Zitat
andre_de
Eben! Und darum habe ich auch gar nichts verglichen oder gar im Detail gerechnet, sondern VvJ-Ente lediglich aufgezeigt, dass sein Vergleich reiner Investkosten hinkt, bzw. komplett Stuss ist.
Deine ganzen weiteren Ausführungen beziehen sich allesamt nicht auf den von mir genannten zentralen Punkt, dass beim U-Bahn-Bau weit mehr als die Hälfte der Kosten in den Rohbau gehen, und sich diese Kosten aufgrund der extrem langen Nutzungsdauer sehr stark relativieren.
Letztlich muss man aber
aktuell Entscheidungen treffen, wofür Geld ausgegeben wird, und dabei überlegen, wo der Schuh
aktuell besonders stark drückt. Also: wo ist der ÖV besonders stark im Hintertreffen? Wo kann man in möglichst kurzer Zeit mit möglichst geringem Aufwand einen möglichst hohen Gewinn für den ÖV verbuchen? Ist da wirklich die U8 ins MV besonders weit vorn dabei?
Ist die U8 ins MV nicht sogar für viele Fahrgäste nachteilig - wenn nämlich Buslinien, die heute Verbindungen in Nachbarbezirke oder zur S-Bahn herstellen, auf Zubringer reduziert und Umsteigezwänge generiert werden? Warum endet denn eigentlich keine einzige MV-Buslinie am Bf. Wittenau? Offensichtlich, weil auch ein nicht geringer Verkehrsbedarf in anderen Relationen als Richtung Gesundbrunnen - Alex besteht. Entweder wird die U8 also kaum Buslinien ersetzen, sondern ein Zusatzangebot darstellen (was zwar aus Fahrgastsicht positiv wäre, aber sich negativ auf die Wirtschaftslichkeitsberechnung auswirkt) - oder es wird zu Kürzungen im Busverkehr kommen, was dann die Frage stellt, ob sie aus ÖPNV-Netz-Sicht nicht sogar nachteilig wäre. Die Senatsverwaltung wird sich schon was dabei gedacht haben, die Annahmen zum Busnetz nicht zu veröffentlichen, die ihren Fahrgastschätzungen zugrundeliegen.
Und zur Nordtangente: Klar, die wäre im Bau besonders teuer. Aber es ist auch ungerecht, die Kosten allein der Straßenbahn zuzuschlagen: denn wenn dabei ganze Stadträume umgebaut werden, profitieren eben auch die - von weniger Lärm, ggf. weniger versiegelten Flächen, im Sommer einer Abkühlung des Straßenraums durch die Rasengleise. Das wären Gewinne, die es über die reine Straßenbahnlinie hinaus gäbe. Bei der U8 gäbe es "nur" die U8 - und die wahrscheinlich auch noch für weniger Fahrgäste als die "Nordtangente" der Straßenbahn.
Das führt zum nächsten Thema: wie viele Fahrgäste könnten gewonnen werden? Meines Erachtens wird das bei der U8 zumindest zum Märkischen Zentrum massiv überschätzt: es profitieren eigentlich nur jene, die Start oder Ziel direkt im Umfeld des Märkischen Zentrums haben. Aber sonst? Wer eh mit dem Bus weiterfährt, spart doch allenfalls 2 min. (Die Busse brauchen heute für die Strecke vom Märkischen Zentrum zum Bf. Wittenau 4 min, die U8 vielleicht 2.) Ansonsten ist alles wie gehabt, nur dass der Schienenanteil am Weg etwas länger ist. Bei der Nordtangente würde hingegen auch auf längerer Strecke die Beförderungsqualität wesentlich besser werden.
Im Übrigen: selbst eine U-Bahnlinie muss sich über hundert Jahre nicht auszahlen - siehe U4. Und um dem Argument "Hätten die früher so gedacht wie ihr, hätten wir heute ein Problem!" vorzubeugen: "früher" (ich meine den Anfang des 20. Jahrhunderts und die 1920er Jahre) war die Situation eben eine ganze andere: es gab ein flächendeckendes Straßenbahnnetz, aber eben kaum Schnellbahnen. In Grenzen gilt das auch noch für die Nachkriegszeit. Wenn es den zentralen Abschnitt der U8 nicht gäbe, müsste er gebaut werden. Gleiches gilt für die U9 (die aus heutiger Sicht sinnigerweise zu einem Umsteigepunkt mit der Nordbahn hätte geführt werden sollen, bei gleichzeitigem Verzicht auf die U8 nördlich der Osloer Straße). Heute gibt es selbst auf nachfragestarken Relationen (die aber eben nicht stark genug nachgefragt für U-Bahnen sind) Busverkehr, oft im attraktiven (unfreiwilligen) 1/1/1/17-min-Takt.
Von den U-Bahnstrecken, die aktuell immer mal wieder aufpoppen, hielte ich eigentlich nur zwei für sinnvoll: die U2 nach Pankow Kirche (allerdings nur in Verbindung mit einer Führung der 50 durch die Wollankstraße und der Führung der in Pankow endenden Zuggruppe nach Blankenburg) und die nördliche U9. Das Projekt U2/50 hätte den Reiz, dass die 50 das Pankower Zentrum und die S1/S25 auf kurzem Wege erreichen würde, ohne dass die Umsteigemöglichkeit zur U2 verloren ginge. Und die nördliche U9 (wohin dann auch immer) hätte tatsächlich über die unmittelbare Erschließungswirkung hinaus durch den Umstieg zur Nord- und eventuell zur Stettiner Bahn eine deutliche Netzwirkung erzielte. Bei der U9 nach Lankwitz bin ich mir unsicher (Netzwirkung hätte sie dank Übergang zur S25 sicher auch), halte sie aber zumindest auch für sinnvoller als die U8 ins MV.
1 mal bearbeitet. Zuletzt am 01.10.2020 06:52 von def.