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B-V 3313
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phönix
Hmm, das klingt aber eher so, als ob man seitens der BVG die "Mängel" nur benutzt hat, um eine politisch möglicherweise opportune Variante auf den Weg zu bringen.
So ist es.
Es passt aber auch in die damalige Zeit. Ende 1952, genauer am 29.12., macht man mit den TED/BED52 eine Pressefahrt und hält dort gleichzeitig die Jahresabschlusskonferenz. Während der Test-und Probefahrten und Personalschulungen kommt ein entscheidender Paukenschlag: die Netzspaltung vom 15. Januar 1953. In den nächsten Wochen ist man mit dem Einbau von Gleiswechseln vor der Sektorengrenze beschäftigt, die 21 (Moabit, Wiebestraße <> Jüterboger Straße E. Friesenstraße) entfällt gleich ganz. Nun beginnt am 9.2.1953 der Probeeinsatz des ersten Großraumzuges, der zweite geht gute 14 Tage später in den Betrieb. Gleich am 11.2.1953 beantragt man den berühmten Kredit über 12 Millionen DM für 40 Großraumzüge und 20 Doppeldecker. Das Geld wird auch bewilligt. In den ersten Wochen führt man penibel Protokoll über die Erprobung und kommt auf die allseits bekannten Probleme. Trotzdem testet man die beiden GR-Züge ausschließlich auf der Linie 75, nie woanders. Man wertet die Erprobungen aus und entschließt sich im Sommer, kurz nach dem Volksaufstand vom 17. Juni, dazu, bei einem weiteren Termin am 28.8.1953, die Beschaffung "zu korrigieren". Das Ende ist bekannt.
Nun kann man sich fragen, ob die GR-Züge je eine ehrliche Chance hatten. Die Netzspaltung spielte den Freunden der autogerechten Stadt sicherlich gut in die Hände, vielleicht sogar noch mehr als die betrieblichen Mängel. Die Vergleiche zu den Sitzplatzzahlen und die Behängungsgrade der Züge wusste man ja schon vorher, ebenso den Mangel an Wendeschleifen.
Ihren größten Vorteil konnten die Züge nur begrenzt nutzen: ihre Geschwindigkeit! Sie konnten 60 km/h fahren, die Fahrpläne waren damals für die 40 km/h der T24 und co ausgelegt. Vielleicht behinderten sie durch ihre längeren Haltezeiten rund um den Zoo die anderen Züge, auf der Heerstraße holte man die Zeit aber locker wieder raus.
Die Großraum-Prototypen kamen trotz ihrer durchaus zeitgemäßen Technik etwas zu spät. Grundsätzlich hatte sich Berlin bereits Ende der 1930er Jahre von der Weiterentwicklung der Straßenbahn verabschiedet. Damit war man auf "Augenhöhe" mit anderen Weltstädten wie Paris, London, New York. BVG-Techniker nahmen zwar noch an der Entwicklung der Einheitsstraßenbahnwagen (ESW) teil, diese gingen jedoch aufgrund des Kriegsausbruchs nicht mehr in die Produktion. Letzte Neuzugänge waren eine Serie von ESW-ähnlichen Beiwagen, die jedoch teilweise in Hannover blieb. Auch der Eintritt der BVG in die Bestellungen der Stadt Warschau bei den Waggonfabriken Danzig und Königshütte brachte keine Neuerungen, der Kriegsstraßenbahnwagen (KSW) - Prototyp erwies sich für die BVG als ungeeignet und wurde nach Woltersdorf abgegeben.
Dennoch unternahm die BVG nach Kriegsende und erstem Wiederaufbau sogleich nach der Währungsreform (und damit Teilung des Betriebes) große Anstrengungen zur Konsolidierung und Modernisierung des Straßenbahnnetzes. Dafür standen umfangreiche Gleiserneuerungen, die vollständige Erneuerung der gesamten Fahrleitungsanlagen und Stromabnehmer, Erneuerung vieler Umformerwerke mit Quecksilberdampfgleichrichtern durch die BEWAG und technische Neuausstattung der Hauptwerkstatt Uferstraße. Der Vorkriegsstand bei neuen Signalanlagen und elektrischen Weichenstellvorrichtungen und -heizungen wurde bald übertroffen.
1953 und 1956 wurde in der Bundesrepublik die BOStrab verschärft, um die Unfallzahlen zu reduzieren und die Wirtschaft anzukurbeln. Fahrzeuge mit Holzaufbau waren ab 1960 nicht mehr zulässig, Sicherheitsglas, Schienenbremsen, Scheinwerfer, Bremsleuchten, Fahrtrichtungsanzeiger, Hauptuntersuchungen, Haltestellenschilder, selbsttätige Signalanlagen wurden nach und nach verpflichtend. Mit Vorkriegsfahrzeugen war da absehbar nichts mehr zu machen. Die BRD-BOStrab wurde mit Berlinklausel auch in West-Berlin verbindlich, nur einige Nachrüstungsfristen etwas gestreckt.
Dazu kam der Tod des Regierenden Bürgermeisters Reuter, der schon als Verkehrsstadtrat von 1926 bis 1931 stets für die Straßenbahn und einen einheitlichen Berliner Nahverkehr eingetreten war. In dieser Zeit erreichte er die Gründung der BVG, deren erster Aufsichtsratsvorsitzender er wurde. Die U-Bahn wurde stark erweitert ohne die Straßenbahn dabei wesentlich zu reduzieren, bis die von den USA ausgegangene Weltwirtschaftskrise dieser positiven Entwicklung ein jähes Ende bereitete.
Mit der Wahl zum Oberbürgermeister 1947 und 1948 wurde er zum ersten Mann in den Westsektoren, nach Einführung der (West-) Berliner Verfassung 1950 der erste Regierende Bürgermeister. Die regierende SPD wartete aber bis zu seinem Tod am 29.9.53, um die politisch getroffene Entscheidung über die Einstellung der Straßenbahn bis 1970 schrittweise umzusetzen. Das Ziel wurde sogar vorfristig erreicht.
Selbst als der Berliner Waggonbauer DWM (später Waggonunion) in Reinickendorf für andere deutsche Betriebe neuzeitliche Gelenkwagen, beispielsweise für Karlsruhe fertigten, wurde nie einer auf BVG-Gleisen getestet.
so long
Mario