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Sammelthread: Verkehrspolitik in Berlin
geschrieben von Arnd Hellinger 
Zitat
Latschenkiefer
Es ist völlig absurd. Die SPD versucht ihr soziales Gewissen ausgerechnet anhand des Autobesitzes auszuleben.

Klar. Wie hieß das schon immer: "Sozial ist was Parkplätze schafft." oder so ähnlich?

*******
Das Gegenteil von ausbauen ist ausbauen.
Zitat
TomB
Die SPD hat ihre eigenen Ideen für die Verkehrswende:
[www.tagesspiegel.de]

Zitat

Darüber hinaus machen die Sozialdemokraten klar, was es mit ihnen nicht geben wird. „Sanktionsmechanismen wie die City-Maut als Bezahlschranken, die Zwangsabgabe BVG oder die Vervielfachung von Parkgebühren auch für Berufspendler lehnen wir schon wegen der sozialen Unausgeglichenheit ab. Für uns ist Mobilität kein Reichenrecht“, heißt es in dem Papier in Richtung Grüne.

Was die SPD dort schreibt, grenzt an Fundamental-Opposition, was Verkehrspolitik angeht. Ich glaube, das Thema Verkehrspolitik ist für die restliche Amtszeit von RRG Geschichte, da wird wohl kein gemeinsamer Beschluss mehr rauskommen, leider. Frau Günther wird im nächsten Senat ohnehin nicht mehr dabei sein, damit ist ihre Bilanz also das, was aktuell auf dem Tisch liegt. Was danach wie mit wem kommt, können wir gespannt sein.

Viele Grüße
André
Zitat
Jay
Aber billige ÖPNV-Tickets (oder gar Freifahrt) für Reiche (bzw. deren Kinder) ist für die SPD offenbar in Ordnung. */Polemik

Möchtest du künftig die Fahrpreise je nach verfügbarem Familieneinkommen staffeln? Sozialtickets für Bezieher von Transferleistungen (gegen Nachweis) gibt es doch schon. Sollen nun Menschen mit Einkommen oberhalb des doppelten der Armutsgrenze den doppelten Fahrpreis zahlen und deren Kinder keine Freifahrt mehr bekommen?

Dann werden die sich niemals mehr aus ihren Autos heraus bewegen. */ auch Polemik ;-)

so long

Mario
Zitat
andre_de
Zitat
TomB
Die SPD hat ihre eigenen Ideen für die Verkehrswende:
[www.tagesspiegel.de]

Zitat

Darüber hinaus machen die Sozialdemokraten klar, was es mit ihnen nicht geben wird. „Sanktionsmechanismen wie die City-Maut als Bezahlschranken, die Zwangsabgabe BVG oder die Vervielfachung von Parkgebühren auch für Berufspendler lehnen wir schon wegen der sozialen Unausgeglichenheit ab. Für uns ist Mobilität kein Reichenrecht“, heißt es in dem Papier in Richtung Grüne.

Was die SPD dort schreibt, grenzt an Fundamental-Opposition, was Verkehrspolitik angeht. Ich glaube, das Thema Verkehrspolitik ist für die restliche Amtszeit von RRG Geschichte, da wird wohl kein gemeinsamer Beschluss mehr rauskommen, leider. Frau Günther wird im nächsten Senat ohnehin nicht mehr dabei sein, damit ist ihre Bilanz also das, was aktuell auf dem Tisch liegt. Was danach wie mit wem kommt, können wir gespannt sein.

Viele Grüße
André

Ich kann Deinen Unmut absolut nachvollziehen, denke aber, es wird schon irgendwie weitergehen. Der Klimawandel wird die Menschheit vor enorme - auch und gerade sozialpolitische - Herausforderungen stellen. Gelegentlich werden sich die damit verbundenen Konflikte auch krachend entladen, ganz sicher nicht nur in Berlin.

Man sollte nur zusehen, sich nach einem hoffentlich "reinigendem Gewitter" auf konkrete, möglichst größere Schritte zu einigen. Außerdem: Wenn es überhaupt erst einmal gelänge, größere Teile der Senatsbeschlüsse zum ÖV - und selbstverständlich auch zur Parkraumbewirtschaftung - praktisch umzusetzen, wäre man sehr viel weiter, als es sich unsereiner etwa im Jahr 2013 erhofft hätte.

Höhere Parkgebühren - ich wäre schon froh, wenn es zunächst einmal gelänge, überhaupt Parkgebühren im öffentlichen Straßenland zu erheben, jedenfalls innerhalb der Ringbahn. Im Moment sind wir dort nämlich überwiegend bei einer Parkgebühr von 0 €.

Ich schreibe einmal einige Städtenamen auf, die mir gerade einfallen: Peking, Shanghai, Schenzhen, Dehli, Los Angeles, Mumbai, Tokio, Seoul, New York, Rio de Janeiro, Moskau, Chennai, Kolkata, Dhaka, Paris, Kuala Lumpur, Kairo, Bangkok, Lagos - in welcher der genannten Städte läuft es denn besser als in Berlin?

Allseits ein schönes Wochenende wünscht Euch
Marienfelde
Na gut, ich war letztes Jahr in Kairo. Nicht vergleichbar, Parkgebühren gibts dort nicht, unser Taxifahrer sprach eher von Autos ohne gültige Zulassung und Fahrern ohne Führerschein. Erinnerte mich man an Minsk in den 80er Jahren, keine Ahnung wo damals die ganzen Autos in der armen SU herkamen, von den Fahrkünsten mal abgesehen.
Zitat
Logital
Zitat
Latschenkiefer
Es ist völlig absurd. Die SPD versucht ihr soziales Gewissen ausgerechnet anhand des Autobesitzes auszuleben.

Klar. Wie hieß das schon immer: "Sozial ist was Parkplätze schafft." oder so ähnlich?

Kein Auto zu besitzen schafft Parkplätze.


Das Gegenteil von pünktlich ist kariert.
Zitat
andre_de
Was die SPD dort schreibt, grenzt an Fundamental-Opposition, was Verkehrspolitik angeht. Ich glaube, das Thema Verkehrspolitik ist für die restliche Amtszeit von RRG Geschichte, da wird wohl kein gemeinsamer Beschluss mehr rauskommen, leider. Frau Günther wird im nächsten Senat ohnehin nicht mehr dabei sein, damit ist ihre Bilanz also das, was aktuell auf dem Tisch liegt. Was danach wie mit wem kommt, können wir gespannt sein.

Man verweist da auf den Koalitionsvertrag und das leider nicht ganz zu unrecht.

x--x--x--x

Für mehr gelbe Farbe im Netzplan: die Farben der U4 und U7 tauschen!
Nunja, ein Koalitionsvertrag legt Ziele für die Legislaturperiode fest. Hier geht es ja um längerfristige Ziele bis 2030 oder später. Die SPD-Aussage, dass zur Zielerreichung notwendige Projekte nicht im Koalitionsvertrag stehen, ist zwar richtig, geht aber an der Sache vorbei. Und die Erreichung von Klimazielen wurde sehr wohl vereinbart.

Richtig absurd wird es dann, wenn bei der SPD alles billiger (ÖPNV) oder nicht teurer (Parken und Autofahren) werden soll. Der Preis ist nunmal ein sehr wichtiges Steuerungsinstrument, und wenn man den Verbrauch bestimmter Güter (fossile Kraftstoffe im Verkehr) verringern will, dann muss man sie in der Regel verteuern.
Das Grundproblem der jetzigen Koalition im Senat ist doch, dass sie die Probleme isoliert betrachten.

Kein Pendler steht morgens freiwillig im Stau. Fast ausnahmslos jeder hätte gern mehr Zeit für seine Freunde, Familie und Freizeit.
Die Ursache, warum es überhaupt so viele Pendler gibt ist doch der Fakt, dass es viel zu wenige Wohnungen in Berlin in nähe der Arbeitsplätze gibt. Dieser Mangel erzeugt die Verkehrsströme. Die Büro-Neubauten der vergangenen Jahre konzentrieren sich im City-Bereich und sorgen somit für eine weiter steigende Belastung der existierenden Verkehrsträger. Corona hat da kurzfristig etwas gedämpft, aber der Trend ist klar ersichtlich.

Das zweite, weitaus fatalere Problem ist die einseitige Fokussierung auf die Armen / sozial Bedürftigen. Dabei gerät die Mittelschicht, Familien mit 2 Einkommen und 2 Kindern, komplett aus dem Blick. Dank der Beschlüsse zur Neuvermietung von Wohnraum bei den Wohnbaugesellschaften werden diese Familien massiv aus der Stadt gedrängt, wenn das Einkommen über der WBS Grenze liegt, aber weit jenseits dem, was man bräuchte um bei einem privaten Vermieter eine 4-Raum Wohnung zu mieten. Das Resultat ist, dass diese Familien in den Speckgürtel verdrängt werden. Denn es gibt einfach so gut wie keine freien bezahlbaren 4-Raum Wohnungen.

Die nachhaltigste Form, das Verkehrsproblem in Berlin teilweise zu lösen, ist massiv in den Neubau von Wohnraum zu investieren, so dass das Angebot die Nachfrage übertrifft. Erst ab diesem Punkt werden die Mieten fallen. Und wenn die Leute in Arbeitsnähe wohnen können, dann steigt auch die Bereitschaft vom PKW auf's Rad umzusteigen. Im Nahbereich gibt es kaum Zeitgewinn mit dem PKW.
Aber wenn jemand in Groß Ziethen wohnt, weil er hier in Berlin keine bezahlbare Wohnung findet, dann ist es eben keine Wahl-Entscheidung mehr. Dort, wo gefühlt 2x am Tag ein Bus fährt, gibt es die Option Umstieg realistisch gar nicht. Und wenn der Arbeitsplatz dann in Spandau oder Charlottenburg liegt, dann ist das eben leider auch keine Distanz mehr, wo man mit dem Fahrrad fährt.

In einigen Bereichen wird der Anteil von Home-Office zunehmen. Das wird aber nicht alle Verkehrsströme weg-zaubern.
Es wäre zu wünschen, dass die Politik die Wohnungsnot und das Verkehrsproblem als zwei Seiten der selben Medaille wahr nimmt.
Dann kommt man hoffentlich auch schneller zu sinnvollen Lösungen.
Zitat
Balu der Bär
Kein Pendler steht morgens freiwillig im Stau.

Mein Eindruck ist da ein ganz anderer.
Im Übrigen stehen diese Personen nicht im Stau - sie sind der Stau.


Das Gegenteil von pünktlich ist kariert.
Zitat
Alter Köpenicker
Zitat
Balu der Bär
Kein Pendler steht morgens freiwillig im Stau.

Mein Eindruck ist da ein ganz anderer.
Im Übrigen stehen diese Personen nicht im Stau - sie sind der Stau.

Die Anwort ist mir zu einfach..
Wer wie darüber erwähnt aus Dörfern jenseits der Stadtgrenze kommt, steigt nicht um da wo der erste Bus irgendwann nach 6.00 im 20min Takt verkehrt,
der fährt bis zum Arbeitsplatz durch, günstigenfalls bis zu einer Schnellbahn/Straßenbahn Station/Haltestelle.
Egal ob Bürofuzzi mit 9-17.00 Kernarbeitszeit oder Schichtarbeiter.
Genauso wie richtig erwähnt wird, fährt das keiner mit dem Rad, und in 6 Wochen wird sich die Zahl derjenigen sowieso drastisch reduzieren bis zum Frühjahr.
Vielleicht muß man neben dem massiven Wohnungsbau ( statt immer neuer Bürotürme, die sich in aktuellen "Heimbüro" Zeiten eh kaum noch rechnen dürften,
oder statt Eigentumswohnungsbau mit Quadratmeterpreisen für gutbetuchte Kapitalanleger aus dem Ausland, die entspr. Rendite erwirtschaften wollen),
auch mit dem Mittel arbeiten, das wer keinen Arbeits/Studien oder ähnlich gearteten Platz in Berlin nachweisen kann, nicht in die Stadt ziehen darf-gabs nachm Krieg auch schonmal.
Ansonsten wird eben die erwähnte Familie mit den zwei Kindern weiter ins Umland ziehen, weil für das selbe Geld mit dem in Berlin die Miete bezahlt wird,
im Umland Eigentum erworben werden kann,trotz Vorhaltung von ein bis zwei PKW etc...

T6JP
Nach meiner Erfahrung ist eine gleichwertige Wohnung im Speckgürtel nicht
unbedingt billiger. Meist nur da, wo die Anbindung und der Versorgungsgrad
bescheiden sind.

Viele ziehen jedoch aus ganz anderen Gründen "ins Grüne". Es gibt in der Stadt eben
nicht genug Einfamilienhausgrundstücke "für Alle".

Das sich selbst verstärkende Phänomen ist doch auch, dass für manche die Stadt
nicht "lebenswert" genug ist - Stichwort "hier in der stinkenden, dreckigen, gefährlichen
Stadt sollen meine Kinder aufwachsen"? Das "ins-Grüne-Ziehen" und der zunehmende
Pendlerverkehr machen jedoch die Stadt immer weniger lebenswert und - wer es sich
leisten kann (siehe oben, kann sich nicht jeder leisten) - zieht raus. Der Staat fördert
den Weg auch noch fatalerweise mit der Pendlerpauschale.

Den Teufelskreis kann man nur durchbrechen, wenn man irgendwo anfängt.
Pendlerpauschale abschaffen? Traut sich kein Politiker ran.
Stadt lebenswerter machen? Manche versuchen es, aber der Gegenwind ist massiv.

Geld für Kommunen ist gerade in Corona immer knapper. Wir brauchen Schulen,
die Wirtschaft, Künstler und Kultur brauchen Unterstützung. ÖPNV ausbauen, obwohl
die Leute Auto fahren? Schwer im Kreistag oder Landtag dafür Mehrheiten zu bekommen.
Bundesstraßen zahlt der Bund (siehe A115, A113, B101, B96 etc.) aber das Angebot
der Öffentlichen muss aus Landesmitteln kommen. 20-Minuten-Takt ist eben nicht
attraktiv, wenn die Straßen super ausgebaut sind. Klar, dass dann die Leute Puls
bekommen, wenn man bequem und "besser" als mit den Öffis in die Stadt kommt,
aber der Parkplatz dann was kosten soll oder eine Spur wegfallen soll.

Jahrzehnte der Bevorzugung des MIV bekommt man nicht "Mal eben" weg. Aber
irgendwo muss man anfangen.


Edit: Großziethen ist ein schlechtes Beispiel - Buckow, Rudow oder Lichtenrade haben
deutlich billigere Wohnungen zu bieten als Schönefeld und der OT Großziethen.



1 mal bearbeitet. Zuletzt am 20.09.2020 20:06 von TomB.
Doppelpost, sorry



1 mal bearbeitet. Zuletzt am 20.09.2020 20:06 von TomB.
Hallo,

ein Tagesspiegel-Kommentar greift die Blockadehaltung und Ziellosigkeit der SPD in der Verkehrspolitik auf:

https://www.tagesspiegel.de/berlin/verkehrspolitik-in-berlin-die-genossen-geben-gas/26199506.html

Nicht nur, dass Herr Müller den blassesten und führungsschwächsten RegBM abgegeben hat, den man sich vorstellen kann. Als Vermächtnis macht er die ehem. große Berliner SPD immer unwählbarer und schickt sie damit wohl für sehr lange Zeit in die Bedeutungslosigkeit. Aber die Partei-Genossen haben sich ihn ja selbst gewählt...

Viele Grüße
André
Die SPD macht doch schon seit Jahrzehnten eine eher fragwürdige Verkehrspolitik. Und Müller mag einer der blassesten Regierenden Bürgermeister sein (Stobbe ist da mindestens hart dran), aber was nützt ein populärer Mann an der Senatsspitze wie Willy Brandt, wenn dafür Straßenbahn und S-Bahn auf der Strecke blieben? Der SPD-Bausenator Rolf Schwedler amtierte von 1955-1972 und steht wie kaum ein anderer Politiker für die autogerechte Stadt. Andererseits wurde z.B. unter SPD-Bürgermeistern die heutige U7 innerhalb von 22 Jahren (1962-1984) vom Mehringdamm bis Spandau verlängert. Wie lange brauchte man nun für das Stück Alex-Hauptbahnhof? Die S-Bahn wurde dann ausgerechnet unter der CDU ab 1981 wieder ein Thema und einzig die Koalition aus SPD und AL haute ab 1989 wirklich rein und setzte Zeichen. Die Berliner Verkehrspolitik ist ein schwieriges Feld und von Brüchen gekennzeichnet. Das wird noch auf Jahre so weitergehen.

x--x--x--x

Für mehr gelbe Farbe im Netzplan: die Farben der U4 und U7 tauschen!
Zitat
T6Jagdpilot
Zitat
Alter Köpenicker
Zitat
Balu der Bär
Kein Pendler steht morgens freiwillig im Stau.

Mein Eindruck ist da ein ganz anderer.
Im Übrigen stehen diese Personen nicht im Stau - sie sind der Stau.

Die Anwort ist mir zu einfach..
Wer wie darüber erwähnt aus Dörfern jenseits der Stadtgrenze kommt, steigt nicht um da wo der erste Bus irgendwann nach 6.00 im 20min Takt verkehrt,
der fährt bis zum Arbeitsplatz durch,

Und produziert mit diesem Verhalten ganz freiwillig einen Stau.
Wer dem Stau entgehen will, fährt nur bis zum nächsten Schnellbahnanschluß und dann weiter - ganz ohne Stau - bequem mit der Bahn. Eine Vielzahl von Pendlern stellt diese Methode der Fortbewegung tagtäglich unter Beweis.


Das Gegenteil von pünktlich ist kariert.
Bequem ist das Bahn fahren ja leider nicht.
Zitat
Balu der Bär
Die nachhaltigste Form, das Verkehrsproblem in Berlin teilweise zu lösen, ist massiv in den Neubau von Wohnraum zu investieren, so dass das Angebot die Nachfrage übertrifft. Erst ab diesem Punkt werden die Mieten fallen.

Oder wird die Stadt dann statt fallenden Mieten erneut oder immer noch zur Mega-Einwanderungsstadt?
Deine Grundidee entspricht ein wenig den Erfahrungen der 1990er Jahre. Damals erweiterte man das Wohnungsangebot immens mit staatlicher Förderung (Zuschüsse und Sonderabschreibungen auf vermietete Wohnungen) sowohl in der Innenstadt wie im Umland. Da der Zuwachs an Einwohnern aber auf sich warten ließ, bekamen wir – marktkonform – bei großem Angebot für wenige Nachfragen tatsächlich deutliche Mietsenkungen für Mietwohnungen und Preisverfall für Eigentum. Was sich 1993 noch für 14 DM je qm vermieten ließ, stand 1997 für 12 DM leer. Und 1999 war an Vermietungen oberhalb 11 DM je qm kaum zu denken. 160.000 Wohnungen Leerstand in Berlin noch 2007 waren für die kommunale und private Wohnungswirtschaft schwer zu verkraften.
Erst ab 2008 wurde die Stadt schnell voller, die halbe Welt – nicht nur aus der EU - entdeckte Berlin als Stadt, in der man außergewöhnlich billig leben kann, jedenfalls im Vergleich zu anderen Metropolen wie London, Paris, Amsterdam oder Mailand. Ein klein wenig Wirtschaftskraft kam in der Zwischenzeit dazu, schon war der Leerstand weg und genauso marktkonform wie umgekehrt in den 90ern stiegen die Preise für Mietwohnungen und Eigentum.
Wenn man den Neubau von Wohnungen vorsieht und sich dadurch Mietsenkungen erwartet, muss man auch dafür sorgen, dass die Anzahl der potentiellen Nachfrager limitiert ist. Dann ist nur noch begrenzt Freizügigkeit – ohne Begrenzung des Zuzugs funktioniert die von Dir aufgeführte Logik nicht. Oder im ungünstigsten Fall würde auch der wirtschaftliche Niedergang der Stadt helfen, weil dann ein großer Teil der Arbeitenden ihre Arbeitsplätze und damit auch ihre Wohnorte woanders suchen.

Und noch ein Gedanke darüber hinaus: die aufzurufenden Preise für Neubauwohnungen (egal ob Miete oder Eigentum), die sich zwangsläufig aus den Refinanzierungskosten für den Bau und die Bewirtschaftung ergeben, kann sich in Berlin bei den gegebenen Einkommensverhältnissen nicht jeder leisten. Insoweit wird nach den Insolvenz-Erfahrungen der 1990er Jahre von den Bauträgern auch kaum wieder so auf Vorrat gebaut werden, dass tatsächlich wieder ein deutlicher Leerstand zu verzeichnen sein wird. Da auch der Staat als Investor bei billigen Wohnungen wegen der hohen Kosten zwangsläufig zurückhält, nehme ich an, dass wir die Situation mit Mietsenkungen aufgrund Leerstand nach Neubau nicht so schnell wieder erleben werden.

Mit besten Grüßen

phönix
Zitat
Balu der Bär
Kein Pendler steht morgens freiwillig im Stau. Fast ausnahmslos jeder hätte gern mehr Zeit für seine Freunde, Familie und Freizeit.

Aber so mancher scheint es zumindest hinzunehmen, zumindest, wenn er weit rauszieht. Und das ist nicht immer nur eine Zwangsentscheidung.

Zitat
Balu der Bär
Die Ursache, warum es überhaupt so viele Pendler gibt ist doch der Fakt, dass es viel zu wenige Wohnungen in Berlin in nähe der Arbeitsplätze gibt. Dieser Mangel erzeugt die Verkehrsströme.

Auch, aber nicht nur. Spätestens bei Paaren muss man sich zuweilen eben entscheiden, wer von beiden einen kürzeren Arbeitsweg hat (oder beide einen gleich langen), und welche Priorität bei der Wohnungswahl der Arbeitsweg hat.

Zum anderen sind Arbeitsstellen ja auch nicht lokal verankert und können durchaus "umziehen": wenn man den Job wechselt, wenn der Arbeitgeber Leute entlässt, wenn man sich beruflich verändern möchte, wenn man überhaupt keine Wahl hat, wo man arbeitet, wenn das Büro und die Fertigungsstätte umzieht etc.

Zitat
Balu der Bär
Die Büro-Neubauten der vergangenen Jahre konzentrieren sich im City-Bereich und sorgen somit für eine weiter steigende Belastung der existierenden Verkehrsträger. Corona hat da kurzfristig etwas gedämpft, aber der Trend ist klar ersichtlich.

Davon abgesehen, dass es auch Leute gibt, die nicht in Büros arbeiten: der Trend ist mitnichten klar ersichtlich. In den letzten 25, 30 Jahren ist einer der größten Science Parks Deutschland in Adlershof entstanden, aktuell entwickelt er sich Richtung Schöneweide weiter. Weitere Entwicklungsschwerpunkte von Gewerbe und Industrie sind u.a. der bald ehemalige Flughafen Tegel, die Gegend südlich des S-Bahnhofs Grünbergallee und in Hohenschönhausen/Marzahn die Gegend zwischen S7 und S75. Irgendeinen Trend, dass sich neue Arbeitsplätze auf den Citybereich konzentrieren, würde ich daraus nicht ableiten - zumal nach Bebauung der Heidestraße und der Gegend um den Ostbahnhof ja langsam die Flächen für größere Entwicklungen ausgehen.

Zitat
Balu der Bär
Das zweite, weitaus fatalere Problem ist die einseitige Fokussierung auf die Armen / sozial Bedürftigen. Dabei gerät die Mittelschicht, Familien mit 2 Einkommen und 2 Kindern, komplett aus dem Blick. Dank der Beschlüsse zur Neuvermietung von Wohnraum bei den Wohnbaugesellschaften werden diese Familien massiv aus der Stadt gedrängt, wenn das Einkommen über der WBS Grenze liegt, aber weit jenseits dem, was man bräuchte um bei einem privaten Vermieter eine 4-Raum Wohnung zu mieten. Das Resultat ist, dass diese Familien in den Speckgürtel verdrängt werden. Denn es gibt einfach so gut wie keine freien bezahlbaren 4-Raum Wohnungen.

Hier wäre eine Möglichkeit, beim Verkauf bundes- und landeseigener Grundstücke Genossenschaften zu bevorzugen. Dafür müssten aber die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden, ggf. sogar auf EU-Ebene, damit nicht der Meistbietende den Zuschlag erhält.



1 mal bearbeitet. Zuletzt am 21.09.2020 09:50 von def.
Zitat
B-V 3313
Die SPD macht doch schon seit Jahrzehnten eine eher fragwürdige Verkehrspolitik. Und Müller mag einer der blassesten Regierenden Bürgermeister sein (Stobbe ist da mindestens hart dran), aber was nützt ein populärer Mann an der Senatsspitze wie Willy Brandt, wenn dafür Straßenbahn und S-Bahn auf der Strecke blieben? Der SPD-Bausenator Rolf Schwedler amtierte von 1955-1972 und steht wie kaum ein anderer Politiker für die autogerechte Stadt. Andererseits wurde z.B. unter SPD-Bürgermeistern die heutige U7 innerhalb von 22 Jahren (1962-1984) vom Mehringdamm bis Spandau verlängert. Wie lange brauchte man nun für das Stück Alex-Hauptbahnhof? Die S-Bahn wurde dann ausgerechnet unter der CDU ab 1981 wieder ein Thema und einzig die Koalition aus SPD und AL haute ab 1989 wirklich rein und setzte Zeichen. Die Berliner Verkehrspolitik ist ein schwieriges Feld und von Brüchen gekennzeichnet. Das wird noch auf Jahre so weitergehen.

Ich stimme Dir absolut zu. Im Grunde spiegelt die große Widersprüchlichkeit der SPD (nicht nur) in der Berliner Verkehrspolitik aber auch die in der Gesellschaft insgesamt vorhandenen Konfliktlinien wider. Förderung des Umweltverbunds ja - aber man will natürlich auch von den Leuten gewählt werden, deren tägliches Fahrtziel der PKW-Parkplatz der Firma Siemens auf dem Sickingenplatz ist.

Ich glaube und hoffe, der Weg zurück zur absoluten Rücksichtslosigkeit, mit der z.B. der Weiterbau der A 100 gegen sehr große inner- und außerparteiliche Widerstände durchgedrückt wurde, wird wegen tiefgreifenderer Umbruchprozesse in einem Teil der Gesellschaft nicht mehr funktionieren.

Neue Kompromißlinien in der Verkehrspolitik müssen gefunden werden. Das ist schwierig genug, und programmatische Rückfälle in Richtung der 1960er oder 1970er Jahre sind dabei nicht sehr hilfreich.
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