserschutzes forcieren oder anstelle dessen Abstriche beim Tunnelbau machen und dafür das Geld anteilig in den Hochwasserschutz und den Aufbau eines preiswerteren Straßenbahnsystems investieren? Dann würden die Menschen aufgefordert, einmal eine Auffassung zu hinterfragen, wonach der U-Bahnbau nur still und leise störungsfrei voranschreitet - finanziert mit Geldern, die irgend jemand von außerhalb schon irgendwie bereit stellen wird und dabei bitte sehr gleichzeitig noch die Steuern senkt.

Zitat
Christian Linow
Das aber wäre nicht zuletzt wegen der Fördermittelpraxis ein Vergleich zwischen Äpfel und Birnen. Zielführender wäre in meinen Augen hier eher ein Plebiszit mit einem Vergleich zwischen U-Bahn und Straßenbahn auf Augenhöhe, wo man die Vorteile und den Geldeinsatz bei beiden Verkehrsmitteln einander gegenüberstellt.

Sicher ist das ein Vergleich zwischen Äpfel und Birnen! Aber hier geht es um die Funktionsweisen von Umfragen. Und in deren Ergebnisse fließen eben leicht auch die besagten Äpfel und Birnen ein. Seriöse Aussagen lassen sich hier m.E. nur machen, wenn man dieselben Menschen in zeitlichen Abständen zu einem Thema befragt. Dann könnte man auch Korrelationen zu Einflussgrößen herstellen. Bsp: Auf einem U-Bahnhof kam es zu einem schweren Verbrechen, und anschließend wird nach weiterem U-Bahnbau gefragt. Das Ergebnis wird sicher ein anderes sein, als wenn es das Verbrechen nicht gegeben hätte. Zu berücksichtigen ist dabei nicht zuletzt der Einfluss der Medien - wird eher reißerisch oder eher sachlich über ein Thema berichtet?

Das von Dir angesprochene Plebiszit wäre für meine Begriffe nur dann sinnvoll, wenn sich die Menschen mit den beiden Verkehrssystemen gründlich beschäftigen würden. In der Praxis dürfte das kaum zu leisten sein - besonders dann nicht, wenn ein Verkehrsmittel wie eben die Straßenbahn in vielen Beiträgen einer regelrechten Desinformation ausgesetzt ist, um nicht zu sagen: Hetze. Jedes Plebiszit muss nach meiner Auffassung ohnehin die realistischen Alternativen einbeziehen. Es ist eben nicht allzu sinnvoll, nach entsprechendem Volksentscheid die Rettungsboote als Brennholz zu verkaufen, um sich danach zu überlegen, wie man das sinkende Schiff nun verlassen kann. Auf diesem Niveau war z.B. die Abstimmung 2013 über die Campusbahn in Aachen. Übrigens wird dort inzwischen wieder die Einführung eines Straßenbahn-Systems diskutiert. Das Schweizer Modell, wonach Bürgerentscheide (teilweise) eher die Funktion eines Auftrags zum Nachbessern des betreffenden Projekts haben, scheint mir durchaus sinnvoll zu sein.



4 mal bearbeitet. Zuletzt am 14.01.2020 21:52 von Bovist66.
Zitat
Bovist66

Das ist ja alles schön und gut, nur beweist das eben nicht, dass Catherine Trautmann wegen ihrer Straßenbahn-Politik die Wahl gewinnen konnte. Ich stimme Dir natürlich zu, dass das Thema Straßenbahn in dem Wahlkampf eine wichtige Rolle spielte. Um aber den genauen Einfluss des Themas Straßenbahn auf das Wahlergebnis der Kommunalwahl 1989 in Straßburg belegen zu können, müsste man Studien auf dem Gebiet der empirischen Sozialforschung mit entsprechender Methodik durchführen. Alles andere bleibt für meine Begriffe Spekulation. Um es vielleicht so zu erläutern: Stell Dir vor, Frau Trautmann hätte damals mit großem rhetorischen Geschick für die VAL-Metro gekämpft, und Herr Rudloff wäre der rhetorisch weniger überzeugende Befürworter der Straßenbahn gewesen. Vermutlich hätte Frau Trautmann dann genauso sehr die Wahlen gewonnen, und hinterher hätte es geheißen, die Bürgerinnen und Bürger in Straßburg seien für die U-Bahn und gegen die Straßenbahn gewesen. Alles klar :-) ?!

Dein Ansatz ist durchaus nachvollziehbar, ändert allerdings wenig am Sachverhalt. Letztlich müssen dann auch Aussehen, das Geschlecht und Attraktivität berücksichtigt werden, was ja in der Tat einen erheblichen Einfluss auf Wahlen hat, wie die Heinrich-Heine-Universität herausfand. Doch was soll die Konsequenz daraus sein? Da es in den allermeisten Fällen nie ein Gleichauf aller Charaktere bei den Kandidaten geben wird, fungiert der programmatische Inhalt zumindest als Mittler. Und ja, über diese Attitüde manipulatorischer Intention hätte Frau Trautmann dann, wenn sie allein über ihr Äußeres und mithilfe ihrer Eloquenz hätte punkten können, womöglich ebenso eine U-Bahn dem Volk „verkaufen“ können. Aber ändert das am Ende etwas? Frei nach Bundeskanzler a. D. Helmut Kohl: „Entscheidend ist, was hinten rauskommt.“ Denn unterm Strich übrig bleibt weniger die Motivation des Wählers, sondern vielmehr sein Votum, das besagte Mehrheiten zustande kommen lässt und legitimiert.

Ungeachtet dessen muss berücksichtigt werden, dass der Widerstand gegen das VAL-Métro-Projekt seit dessen Beschluss im Jahre 1985 wuchs. Und das vor allem aufseiten der Bevölkerung, also aus der Mitte der Gesellschaft heraus - anfangs ohne den gravierenden Einfluss von Catherine Trautmann.

Zitat
Bovist66
Was nichts anderes heißt als dass Wohnen und Bildung zusammen mehr Gewicht haben als das Thema Verkehr. Wenn z.B. eine Partei auf dem Gebiet der Verkehrspolitik "grottenschlecht" ist, aber bei den Themen Wohnen und Bildung glänzen kann, fallen ihr womöglich trotzdem auch die Stimmen derer zu, die eigentlich eine andere Verkehrspolitik wollen. Es gilt auch hier: Man kann Korrelationen zwar leicht behaupten, aber sie zu beweisen, ist ungleich schwerer.

Das trifft nur so lange zu, solange man Populismus außen vor lässt. Hier binden manche Parteien durchaus Wählerstimmen monothematisch an sich. Aber ja, natürlich ist es schwierig, generell einen Faktor alleine auszumachen. Gleichwohl gibt es Spitzenreiter bei den Themen, die letztlich das Wahlergebnis bestimmen. In Hamburg führt Verkehr die Liste an. Die Addition der übrigen, nachgeordneten Punkte ergibt vor allem dann Sinn und wird interessant, wenn es um die größte zu erreichende Schnittmenge der programmatischen Inhalte für den Wähler geht. Am Ende jedoch greift auch hier das Kohl'sche Motto, dass entscheidend ist, was hinten rauskommt. Erreicht eine Partei eine parlamentarische Mehrheit, so sind ihre Positionen zwangsläufig auch ein Teil des Wählerwillens und der damit verbundene Regierungsauftrag. Wenn man in diesem Kontext sachbezogene Umfragen zum Thema Stadtbahn berücksichtigt, lässt sich eine grundsätzliche Haltung der Hanseaten sehr wohl ablesen.

Zitat
Bovist66

Was heißt denn "ausbedingen"? Und auch das eindeutigste Meinungsbild steht und fällt mit den Realitäten. Aus unterschiedlichen Gründen ist es eben nicht mehr möglich, mit Millarden-Geldbeträgen Tunnelbahnen zu konstruieren, die einen eher nur begrenzten Nutzen für die Fahrgäste haben und den MIV im wesentlichen unangetastet lassen oder ihn gar fördern. Das mag schon in den 1970er-Jahren zwar falsch, aber immerhin noch realisierbar gewesen sein. Heute können wir es uns im Vorfeld einer globalen Umweltkatastrophe schlichtweg nicht mehr leisten, eine solche Verkehrspolitik zu betreiben - egal, was irgendwelche Meinungsbilder, zumal von vor neun Jahren, besagen.

Zitat
Bovist66

Sicher ist das ein Vergleich zwischen Äpfel und Birnen! Aber hier geht es um die Funktionsweisen von Umfragen. Und in deren Ergebnisse fließen eben leicht auch die besagten Äpfel und Birnen ein. Seriöse Aussagen lassen sich hier m.E. nur machen, wenn man dieselben Menschen in zeitlichen Abständen zu einem Thema befragt. Dann könnte man auch Korrelationen zu Einflussgrößen herstellen. Bsp: Auf einem U-Bahnhof kam es zu einem schweren Verbrechen, und anschließend wird nach weiterem U-Bahnbau gefragt. Das Ergebnis wird sicher ein anderes sein, als wenn es das Verbrechen nicht gegeben hätte. Zu berücksichtigen ist dabei nicht zuletzt der Einfluss der Medien - wird eher reißerisch oder eher sachlich über ein Thema berichtet?

Wozu gleichermaßen die hier auch schon in Rede stehenden Rad- und Fuß-Unfälle bei der Straßenbahn gehörten, die man dann erwähnen müsste, was das Thema für den Elektor immer komplexer machte.

Zitat
Bovist66

Das von Dir angesprochene Plebiszit wäre für meine Begriffe nur dann sinnvoll, wenn sich die Menschen mit den beiden Verkehrssystemen gründlich beschäftigen würden. In der Praxis dürfte das kaum zu leisten sein - besonders dann nicht, wenn ein Verkehrsmittel wie eben die Straßenbahn in vielen Beiträgen einer regelrechten Desinformation ausgesetzt ist, um nicht zu sagen: Hetze. Jedes Plebiszit muss nach meiner Auffassung ohnehin die realistischen Alternativen einbeziehen. Es ist eben nicht allzu sinnvoll, nach entsprechendem Volksentscheid die Rettungsboote als Brennholz zu verkaufen, um sich danach zu überlegen, wie man das sinkende Schiff nun verlassen kann. Auf diesem Niveau war z.B. die Abstimmung 2013 über die Campusbahn in Aachen. Übrigens wird dort inzwischen wieder die Einführung eines Straßenbahn-Systems diskutiert. Das Schweizer Modell, wonach Bürgerentscheide (teilweise) eher die Funktion eines Auftrags zum Nachbessern des betreffenden Projekts haben, scheint mir durchaus sinnvoll zu sein.

Eine Hetze kann ich bei der Straßenbahn gesellschaftlich pauschal nicht erkennen. Eher habe ich das Gefühl, dass aufseiten der emotionalisierten Straßenbahnbefürworter jedwede Kritik an dem System Tram schutzreflexartig so empfunden wird. Abhebend auf Deiner These, dass Menschen von der Komplexität einiger Inhalte und Sachverhalte überfordert sein könnten, hieße das, generell Wahlen hinterfragen zu können.

„Demokratie ist ein Verfahren, das garantiert, dass wir nicht besser regiert werden, als wir es verdienen.“ George Bernard Shaw
Ich habe diesen Artikel auch gelesen und wie so viele Presseberichte und
politische Kampagnen dazu wird in Teilen Missinformation betrieben.
Es wird der Anschein erweckt, dass ideologisch die Straßenbahn der
U-Bahn gegenüber bevorzugt wird. Das ist doch aber gar nicht der Fall.
[www.berlin.de]
[www.berlin.de]

Hier der entscheidene Abschnitt:

"In der Zusammenfassung wird deutlich, dass die U-Bahn- und Straßenbahnvarianten allen Zielbereichen
besser als die S-Bahn oder der Bus oder gleichwertig einzustufen sind. S-Bahn und Bus können daher als
bestgeeignetste Varianten ausgeschlossen werden.
U-Bahn- und Straßenbahnvarianten schließen sich gegenseitig nicht aus. Sowohl aus Sicht der Fahrgäste
(kurze Reisezeiten und Fahrtenfolge bei gutem Komfort) als auch aus Sicht der Allgemeinheit (insbesondere
keine Lärmimmissionen und hohe Verkehrssicherheit durch unterirdischer Führung) fällt das Bewertungsergebnis
für die U-Bahn äußerst positiv aus. Die wesentlichen Aspekte, die in den Bereichen Kommune und
Betrieb zu einem schlechteren Ergebnis führen, sind die sehr hohen Investitionskosten bzw. die angesichts
der im Prognosehorizont erwarteten Nachfrage im betrachteten Planungskorridor mit ca. 1.000 bis 1.500
Personenfahrten in der Spitzenstunde vergleichsweise geringe Wirtschaftlichkeit.
Die Straßenbahn zeichnet sich durch ein ausgewogen gutes Bewertungsergebnis aus, indem sie über alle
bewerteten Zielbereiche hinweg gute bis sehr gute Bewertungen aufweist.
Da die langen Realisierungszeiträume der U-Bahn-Varianten (insbesondere die Variante U3/U10 setzt eine
Realisierung der U3/U10 bis Weißensee voraus) nicht das Planungsziel, zeitnah zur Umsetzung der städtebaulichen
Entwicklung über ein leistungsfähiges und attraktives ÖPNV-Angebot zu verfügen, erfüllen und
die Finanzierbarkeit nicht gesichert ist, verbleibt auf mittelfristige Sicht die Straßenbahn als das bestgeeignetste
Verkehrsmittel³"

Fußnote 3:
"Um die U-Bahn-Varianten auf lange Sicht nicht auszuschließen, wird empfohlen, entsprechende Trassen bei der städtebaulichen
Planung zu berücksichtigen."

Gegen die U-Bahn sprechen also derzeit A) die Finanzen und B) die geringe Wirtschaftlichkeit auf Grund der geringen Fahrgastzahlen.
Man will sich die U-Bahn aber nicht verbauen und soll die Trassen berücksichtigen.

Kurz: Es wurde untersucht, die U-Bahn ist super, aber zu teuer und hätte zu wenige Fahrgäste.
So einfach ist das. Es wollen von diesem Wohngebiet eben nicht alle zum Alex. Sondern auch
nach Buch, Hennigsdorf oder Marzahn.
Stimmt es eigentlich, dass die erwähnte Erholungsanlage Blankenburg, aus der die Protestierenden wohl hauptsächlich kommen, einer geduldeten Dauernutzung einer erweiterten KGA entspricht? Dann würde ich als Anwohner aber mal deutlich kleinere Brötchen backen!

Außerdem, wenn ich mir die Vorzugsvariante der Straßenbahntrasse anschaue, wird es auch zu einer Entlastung der Anwohner in Heinersdorf kommen. Da sollte mal besser kommuniziert werden, was passiert, wenn keine Straßenbahn kommt. Vielleicht sollte man auch mal über einen offenen Tunnelbau der U-Bahn informieren und was das für die Anwohner bedeutet.



1 mal bearbeitet. Zuletzt am 15.01.2020 11:24 von hvhasel.
Zitat
TomB
Siehe
[de.statista.com]
Leider ist die Quelle nur mit einem bezahlten Account sichtbar, aber ich denke, dass die Daten valide sind.

Der Statista-Account ist zwar sehr teuer, aber ein großer Teil der Berliner:innen hat ihn bereits, denn er ist in den digitalen Angeboten des VÖBB enthalten. Daraus folgender Quellenhinweis: "Quelle: Statistisches Bundesamt Herkunftsverweis: Daten aus dem Gemeindeverzeichnis - Gemeinden in den Ländern nach Einwohnergrößenklassen, 31.12.2018"
Zitat
hvhasel
Stimmt es eigentlich, dass die erwähnte Erholungsanlage Blankenburg, aus der die Protestierenden wohl hauptsächlich kommen, einer geduldeten Dauernutzung einer erweiterten KGA entspricht? Dann würde ich als Anwohner aber mal deutlich kleinere Brötchen backen!

Naja, wenn sie im Recht wären, dann könnten sie auch ganz gelassen auf den Richterspruch warten oder sich mit der Entschädigung irgendwo eine neue Hütte bauen. Die müssen so laut schreien, damit sie überhaupt eine Chance haben. Deren einzige Möglichkeit ist es durch politischen Druck zu erreichen, dass das Depot woanders gebaut wird.

Gruß Nemo
---

Eine Straßenbahn ist besser als keine U-Bahn!!
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