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Sammelthread: Verkehrspolitik in Berlin
geschrieben von Arnd Hellinger 
Zitat
Logital

Bei aller Liebe, aber dass "niemad" mit dem Fahrrad fährt behauptet ja nicht mal er. Einige der in der Antwort aufgeführten Zählstellen weisen dagegen durchaus eine Halbierung des Aufkommens auf.

Und dabei hatten wir ja noch nicht einmal einen "richtigen" Winter mit Schnee, Eiseskälte etc.

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Gute Nacht, Forum!
Zitat
Logital
Bei aller Liebe, aber dass "niemad" mit dem Fahrrad fährt behauptet ja nicht mal er. Einige der in der Antwort aufgeführten Zählstellen weisen dagegen durchaus eine Halbierung des Aufkommens auf.

Ich schätze mal: etwa die Hälfte des Rückgangs kommen vom Wegfall der Touristen(gruppen) per Rad, die im Winter natürlich nicht unterwegs sind. Die andere Hälfte dürften wirklich die Saisonschwankungen des "normalen" Verkehrs sein. D.h., der geht im Winter etwa um ein Drittel zurück.
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B-V 3313
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def
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B-V 3313
Es gibt aber nicht schlimmeres, als wenn wie teilweisen in der Kantstraße, die Parkplätze zwischen Radweg und Fahrbahn sind. Kinder verschwinden so hinter den parkenden Autos und auch Erwachsene sind bei größeren Autos nicht mehr zu sehen.

Da bin ich bei Dir. Diese Radwege sind für alle Beteiligten (natürlich mit Ausnahme der Autofahrenden) extrem gefährlich: die Radfahrenden verschwinden aus dem Sichtbereich der Autofahrenden, im dümmsten Fall sind sie außerdem gezwungen, im Türschwenkbereich der parkenden Autos zu fahren. Zu-Fuß-Gehende müssen nach dem Überqueren der Straße hinter den parkenden Autos nochmal auf den Radweg achten, weil ansonsten für sie und die Radfahrenden gefährliche Situationen entstehen.

Für mich sind diese abgetrennten Wege auch ein weiterer Baustein der autogerechten Stadt. Anstatt den schweren Weg zu gehen und die StVO durchzusetzen, wird der leichte Weg gewählt und einfach jede Verkehrsart so gut es geht von der anderen getrennt und damit auch eine falsche Sicherheit vorgegaukelt. Man verkehrt nebeneinander und nicht miteinander. Dann wundern sich die Leute auch noch, dass es an Kreuzungspunkten zu Konflikten kommt.

Erfahrungen - auch aus vielen anderen Ländern - haben gezeigt, dass Mischverkehre auf Hauptstraßen bzw. nur leicht abmarkierte Radstreifen nicht die Akzeptanz aufweisen, um deutlich mehr Bevölkerungsgruppen, wie z.B. Ältere, Kinder etc. auf das Fahrrad zu bringen. Und selbst viele als fit einzustufende Erwachsene trauen sich bei solchen Bedingungen aufs Farrad.
Es ist und bleibt ein objektives (im Zweifelsfall ist der Autofahrer immer der Stärkere und kommt bei einem Unfall mit einem Radfahrer meist nahezu unverletzt davon) und subjektives Sicherheitsproblem. Da hilft auch kein Verweis auf "Durchsetzung der StVO" - die Konfliktfelder wird es weiter geben. Es sei denn, wir bringen den Autoverkehr restriktiv überall auf das Geschwindigkeitsniveau des Radverkehrs - also 15-20 km/h. Das beträfe dann aber auch Busse und Bahnen.

Insofern setzten gerade Länder, wie z.B. die Niederlande oder Dänemark mit erfolgreicher Radverkehrsstrategie auf bauliche separierte Radwege und gewinnen damit eine sehr hohe Akzeptanz. Und dortige Beispiele zeigen, dass es auch sehr viele Lösungen gibt, die städtebaulich verträglich und sicher sind. Ich kenne dort kaum Pollerorgien oder unübersichtliche, schlecht einsehbare Bereiche.

Ingolf
Zitat
Ingolf
[...]

Insofern setzten gerade Länder, wie z.B. die Niederlande oder Dänemark mit erfolgreicher Radverkehrsstrategie auf bauliche separierte Radwege und gewinnen damit eine sehr hohe Akzeptanz. Und dortige Beispiele zeigen, dass es auch sehr viele Lösungen gibt, die städtebaulich verträglich und sicher sind. Ich kenne dort kaum Pollerorgien oder unübersichtliche, schlecht einsehbare Bereiche.

Ingolf

Wobei das auch zu Lasten der Fußgänger geht. In Amsterdam hatte ich da die eine oder andere Stelle, die mir nicht so zugesagt hat. Sei es zum Beispiel die zusätzlich nötige Querung der Radanlagen an Kreuzungen - das mag dort funktionieren, aber in der "ich zuerst"-Gesellschaft hier habe ich große Bauchschmerzen, so wie Radfahrende teilweise durch Fußgängerströme holzen.

Der Hammer war aber der Weg vom Hotel zur U-Bahn. Die klassische Baumscheibe verringerte den nominellen eh schon schmalen Fußweg auf etwa 10-20 Zentimeter. Als Fußgänger musste ich also zwangsweise auf den Radweg ausweichen.

Bei der Gestaltung der Anlagen wird allerdings viel größeren Wert auf Sichtbarkeit vor Knotenpunkten gelegt, während hier bis kurz vor die Kreuzung geparkt und oft nur halbherzig abmarkiert wird. Gerade bei baulicher Trennung sehe ich da das weiterhin größte Gefahrenpotenzial und Kreuzungen lassen sich nicht vermeiden. ;)

--- Signatur ---
Bitte beachten Sie beim Aussteigen die Lücke zwischen Bus und Bordsteinkante!
Zitat
Jay
Wobei das auch zu Lasten der Fußgänger geht. In Amsterdam hatte ich da die eine oder andere Stelle, die mir nicht so zugesagt hat. Sei es zum Beispiel die zusätzlich nötige Querung der Radanlagen an Kreuzungen - das mag dort funktionieren, aber in der "ich zuerst"-Gesellschaft hier habe ich große Bauchschmerzen, so wie Radfahrende teilweise durch Fußgängerströme holzen.
Der Hammer war aber der Weg vom Hotel zur U-Bahn. Die klassische Baumscheibe verringerte den nominellen eh schon schmalen Fußweg auf etwa 10-20 Zentimeter. Als Fußgänger musste ich also zwangsweise auf den Radweg ausweichen.

Ja, lange Zeit sind sowohl in den Niederlanden als auch in Dänemark Radwege zu Lasten von Fußwegen eingerichtet worden. Das wird inzwischen auch dort oft sehr kritisch gesehen und ist (meist) nicht mehr der übliche Standard bei Neuanlagen. Diese gehen inzwischen bei knapper Platzverfügbarkeit eher zu Lasten des MIV. Nach meiner aktuellen Einschätzung haben Belange für Fußgänger in Dänemark aber jetzt einen höheren Status, als in den Niederlanden.

Und ja, auch in habe in Amsterdam mal einige Minuten gebraucht, um einen Radweg zu Fuß zu queren - übrigens zeitkritisch auf dem Weg zum Bahnhof im Frühberfufsverkehr. Allein schon die Annäherung an den ununterbrochenen Fahrradstrom wurde mit Klingelei und frechen Kommentaren abgestraft...
Ich denke aber nicht, dass man die Probleme von frechem Verhalten nicht durch mangelnde Infrastruktur lösen kann - in diesem Fall durch Verzicht auf Radverkehrsanlagen in den jeweiligen Hauptrelationen.

Ein schönes Beispiel findet sich auf der verlinkten Präsentation - Folien 5 bis 7.
Vorher eine vierpurige Autostraße - jetzt nur noch zwei MIV-Spuren und die anschließende Straße stellenweise nur für den ÖPNV benutzbar - und die Aufenthaltqualität und Kapazität der Straße haben zugenommen.
Leider hat es für eine Straßenbahn in diesem Korridor (noch) nicht gereicht - dieser könnte diese eindeutig vertragen.
Interessant ist da übrigens die Ampelschaltung: Es gibt eine koordinierte Vorrangschaltung für Busse und Radverkehr, die eine Reisegeschwindigkeit von 20 km/h für beide Verkehrsmittel ermöglicht.
[www.infravelo.de]

Zitat
Jay
Bei der Gestaltung der Anlagen wird allerdings viel größeren Wert auf Sichtbarkeit vor Knotenpunkten gelegt, während hier bis kurz vor die Kreuzung geparkt und oft nur halbherzig abmarkiert wird. Gerade bei baulicher Trennung sehe ich da das weiterhin größte Gefahrenpotenzial und Kreuzungen lassen sich nicht vermeiden. ;)
Diese Gefahr ist da und da lohnt sich eben der Blick über die Grenzen hinaus, wie man bei separierten Radwegen eine gute Sichtbarkeit vor Kreuzungen schafft.

Ingolf
Zitat
Ingolf
Erfahrungen - auch aus vielen anderen Ländern - haben gezeigt, dass Mischverkehre auf Hauptstraßen bzw. nur leicht abmarkierte Radstreifen nicht die Akzeptanz aufweisen, um deutlich mehr Bevölkerungsgruppen, wie z.B. Ältere, Kinder etc. auf das Fahrrad zu bringen. Und selbst viele als fit einzustufende Erwachsene trauen sich bei solchen Bedingungen aufs Farrad.

Soweit ist es erstmal unbestritten. Nur, wie sieht es in der Praxis hierzulange aus?


Zitat

Es ist und bleibt ein objektives (im Zweifelsfall ist der Autofahrer immer der Stärkere und kommt bei einem Unfall mit einem Radfahrer meist nahezu unverletzt davon) und subjektives Sicherheitsproblem. Da hilft auch kein Verweis auf "Durchsetzung der StVO" - die Konfliktfelder wird es weiter geben. Es sei denn, wir bringen den Autoverkehr restriktiv überall auf das Geschwindigkeitsniveau des Radverkehrs - also 15-20 km/h. Das beträfe dann aber auch Busse und Bahnen.

Insofern setzten gerade Länder, wie z.B. die Niederlande oder Dänemark mit erfolgreicher Radverkehrsstrategie auf bauliche separierte Radwege und gewinnen damit eine sehr hohe Akzeptanz. Und dortige Beispiele zeigen, dass es auch sehr viele Lösungen gibt, die städtebaulich verträglich und sicher sind. Ich kenne dort kaum Pollerorgien oder unübersichtliche, schlecht einsehbare Bereiche.

Nur ist jede Stadt unterschiedlich. Ich kenne aus den innerstädtischen Gebieten Berlins bisher null Stellen, wo ich ein vernünftiges Separationskonzept sehe. Und wenn ich gefragt werde, wie ich mir eins vor allem an Straßen mit Busspuren etwa entlang des Straßenzugs Potsdamer/Hauptstr. etc vorstelle: ich weiß es nicht. Klar, erstmal alle dauerhaft parkenden Autos weg, paar Lieferbereiche lassen, Autoverkehr auf eine Spur pro Richtung beschränken. Ok, und dann?

Die Separation in der jetzigen Form in Berlin bringt zunächst mal ein erhöhtes objektives Risiko, da beißt die Maus keinen Faden ab, siehe die Unfälle mit rechtsabiegenden LKW. Dann höre ich als Allheilmittel: "Getrennte Ampelphasen". Ja, und wie das? Dann reicht eine Autospur pro Richtung nicht, dann braucht man an der Kreuzung zwei, eine für Geradeaus/Links, eine für rechts.
Daneben entweder noch eine Busspur, oder man schickt den Bus an den Kreuzungen zwischen die Rechtsabbieger in den Autostau. Daneben die Radspur oder man schickt die Radfahrer (wie das oft bei uns geschieht an Kreuzungen) zu den Fußgängern (und schränkt einerseits deren Raum ein und bringt andererseits die Radfahrer aus dem Blickfeld).

Kurzum: ich höre zwar oft, dass Separation toll ist. Aber ein sinnvolles Konzept, wie Separation im Berliner innerstädtischen Hauptstraßennetz flächendeckend funktioneren soll (dass es an einzelnen isolierten Stellen geht, ist unbestritten) habe ich noch nicht gesehen.



2 mal bearbeitet. Zuletzt am 16.07.2020 14:15 von Global Fisch.
Zitat
Jay
in der "ich zuerst"-Gesellschaft hier habe ich große Bauchschmerzen, so wie Radfahrende teilweise durch Fußgängerströme holzen.

wobei das oft auch an beiden Seiten liegt. Die Haltung: "auf der Fahrbahn muss ich aufpassen, aber auf dem Radweg kann ich langlatschen, wie ich will" ist auch weit verbreitet.
Hallo,

die Verlängerung der S2-Züge und die Einführung der neuen Linie S6 benötigt laut Verkehrsverwaltung noch 10 (!) Jahre:
https://www.moz.de/artikel-ansicht/dg/0/1/1814648/

Was das mit der Ausschreibung zu tun hat, verstehe ich nicht. Nach Zulauf der neuen Züge für den Ring sollten doch genug 481er frei werden für Angebotserweiterungen in den anderen Netzen/Verträgen?

Viele Grüße
André
Zitat
Global Fisch
Kurzum: ich höre zwar oft, dass Separation toll ist. Aber ein sinnvolles Konzept, wie Separation im Berliner innerstädtischen Hauptstraßennetz flächendeckend funktioneren soll (dass es an einzelnen isolierten Stellen geht, ist unbestritten) habe ich noch nicht gesehen.

Die Separation direkt nebeneinander findet in den Niederlanden auch nicht überall statt, sondern neben den außerörtlichen Straßen vor allem an den großen Ausfall- und Ringstraßen. Da wäre auch in Berlin mehr als genug Platz, wenn man denn wollte. Man müsste nur mit baulichen Maßnahmen rigoros verhindern, dass z.B. die Nebenfahrbahnen der Heerstr. bei Stau als Schleichspur von den Autos benutzt werden. Und die Radspur müsste natürlich bei den Vorfahrtsregeln der Hauptfahrbahn gleichgestellt sein.

Ansonsten kommt mir immer noch zu kurz, dass Rad-Infrastruktur eigentlich für zwei unterschiedliche Zielgruppen benötigt wird. Die Hardcore-Radler brauchen gar nicht so viele Sonderspuren. Die fahren auch mitten auf der Leipziger oder Potsdamer Str. oder der Puschkinallee. Die brauchen nur Gewissheit, dass sie dabei nicht in den nächsten Graben genötigt oder mit einem "Upps, übersehen" umgenietet werden. (Und bevor unsere Whataboutism-Fraktion wieder wach wird: Ja, selbstverständlich muss mit exakt derselben Konsequenz dafür gesorgt werden, dass Radfahrer nicht die Fußgänger auf den Geh- und Parkwegen aus dem Weg jagen.)

Wenn wir aber die breite Masse zu mehr Fahrten mit dem Rad bringen wollen, kommen wir an separaten Wegen aber nicht vorbei. Aber nicht jede Straße braucht mit aller Gewalt einen solchen Radweg. Was die niederländischen Städte aus meiner Sicht am meisten von unseren unterscheidet, ist die Tatsache, dass es für jede Verbindung, die für den MIV angeboten wird, mindestens eine gleichwertige gibt, die mit dem Rad zurückgelegt werden kann. Ich hatte hier ja schon öfter das Beispiel Potsdamer Platz - Spittelmarkt angebracht, wo man AKTUELL die Wahl zwischen der lebensgefährlichen Leipziger Str. und einer Stop&Go-Fahrt mit Schleichverkehr, nachteiligen Ampelschaltungen und Stopschildwald über Niederkirchner- und Zimmerstr. (wo man am Ende doch auf der Axel-Springer-Str. landet) bzw. Voßstr. - Mohrenstr. - Niederwallstr. hat. Wenn man diese Straßenzüge mit derselben Qualität wie die Leipziger Str. asphaltieren würde, mit denselben Ampelschaltungen und Vorfahrtsrechten ausstattete und mit versenkbaren Pollern, die von Einsatzfahrzeugen per Funk binnen Sekunden aus dem Weg geräumt werden könnten, verhinderte, dass sich der motorisierte Durchgangsverkehr dort herumtreibt, dann wäre die fehlende Spur auf der Leipziger Str. überhaupt kein Problem mehr. Jedenfalls, wenn man dann auch noch vernünftig kommuniziert, dass es diese Verbindungen überhaupt gibt.

Und wo weder Platz für eine extra Radspur, noch eine vernünftige Alternativverbindung in Häuserblockweite eingerichtet werden kann, da muss dann eben die stehende Blechlawine am Straßenrand weichen.
Zitat
VvJ-Ente
Zitat
Global Fisch
Kurzum: ich höre zwar oft, dass Separation toll ist. Aber ein sinnvolles Konzept, wie Separation im Berliner innerstädtischen Hauptstraßennetz flächendeckend funktioneren soll (dass es an einzelnen isolierten Stellen geht, ist unbestritten) habe ich noch nicht gesehen.

Die Separation direkt nebeneinander findet in den Niederlanden auch nicht überall statt, sondern neben den außerörtlichen Straßen vor allem an den großen Ausfall- und Ringstraßen. Da wäre auch in Berlin mehr als genug Platz, wenn man denn wollte. Man müsste nur mit baulichen Maßnahmen rigoros verhindern, dass z.B. die Nebenfahrbahnen der Heerstr. bei Stau als Schleichspur von den Autos benutzt werden. Und die Radspur müsste natürlich bei den Vorfahrtsregeln der Hauptfahrbahn gleichgestellt sein. [...]

Wenn wir aber die breite Masse zu mehr Fahrten mit dem Rad bringen wollen, kommen wir an separaten Wegen aber nicht vorbei. Aber nicht jede Straße braucht mit aller Gewalt einen solchen Radweg. [...]

Und wo weder Platz für eine extra Radspur, noch eine vernünftige Alternativverbindung in Häuserblockweite eingerichtet werden kann, da muss dann eben die stehende Blechlawine am Straßenrand weichen.

Im Grunde sollten wir noch einen Schritt zurückgehen - Separation ist ja auch kein Selbstzweck. Es geht um zwei (eher zweieinhalb) Aspekte:

- Geschwindigkeit
- Sicherheit und Sicherheitsgefühl

Zunächst zu letzterem - 2005 wurden bei einer Untersuchung in Oregon vier Radfahrtypen identifiziert:

Zitat
Blog 'Radfahren in Stuttgart'
- Die Starken & Furchtlosen (ca. 1 Prozent, hauptsäch[l]ich junge Männer)
- Die Begeisterten & Zuversichtlichen (7 Prozent)
- Die Interessierten & Besorgten (60 Prozent)
- und die, die unter keinen Umständen jemals Fahrrad fahren wollen (33 Prozent)

Die Interessierten und Besorgten sind jene, die prinzipiell Radfahren würden, sich aber nicht trauen. Ich könnte mir vorstellen, dass in Deutschland (und besonders in Großstädte wie Berlin) die Werte etwas verschoben sind (vielleicht etwas mehr Begeisterte und Zuversichtliche, etwas weniger Interessierte und Besorgte), die Aussage aber prinzipiell auch stimmt.

Im Grunde muss es also darum gehen, potentiellen Radfahrenden die Angst zu nehmen - oder vielmehr: die Gründe für die Angst. Das müssen nicht automatisch separierte Radwege sein, es kann auch eine Straßenraumgestaltung sein, bei der Autos automatisch langsamer unterwegs sind. Derart gestaltete Straßen stehen aber im Widerspruch zum anderen Thema, der Geschwindigkeit, da sie auch für Radfahrende nicht unbedingt eine hohe Geschwindigkeit erlauben.

Deshalb haben sie auf Hauptrouten durchaus Sinn. Und wie VvJ-Ente habe ich da wenig Bedenken auf den allermeisten Hauptstraßen und Magistralen, die sind in Berlin im Regelfall breit genug, um separate Radwege anzulegen, ohne anderen Teilen des Umweltverbunds zu schaden. Man muss nur wollen und bereit sein, dem Autoverkehr Platz wegzunehmen.
Zitat
andre_de
Hallo,

die Verlängerung der S2-Züge und die Einführung der neuen Linie S6 benötigt laut Verkehrsverwaltung noch 10 (!) Jahre:
https://www.moz.de/artikel-ansicht/dg/0/1/1814648/

Ich frage mich ja gerade, wo vor ein paar Wochen plötzlich dieser S(8)6-Hype herkam - und wieso irgendwer in den Medien davon ausging, das sei überhaupt eine kurz- oder mittelfristige Maßnahme. Im seit anderthalb Jahren beschlossenen Berliner Nahverkehrsplan 2019-23 ist die S(8)6 als "bis 2030" eingetragen, ebenso die Verlängerung der S2-Züge. Es war also offensichtlich nie anders geplant. Sieht eher nach einer typischen um sich selbst kreisenden Beschäftigungstherapie von Medienschaffenden aus: sie schnappen irgendwas auf (oder geben Aussagen aus Politik und Verwaltung unhinterfragt wieder), berichten begeistert, aber frei von Recherche - und können dann ein paar Wochen später die Informationen, die ihnen beim ursprünglichen Artikel schon zur Verfügung gestanden hätten, als weitere Neuigkeit verkaufen und einen weiteren Artikel schreiben.

(Edit: Tatsächlich kam die aktuelle S6-Diskussion im Zusammenhang mit der Anbindung des Blankenburger Südens auf. Dessen Bebauung ist aber auch erst ab 2030 wahrscheinlich. Insofern verwundert es noch mehr, wenn sich einzelne Medien nun wegen des Zeitraums überrascht zeigen.)

Tatsächlich werden laut Nahverkehrsplan im Bereich Ostring und z.T. auf der Stettiner Bahn auch schon früher Kapazitätsausweitungen angestrebt, in den Jahren 2021-23:

- die Verlängerung der Ringbahnzüge auf acht Wagen
- die Verlängerung der S8-Züge südlich von Blankenburg und der S85 auf sechs Wagen (letzteres ist ja bereits erfolgt?)

Dass man dringend darüber diskutieren sollte, wie man etwas Komplexität aus der Organisation des S-Bahn-Verkehrs nimmt, damit selbst vergleichsweise simple Maßnahmen wie um ganze zwei Wagen längere Züge auf bestimmten Zuggruppen kein ganzes Jahrzehnt Vorlauf mehr brauchen, sehe ich allerdings auch so.

(@André: Nur, falls es nicht eindeutig ist - meine Kritik gilt nicht Dir, sondern der Lokalberichterstattung zu diesem Thema.)
____
Quelle: Nahverkehrsplan des Landes Berlin (pdf), pdf-Version ab S. 299, Druckversion ab S. 297



4 mal bearbeitet. Zuletzt am 17.07.2020 08:35 von def.
...



1 mal bearbeitet. Zuletzt am 17.07.2020 08:17 von eiterfugel.
Sry, der Browser hat sich aufgehangen und eben nicht gemeckert, dass der Post bereits existiert.



1 mal bearbeitet. Zuletzt am 17.07.2020 08:16 von eiterfugel.
Zitat
Ingolf
Und ja, auch in habe in Amsterdam mal einige Minuten gebraucht, um einen Radweg zu Fuß zu queren - übrigens zeitkritisch auf dem Weg zum Bahnhof im Frühberfufsverkehr. Allein schon die Annäherung an den ununterbrochenen Fahrradstrom wurde mit Klingelei und frechen Kommentaren abgestraft...

Diese Form der Gestaltung ist ein Unding und es ist der nächste Mittelfinger für Fußgänger*innen ist es hier dann später lesen zu können, dass sie halt aufpassen sollen.

Es gibt diese Bauform übrigens auch in Berlin, vor allem in Mitte begegnet sie mir verhältnismäßig oft. (Wer weiß an welchem großen Kreuzungspunkte es sie gibt, kann sich einen Bonbon nehmen.) Hier mag es wegen der geringeren Massen nicht so schlimm wirken, trotzdem kann man sich eine Ampelphase oft genug abschminken, wenn man nicht bereits vor ihrem Beginn auf dem schmalen Streifen zwischen Radweg und Straße steht.



1 mal bearbeitet. Zuletzt am 17.07.2020 08:14 von eiterfugel.
Zitat
eiterfugel
Zitat
Ingolf
Und ja, auch in habe in Amsterdam mal einige Minuten gebraucht, um einen Radweg zu Fuß zu queren - übrigens zeitkritisch auf dem Weg zum Bahnhof im Frühberfufsverkehr. Allein schon die Annäherung an den ununterbrochenen Fahrradstrom wurde mit Klingelei und frechen Kommentaren abgestraft...

Diese Form der Gestaltung ist ein Unding und es ist der nächste Mittelfinger für Fußgänger*innen ist es hier dann später lesen zu können, dass sie halt aufpassen sollen.

Es gibt diese Bauform übrigens auch in Berlin, vor allem in Mitte begegnet sie mir verhältnismäßig oft. (Wer weiß an welchem großen Kreuzungspunkte es sie gibt, kann sich einen Bonbon nehmen.) Hier mag es wegen der geringeren Massen nicht so schlimm wirken, trotzdem kann man sich eine Ampelphase oft genug abschminken, wenn man nicht bereits vor ihrem Beginn auf dem schmalen Streifen zwischen Radweg und Straße steht.

Ich kann Deinen Ärger nachvollziehen, aber machen wir uns nichts vor: Regelfall in Berlin ist derzeit die MIV-gerechte Ampelschaltung, wo der Fußgänger gerade so in seiner Grünphase über die Fahrbahn kommt und dann zwei Minuten warten darf, bis es wieder grün wird. Achtet mal darauf, wie viele Fußgänger im Laufschritt über die Ampel gehen.
Zitat
Latschenkiefer
Zitat
eiterfugel
Zitat
Ingolf
Und ja, auch in habe in Amsterdam mal einige Minuten gebraucht, um einen Radweg zu Fuß zu queren - übrigens zeitkritisch auf dem Weg zum Bahnhof im Frühberfufsverkehr. Allein schon die Annäherung an den ununterbrochenen Fahrradstrom wurde mit Klingelei und frechen Kommentaren abgestraft...

Diese Form der Gestaltung ist ein Unding und es ist der nächste Mittelfinger für Fußgänger*innen ist es hier dann später lesen zu können, dass sie halt aufpassen sollen.

Es gibt diese Bauform übrigens auch in Berlin, vor allem in Mitte begegnet sie mir verhältnismäßig oft. (Wer weiß an welchem großen Kreuzungspunkte es sie gibt, kann sich einen Bonbon nehmen.) Hier mag es wegen der geringeren Massen nicht so schlimm wirken, trotzdem kann man sich eine Ampelphase oft genug abschminken, wenn man nicht bereits vor ihrem Beginn auf dem schmalen Streifen zwischen Radweg und Straße steht.

Ich kann Deinen Ärger nachvollziehen, aber machen wir uns nichts vor: Regelfall in Berlin ist derzeit die MIV-gerechte Ampelschaltung, wo der Fußgänger gerade so in seiner Grünphase über die Fahrbahn kommt und dann zwei Minuten warten darf, bis es wieder grün wird. Achtet mal darauf, wie viele Fußgänger im Laufschritt über die Ampel gehen.


Ich bin ein Stück weit bei eiterfugel: das von Dir genannte Problem wird ja dadurch noch verschärft, wenn auf beiden Seiten ein vielbefahrener Radweg dazu kommt. Nur dennoch: Radwege sind genausowenig Aufenthaltsort für Fußgänger wie Autofahrbahnen und beim Kreuzen des einen müssen Fußgänger genausoviel Vorsicht walten lassen wie beim Kreuzen des anderen.

PS: Ingolfs Problem hatte ich so verstanden, dass sich das an einer Stelle *ohne* Ampeln abspielte.



1 mal bearbeitet. Zuletzt am 17.07.2020 09:40 von Global Fisch.
Zitat
VvJ-Ente
Zitat
Global Fisch
Kurzum: ich höre zwar oft, dass Separation toll ist. Aber ein sinnvolles Konzept, wie Separation im Berliner innerstädtischen Hauptstraßennetz flächendeckend funktioneren soll (dass es an einzelnen isolierten Stellen geht, ist unbestritten) habe ich noch nicht gesehen.

Die Separation direkt nebeneinander findet in den Niederlanden auch nicht überall statt, sondern neben den außerörtlichen Straßen vor allem an den großen Ausfall- und Ringstraßen. Da wäre auch in Berlin mehr als genug Platz, wenn man denn wollte. Man müsste nur mit baulichen Maßnahmen rigoros verhindern, dass z.B. die Nebenfahrbahnen der Heerstr. bei Stau als Schleichspur von den Autos benutzt werden. Und die Radspur müsste natürlich bei den Vorfahrtsregeln der Hauptfahrbahn gleichgestellt sein.

Das erstmal unbestritten. Nur: mir ging es konkret um klassische Berliner innerstädtischen Hauptstraßen, die keine Magistralen sind, mit Busspur, Häuser und Läden. Wie gesagt, ich dachte als Beispiel an die Achse Potsdamer Str/Hauptstraße. Wie soll da konkret die Separation aussehen, insbesondere an den Kreuzungen?

Dazu sagen irgendwelche bunten Kopenhagen-Bildchen von einer Brücke mit einer Autospur, ohne Busspur, ohne Anlieger, die zudem in der Folge zu einer ÖPNV/Rad-Trasse ohne MIV wird, herzlich wenig aus.


Zitat

Ansonsten kommt mir immer noch zu kurz, dass Rad-Infrastruktur eigentlich für zwei unterschiedliche Zielgruppen benötigt wird. Die Hardcore-Radler brauchen gar nicht so viele Sonderspuren. Die fahren auch mitten auf der Leipziger oder Potsdamer Str. oder der Puschkinallee.

Auch das mit den zwei unterschiedlichen Zielgruppen greift mir zu kurz ;-). Natürlich gibt es die Hardcore-Radler einerseits und die reinen Genussradler andererseits, aber dazwischen gibt es viele andere mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Der großen Mehrheit kann man weder mit einer Lösung für Hardcore-Radler noch einer Lösung für Genussradler kommen.

Zitat

Wenn wir aber die breite Masse zu mehr Fahrten mit dem Rad bringen wollen, kommen wir an separaten Wegen aber nicht vorbei. Aber nicht jede Straße braucht mit aller Gewalt einen solchen Radweg. Was die niederländischen Städte aus meiner Sicht am meisten von unseren unterscheidet, ist die Tatsache, dass es für jede Verbindung, die für den MIV angeboten wird, mindestens eine gleichwertige gibt, die mit dem Rad zurückgelegt werden kann.

Darauf können wir uns einigen, nur wenn man Deinem letzten Satz folgt, so finde ich Dein Beispiel eben *nicht* geeignet.

Zitat

Ich hatte hier ja schon öfter das Beispiel Potsdamer Platz - Spittelmarkt angebracht, wo man AKTUELL die Wahl zwischen der lebensgefährlichen Leipziger Str. und einer Stop&Go-Fahrt mit Schleichverkehr, nachteiligen Ampelschaltungen und Stopschildwald über Niederkirchner- und Zimmerstr. (wo man am Ende doch auf der Axel-Springer-Str. landet) bzw. Voßstr. - Mohrenstr. - Niederwallstr. hat. Wenn man diese Straßenzüge mit derselben Qualität wie die Leipziger Str. asphaltieren würde, mit denselben Ampelschaltungen und Vorfahrtsrechten ausstattete und mit versenkbaren Pollern, die von Einsatzfahrzeugen per Funk binnen Sekunden aus dem Weg geräumt werden könnten, verhinderte, dass sich der motorisierte Durchgangsverkehr dort herumtreibt, dann wäre die fehlende Spur auf der Leipziger Str. überhaupt kein Problem mehr.

Das hatte wir schon mal diskutiert, aber ich bleibe dabei: Deine Alternative taugt vielleicht für den Verkehr Richtung Alex und weiter westlich. Sie taugt aber nicht für den Verkehr in den Gebiete östlich vom Alex. Ist a) ein Umweg (und nein: Umweglösungen sind *keine* gleichwertigen zu einer geradlinigen MIV-Trasse!) und b) muss der Verkehr in West-Ost-Richtung in Deinem Ansatz die MIV-Achse zweimal kreuzen. Für mich ein völliges No-Go. Wenn ich manchmal Umwege mache (etwa Hans-Baluschek- und Gleisdreieckpark statt Hauptstraße), dann eben *weil* ich dann weniger Hauptstraßenkreuzungen habe.

Und selbst, wenn es Einzelfälle gibt, wo es gleichwertige Nebenstraßenrouten neben Hauptstraßen gibt: "vernünftige Alternativverbindung in Häuserblockweite" sind Ausnahmen, vielelicht auf kurzen Strecken funktionierend, aber so gut wie nie auf längeren. Durchgehende Nebenstraßenführungen sind selten. Und wir kommen trotz solcher Einzelfälle nicht um die Fragestellung rum:

Wie konkret soll die Separation an innerstädtischen Berliner Hauptstraßen aussehen?



2 mal bearbeitet. Zuletzt am 17.07.2020 09:56 von Global Fisch.
Wo ist denn die Leipziger Straße lebensgefährlich?
Zitat
Global Fisch

Ich bin ein Stück weit bei eiterfugel: das von Dir genannte Problem wird ja dadurch noch verschärft, wenn auf beiden Seiten ein vielbefahrener Radweg dazu kommt. Nur dennoch: Radwege sind genausowenig Aufenthaltsort für Fußgänger wie Autofahrbahnen und beim Kreuzen des einen müssen Fußgänger genausoviel Vorsicht walten lassen wie beim Kreuzen des anderen.

PS: Ingolfs Problem hatte ich so verstanden, dass sich das an einer Stelle *ohne* Ampeln abspielte.

Es geht darum, dass die Ampel die Straße abdeckt, den Radweg aber nicht. So gibt es das in Amsterdam zu hauf, so habe ich es in Gent erlebt - und so gibt es das eben auch in Berlin im Bezirk Mitte.

Und da kommt dann zu den Gängelungen der Fußgängern*innen, dass man einen Straßenquerung wegen der kurzen Zeit nicht schaffen kann oder die Tramphase ganz zufällig die des Fußverkehrs ersetzt, auch noch hinzu, dass man diese Phase nicht mal erreicht, weil der Radweg um die Ampel rumgeführt wurde.
Zitat
eiterfugel
Zitat
Global Fisch

Ich bin ein Stück weit bei eiterfugel: das von Dir genannte Problem wird ja dadurch noch verschärft, wenn auf beiden Seiten ein vielbefahrener Radweg dazu kommt. Nur dennoch: Radwege sind genausowenig Aufenthaltsort für Fußgänger wie Autofahrbahnen und beim Kreuzen des einen müssen Fußgänger genausoviel Vorsicht walten lassen wie beim Kreuzen des anderen.

PS: Ingolfs Problem hatte ich so verstanden, dass sich das an einer Stelle *ohne* Ampeln abspielte.

Es geht darum, dass die Ampel die Straße abdeckt, den Radweg aber nicht. So gibt es das in Amsterdam zu hauf, so habe ich es in Gent erlebt - und so gibt es das eben auch in Berlin im Bezirk Mitte.

Ah, danke. Das hatte ich nicht verstanden. Ja so etwas geht auch meiner Auffassung weder bei starkem Radverkehr noch bei starkem querenden Fußverkehr.
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