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Straßenbahn zum Ostkreuz
geschrieben von krickstadt 
Zitat
Railroader
Was ist wichtiger: Verkehrswende oder Demokratie?

Diese Frage ist... naja... irgendwas zwischen suggestiv und populistisch. So als wenn beide Dinge in Konkurrenz zu einander stehen. Ist eine nachhaltige und klimawissenschaftlich absolut notwendige Verkehrswende also nur unter undemokratischen Mitteln zu erreichen? Oder bedeutet mehr Demokratie automatisch den verkehrspolitischen Stillstand? Das wäre dann politischer Konservativismus wie es die Altherren-Parteien CDU, CSU und Co. seit Jahren vormachen. PassusDuriusculus warnte vor dem zweiten Fall. Unsexy sind irgendwie beide Extreme. Sie sollten daher nicht Maßgabe von Diskussionen um konkrete Bauprojekte sein. Aber schauen wir uns doch mal den (These 1) "undemokratischen" Planungsprozess der SL21-Verlegung im Detail an und wie viel "Verkehrswende" (These 2) wirklich drin steckt:

April 2012: 1. Bürgerdialogveranstaltung
Juni und Dezember 2013: Zwei Veranstaltungen zur Trassenfindung, dann läuft die eigentliche Vorplanung
September 2015: Frühzeitige Bürgerbeteiligung vor dem Beginn der Planfeststellung, die Planer erarbeiten die Entwurfsplanung
November 2017: Bürger-Infoveranstaltung zum fertigen Entwurf
Februar 2018: Auslegen der fertigen Pläne zur Einsicht zum Zwecke der Planfeststellung
Und hier wurden Einwände im vierstelligen Bereich eingebracht (die genaue Zahl habe ich nicht im Kopf), die alle vom Planungsträger beantwortet werden müssen. Für ein räumlich relativ überschaubares Verkehrsprojekt außergewöhnlich viel. Auf einen möglichen Hauptgrund gehe ich im nächsten Beitrag ein.

Summa summarum gab es in regelmäßiger Abfolge die Möglichkeit, sich in verschiedenen Formen zu beteiligen. Dazu muss man noch wissen, dass die Tram21-Planung stark von anderen Bauvorhaben abhängt. Erst muss das Ostkreuz fertig werden. Das wurde bahnseitig geschafft. Dann stehen noch die Vorplatzumgestaltungen aus, wo sich die Straßenbahn baulich einfügen muss. Auch hier gab es diverse Werkstattverfahren, wo man sich hätte beteiligen können. Vielmehr noch, fand sich für jeden der vier Quadranten um das Bahnkreuz herum mindestens eine Bürgerinitiative, die sich aktiv an den Gestaltungen (schwerpunktmäßig der Bahnhofsvorplätze) beteiligte. Dabei reichte das Potpourri von der Lage der Fahrradabstellanlagen, über die Lage der Kiss&Ride-Plätze bis hin zur Organisation der Informationsverteilung. Die BI für den Nordwestquadranten ist die selbe, die sich auch an der Tram-21-Planung beteiligte. Fazit: undemokratisch ist hier gar nix und These 1 bleibt unbewiesen.

Kommen wir zur These 2, dem Einfließen der "Verkehrswende" in die laufende Tramplanung. Hier könnte man jetzt auf zwei Wegen vorgehen: Wir analysieren die Planunterlagen auf Radverträglichkeit, Anzahl wegfallender Parkplätze, Betriebskonzepte bei Bus und Straßenbahn, Trassenalternativen etc. Das ist mir ehrlich gesagt grad zu viel, auch weil die Auslegungszeit der Pläne abgelaufen ist. Aber vielleicht hat sich jemand den Erläuterungsbericht und die Pläne abgespeichert und kann einspringen. Oder du klickst dich einfach durch die Zusammenfassungen auf der Informationsseite der SenUVK.

Argumentativ einfacher ist ein anderer Weg und sich klar zu machen, dass das Tram-21-Projekt kein Projekt aus der klimasensitiven Jetztzeit ist, sondern eine Karteileiche aus den Nachwendejahren. Damals wollte man eines: Den zukünftig regional bedeutsamen Kreuzungsbahnhof nicht nur ein modernes Antlitz verleihen, sondern praktisch die gesamte Schienenverkehrslogistik umkrempeln (Neuordnung der Stadtbahnlinien, Einbinden es neuen Regionalnetzes in alle sechs Richtungen) und diesen modernen Bahnhof ans städtische Nahverkehrsnetz anzubinden. Ein Element dabei ist die Heranführung der Tram 21 (damals noch 13, 82 UND 21) und den Bus an den Bahnhof im Sinne attraktiver Umsteigebeziehungen. Parkplatzvernichtung, Autofahrergängelei oder gar ein steigender Radverkehr waren kein Thema. Warum auch? Ganz oben stand die bessere Vernetzung aller Verkehrsträger im Sinne eines attraktiven ÖPNVs sowohl für die Kurzverkehre innerhalb der Kieze als auch für den über die Kieze hinausgehenden Verkehre. Damit dürfte auch die seltsame Frage vom Jagdpiloten beantwortet sein, warum die Straßenbahn ausgerechnet durch das Wohngebiet geführt werden muss von der einen Straße in die andere Straße des selben Wohngebiets verlegt wird. Weil es erschließungs- und trassierungstechnisch Sinn ergibt. schallundrausch hat den Punkt dankenswerterweise schon aufgegriffen. Die These 2, das die Tram 21 also ein (ich paraphrasiere mal) trojanisches Pferd ist um eine zweifelhafte Verkehrswende durchzudrücken ist ihrerseits zweifelhaft.

Im Gegenteil, finde ich, dass die Erkenntnisse aus dem aktuellen politischen Diskurs wie wir ihn heute führen, praktisch nicht mehr in die Planung einfließen können, weil der Planungsprozess schon sehr weit fortgeschritten ist. Das ist bedauerlich. Selbst wenn die Möglichkeit bestünde, grundsätzliche Veränderungen am laufenden Planungsprozess herbeizuführen, bleibt folgendes politische "Problem" bestehen:


Zitat
Railroader
Und tatsächlich denke ich eben, dass die Verkehrswende unter den gegenwärtigen Voraussetzungen eh nicht zu schaffen ist, da ist die Sonntagstraße nur ein kleiner Baustein in einem gesamten Konstrukt. Verkehrswende funktioniert für mich nur ganzheitlich, aus meiner Sicht ist es nicht damit getan, nur Autofahrern das Leben schwer zu machen oder 1. Klasse-Abteile (war heute in den Medien, Vorschlag der Linken) abzuschaffen. Ohne Investition wird es nicht funktionieren.

Die sogenannte Verkehrswende befindet sich prozessual gesehen noch immer im Schritt des öffentlichen Diskurses. Erste Ansätze zur praktischen Umsetzung sind erst seit kurzer Zeit zu erkennen (und noch im sehr geringen Maße). Sei es legislativ durch das Schaffen rechtlicher Rahmenbedingungen (Stichwort E-Scooter-Gesetz), durch den judikativen Druck aufgrund weitreichender Rechtsurteile (Stichwort Luftreinhaltepläne und Fahrverbote) oder durch Anstrengungen aus der Zivilgesellschaft (Stichwort Mobilitätsgesetz). Im Kern können gesamtgesellschaftliche Transformationsprozesse nachhaltig erst erfolgen, wenn auf zahlreichen politischen Ebenen die Rahmenbedingungen angepasst wurden. So etwas geht nicht von heute auf morgen, sondern ist ein Prozess dessen Ergebnisse mühsam ausgehandelt werden müssen. Politikwissenschaftler sprechen davon, dass solche Prozesse mindestens ein Jahrzehnt und mehr benötigen bis Grundsatzentscheidungen den Alltag verändern können. Wer also annimmt, dass solch ein Prozess im Ansatz schon gescheitert ist obwohl signifikante Veränderungen noch gar nicht stattgefunden haben, der wirft auch den Malerpinsel bereits nach dem Streichen der Fensterrahmen in die Ecke, weil er für die Wohnungsrenovierung noch keinen Zeitplan, keine Tapete und keine Idee hat, welches Mobiliar eigentlich ersetzt werden muss...

Viele Grüße
Florian Schulz

--
Das Gegenteil von umfahren ist umfahren.



2 mal bearbeitet. Zuletzt am 16.08.2019 14:18 von Florian Schulz.
Zitat
Railroader
Es gehört zur Demokratie, dass Menschen ihre Interessen rechtlich vertreten (lassen) können und sei es drum, dass es dann mal länger dauert.

Es gehört aber auch zur Demokratie, sich als Beteiligter im Diskursprozess irgendwann geschlagen zu geben, wenn die eigenen Argumente nicht mehr überzeugen. Für die Planungsverzögerungen maßgeblich ursächlich ist eine bestimmte Interessenvertretung am Ostkreuz, die über den gesamten Beteiligungsprozess mit polemischen und emotionalen Ansichten auffiel anstatt sachorientiert und offen zu agieren. Ich habe in einer frühen Phase mal einer ihrer Sitzungen besucht und es war haarsträubend mit welchen Argumenten sie hantierten. Da war "Die Tram 21 fährt unsere Kinder tot" und "das müssen wir den Bürgern so klar machen" mit das harmloseste. Durch eine Bekanntschaft bei SenStadt erfuhr ich, dass die BI auch bei anderen Informationsveranstaltungen oft negativ auffiel. Immerhin schaffte sie es irgendwann ein Alternativkonzept zu entwickeln, das die bekannte Spitzkehre aus Richtung Osten vorsieht. Sie riss ihre Glaubwürdigkeit aber wieder ein, als sie im Rahmen der Frühzeitigen Beteiligung dazu aufrief, dass jeder so viele Einwände wie möglich schreiben soll, um den Fortgang des Projekts bewusst zu lähmen. Und das hat sie mit der exorbitant hohen Anzahl an zu bearbeitenden Einwänden nun geschafft. Die Leidtragenden sind die Fahrgäste.

So etwas hat mit Demokratie nichts mehr zu tun, wenn Verbesserungen für die Allgemeinheit durch eine Interessenvertretung so massiv ausgebremst werden. Gerade bei Verkehrsprojekten sind Anwohnerinteressen nicht die Maßgabe, sondern Teil eines weitaus größeren Interessenkreises, bei dem alle ihr Recht auf Berücksichtigung haben. Dazu zählt nämlich auch jeder potentielle Fahrgast, egal von wo er anreist. Das scheinen viele Anwohner zu vergessen. Bei der Straßenbahnverlängerung zum Hermannplatz lassen sich bereits ähnliche Tendenzen beobachten. Irgendwann frustrieren solche destruktiven Leute nur noch.

Es mag undemokratisch klingen, aber die Forderung von einigen das Beteiligungsrecht einzuschränken ist durchaus legitim. Nämlich dann wenn dieses Recht von einigen Menschen dadurch pervertiert wird, dass der eigentliche Zweck das Schaffen von Verbesserungen auf Basis eines gemeinsam (!) ausgehandelten Konsenses damit verfehlt wird. Warum werden in der Öffentlichkeit die langen Zeiträume, bis etwas gebaut wird, so oft kritisiert? Vielleicht unter anderem deswegen.

Viele Grüße
Florian Schulz

--
Das Gegenteil von umfahren ist umfahren.
Zitat
VvJ-Ente
Würde dir auch nichts nützen. Auch bei russischen Beleidigungen funktioniert der Meldebutton. Oder muss ich für dich Meldeknopf schreiben?

spakoina notschi! (Foren-Weichware mag keine kyrillischen Buchstaben)

Meldeknopf ist schon richtig.
Würde ich den jedesmal drücken, wenn hier einer mit englischen Brocken um sich wirft, käme ich zu nichts anderem mehr...

T6JP
Zitat
Railroader
Zitat
PassusDuriusculus

Vermutlich fallen leider irgendjemanden Gründe ein, warum man die Parklätze nicht in die Boxhagener zu legen gehen...

Das Argument wird sein, dass man den Autoverkehr eindämmen muss und Parkplätze nicht mehr zeitgemäß sind und Platz beanspruchen. Bei manchen Menschen geht es auch nicht um eine faire Verkehrswende, sondern darum, ein Territorium zurück zu erobern. Ich bin da immer eher für das Miteinander. ;-)

Dein Vorschlag ist, wie gesagt, gut. Man kann die Autofahrer gerne auch mal mit 4 Minuten Fußweg strapazieren, aber man muss sie nicht bekämpfen. Wocheneinkauf mit ÖPNV und 4 Tüten für eine Familie ist eben einfach auch nicht so leicht. Aber gut, die können ja auch bestellen, dann bringts halt der Lieferdienst.^^

Genau. .dann bringts der Lieferdienst.. der dann hier Zielscheibe wird, weil Lieferwagen/Lastenrad oder was auch immer in der zweiten Reihe/aufm Radweg/aufm Gehweg stehen,
denn den Platz dafür wird es dann auch nicht mehr geben, wenn man die Schienen für die Bimmel und einen Radweg(vlt. noch mit Pollern abgegrenzt) in die enge Straße hineinpresst...

T6JP
Zitat
T6Jagdpilot
Genau. .dann bringts der Lieferdienst.. der dann hier Zielscheibe wird, weil Lieferwagen/Lastenrad oder was auch immer in der zweiten Reihe/aufm Radweg/aufm Gehweg stehen, denn den Platz dafür wird es dann auch nicht mehr geben, wenn man die Schienen für die Bimmel und einen Radweg(vlt. noch mit Pollern abgegrenzt) in die enge Straße hineinpresst...

Die Sonntagstraße ist 22m breit. Die Wühlisch-, Weichsel- und Scharnweberstraße auch. Wie werden dort eigentlich die Läden beliefert?

Viele Grüße
Florian Schulz

--
Das Gegenteil von umfahren ist umfahren.
Danke und sehr gut geschrieben Florian. :)
Erst mal vielen Dank @Florian Schulz für den ausführlichen und fundierten Beitrag. Wie es auch anders geht, hat ein anderer Diskussionsteilnehmer unmittelbar danach gezeigt...

Die Auflistung beginnend im April 2012 (1. Bürgerdialogveranstaltung) deutet an, dass es umfangreiche Beteiligugnsmöglichkeiten gibt, aber trotzdem das Gefühl herrscht: "Die machen, was sie wollen". Selbst Foristen schrieben ja sinngemäß: "Wieso denn nicht Lösung X, die ist doch viel besser als Lösung Y" und "Die Fahrgäste können doch die 500 m laufen" (machen sie aber nicht). Trotz des ganzen Prozesses ist selbst für eine relativ einfache Baumaßnahme mit mindestens 10 Jahren von der "Idee" bis zur Ausführung zu rechnen - sogar wenn es nicht Tausende von Stellungnahmen gibt.

In den Sinn kam mir dabei noch eine andere Baumaßnahme, die bis heute vor sich hin schlummert, nämlich die Verlegung der Straßenbahn von der Südseite zur Nordseite des Krankenhauses Köpenick. Eigentlich auch eine vergleichsweise kleine Baumaßnahme, aber mit großem Effekt (Einsparung einer Menge Busverkehr). Nachdem es einige unerfreuliche Veranstaltungen vor Ort gab, wo die Leute jammerten, dass gerade ihre wichtige Buslinie dann wegfallen würde (und außerdem einige Parkplätze), ist dieses Projekt meines Wissens aufgegeben worden. Dürfte aber auch schon 15 Jahre mindestens her sein.
Zitat
VvJ-Ente
Zitat
schallundrausch
Henner, wenn Dich das interessiert, in der Planfeststellungsunterlage geht es rund 20 Seiten lang nur um Abwägung verschiedener Varianten gegeneinander, da wird um jeden Mast gerungen, ob nicht doch ein Baum oder Parkplatz mehr erhalten oder dem Radverkehr nicht noch ein paar Zentimeter mehr eingeräumt werden können.

Du möchtest doch nicht ernsthaft ein 20-seitiges von Experten erstelltes Papier höher einschätzen als das Bauchgefühl von ausgewählten Forumsmitgliedern? ^^

Fuckin brilliant. Du hast mich erwischt.
Zitat
T6Jagdpilot
Zitat
VvJ-Ente
Würde dir auch nichts nützen. Auch bei russischen Beleidigungen funktioniert der Meldebutton. Oder muss ich für dich Meldeknopf schreiben?

spakoina notschi! (Foren-Weichware mag keine kyrillischen Buchstaben)

Meldeknopf ist schon richtig.
Würde ich den jedesmal drücken, wenn hier einer mit englischen Brocken um sich wirft, käme ich zu nichts anderem mehr...

T6JP

Dinglisch steht ja nun auch nicht im Widerspruch zu den Forumsstatuten, n'est-ce pas?
Zitat
schallundrausch
Zitat
T6Jagdpilot
Zitat
VvJ-Ente
Würde dir auch nichts nützen. Auch bei russischen Beleidigungen funktioniert der Meldebutton. Oder muss ich für dich Meldeknopf schreiben?

spakoina notschi! (Foren-Weichware mag keine kyrillischen Buchstaben)

Meldeknopf ist schon richtig.
Würde ich den jedesmal drücken, wenn hier einer mit englischen Brocken um sich wirft, käme ich zu nichts anderem mehr...

T6JP

Dinglisch steht ja nun auch nicht im Widerspruch zu den Forumsstatuten, n'est-ce pas?

Hätte er die von ihm so gern vorgebrachte Lieblingsquelle mal selbst bedient, wüsste er, dass der Whataboutismus "[...] eine oft als unsachlich kritisierte Gesprächstechnik [ist], die unter diesem Namen ursprünglich der Sowjetunion bei ihrem Umgang mit Kritik aus der westlichen Welt als Propagandatechnik vorgehalten wurde." [de.wikipedia.org]

Viele Grüße
Florian Schulz

--
Das Gegenteil von umfahren ist umfahren.
Danke Florian, das ist ein sehr guter Text, den ich komplett unterschreiben kann.

Noch eine Ergänzung zu dem Argument, was kurz danach aufkam: Lieferwagen/lastenräder.

Das ist auch eine Konstante hier im Forum, sie werden genauso wie Stehroller/Leihräder/alles andere Neue als Konkurrenz und Gefahr für Fußgänger/Radfahrer/ÖV gesehen. Warum eigentlich? Der Flächenkonflikt soll ja nicht mit dem Umweltverbund ausgetragen werden, sondern mit der mit der größten Platzverschwendung im öffentlichen Raum - dem Parken von privaten PKW.

Für Mietleichtfahrzeuge wurde gerade erst eine neue Regelung gefunden, die muss natürlich erst noch greifen. Für Lieferfahrzeuge existiert die ja schon lange, Lieferzonen sind ja nun keine Erfindung der verkehrsverwendeten Klimamüslis.

Problem: Subjektiver Eindruck: Überall Lieferautos in zweiter Reihe. Blockieren den Verkehr. Objektive Bestandsaufnahme: Die Straßenränder sind komplett mit Privat-Kfz zugestellt und verhindern, dass die Lieferanten sich dort hinstellen, wo sie hingehören. Reaktion in Forum, Presse, Öffentlichkeit: Weg mit den gefährlichen Lieferautos!!! Ich so: ???

Man muss das doch nur mal Vergleichen: ein Leben mit Auto. Oder eins mit Lieferdienst. Fall a) Ich fahre zweimal die Woche zu einem Großsupermarkt und packe die Kiste voll mit allem was ich die Woche so brauche. Ergebnis: mien Auto steht 161h pro Woche rum und irgendwem im Weg. Fall b) Ich kaufe alles, was ich so brauche auf dem Weg ein, wenn ich eh grad am Laden vorbeikomme. Alles, was ich zu Fuß nicht Wegbekomme, Getränkekisten etc lasse ich mit 1-2x die Woche von Bringmeister/Durstexpress et al. liefern. 20 min pro Woche ist dadurch der Parkplatz vor meinen Haus durch einen Liefermenschen blockiert, wo sonst mein Auto stehen würde.

Einen konkreten Faktor auszurechnen wäre jetzt unseriös, aber es besteht überhaupt kein Zweifel daran, dass die Option 'Liefern lassen' um ein Vielfaches platzeffizienter und ökologischer ist als 'mit Auto selber holen'. Deswegen verbietet sich auch dieses Fingerzeigen auf die angeblich bigotten Gutmenschen, die autofrei zu leben vorgeben, sich aber ständig Sachen aus dem Netz bestellen.
Zitat
Railroader
Zitat
PassusDuriusculus

Dann macht man da halt viele neue Parkplätze hin und dafür die Sonntagsstr. Parkplatzfrei (als plakatives Beispiel)

Wäre ich dafür. Ich bin ja auch für die Straßenbahn durch die Sonntagstraße zum Ostkreuz. Dein Vorschlag ist gut. Nur hat man den denn jemals unterbreitet? Bisher heißt es immer: Parkplätze weg, Gebühren hoch, Autofahrenden es so schwer wie möglich machen. Aber ohne ein Gegenangebot. Kurze Takte im ÖPNV überbewertet, Ausbau ÖPNV bitte billig und auf jeden Cent achten. Nee, so funktioniert eine wirkliche Verkehrswende mE nicht. Man denkt hier, dass man die Verkehrswende zum Nulltarif haben kann, wenn man nur mit Verboten und hohen Kosten kommt und das passt mir nicht, obwohl ich prinzipiell kein Gegner der Verkehrswende bin. Hier mögen dann doch aber einige Verantwortliche ihrer Verantwortung auch mal gerecht werden und nicht nur alles auf den Bürger abwälzen.

Das sind alle gefühlte Wahrheiten, die sich beim Blick in die konkreten Planungen nicht belegen lassen. Im konkreten Fall wurde eine Lösung für die Sonntagstraße betrachtet, die für den Radverkehr noch vorteilhafter gewesen wäre, bei der aber noch 5 Parkplätze zusätzlich weggefallen wären. Nach der quantitativen Bewertung mit genormtem Verfahren landete diese Variante auf Platz 2 und wird nicht realisiert.

Eine Variante mit Wegfall aller Parkplätze oder einer Komplettsperrung und Umwandlung in Eine FuZo oder Rad/Tram/Fußgeher/Lieferverkehr-Begegnungszone wurde nicht mal in Betracht gezogen geschweige denn qualitativ bewertet.

Die Planungsregularien zwingen zur Betrachtung der Interessen aller Betroffenen, und das sind auch die Bedürfnisse des Kfz-Verkehrs. Das schlägt sich auch verbal und quantitativ in der finalen Planung nieder und ist für jedermann nachlesbar und nachvollziehbar. Deine These einer ideologiegeleiteten Verkehrsplanung entbehrt jeglicher Grundlage.
#servicepost

Man muss gar nicht so weit wie in den Erläuterungsbericht schauen. Auf der SenUVK-Seite sind zumindest die Zusammenfassungen über die Variantenauswahl noch abrufbar:

1.Stufe
2. Stufe

Ich hab für Henner die PF-Unterlagen gezippt und hochgeladen, wenn sich wer das nochmal im Detail anschauen will und den Auslagezeitraum verpasst hat, hier gibt's nochmal eine Chance .(Interessant vor allem der Erläuterungsbericht und die Lagepläne und Querschnitte. Die Bauwerkspläne und Untersuchungen sind arg technisch, aber ich hab sie der Vollständigkeit halber drin gelassen.) 169 MB .zip-File.

https://we.tl/t-pTg338qYoh

Link ist eine Woche lang gültig.
Und es ist echt geil, dass die Friedrichshainer Bestandsstrecken der 21 so schön saniert werden.
Zitat
Rummelburg
Und es ist echt geil, dass die Friedrichshainer Bestandsstrecken der 21 so schön saniert werden.

Auch zwischen Holteistraße und Karlshorster Straße?

Gruß Nemo
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Eine Straßenbahn ist besser als keine U-Bahn!!
Zitat
Railroader
Gegenfrage: Was ist wichtiger: Verkehrswende oder Demokratie?

Um mich auch hier aufzuhängen: Demokratie heißt aber auch, sich dem Willen der Mehrheit beugen zu müssen. Im Fall "Parkplätze gegen Straßenbahn" in der Sonntagstraße müsste man also den Schaden, der den Parkplatznutzern entsteht, dem Nutzen der Straßenbahnfahrgäste gegenüberstellen. Dazu mal eine simple Rechnung. Laut den von schallundrausch freundlicherweise zu Verfügung gestellten Unterlagen wird die Sonntagstraße von bis zu 800 Kfz pro Tag benutzt. Es gibt ca. 160 Parkplätze im betroffenen Abschnitt der Sonntagstraße, von denen ca. 105 wegfallen werden. Wenn das Verhältnis Kfz zu Parkplätzen gleich bleibt, dann betrifft das pro Tag 525 Autos, die keinen Parkplatz mehr finden. Bei ca. 1,4 Personen Besetzungsgrad pro Kfz sind also 735 Personen betroffen. Diesen Personen entsteht ein Komfort- und Zeitverlust. Das ist nichtmal die Mehrheit der Anwohner der Sonntagstraße, die anderen finden schon heute keinen Parkplatz.
Wenn also pro Tag 735 Fahrgäste täglich diese Zeit wieder sparen, ist die Straßenbahn wohl besser. Diese Zahl ist natürlich ein Witz: Das sind bei der angestrebten Verdichtung auf einen 10-Minuten-Takt ca. 3 Fahrgäste pro Fahrt. Und dabei geht es noch nicht mal um neu hinzugewonnene Fahrgäste, sondern auch um solche, die bereits heute zur Neuen Bahnhofstraße laufen. In den Folien der BVG werden Verbesserungen für 2.700 Fahrgäste pro Tag prognostiziert.
Anonymer Benutzer
Re: Straßenbahn zum Ostkreuz
16.08.2019 20:53
Zitat
Florian Schulz
Ist eine nachhaltige und klimawissenschaftlich absolut notwendige Verkehrswende also nur unter undemokratischen Mitteln zu erreichen?

Hallo Florian,

vielen Dank für deine umfangreichen Ausführungen. Ich werde mir deinen Link und auch die Unterlagen von Arian am Wochenende in Ruhe zu Gemüte führen.

Zu deiner Frage: keineswegs. Verkehrswende und Demokratie stehen nicht im Widerspruch. Wenn wir beim Thema Sonntagstraße bleiben, bedeutet das eben: Einsprüche ermöglichen, Einsprüche abarbeiten, Planfeststellungsbeschluss, Klagen zulassen, Klagen bescheiden, ran ans Werk. Das wäre ein absolut demokratischer Weg, der ja auch gegangen wird. Wenn im genannten Fall viele Bürger ihre Rechte missbrauchen, was ja offensichtlich der Fall ist, ist das aber für mich noch kein Grund, die Bürgerrechte einzuschränken. Man kann nicht immer alle bestrafen, weil manche Menschen irgendwas ausnutzen. Die aus meiner Sicht einzige Reaktion darauf wäre, künftig mit einer höheren Anzahl Einwänden zu rechnen und diese mit einer entsprechenden Personalaufstockung schneller abzuarbeiten, um lähmenden Verzögerungen entgegenzuwirken. Das Gleiche gilt auch zur Entlastung der Gerichte. Ich schrieb ja mehrfach, dass ich nicht viel davon halte, immer gleich mit dem Verbotshammer zu kommen, sobald es mal ungemütlich wird. Und gerade hier kann die Lösung eben auch erstmal anders aussehen, bevor man an die Beschneidung von Bürgerrechten geht. Zudem finde ich solche Forderungen auch recht alarmierend, da nicht absehbar ist wo es hinführt, wenn sich sowas erstmal einspielt und als geeignetes Mittel zum Umgang mit Gegenstimmen etabliert wird.
Anonymer Benutzer
Re: Straßenbahn zum Ostkreuz
16.08.2019 21:03
Zitat
Periculator

Um mich auch hier aufzuhängen: Demokratie heißt aber auch, sich dem Willen der Mehrheit beugen zu müssen.

Heißt also: Wenn die Mehrheit der Deutschen gegen höhere Gebühren fürs Falschparken oder die Einschränkung des MIV ist/wäre, sollten die Befürworter jegliche Bemühungen dahingehend ruhen lassen?

Ich weiß ja worauf du hinaus willst und in letzter Instanz wird ein Gericht im Beispiel Sonntagstraße, wohl zum Nachteil der Anwohner, bescheiden. Damit ist die Demokratie ja gewahrt. Nichts desto trotz ist es natürlich auch richtig, dass sich viele Anwohner hier offenbar nicht sehr demokratisch verhalten.
Zitat
Railroader
Zitat
Periculator

Um mich auch hier aufzuhängen: Demokratie heißt aber auch, sich dem Willen der Mehrheit beugen zu müssen.

Heißt also: Wenn die Mehrheit der Deutschen gegen höhere Gebühren fürs Falschparken oder die Einschränkung des MIV ist/wäre, sollten die Befürworter jegliche Bemühungen dahingehend ruhen lassen?

Nein, denn Mehrheiten und Rahmenbedingungen können sich auch ändern. Es ist aber sehr unwahrscheinlich, dass das im Fall Sonntagstraße überhaupt passiert.
Zitat
schallundrausch

Das sind alle gefühlte Wahrheiten, die sich beim Blick in die konkreten Planungen nicht belegen lassen. Im konkreten Fall wurde eine Lösung für die Sonntagstraße betrachtet, die für den Radverkehr noch vorteilhafter gewesen wäre, bei der aber noch 5 Parkplätze zusätzlich weggefallen wären. Nach der quantitativen Bewertung mit genormtem Verfahren landete diese Variante auf Platz 2 und wird nicht realisiert.

Ja, im Planungsrecht sind wegfallende oder neu entstehende Parkplätze neben der Leistungsfähigkeit für den Fahrzeugverkehr eine der wichtigsten Kenngrößen.
Das ist etwas problematisch, wenn es Varianten gibt, die für den Umweltverbund (also auch Fußgänger) besser wären, aber eben bei den Kenngrößen nicht punkten. Pech gehabt oder vielleicht doch Mal das Planungsrecht anpassen?
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