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Sammelthread: Verkehrspolitik in Berlin
geschrieben von Arnd Hellinger 
Zitat
Havelländer
Autogerecht ausgebaut war Berlin zu keinem Zeitpunkt, nicht einmal als die Stadtautobahn noch neu und leer war.

Zack, da wird einfach mal eine sinnfreie Behauptung hingeschrieben.

Ist die Heerstraße eine fußgängergerechte Straße? Oder vielleicht die Karl-Marx-Allee eine ÖPNV-Musterstrecke?

Unter beiden Straßen liegt übrigens eine U-Bahn, damit man noch mehr Platz für die Autos über der Erde hat.
Anonymer Benutzer
Re: Sammelthread: Verkehrspolitik in Berlin
29.05.2019 22:48
Zitat
Philipp Borchert

Mag sein, aber mir ist so, als wäre der Focus sämtlicher Maßnahmen jahrzehntelang stets gewesen, es bei der Verkehrsraumgestaltung dem Autofahrer so bequem und angenehm wie möglich zu machen.

Eine naive Frage meinerseits, und das meine ich auch wirklich so, hab ja keine Ahnung: Könnte das vielleicht auch daran liegen, dass der gemeine Autofahrer, im Gegensatz zu Radlern oder Fußgängern, den Staat mit nicht gerade wenig Steuergeldern versorgt oder investiert der Staat die Summe, die er von den Autofahrern erhält, auch stets vollständig allein in die Infrastruktur für die Autofahrer? Oder war das Auto im Fokus, weil man halt Autos einfach toll fand und Autofahrer so sympathisch sind?

Und nein, ich möchte hier nichts verteidigen, die Radinfrastruktur muss ausgebaut werden! Mich interessieren aber solche Sachen.
Zitat
Latschenkiefer
Unter beiden Straßen liegt übrigens eine U-Bahn, damit man noch mehr Platz für die Autos über der Erde hat.

Na ja...fast. Wo die Heerstraße die Heerstraße ist fährt keine U-Bahn drunter.

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... aber sehr nah dran, ich sag nur "Theo".
Anonymer Benutzer
Re: Sammelthread: Verkehrspolitik in Berlin
29.05.2019 22:56
Zitat
Latschenkiefer

Unter beiden Straßen liegt übrigens eine U-Bahn, damit man noch mehr Platz für die Autos über der Erde hat.

Es ist ja nicht so, dass die U5 auch meist gut gefüllt ist und es auch mit den vollen Straßen über ihr mitunter in den Zügen sehr eng wird. Was wäre die Idee? Oben nen Boulevard, MIV auf eine Spur verengen und U-Bahn im Minutentakt? Oder U-Bahn zuschütten und ne Straßenbahn bauen, am besten als Patanosta ausgerichet, die dann im Kreis fährt und jeder auf- und abspringen kann. ;-)
Zitat
Railroader
Eine naive Frage meinerseits, und das meine ich auch wirklich so, hab ja keine Ahnung: Könnte das vielleicht auch daran liegen, dass der gemeine Autofahrer, im Gegensatz zu Radlern oder Fußgängern, den Staat mit nicht gerade wenig Steuergeldern versorgt (...)

Da habe ich drauf gewartet, hatte diesen Aspekt - eben weil Du ihn vor ein paar Tagen schon einmal eingebracht hast - auch schon im Text drin, hatte aber das dann erst einmal hinten an gestellt. Okay, dann jetzt meine Gedanken hierzu.

Das, was ein Autobesitzer an Kosten hat, geht zu einem sehr großen Teil in den Erwarb, den Unterhalt und die Versicherung seines Eigentums. Genau so kann ein Radfahrer für sein Fahrrad viel Geld ausgeben und Schuhe zu höheren dreistelligen Beträgen soll es auch geben. Wem an diesen Sachen viel gelegen ist, versichert die auch. Ein Unterschied ergibt sich hier, da eine Versicherung zum Führen von Fahrrad und Schuhen auf öffentlichem Straßenland nicht notwendig ist, der Autobesitzer zu seinem Glück aber gezwungen wird. Was wohl daran liegt, dass man mit dem Auto schlicht mehr Schaden anrichten kann. Klar ist, dass die Steuern, die auf diese ganzen Sachen anfallen, beim Autobesitzer weitaus höher ausfallen als beim Fußgänger. Hinzu kommen natürlich die Kfz-Steuern (die aber auch maßgeblich vom Eigentum abhängen, ich zahle für meine kleine Karre knappe 90€ im Jahr, das halte ich für lächerlich angesichts dessen, was ich dafür bekomme) und das, was an der Tankstelle zu zahlen ist.

Nun haben wir ja aber gerade in einem anderen Strang lesen können, dass die Infrastruktur für den MIV deshalb so aufwändig ist, weil sie auch dem Lastverkehr Rechnung tragen muss. Für die Autos selbst wären die Ausgaben also womöglich gar nicht so hoch. Wäre eine Straße, nur für Autos dimensioniert, aber nicht auch schon so wesentlich teurer als eine Radfahrbahn oder ein Fußweg? Weil sie breiter sein muss und doch mehr aushalten, weil Autos mehr wiegen und größere Kräfte auf den Asphalt bringen als Radfahrer es je schaffen? Ich kann das nicht genau berechnen...also ob das Mehr an Steuern von Autobesitzern das Mehr an Anforderungen für einfache Straßen tatsächlich decken würde. Nun wollen viele überzeugte Autofahrer aber mehr als einfache Straßen, es sollen auch Parkplätze, wenigstens stellenweise breitere Straßen für Überholmöglichkeiten, an manchen Stellen Kreuzungsfreiheit und Fußgänger'gängelung' um sicher zu stellen, dass man nicht überall allzu vorsichtig fahren muss, da sie sonst einfach irgendwo die Straßen queren würden. Das alles sieht man als Autofahrer durch das Mehr an gezahlten Steuern als maßvolle Ansprüche an? Schwer vorstellbar, aber wie gesagt, ausrechnen kann ich das nicht.

Autofahrer erwarten also möglicherweise, dass sie für das Mehr an Steuern, dass durch sie in die Kassen kommt, das Mehr an Infrastruktur, dass sie fordern, gezahlt wird. Aber ist der Autofahrer nicht die Melkkuh der Nation, ohne ihn hier nichts funktionieren würde? Man beruft sich auf Schulen und die öffentliche Verwaltung, auf Grünflächen oder auf soziale 'Nettigkeiten', die der Staat doch ohne die vielen Autofahrer gar nicht zahlen könnte. Und dann soll noch hervorragende Infrastruktur 'drin' sein, inklusive Vernachlässigung aller anderen Verkehrsteilnehmer, obwohl auch sie für die Infrastruktur aufkommen? Klar, in viel geringerem Maße, aber sie wird auch in viel geringerem Maße von ihnen genutzt.

So Dinge wie Umweltfolgekosten, wie sie durch den Autoverkehr entstehen, sind in diesen Gedankengängen noch nicht enthalten.

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Latschenkiefer
Zack, da wird einfach mal eine sinnfreie Behauptung hingeschrieben.

Sinnfrei ist doch eher die ständige Anwendung der autogerechten Stadt, nur weil es mal 2-3 Fahrspuren pro Richtung auf einer längeren Straße gibt.

Zitat
Latschenkiefer
Ist die Heerstraßeeine fußgängergerechte Straße?

Das kommt darauf an wie man fußgängergerecht definieren möchte. Als Fußgänger kann man zumindest bequem und gefahrlos rechts und links die Straße entlang laufen und an vorgesehenen Stellen auch queren.

Zitat
Latschenkiefer
Oder vielleicht die Karl-Marx-Allee eine ÖPNV-Musterstrecke?

Was ist eine ÖPNV-Musterstrecke? Die Kalr-Marx-Allee ist jedenfalls nicht dem ÖPNV vorenthalten.


Zitat
Latschenkiefer
Unter beiden Straßen liegt übrigens eine U-Bahn, damit man noch mehr Platz für die Autos über der Erde hat.

Unter der Heerstraße lag niemals eine U-Bahn, da gabs nur mal eine Straßenbahn parallel.

Gruß aus dem Speckgürtel :-)

Regio + S-Bahn + U-Bahn + Tram + Bus = nur gemeinsam stark
Zitat
Railroader
Oben nen Boulevard, MIV auf eine Spur verengen und U-Bahn im Minutentakt?

Genau so.

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Havelländer
Was ist eine ÖPNV-Musterstrecke? Die Karl-Marx-Allee ist jedenfalls nicht dem ÖPNV vorenthalten.

Als ÖPNV-Musterstrecke würde ich die Straße aber nicht bezeichnen, da die Wege zur U-Bahn doch ziemlich lang sind. Eher sowas wie der Ku'damm/Tauentzien, da, wo unten die U1 und oben parallel Busse mit kurzen Zugangswegen fahren, zudem Zubringerbusse nur auf Teilstrecken parallel zur U-Bahn. Ähnlich der Straßenzug Berliner Straße/Schönhauser Allee, wo sich U2 und M1 sowie 50 ergänzen.

NUR U-Bahn wie unter der Karl-Marx-Allee halte ich nicht für mustergültig. Wenigstens sieht die Straße oben nach was aus, besonders 'flanierenswert' ist sie allerdings nicht.

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Anonymer Benutzer
Re: Sammelthread: Verkehrspolitik in Berlin
29.05.2019 23:20
@Philipp: Danke für deine Ausführungen. Die Frage war auch tatsächlich nicht als Provokation gemeint, ich habe dahingehend wirklich keine Ahnung. Um Versicherungen ging es mir auch nicht, vielmehr um die Steuergelder, die der Sprit einbringt und hier würde mich tatsächlich interessieren, ob diese, rein hypothetisch, verzichtbar wären? Also ob die Ausgaben für den MIV (gerne auch mittelfristig gesehen), die Einnahmen übersteigen oder gleich sind. Ist übrigens auch immer ein Thema, wenns ums Rauchen geht. ;-)
Zitat
Philipp Borchert
Mag sein, aber mir ist so, als wäre der Focus sämtlicher Maßnahmen jahrzehntelang stets gewesen, es bei der Verkehrsraumgestaltung dem Autofahrer so bequem und angenehm wie möglich zu machen. Obwohl das Auto an sich schon jede Menge Bequemlichkeit gegenüber anderen Verkehrsmitteln bietet. Wer zu Fuß unterwegs ist - was deutlich zeitaufwändiger und zuweilen ungemütlich ist, der muss sich bis heute vielerorts mit Dingen herumschlagen, die diese Art der Fortbewegung noch umständlicher macht. Zum Beispiel durch Unter- oder Überführungen an Straßen, um dem MIV einen weiteren Vorteil zu verschaffen. Das heute noch zu verteidigen halte ich für falsch (und offenbar noch ein paar andere Leute). Ebenso ist es mit Radwegen (wie in diesem zugegeben temporären Beispiel auf der Oberbaumbrücke) und auch mit dem ÖPNV.

Also die paar Stellen wo der Fußgänger wirklich mal unter oder über die Straße muß sind an einer Hand abzuzählen und bei den Örtlichkeiten auch heute noch mehr als sinnvoll. Ich sehe hier nicht nur den Vorteil für den Straßenverkehr (ist ja nicht nur der MIV) sondern auch für den Fußgänger, der gefahrlos und zu jeder Zeit einen Verkehrsraum kreuzen kann.
Im Gegenzug wurden an anderen Stellen übermäßig viele Ampelanlagen aufgestellt, die alles andere als dem Verkehrsfluss dienen und wo der gesamte Straßenverkehr nur von einer Rotphase zur anderen dümpelt.

Gruß aus dem Speckgürtel :-)

Regio + S-Bahn + U-Bahn + Tram + Bus = nur gemeinsam stark
Anonymer Benutzer
Re: Sammelthread: Verkehrspolitik in Berlin
29.05.2019 23:21
Zitat
Philipp Borchert

Genau so.

Hm, wäre ich nicht abgeneigt. Dann also bitte die Voraussetzungen bei der U-Bahn schaffen und dann den MIV einschränken. Wäre ich dabei.
Zitat
phönix
Zitat
andre_de
Auch LKW fahren auf der Straßenfahrbahn, und nicht auf dem Gehweg, davon hast Du sicher schon gehört.

Willst Du lieber die Stadt der Eselskarren und Pferdefuhrwerke? Der Wirtschaftsverkehr muss aus meiner Sicht genau so wie der ÖPNV zwangsläufig bevorzugt werden. Egal ob durch Instandhaltung der vorhandenen Infrastruktur oder durch Vorfahrtregelungen, auch bei Brückensanierungen.

Du kannst mal aufhören, mir wiederholt Dinge in den Mund zu legen, die ich nicht gesagt habe.

Die Oberbaumbrücke hat (ohne Baustelle) auf der "Straßenebene" insgesamt vier Kfz-Fahrstreifen und zwei Radfahrstreifen. Da ergibt sich bei halbseitiger Sperrung weder der Zwang, den Kfz-Verkehr komplett einzustellen (wie Du mir das versuchst zu unterstellen), noch den Fußgängern die Fußwege wegzunehmen.

Das ganze Chaos fing an durch den Versuch, den Radverkehr (egal ob schiebend oder fahrend) auf den ohnehin nicht so üppig breiten Fußweg hochzulegen. Da gehört er aber nicht hin! Wenn ein Kfz einen vor ihm fahrenden Radfahrer auf der Fahrbahn mal für ein paar zig Meter nicht überholen kann, geht wohl kaum die Welt unter. Zum Schutz der Radfahrer wäre es zusätzlich denkbar, diese durch eine Pförtnerampel geordnet vor den Schwung der Autofahrer auf die Brücke zu lassen.

Alternativ könnte man den Kfz-Verkehr in einer Fahrtrichtung auch etwas großzügiger umleiten, z.B. über die Schillingbrücke. Einem Kfz ist so etwas deutlich eher zuzumuten als einem Fahrradfahrer. Dann hätte man genug Platz für einen Radweg in beiden Richtungen auf der Fahrbahn.

So oder so ist es überhaupt keine Lösung, derart dramatisch in den Fußweg einzugreifen, und diesen (wie auf dem Twitterfoto zu sehen) stellenweise quasi auf Null zu reduzieren. Leider passiert dies bei Baustellenanordnungen aber viel zu oft.

Viele Grüße
André
Zitat
Railroader
Zitat
Philipp Borchert

Genau so.

Hm, wäre ich nicht abgeneigt. Dann also bitte die Voraussetzungen bei der U-Bahn schaffen und dann den MIV einschränken. Wäre ich dabei.

Dann sind wir schon zu dritt ;)
Anonymer Benutzer
Re: Sammelthread: Verkehrspolitik in Berlin
29.05.2019 23:38
Zitat
schallundrausch

Dann sind wir schon zu dritt ;)

Wir sind bei der Frage der Ziele in vielen Dingen häufig gar nicht so unterschiedlicher Meinung, wie es manchmal scheint. Unstimmigkeiten gibt es mE eher beim Weg dahin. :-)
Zitat
Havelländer
Also die paar Stellen wo der Fußgänger wirklich mal unter oder über die Straße muß sind an einer Hand abzuzählen und bei den Örtlichkeiten auch heute noch mehr als sinnvoll. Ich sehe hier nicht nur den Vorteil für den Straßenverkehr (ist ja nicht nur der MIV) sondern auch für den Fußgänger, der gefahrlos und zu jeder Zeit einen Verkehrsraum kreuzen kann.

Ich find's relativ beschwerlich, Treppen laufen zu müssen. Wer gesund ist, den stört das möglicherweise auch weniger. Auf viele reine Fußgängerampeln könnte man absolut verzichten, wenn man als Fußgänger auch oft genug die Gelegenheit bekommt, die Seite zu wechseln. Wenn irgendwo eine Handvoll Leute aus 'ner Bahn steigt und die dann erst mal mehrere Autos passieren lassen muss, bis sie nach 'ner Minute (idealerweise noch bei ungemütlichem Wetter) endlich die Gelegenheit bekommt weil vierhundert Meter zuvor mal rot für den Straßenverkehr ist kann ich allerdings verstehen, dass die Situation für Fußgänger zu bestimmten Zeiten nur mit LSA einigermaßen hinzubekommen ist. Da hätten einfach regelmäßig die im warmen sitzenden Kfz-Lenker den Moment anhalten müssen, dann wäre womöglich gar keine Forderung nach einer Ampel (an Stellen wie z.B. entlang der Zossener Straße in Hellersdorf) entstanden und es käme nicht zur Situation dass man anhalten muss obwohl abends weit und breit gar niemand rüber will. Geht mit Bettelampel zwar besser, aber ideal finde ich das nicht.

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Havelländer
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schallundrausch
Ich hatte das Thema neulich mal angerissen und ein paar von Euch haben mich dafür ein bisschen ausgelacht. Aber anscheinend bin ich nicht der einzige, der findet, dass autobahnähnlicher Ausbau von Stadtstraßen - und nichts anderes ist z.B. Unter den Eichen oder die Frankfurter Allee Ost - ein Ding der Vergangenheit sein sollte.

https://www.tagesspiegel.de/berlin/rueckbau-der-autogerechten-stadt-weniger-tunnel-und-fahrstreifen-mehr-boulevards-und-baeume/24401828.html

Der Ausdruck "autobahnähnlicher Ausbau von Stadtstraßen" ist ein Oxymoron. Unter dem Tagesspiegel Artikel gibt es einen Leserbeitrag der recht gut die Realität ausdrückt: berlinfahrer 18:10 Uhr
Autogerecht ausgebaut war Berlin zu keinem Zeitpunkt, nicht einmal als die Stadtautobahn noch neu und leer war.

Yay, ich find's immer geil wenn Leute Fremdwörter benutzen und die nicht aussprechen können. Bei dir scheitert's schon am Lesen. Wo hab ich was von autogerechter Stadt erzählt?
Tipp: Jede noch so absurde Meinung findet einen Bekloppten, der sie in einen Zeitungskommentar verwurstet. Gratuliere. Ihr seid jetzt zu zweit.
Tipp 2: Autobahnähnlich meint: Niveaufrei. Kreuzungsfrei. Beschleunigt. Hab ich mir nicht ausgedacht, ist allgemeiner Sprech. Aber du musst ja nicht alles wissen.
Zitat
Railroader
Zitat
Philipp Borchert

Mag sein, aber mir ist so, als wäre der Focus sämtlicher Maßnahmen jahrzehntelang stets gewesen, es bei der Verkehrsraumgestaltung dem Autofahrer so bequem und angenehm wie möglich zu machen.

Eine naive Frage meinerseits, und das meine ich auch wirklich so, hab ja keine Ahnung: Könnte das vielleicht auch daran liegen, dass der gemeine Autofahrer, im Gegensatz zu Radlern oder Fußgängern, den Staat mit nicht gerade wenig Steuergeldern versorgt oder investiert der Staat die Summe, die er von den Autofahrern erhält, auch stets vollständig allein in die Infrastruktur für die Autofahrer? Oder war das Auto im Fokus, weil man halt Autos einfach toll fand und Autofahrer so sympathisch sind?

Und nein, ich möchte hier nichts verteidigen, die Radinfrastruktur muss ausgebaut werden! Mich interessieren aber solche Sachen.

Danke! Auf die Frage warte ich schon sooo lange! (sorry, dass es jetzt ausgerechnet Dich trifft)
;)

Die Annahme "Autofahrer zahlen ins System ein, Radfahrer profitieren nur" ist eines der populärsten Vorurteile und ich meine der am weitesten verbreitete Irrglaube in jeder verkehrspolitischen Diskussion.

Die am weitesten verbreite Antwort darauf ist "Du hast das System nicht verstanden, Steuern und Abgaben, jeder Mensch zahlt Steuern, auch Radfahrer, wenigstens Einkommensteuer, und wenn wer von Hartz lebt, dann zahlt er 19% auf alles, von der KFZ-Steuer werden keine Autobahnen gebaut, sonst müsste das ja eine Gebühr heißen, das geht alles in einen Topf, da werden die Renten von bezahlt, und die Mineralölsteuer, das ist alles nicht zweckgebunden, blablablub, klugscheißzeigefingerheb..."
Alles richtig. Aber nur die halbe Wahrheit.

Richtig interessant wird es erst, wenn man sich die Gesamtkosten anschaut. Und damit auch externe Effekte berücksichtigt, also zum Beispiel Waldsterben, Lärmverschmutzung und aufgeschürfte Knie. Kann man ja alles monetarisieren. Da kommt man dann drauf, dass jeder Autokilometer die Gesellschaft ungefähr 6-Mal soviel kostet, wie ein Kilometer, der auf dem Fahrrad zurück gelegt wird. Da spielen unterschiedlcihe Faktoren rein, beim Auto ist der größte Kostenpunkt die Verzögerung durch das Verstopfen von Straßen, beim Radfahren sind es die Kosten durch Verletzung, die am meisten zu Buch schlagen. Grob:
Ein km Autofahren kostet real 50 ct.
Ein km Radeln kostet rund 8 ct.

Jetzt wird's spannend. Rechnet man alle Kosten und Erträge für die Gesellschaft mit rein (Steuern beim Autofahren, kosten die der Autofahrer selber trägt, und Effekte wie weniger Krankheitstage, weniger Gesundheitskosten durch weniger Herz-Kreislauferkrankungen und nützliche Effekte durch Klimaschutz, dann kommt man auf rund 16 ct/km Kosten beim Auto und 15 ct/km ERTRAG beim Radfahren.

Unterm Strich zahlen Autofahrer nicht ansatzweise so viel in die Kasse ein, wie sie selbst verursachen. Und die Kosten sind eben nicht nur der Bau von Autobahnen. Und Radfahrer kosten die Gesellschaft nicht nur wenig, sie erwirtschaften reale Einsparungen. Eine Studie gibt an, dass jeder Euro, der in Radwege investiert wir, zu 4 bis 5 Euro Ersparnis bei Gesundheitskosten auslöst.

Wenn man externe Effekte - also solche Folgen für die niemand individuell aufkommt sondern die Gesellschaft als ganzes - mit einbezieht, dann erscheint, dass Autofahren pro Km ungefähr dreimal so hoch subventioniert wird, wie das "Zuschussgeschäft" ÖPNV. Oder noch krasser: wir könnten die KFZ-Steuer verfünffachen und gleichzeitig jedem Radfahrer 10 Cent für jeden geradelten Kilometer auszahlen. Das System wäre - rein monetär! - immer noch ungerecht zugunsten das Autos und zulasten des Fahrrads.


Irre, oder?

Disclaimer: es gibt -zig Studien zu dem Thema. Die unterschieden sich alle quantitativ (weil zum Beispiel Verkehrstote unterschiedlich bewertet werden, in den USA werden schnell mal 6-, 7-, ja 8-stellige Beträge fällig, in Deutschland eher so 20.000 bis 50.000 Euro), aber qualitativ ist die aussage immer dieselbe: Autofahren kostet die Gesellschaft, vom Fahrradfahren profitiert sie.
Ich habe mal ein google search als Leseeinstieg gemacht, gleich der dritte Link ist ein sehr interessante Arbeit von der TU Dresden zum Thema.
https://www.google.com/search?q=cycling+car+cost+benefit
Zitat
schallundrausch

Danke! Auf die Frage warte ich schon sooo lange! (sorry, dass es jetzt ausgerechnet Dich trifft)

Irre, oder?

Ach komm, diese Frage wird doch hier mindestens alle 18 Monate diskutiert. ;-)
Nicht unbedingt irre, aber bemerkenswert ist, dass wir hier darüber diskutieren, ob die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt gut ausgebaute Verkehrswege braucht (zu Lande, zu Wasser, in der Luft), ob Autofahrer nicht viel mehr zahlen müssten und der volkswirtschaftliche Nutzen der Infrastruktur und des Verkehrs an sich vollkommen außer acht gelassen wird.
Abgesehen davon, dass die Herstellung von Automobilen in Deutschland einige Millionen Arbeitsplätze sichert, ist es ja auch nicht von Nachteil, dass die vielen Maschinen, die wir exportieren, über asphaltierte mehrspurige Autobahnen als Schwerttansport nachts ihre Reise antreten können.

Wenn wir den Fokus jetzt mal auf Berlin legen wollen, können wir ja mal kurz auf einen Teil des Wirtschaftsverkehrs blicken.
Da staune ich immer wieder über hier herrschende Vorstellungen, man könne Lieferverkehr auf Zeiten vor 8 Uhr beschränken.
Bereits vor der großen Amazon-Same-Day-Delivery-Welle gab es innerhalb Berlins und dem angrenzendem Bereich C saisonabhängig bis zu 50.000 taggleiche Sendungen, in der Regel Business to Business, viele davon zeitkritisch.

Grüße
Nic
Zitat
phönix
Willst Du lieber die Stadt der Eselskarren und Pferdefuhrwerke? Der Wirtschaftsverkehr muss aus meiner Sicht genau so wie der ÖPNV zwangsläufig bevorzugt werden. Egal ob durch Instandhaltung der vorhandenen Infrastruktur oder durch Vorfahrtregelungen, auch bei Brückensanierungen.

Zitat
Nicolas Jost
Wenn wir den Fokus jetzt mal auf Berlin legen wollen, können wir ja mal kurz auf einen Teil des Wirtschaftsverkehrs blicken.
Da staune ich immer wieder über hier herrschende Vorstellungen, man könne Lieferverkehr auf Zeiten vor 8 Uhr beschränken.

Und wie wir wissen, nennt man wegen seiner gigantischen Industriegebiete Kreuzberg auch das "Wolfsburg von Berlin", während Friedrichshain als das "Eisenhüttenstadt von Berlin" gilt. Deshalb sind solche Massen an Wirtschaftsverkehr zwischen dem dem Stahlwerk vorgelagerten Güterbahnhof am Boxhagener Platz und dem weltgrößten Autowerk am Görlitzer Park unterwegs, dass man eigentlich die Oberbaumbrücke zwanzigspurig ausbauen müsste.

Jetzt mal ernsthaft: ginge es nur um den Wirtschaftsverkehr, bräuchte man auf den Oberbaumbrücke allenfalls eine Spur pro Richtung, selbst wenn Du die ganzen Lieferdienste und taggleiche Business-to-Business-Sendungen mit einrechnest.
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