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Sammelthread: Verkehrspolitik in Berlin
geschrieben von Arnd Hellinger 
Ja, absolut richtig. Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach. Insofern fände ich ein BRT-System als Vorstufe für eine Straßenbahn in Spandau auch sehr sinnvoll.

Mein Problem war wohl eher, dass Herr Professor Doktor Linow BRTs mit einem Wer-braucht-schon-Straßenbahnen-Unterton in die Debatte eingebracht hat. (Vielleicht sollte er nicht bei jeder Gelegenheit Beispiele sonstwoher nehmen, egal, ob sie mit der Berliner Situation vergleichbar sind oder nicht.)
Zitat
Christian Linow
Dann benenne mir bitte eben jene Argumente, die mir vermeintlich nicht in den Kram passen. Dass ich auf Erwiderungen versuche, mit neuen Argumenten zu antworten, liegt wohl in der Natur der Sache einer Debatte.

Die nannte ich, als ich das Ignorieren das erste mal kritisierte.

Zitat
Christian Linow
Auch wenn sich das Märkische Viertel auf der schematisch verzerrten Karte nur ungefähr ausmachen lässt, gehört es nicht zu den Spitzenreitern bei der Motorisierungsrate, was aber zunächst über die Verkehrsmittelwahl wenig aussagt.

Es ist dank der sehr charakteristischen Bezirksgrenze zu Pankow ziemlich gut zu lokalisieren.

Zitat
Christian Linow
Hier spielen die Quell- und Zielverkehre eine entscheidende Rolle, natürlich aber auch die Distanzen, die zurückgelegt werden. Allem Anschein nach hat bei der Machbarkeitsstudie genau hier die U8 punkten können, weil bereits heute rund 30.000 Fahrgäste die Buslinien täglich nutzen.

Wenn Quell- und Zielverkehr eine entscheidende Rolle spielen, was sagen dann die 30.000 Fahrgäste pro Tag aus?

Zitat
Christian Linow
Selbstverständlich steigt nicht jeder von ihnen in die U-Bahn um. Vielmehr geht es um die Gesamtwirkung, die auf der einen Seite die Wege und Reisezeiten vieler Bewohner des Märkischen Viertels verkürzt

Und wie stark? Die Fahrzeit zwischen dem Märkischen Zentrum und dem Bahnhof Wittenau beträgt 4 min. Lass die U-Bahn zwei brauchen. 2 Minuten Zeitersparnis - deshalb wird sicher niemand in den ÖPNV umsteigen. Ein paar Minuten mehr wären es bei denen, die direkt im Umfeld eines künftigen U-Bahnhofs wohnen (und ein eingesparter Umstieg). Das ist allerdings nur ein Bruchteil der Bevölkerung. Und das MV ist, wie gesagt, für die Erschließung durch Schnellbahnen vom Städtebau her ziemlich ungeeignet.

Zitat
Christian Linow
und auf der anderen Seite die U-Bahn aufwertet - jener Ansporn zum Weiterbau, wie er in Adlershof hier bereits angesprochen wurde.

Nur, dass halt die zehnfachen Kosten auch den zehnfachen Nutzen bringen sollten.

Zitat
Christian Linow
Bei den von Dir prophezeiten Kürzungen im Busnetz anlangend, so gelten die doch aufseiten der Tram-Befürworter stets als Argument für selbige.

Auch das stellst Du arg verkürzt dar: Niemand, wirklich niemand, der Straßenbahnen befürwortet, sagt deshalb, dass der 162er und der 164er gefälligst an der Magnusstraße enden sollten, um die Straßenbahn auszulasten. Es geht, wenn, darum, nachfragstarke Buslinien zu ersetzen, und zwar so, dass für die Mehrzahl der Fahrgäste keine zusätzlichen Umsteigezwänge entstehen (am besten für keine Fahrgäste, und am allerbesten ergeben sich neue Verbindungen).

Bei U-Bahnen sieht das aber anders aus. Realistischerweise wird eine verlängerte U8 mit 1-3 Stationen das MV nicht ansatzweise so gut erschließen wie derzeit das Busnetz. Es wird also weiterhin in starkem Maße Busverkehr nötig sein. Und realistischerweise gibt es für diejenigen, die dann nicht zur U-Bahn wollen, starke Einschränkungen (und wenn es "nur" eine Zurückziehung vom Bf. Wittenau zum Märkischen Zentrum in den Abendstunden ist, was die Gesamtfahrzeit für Umsteiger von/zur S-Bahn durchaus um 10 min verlängern kann). Es wäre ja nicht das erste Mal, dass der oberirdische ÖV zusammengestrichen würde, weil die U-Bahn ja ausreiche.

Es ist übrigens auch bezeichnend, dass die Machbarkeitsstudie zur U8 ins MV geheimgehalten wird. Wieso eigentlich? Es wäre wirklich interessant zu wissen, wie die Autoren auf 25.000 Fahrgäste pro Tag kommen. Es würde mich nicht wundern, wenn die durch Einschnitte im Busnetz zustandekämen.

Zitat
Christian Linow
Eben nicht: „Die Straßenbahn ist immer toll und die U-Bahn per se schlecht!“

Das hat auch niemand behauptet. Es geht noch immer um die konkrete Berliner Situation. Und da bietet sich der Ausbau der Straßenbahnnetzes aus genannten Gründen viel mehr an, zumal eben jeder Euro nur einmal ausgegeben werden kann. Wir sprechen nicht vom Wien (um auch mal irgendein Beispiel zu nennen) der 60er Jahre, wo ein U-Bahn-Bau tatsächlich nötig war.

Wir sprechen von einer Stadt, die über 400 km Schnellbahnstrecken verfügt, Regionalverkehr noch gar nicht mitgerechnet - und damit über doppelt so viel Schnellbahn- wie Straßenbahnstrecken. Geht man davon aus, dass es in einer durchschnittlichen Stadt sehr viel mehr potentielle Korridore für Straßenbahnen als für Schnellbahnen gibt (weil sie pro Tag weniger Fahrgäste brauchen, um wirtschaftlich zu sein, und weil gerade auf kurzen und mittleren Strecken die Tür-zu-Tür-Reisezeit nicht unbedingt schlechter ist) zeigt sich doch, wo wirklich Nachholbedarf besteht.

Es gibt v.a. im Westen der Stadt jede Menge Buskorridore, die derzeit völlig unbefriedigend bedient werden. Ich erwähne hier z.B. den M48, für den eine Straßenbahn das ideale Verkehrsmittel wäre. Für die schnelle Verbindung zwischen Mitte, Schöneberg, Steglitz und Zehlendorf gibt es die S1, die im Übrigen endlich auf einen 5-min-Takt verdichtet gehört - insofern ist eine U-Bahn hier nicht notwendig. Dafür hätte sie erhebliche Nachteile für kurze und mittlere Strecken.

Für Langstrecken halte ich weiterhin einen Ausbau der S-Bahn für sinnvoller, zumal es hier wirklich auch im Bestandsnetz noch jede Menge Schwachstellen gibt. Hier scheint sich das Land Berlin m.E. auch ein bisschen zu sehr darauf auszuruhen, dass das Netz dem Bund gehört. Niemand hätte es Berlin verboten, bestimmte Ausbauten (z.B. zweigleisiger Ausbau der Kremmener Bahn) bereits so weit fertigzuplanen, dass es "Hier!" rufen braucht, wenn sich Geldquellen auftun. So wie es Brandenburg bei der Görlitzer Bahn zwischen KW und Lübbenau getan hat. (In Zusammenarbeit mit dem Land Brandenburg wäre das z.B. auch für den zweigleisigen Ausbau der S-Bahn nach Potsdam angebracht gewesen.)

Apropos "Auslastung der U8-Nord verbessern": Von einem 10-min-Takt auf der Kremmener Bahn samt verbesserter Umsteigesituation an der Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik würde die U8 auch profitieren (und erst recht, wenn dort auch Regionalzüge halten würden). Und wenn dies geschehen ist, sieht es mit der Verlängerung der U8 ins MV vielleicht ganz anders aus - weil sie dann gemeinsam mit einer häufiger verkehrenden S25 plötzlich interessant für tangentiale Verbindungen wäre.

Zitat
Christian Linow
Dass ausgerechnet derjenige von Arroganz spricht, der sich seit Anbeginn unseres Disputs immer wieder gerne mit Sätzen wie „Also zum einen: hältst Du den geneigten Mitleser eigentlich für komplett bescheuert?“ hervortut oder mir einen Blick in die Verfassung empfiehlt, mutet in meinen Augen schon reichlich komisch an. Verstehe mich nicht falsch, mir ist es an sich, salopp ausgedrückt, wurscht, wie Du Dich mir gegenüber aufführst. Bloß finde ich es eben etwas grotesk, mir den Hochmut vorzuwerfen, von dem man selbst gerne Gebrauch macht.

Ich finde direkte Aussagen sehr viel besser als Pseudo-Sachlichkeit, die letztlich auch, aber viel subtiler "LMAA" sagt. Dann wissen wenigstens alle, woran sie sind.

(Antwort wird fortgesetzt)



8 mal bearbeitet. Zuletzt am 20.01.2020 13:25 von def.
Zitat
def
Ja, absolut richtig. Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach. Insofern fände ich ein BRT-System als Vorstufe für eine Straßenbahn in Spandau auch sehr sinnvoll.
(…)

Dann ginge es aber eben doch um den Neuaufbau eines BRT-Systems in Spandau - in einem insgesamt "tramwürdigen" Gebiet. Nochmal: Nach der derzeitigen Rechtslage scheidet eine Finanzierung nach GVFG aus. In Betracht käme demnach eine anteilige Finanzierung durch die Regionalisierungsmittel.

Der "eigentliche" Zahlungsgrund für die Mittel aus dem Regionalisierungsgesetz ist aber die Finanzierung des SPNV durch die Länder. Mittel, mit denen insbesondere der Ausbau der Berliner S-Bahn zu finanzieren wäre, für den Neuaufbau eines BRT-Systems im tramwürdigen Spandau einzusetzen, hielte ich für falsch.

Allerdings steht ein BRT-System in Spandau ja auch nicht zur Debatte, sondern die Wiederaufnahme des Obusbetriebs nach Staaken. Dem kann man evtl. folgen - dem Aufbau eines BRT-Systems mit "Eisenbahnmitteln" nach meiner Überzeugung aber nicht.
Zitat
Marienfelde
]

Dann ginge es aber eben doch um den Neuaufbau eines BRT-Systems in Spandau - in einem insgesamt "tramwürdigen" Gebiet. Nochmal: Nach der derzeitigen Rechtslage scheidet eine Finanzierung nach GVFG aus. In Betracht käme demnach eine anteilige Finanzierung durch die Regionalisierungsmittel.
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Glaubst du oder weißt du?

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Das Gegenteil von ausbauen ist ausbauen.
Zitat
Logital
Zitat
Marienfelde
]

Dann ginge es aber eben doch um den Neuaufbau eines BRT-Systems in Spandau - in einem insgesamt "tramwürdigen" Gebiet. Nochmal: Nach der derzeitigen Rechtslage scheidet eine Finanzierung nach GVFG aus. In Betracht käme demnach eine anteilige Finanzierung durch die Regionalisierungsmittel.
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Glaubst du oder weißt du?

[www.gesetze-im-internet.de]

"§ 2(1) Die Länder können folgende Vorhaben durch Zuwendungen aus den Finanzhilfen fördern:

1. Bau und Ausbau von (…)
b) besonderen Fahrspuren für Omnibusse (…)

3. Bau oder Ausbau von zentralen Omnibusbahnhöfen und Haltestelleneinrichtungen sowie von Betriebshöfen und zentralen Werkstätten, soweit sie dem öffentlichen Personennahverkehr dienen.
4. Beschleunigungsmaßnahmen für den öffentlichen Personennahverkehr, insbesondere rechnergesteuerte Betriebsleitsysteme und technische Maßnahmen zur Steuerung von Lichtsignalanlagen. (…)
6.
die Beschaffung von Standard-Linienomnibussen und Standard-Gelenkomnibussen, soweit diese zum Erhalt und zur Verbesserung von Linienverkehren nach § 42 des Personenbeförderungsgesetzes erforderlich sind und überwiegend für diese Verkehre eingesetzt werden, von Schienenfahrzeugen des öffentlichen Personennahverkehrs sowie in den Ländern Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen in den Jahren 1992 bis 1995 auch die Modernisierung und Umrüstung vorhandener Straßenbahnfahrzeuge.(…)"

Jedenfalls sehe ich keine Obusse und keine Oberleitung für Busse bei den Förderungsmöglichkeiten. Eine Bustrasse könnte natürlich auch nur eine besondere Fahrspur für Busse sein.

Gruß Nemo
---

Eine Straßenbahn ist besser als keine U-Bahn!!
Zitat
Christian Linow
Zitat
def
Zitat
Christian Linow
Gleiches konnte man auch in Metz mit Einführung des so genannten Mettis beobachten, wo alleine zwischen 2016 und 2017 die Fahrgastzahlen um 7,3% anstiegen.

Wow! Ganze 7,3 Prozent! Beeindruckend.
In der Osloer und Seestraße hat die Umstellung auf Straßenbahnen zu einer Verdoppelung der Fahrgastzahlen geführt. Trotz Rückschritten in der Barrierefreiheit durch den teilweisen Einsatz von Tatrazügen und obwohl zur gleichen Zeit stadtweit die Fahrgastzahlen im ÖPNV rückläufig waren.

Von Fahrgastzuwächsen im zweistelligen prozentualen Bereich weiß ich. Nichts aber von einer Verdoppelung. Hast Du eine Quelle? Losgelöst davon vergleichst Du zwei Sachverhalte, die nicht miteinander zu vergleichen sind. Ich gehe davon aus, dass sich die von Dir erwähnten Zuwächse auf das Jahr nach der Umstellung auf die Straßenbahn beziehen? Beim Mettis ist von einem Zuwachs binnen eines Jahres zwischen 2016 und 2017 die Rede. Drei Jahre nach Erstinbetriebnahme! Last, but not least gibt es derlei Erfolgssagas auch beim Bus, wie jüngst der 300er anschaulich unter Beweis gestellt hat, wo die Fahrgastzahlen auf dem östlichen Abschnitt um satte 80% gestiegen sind.

Ich muss zugeben, die Quelle nicht mehr zu finden - es stand m.E. Anfang des Jahrtausends in einem Artikel der Berliner Zeitung. Leider ist das Archiv der BLZ inzwischen nicht mehr sinnvoll nutzbar (hier gibt es keine Stichwortsuche, und bei der Stichwortsuche kann man das Datum nicht eingrenzen). Aber auch ein deutlich zweistelliger Zuwachs (siehe hier, eingebettet in einen Leserbrief von Dir) ist ja schon einiges mehr als die 7 %, die Du als Erfolg anpreist.

Und zum 300er: Klar, wenn man zu den meisten Zeiten den Takt von einem 20- auf einen 10-min-Takt verdoppelt hat. Und nebenbei Wege gefunden hat, die eine Zeit lang oft erfolgende ersatzlose Einstellung zwischen Ostbahnhof und Warschauer Straße zurückzufahren.

Das besondere an der Osloer Straße war ja, dass die Umstellung eben nicht mit einer Taktverdichtung einherging. Deshalb wird sie auch oft als Beispiel für den Schienenbonus genannt, da es hier eine direkte Umstellung von Bus- auf Straßenbahnbetrieb auf einer längeren Strecke gab, ohne dass der Takt verdichtet wurde (wie z.B. in der Bernauer Straße), so dass man die Fahrgaststeigerungen deutlich auf die Umstellung zurückführen kann.



1 mal bearbeitet. Zuletzt am 20.01.2020 13:44 von def.
Zitat
Marienfelde
Dann ginge es aber eben doch um den Neuaufbau eines BRT-Systems in Spandau - in einem insgesamt "tramwürdigen" Gebiet. Nochmal: Nach der derzeitigen Rechtslage scheidet eine Finanzierung nach GVFG aus. In Betracht käme demnach eine anteilige Finanzierung durch die Regionalisierungsmittel.

Der "eigentliche" Zahlungsgrund für die Mittel aus dem Regionalisierungsgesetz ist aber die Finanzierung des SPNV durch die Länder. Mittel, mit denen insbesondere der Ausbau der Berliner S-Bahn zu finanzieren wäre, für den Neuaufbau eines BRT-Systems im tramwürdigen Spandau einzusetzen, hielte ich für falsch.

Allerdings steht ein BRT-System in Spandau ja auch nicht zur Debatte, sondern die Wiederaufnahme des Obusbetriebs nach Staaken. Dem kann man evtl. folgen - dem Aufbau eines BRT-Systems mit "Eisenbahnmitteln" nach meiner Überzeugung aber nicht.

Unabhängig vom GVFG sähe ich bei einem BRT aber noch die Chance auf weitere Förderungsmöglichkeiten durch die Bundesregierung (BMU, BMBF und BMVI). Gerade bei technologischen Weiterentwicklungen, sei es wegen autonomen Fahrens oder beim Antrieb (elektrisch oder Brennstoffzelle) wäre das nicht undenkbar. Bei der Straßenbahn war Potsdam schneller. Ich weiß aber nicht, wie es mit einer oberleitungsfreien Strecke aussähe.



1 mal bearbeitet. Zuletzt am 20.01.2020 14:19 von hvhasel.
Zitat
Bd2001
Zitat
Christian Linow
Die optisch freilich ansprechende Gestaltung hat allerdings ihren Preis und ist laut einer Studie des Centre d'études et d'expertise sur les risques, l'environnement, la mobilité et l'aménagement (Cerema) eine der Hauptursachen für Fußgängerunfälle mit Straßenbahnen. Demnach sei es sogar elementar wichtig, einen stärkeren Kontrast zwischen Bahnkörper und Fußgängerbereichen herzustellen. Ingleichen bemängelt das Cerema, wenn Zäune oder andere Begrenzungen zur Straßenbahnstrecke schlecht wahrnehmbar sind, woraus sich die Forderung nach einer deutlich sichtbaren Trennung ableiten lässt.

Warum passieren dann in Berlins Fußgängerzonen so wenig Fußgängerunfälle? Was macht Berlin anders?

Da diese Studie jetzt immer wieder erwähnt wird, habe ich nach ihr recherchiert und auf die Schnelle reingeschaut.

Sie untersuchte in einigen Städten Frankreichs insgesamt Unfälle zwischen Straßenbahn und Fußgängern im Allgemeinen. Und zwar für alle denkbaren Streckenführungstypologien - nicht unbedingt in Fußgängerzonen. Wenig überraschend passieren die allermeisten Unfällen an Haltestellen.

Das einzige quantitative Ergebnis, welches ich aus der Studie mitnehme bezüglich Straßenbahnunfällen ist "Ja, es gibt Unfälle zwischen Straßenbahn und Fußgängern". Die Studie ordnet diese nicht in einen Kontext oder Vergleich ein (mehr/weniger als bei Bus, Autoverkehr etc.). Das Thema Busunfälle (Eigentrassen) wird übrigens auch betrachtet.

Die Anzahl der Unfälle scheint mir auf die Gesamtstrecke der Linien 1 und 2 über einen Zeitraum von 5 Jahren auch nicht allzuviel - die meisten davon waren zum Glück auch leichter Natur.
Der erste tödliche Unfall bei der Straßenbahn Montpellier fand übrigens im Jahr 2016 statt - 16 Jahre nach Systemeröffnung. Übrigens ein Rotlichtradfahrer auf einer Streckenüberquerung auf Eigentrasse.

Hauptsynthese der Studie ist ein Hinweis auf bessere Sichtbarkeit (im Sinne von Beseitigung von Blickbarrieren, eventuell Markierung der Gleiskörper etc.) und die Einrichtung möglichst direkter Zuwegungen - insbesondere bei Umsteigehaltestellen. Also keineswegs ein Plädoyer für eine stärkere räumliche Separierung durch Zäune etc oder gar gegen Straßenbahnen in Fußgängerzonen.

Die Studie findet sich hier. Weiter unten im Link finden sich die Berichte als PDF-Dateien.
[www.cerema.fr]

Erster tödlicher Unfall 2016:
[www.francebleu.fr]

Ingolf



1 mal bearbeitet. Zuletzt am 20.01.2020 16:55 von Ingolf.
Passend ist aktuell die folgende Fast-"Nichtaussage" des RegBM zum U-Bahn-Ausbau: "Wir wollen aber vorankommen, mit dem Ausbau des U-Bahn-Netzes."

[www.morgenpost.de]
Zitat
Ingolf

Sie untersuchte in einigen Städten Frankreichs insgesamt Unfälle zwischen Straßenbahn und Fußgängern im Allgemeinen. Und zwar für alle denkbaren Streckenführungstypologien - nicht unbedingt in Fußgängerzonen. Wenig überraschend passieren die allermeisten Unfällen an Haltestellen.

Zum einen überwiegen bei den klassischen „Wege-/Querungsunfällen“ diejenigen außerhalb der Stationen mit 63% (Seite 11). Zum anderen stellt die Studie in ihrer Zusammenfassung gleichfalls auf Seite 33 fest, dass sich in der Analyse auch außerhalb der Haltestellen ein echter Mangel bei der Wahrnehmung und Erfassung der Straßenbahnstrecke und der von ihr ausgehenden Gefahr gezeigt habe. Auf dieses Defizit geht die Studie derweil auf Seite 16 dezidierter ein und konstatiert, dass einerseits ein mangelhafter Kontrast zwischen Bahnsteig und Fahrbahn und andererseits außerhalb der Stationen eine fehlende Abgrenzung zum Lichtraumprofil zu den Hauptproblemen bei der Wahrnehmung der Trasse beigetragen haben könnten. Dieses Problem wiederum sei in Bordeaux und Strasbourg in Fußgängerzonen sowie in Strasbourg und Montpellier in klassischen Straßen festgestellt worden. Anhand von Visualisierungen werden auf derselben Seite die Kritikpunkte veranschaulicht.

Im Übrigen treibt das Thema „Straßenbahn und Fußgängerzone“ selbst tram-affine Nationen wie die Schweiz um: Tram schreckt Passanten in Fußgängerzone

Aber wiederholt erlaube ich mir eine eigene Anmerkung zum besseren Verständnis meiner Position. Für mich sind Fußgängerzonen für Straßenbahnen nicht per se ein K.-o.-Kriterium. Allerdings gibt es nach meinem Dafürhalten Grenzen in puncto Querschnitt der Fahrbahn - dadurch allgemein verfügbarer Platz -, Passantenfreuquenz (auch in Abhängigkeit des Raums) und Taktfrequenz bei den Straßenbahnen.

Zitat
Ingolf

Das einzige quantitative Ergebnis, welches ich aus der Studie mitnehme bezüglich Straßenbahnunfällen ist "Ja, es gibt Unfälle zwischen Straßenbahn und Fußgängern". Die Studie ordnet diese nicht in einen Kontext oder Vergleich ein (mehr/weniger als bei Bus, Autoverkehr etc.). Das Thema Busunfälle (Eigentrassen) wird übrigens auch betrachtet.

Dadurch, dass man auf Seite 10 die Anzahl aller Fußgängerunfälle entlang der untersuchten Korridore denen mit Beteiligung der Straßenbahn gegenüberstellt, gelingt der Analyse meiner Ansicht nach durchaus eine Differenzierung. Und ja, natürlich sind sich der Bus auf Eigentrasse und die Straßenbahn nicht zuletzt auch bei den Unfallszenarien ähnlich. Übrigens, wenngleich es nicht eigentlicher Bestandteil der Untersuchung war, stellt die Studie auf Busspuren eine höhere Unfallbeteiligung von Taxen als von Bussen oder motorisierten Zweirädern fest.

Zitat
Ingolf

Die Anzahl der Unfälle scheint mir auf die Gesamtstrecke der Linien 1 und 2 über einen Zeitraum von 5 Jahren auch nicht allzuviel - die meisten davon waren zum Glück auch leichter Natur.
Der erste tödliche Unfall bei der Straßenbahn Montpellier fand übrigens im Jahr 2016 statt - 16 Jahre nach Systemeröffnung. Übrigens ein Rotlichtradfahrer auf einer Streckenüberquerung auf Eigentrasse.

Ob die Anzahl der Fußgängerunfälle insgesamt einem als viel oder wenig erscheinen mag, ist in Teilen subjektiv und in einer gesamtheitlichen Betrachtung auf ganz Montpellier bezogen nicht möglich, weil ja Bestandteil der Untersuchungen lediglich die Streckenzüge der Linien 1 und 2 waren. Gleichwohl gibt die Studie insofern einen beachtenswerten Aufschluss, als sie die Anzahl aller Fußgängerunfälle entlang der Linien 1 und 2 verkehrsmittelunabhängig (in Summe 40) denen mit Beteiligung der Straßenbahn gegenüberstellt (in Summe 22). Daraus folgt, dass in 55% aller verkehrsmittelunabhängigen Fußgängerunfälle die Tram respektive ihre Infrastruktur involviert war. Nicht zuletzt verweist das Papier in seiner Einleitung (Seite 5) auf Annika Hedelin: „Die aktuelle Literatur zeigt auch, dass die Komplexität des Stadtraums durch die Einführung der Straßenbahn spezifische Probleme der Verkehrssicherheit aufwirft, insbesondere bei Fußgängern.“

Hedelin hatte u. a. 1996 Straßenbahnunfälle in Göteborg untersucht und in 48% aller Unfälle mit Fußgängern eine Beteiligung der Tram ausgemacht.

Zitat
Ingolf

Hauptsynthese der Studie ist ein Hinweis auf bessere Sichtbarkeit (im Sinne von Beseitigung von Blickbarrieren, eventuell Markierung der Gleiskörper etc.) und die Einrichtung möglichst direkter Zuwegungen - insbesondere bei Umsteigehaltestellen. Also keineswegs ein Plädoyer für eine stärkere räumliche Separierung durch Zäune etc oder gar gegen Straßenbahnen in Fußgängerzonen.

Jein! Eine Forderung artikuliert die Studie dezidiert nicht, zumal das ja auch nicht der Intention entsprach. Jedoch finden sich die Vorbehalte mit Blick auf Straßenbahnen in Fußgängerzonen wie ein Kontinuum fortwährend in der Analyse. Beispielsweise wird auf Seite 13 die Illustration 2 mit den Worten kommentiert, dass in einer Fußgängerzone die Massen von Fußgängern eine Art bewegliche Mauer vor den Augen des Fahrers bilden. Letzteres wird auf Seite 18 darüber hinaus als eines der Hauptprobleme bei der gegenseitigen Wahrnehmung zwischen Fußgängern und Straßenbahn angesehen, wenn es um die Unfälle im Bereich der Stationen (in diesem Falle innerhalb von Fußgängerzonen) geht.
Zitat
hvhasel
Passend ist aktuell die folgende Fast-"Nichtaussage" des RegBM zum U-Bahn-Ausbau: "Wir wollen aber vorankommen, mit dem Ausbau des U-Bahn-Netzes."

[www.morgenpost.de]

In den von Müller erwähnten 1920er Jahren existierte aber auch ein stadtumfassendes Straßenbahnnetz, die Hälfte davon wird heute im Schienenersatzverkehr betrieben.

Beste Grüße
Harald Tschirner
Die Frage, die mit Sicherheit nicht nur mich umtreibt, ist: Wieso weiterhin nur entweder-oder? Wieso nicht gleichzeitig U-Bahn UND Straßenbahn? Damit meine ich nicht etwa den Ausbau in der gesamten Stadt allgemein, sondern parallele Strecken in denselben Korridoren mit hoher Nachfrage - Straßenbahn für Feinerschließung und Kurz- bzw. Mittelstreckenverkehre mit erhöhter Kapazität (gegenüber dem Bus), U-Bahn für schnelle Langstreckenverkehre mit höchstmöglicher Kapazität, also quasi ein Konzept von Lokal- und Expresslinien, hier auf zwei verschiedene Schienenverkehrsmittel aufgeteilt, die jeweils ihre scharf abgegrenzten Funktionsbereiche erfüllen und sich so zu einem hochgradig leistungsfähigen, symbiotischen Gesamtsystem ergänzen?
Zitat
J. aus Hakenfelde
Die Frage, die mit Sicherheit nicht nur mich umtreibt, ist: Wieso weiterhin nur entweder-oder? Wieso nicht gleichzeitig U-Bahn UND Straßenbahn? Damit meine ich nicht etwa den Ausbau in der gesamten Stadt allgemein, sondern parallele Strecken in denselben Korridoren mit hoher Nachfrage - Straßenbahn für Feinerschließung und Kurz- bzw. Mittelstreckenverkehre mit erhöhter Kapazität (gegenüber dem Bus), U-Bahn für schnelle Langstreckenverkehre mit höchstmöglicher Kapazität, also quasi ein Konzept von Lokal- und Expresslinien, hier auf zwei verschiedene Schienenverkehrsmittel aufgeteilt, die jeweils ihre scharf abgegrenzten Funktionsbereiche erfüllen und sich so zu einem hochgradig leistungsfähigen, symbiotischen Gesamtsystem ergänzen?

In den allermeisten Korridoren wird der Kosten-Nutzen-Faktor unter 1 sinken, wenn man eine teure U-Bahn baut, aber eine signifikante Anzahl von Fahrgästen weiterhin die parallele Straßenbahn nutzt. Wenn die Straßenbahn dann seltener fährt, wird diese auch unattraktiver.

Wobei: in der Schönhauser Allee gibt es ja genau diese Parallelführung, und beide Verkehrsmittel fahren nicht leer durch die Gegend. Die U-Bahn hat hier einen etwa doppelten Haltestellenabstand wie die Straßenbahn, und bedient insbesondere die wichtige Verknüpfung zur Linie 13 bzw. 50 nicht.
Die Frage bei den Sicherheitsbetrachtungen ist natürlich welche Alternativen den Fußgängern zum Zusammenstoß mit der Straßenbahn geboten werden? Wie groß ist also der Anteil an Kfz-Verkehr oder an Fahrradverkehr auf den betreffenden Abschnitten?

In Frankreich hat man ja mit der Straßenbahn gerne den Kfz-Verkehr auf das notwendigste reduziert...

Gruß Nemo
---

Eine Straßenbahn ist besser als keine U-Bahn!!
Zitat
Harald Tschirner
Zitat
hvhasel
Passend ist aktuell die folgende Fast-"Nichtaussage" des RegBM zum U-Bahn-Ausbau: "Wir wollen aber vorankommen, mit dem Ausbau des U-Bahn-Netzes."

[www.morgenpost.de]

In den von Müller erwähnten 1920er Jahren existierte aber auch ein stadtumfassendes Straßenbahnnetz, die Hälfte davon wird heute im Schienenersatzverkehr betrieben.

Und vor allem gab es fast keine U-Bahn und noch keine S-Bahn. Die Voraussetzungen waren damals also völlig anders. Hier offenbart sich mal wieder der Minderwertigkeitskomplex, wonach es eben nicht um eine sinnvolle Entscheidung zur Verkehrsmittelwahl geht, sondern U-Bahn-Ausbau um jeden Preis.

--- Signatur ---
Bitte beachten Sie beim Aussteigen die Lücke zwischen Bus und Bordsteinkante!
Zitat
def
Und ein Aspekt fehlt bei den mittelfristigen Kosten auch: die Busse müssten nach 10-15 Jahren ersetzt werden, die Stadtbahnen nach 25-30 Jahren. (Wobei diese Annahmen schon stark zugunsten des Busses ausgelegt ist - während 15 Jahre in den meisten deutschen Stadtbetrieben eher schon die obere Grenze darstellt, laufen in vielen Städten Bahnen, die z.T. deutlich älter als 30 Jahre sind.) Also selbst wenn die Kapazität der 25-m-Busse vorerst ausreicht, müssen im Lebenszyklus einer Stadtbahn zwei bis drei Busse beschafft werden. Wenn nicht, vier bis sechs.

So ist es. Busse halten höchstens 15 Jahren. Stadtbahnen fahren in der Regel wie U-Bahnen mindestens 30 bis 40 Jahren. Es gibt aber auch Fälle, dass sie dann nach dieser Einsatzzeit wie die Berliner U-Bahntypen A3E und F7xE modernisiert werden. Bonn macht dies z. B. mit den Stadtbahnen aus den Jahren 1974 bis 1977, so dass sie wie die Berliner A3E und F7xE insgesamt 50 bis 60 Jahre im Einsatz sein werden. Siehe [de.wikipedia.org]



4 mal bearbeitet. Zuletzt am 21.01.2020 00:01 von Henning.
Zitat
hvhasel
Passend ist aktuell die folgende Fast-"Nichtaussage" des RegBM zum U-Bahn-Ausbau: "Wir wollen aber vorankommen, mit dem Ausbau des U-Bahn-Netzes."

[www.morgenpost.de]

Viel interessanter als die persönliche Meinung von Herrn Müller finde ich die Aussage im Artikel, dass die Erstellung der Machbarkeitsstudien abgeschlossen ist. Da wird dann wohl demnächst noch etwas mehr an Infos kommen.

Viele Grüße
André
Zitat
Jay
Zitat
Harald Tschirner
Zitat
hvhasel
Passend ist aktuell die folgende Fast-"Nichtaussage" des RegBM zum U-Bahn-Ausbau: "Wir wollen aber vorankommen, mit dem Ausbau des U-Bahn-Netzes."

[www.morgenpost.de]

In den von Müller erwähnten 1920er Jahren existierte aber auch ein stadtumfassendes Straßenbahnnetz, die Hälfte davon wird heute im Schienenersatzverkehr betrieben.

Und vor allem gab es fast keine U-Bahn und noch keine S-Bahn. Die Voraussetzungen waren damals also völlig anders. Hier offenbart sich mal wieder der Minderwertigkeitskomplex, wonach es eben nicht um eine sinnvolle Entscheidung zur Verkehrsmittelwahl geht, sondern U-Bahn-Ausbau um jeden Preis.

Tiefbauindustrie ick hör dir trabsen...

Beste Grüße
Harald Tschirner
Zitat
Harald Tschirner

Auch wenn das Thema Hamburg nun schon etwas untergegangen und eigentlich auch OT ist, möchte ich hier als Beitrag zur Diskussion einmal eine Information der Pressestelle der Stadt Hamburg wieder geben, die 2001 anlässlich der Einleitung des damaligen Planfeststellungsverfahrens für den Bau der Stadtbahn im Internet veröffentlicht wurde, jetzt aber nicht mehr abrufbar ist. Sie wurde damals in der Zeitschrift "Blickpunkt Straßenbahn" im Heft 6/2001 auf den Seiten 4 und 5 auszugsweise abgedruckt:

...

Ich stimme den Argumenten ja bis auf wenige Ausnahmen umfänglich zu, zumal die Strecken 2001 deutlich sinnvoller geplant waren als das, was zum Ende des Jahrzehnts noch einmal einen kurzen Frühling erlebte.


Planungen des Stadtbahnnetzes unter Rot-Grün in Hamburg. Quelle: Verkehrsentwicklungsplan Hamburg, Stand 11/1999, Freie und Hansestadt Hamburg - Baubehörde

Was man aber gerne heutzutage vergisst, ist, dass selbst dieses aus heutiger Sicht scheinbar sichere Projekt nie mit aller Ernsthaftigkeit betrieben wurde. Bereits im Koalitionsvertrag von 1997 zwischen der SPD und den Grünen war festgehalten worden: „Die Realisierung der S-Bahn und /oder der Stadtbahn hängt davon ab, dass der Betriebshaushalt in Hamburg ausgeglichen ist.“

Gemeint ist nicht weniger als die Flughafen-S-Bahn, um die seit Jahrzehnten immer wieder gerungen wurde und die finanziell auf wackligen Beinen stand, weil sie in der damaligen Bundeshauptstadt Bonn nur nachrichtlich geführt wurde. Hinzu kam, dass die Grünen eine S-Bahn für insgesamt damals kalkulierte 370 Millionen DM, von denen die Stadt Hamburg 148 Millionen DM zu schultern hätte, strikt ablehnten. Sie waren der Auffassung, dass das Geld für die Wiedereinführung der Straßenbahn - auch mit einer Linie zum Flughafen - besser angelegt wäre. Die Wagner'sche Stadtbahn, wie sie mitunter spöttisch genannt wurde, fristete ab 1999 ein Schattendasein, nachdem Hamburgs Erster Bürgermeister, Ortwin Runde, im Frühjahr desselben Jahres vermittelnd der GAL ihr Zugeständnis zur Flughafen-S-Bahn abringen konnte.

Nicht von ungefähr ätzte im Interview „Wohin fährt Wagners Stadtbahn“ vom 19.10.1999 mit Verkehrssenator Eugen Wagner das Hamburger Abendblatt:

Hamburger Abendblatt: „Laufen eigentlich immer noch die Planungen für die Wiedereinführung der Straßenbahn, die man heute ja Stadtbahn nennt?“

Eugen Wagner: „Ja. Die Stadtbahn ist in der Planung, und wir haben die Absicht, noch in dieser Legislaturperiode das Planfeststellungsverfahren für den ersten Teilbereich zu eröffnen.“

Hamburger Abendblatt: „Das Projekt wird nicht begraben?“

Eugen Wagner: „Nein.“

Im selben Jahr begann bereits die Unzufriedenheit der Bevölkerung über den rot-grünen Senat und ihren Bürgermeister Ortwin Runde zuzunehmen. Eine im September 1999 von der „Welt“, der NDR-Hamburg-Welle 90,3 und des „Hamburger Journals“ in Auftrag gegebene Umfrage brachte eine demoskopisch bis dato nie dagewesene Wende: „Wenn die Bürger den Hamburger Regierungs-Chef direkt wählen könnten, würden derzeit 43 Prozent ihr Kreuz bei Beust machen, nur 41 Prozent bei Runde. Neun Prozent würden keinen von beiden wählen.“

Der Trend sollte sich fortsetzen, als eine weitere Umfrage im November 1999 die CDU bei mittlerweile 44% sah. In dieser Erhebung vom 11.11.1999 sollten die Wählerinnen und Wähler gleichfalls Schulnoten für die Arbeit des Senats vergeben. Die Bereiche „Innere Sicherheit/Bekämpfung der Kriminalität“ und Verkehrspolitik landeten mit der Note 4,1 auf dem hintersten Platz.

Unter diesen Vorzeichen verfestigt sich zumindest die Vermutung, dass das im Jahre 2001 mit reichlich Tamtam eröffnete Planfeststellungsverfahren ein letzter Versuch war, eine drohende Wahlniederlage bei den unmittelbar bevorstehenden Bürgerschaftswahlen doch noch zu verhindern. Ob einem solchen taktischen Manöver am Ende auch wirklich Taten gefolgt wären, kann man heute nicht mehr seriös einschätzen. Fest aber steht, dass der im Jahre 2000 für das Jahr 2001 beschlossene Etat bis zum Jahre 2004 für eine Stadtbahn lediglich 41 Millionen DM bereithielt. Und ob die prognostizierten Kosten für das erste 12 Kilometer lange Teilstück inklusive Fahrzeugen und Bau des Betriebshofs in Höhe von 425 Millionen DM wirklich gereicht hätten, oder ob Rot-Grün das Projekt in einer hypothetischen Nachfolgelegislatur dann wieder unter dem Druck des Sparhammers begraben hätte: Man weiß es nicht. Bloß eines weiß man, dass die Argumente für die Stadtbahn größtenteils richtig sind.

Zitat
Harald Tschirner

Nur ausnahmsweise, an besonders beengten Stellen wird sie auf kurzen Abschnitten als "Straßenbahn" mit dem motorisierten Individualverkehr gemeinsam geführt. Dabei wird durch eine entsprechende Ampelschaltung sichergestellt, dass die Stadtbahn im Gegensatz zur früheren Straßenbahn zügig und weitgehend behinderungsfrei und zuverlässig mit einem hohen Pünktlichkeitsgrad verkehren kann.

Hierzu habe ich im Thread ja bereits mehrfach meine Bedenken geäußert, gerade auch mit Blick auf die Leipziger Straße. An dieser Stelle bemühe ich den Verkehrsplaner Otto Hintermeister, der allgemein verbindliche Standards und Grenzen für die Führung von Kraftfahrzeugen und Stadt-/Straßenbahnen im Mischverkehr ausschließt, weil sich akzeptable Verkehrsmengen schwierig ableiten lassen, „da diese sehr stark von den jeweiligen Randbedingungen (insbesondere den Störeinflüssen aus der
Erschließungsfunktion) abhängen.“ Kurzum: Eine Straßenbahn, die am Ende genauso im Stau steht wie der Bus, ist in meinen Augen keine befriedigende Lösung.

Zitat
Harald Tschirner

M.E. sind das Argumente, die ohne Einschränkung noch heute und nicht nur in Hamburg gelten und die man bei objektiver Betrachtung eigentlich nicht widerlegen kann. Sie wurden aber vom nächsten Senat vom Tisch gefegt und sind heute kein Teil der dortigen Diskussion mehr.

Da bin ich vollkommen bei Dir. Unterdessen müssen sich für diese objektiv richtigen Argumente am Ende eben auch die Mehrheiten in der Gesellschaft und Politik einstellen. Ein letztes Mal aufs obige Beispiel Hamburg bezogen: Ich möchte gar nicht über den Sinn oder Unsinn der U4 in die HafenCity diskutieren. Die unter Wagners Ägide forcierte Stadtbahnplanung sah hier konsequenterweise die Anbindung mittels Straßenbahn vor. Bernd Tiedemann, Geschäftsführer der Gesellschaft für Hafen- und Standortentwicklung für das Projekt HafenCity, erläuterte im April 2001 die Pläne im Hamburger Abendblatt. Demnach sollte die „Stadtbahn von einem im Osten der HafenCity gelegenen Depot aus über die Brandstwiete und Mönckebergstraße zum Hauptbahnhof führen.“ Mit 350 Millionen DM Investitionskosten rechnete man für die rund drei Kilometer lange Strecke. Auf der Versmannstraße als Haupterschließungsstraße sollte die Stadtbahn einen Gleiskörper in der Mitte erhalten. Eine U-Bahn war (bezeichnenderweise) für Tiedemann abwegig: „Die Gebäude der Speicherstadt stehen auf Pfählen, die tief in den Boden reichen. Ein U-Bahn-Tunnel müsste in einem ausgesprochen steilen Winkel nach unten und oben führen. Das ist technisch nicht realisierbar.“

Wie ich weiter oben bereits erkennen ließ, habe ich Zweifel, ob Rot-Grün die Stadtbahn am Ende tatsächlich überhaupt gebaut hätte. Zumal sich auch damals schnell erster Widerstand regte. Allen voran die Interessengemeinschaft der Grundeigentümer der City Nord mit 30.000 Angestellten in 45 Firmen und 200 Milliarden DM Jahresumsatz im Nacken. Ob das im Zentrum anders gewesen wäre bzw. sein würde? Die HafenCity als neuer Stadtteil wurde letzten Endes wenigstens ans Schienennetz angebunden. Ja, Steilshoop, Osdorf etc. warten noch immer. Aber wäre es deswegen besser, wenn man in der HafenCity dieselben Fehler wie in den anderen Stadtteilen gemacht hätte und es am Ende weder eine Stadtbahn noch eine U-Bahn gegeben hätte? Mir jedenfalls ist eine U-Bahn doch lieber als nichts.
Was hat Hamburg mit dem Threadthema zu tun?

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Für mehr gelbe Farbe im Netzplan: die Farben der U4 und U7 tauschen!
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