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flierfy
Die SPD tut sehr gut daran, ihre Koalitionspartner daran zu erinnern, dass Berlin nicht an der Ringbahn endet. Nur hätte sie das auch schon mal eher machen können.
Aufgrund der Erfahrung der letzten 30 Jahre in dieser Stadt, wo die SPD stets an der Regierung beteiligt war und davon auch 20 Jahre den Regierenden Bürgermeister gestellt hat fehlt mir jeglicher Glaube daran, dass die fünf von ihr vorgeschlagenen U-Bahn-Verlängerungen auch nur irgendwie als Beitrag zur Verbesserung der öffentlichen Verkehrsbeziehungen in den äußeren Stadtbezirken gedacht sind. Sie dienen einzig und allein als Vorwahlkampfgetöse gegen die Koalitionspartner. Leider ist das schon fast eine dumme Tradition der Berliner SPD, vor allem auf ihre vorhandenen und potenziellen Koalitionspartner einzuprügeln, statt sich um Inhalte und die tatsächliche politische Konkurrenz zu kümmern...
Die SPD hatte 30 Jahre Zeit, sich um dieses Thema zu kümmern und hat es nicht gepackt. Ganz im Gegenteil. Aufgefallen ist die SPD verkehrspolitisch durch massive Kürzungen im ÖPNV (unter Sarrazin). So hat das "Metronetz" damals über Nacht in der Summe eine Leistungskürzung von ca. 10% gebracht. Und die gegenwärtigen massiven Fuhrparkprobleme vor allem bei der U-Bahn haben ihren Ursprung in der damaligen Sparpolitik. Der zweite auffällige verkehrspolitische Punkt war das Durchboxen des Weiterbaus des A100 durch Wowereit in Form einer Verbindung mit einer Vertrauensfrage.
Es sein denn, Du verstehst als "Politik für die Bereiche außerhalb des S-Bahn-Rings" die Förderung des Autoverkehrs durch weiteren Straßenbau, im Zweifel auch durch dichteste Stadtquartiere (A100-Weiterbau). Frei nach dem Motto: Draußen wird vor allem Auto gefahren, also müssen wir den Menschen die Möglichkeit geben, auch mit ihrem Auto drinnen mehr fahren zu können...
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flierfy
Die Leute wissen sehr genau, dass die realistische Alternative zur U-Bahn eben keine Strassenbahn ist, sondern 6 Schlenkerbusse pro Stunde. Mal ganz davon abgesehen, dass die Strassenbahn auch viel zu langsam wäre, um die äusseren Wohngebiete adäquat an die Zentren anzubinden. Mit ihr würde man auch nur bis Wittenau fahren, um dort in eine der beiden Schnellbahnen umzusteigen.
Nun möchte hier niemand die U8 und die S1 zwischen Wittenau und der Innenstadt stilllegen und durch eine Straßenbahn ersetzen. Es geht um ein intelligent verzahntes System von S-/U-Bahn, Straßenbahn und Bus.
Nehmen wir zwei Beispiele, wo aktuell U-Bahn-Verlängerungen diskutiert werden.
Und da überzeugt der Ansatz eines Weiterbaus der U8 als einzige Lösung für das Märkische Viertel nun einmal nicht, wenn man nicht nur die eine Verkehrsrelation Richtung Mitte betrachtet. Gerade das Märkische Viertel hat sehr starke tangentiale Beziehungen vor allem Richtung Südwesten und Westen, die in der Summe denen in Richtung Gesundbrunnen-Mitte nicht nachstehen. Eine verlängerte U8 schafft da keinerlei Verbesserung. Es ist im Gegenteil - auch das beruht auf langjährigen Erfahrungswerten bezüglich der Berliner Verkehrspolitik - sogar mit Verschlechterungen zu rechnen, da zu befürchten ist, dass es dann zu massiven Eingriffen in das Busnetz kommen wird, um die U-Bahn mit Fahrgästen zu füllen bzw. die Verkehrsleistung der U-Bahn zu refinanzieren.
Im Falle von Spandau stellt sich die Situation so dar, dass es keinen so stark herausragenden Korridor gibt, der unbedingt eine prioritäre Behandlung gegenüber den anderen benötigt. Ganz im Gegenteil, wir haben hier sechs bezüglich der Nachfrage nahezu gleichwertige ab Altstadt / Bahnhof ausstrahlende Korridore (M36 Hakenfelde/Wasserstadt, M45 Johannesstift, M37 Falkenhagener Feld, M32 Brunsbütteler Damm, M37 Rudolf-Wissell-Siedlung, M36 Wilhelmstadt), wo wir in den meisten Fällen heute bereits mit einem Bussystem zu kämpfen haben, welches an seine Leistungsgrenzen kommt. Tendenziell ist hier auch mit einem weiteren Wachstum zu rechnen. Diese Korridore werden auch im Zukunft bleiben - und das Spandauer Zentrum wird auch weiterhin seine Bedeutung haben: als Ziel und als Umsteigeknoten zu S- und Regionalverkehr, auch und vor allem Richtung Berlin: Gegenüber dem Regionalexpress sind alle anderen Verkehrsmittel chancenlos.
Warum soll dann ausgerechnet ein einziger dieser Korridore (U7 von Bahnhof Spandau bis Heerstraße) eine U-Bahn bekommen, die anderen aber weiterhin mit Bussen bedient werden? Warum soll dieser Korridor wichtiger sein, als die fünf anderen? Die Nachfrage gibt diese Sonderstellung definitiv nicht her.
Und so fehlt auch hier eine gesamthafte Betrachtung von Spandau: Was können wir machen, um auf allen unseren überlasteten Spandauer Korridoren die Verkehrsverhältnisse im ÖV zu verbessern? Und da wäre wir eben bei der Straßenbahn - denn für die Kosten der einen U-Bahn-Verlängerung in Spandau wäre wohl bald die Ausstattung aller sechs Korridore mit Straßenbahnen finanzierbar. Oder glaubt hier jemand ernsthaft, dass wir eines erlebbaren Tages auf allen den sechs genannten Korridoren in Spandau eine U-Bahn bauen werden - sozusagen ein eigenes Spandauer U-Bahn-Netz?
Und ja, es wird auch in Zukunft für die allermeisten Stadtrandquartiere eher Standard sein, in Richtung Innenstadt auch einmal umsteigen zu müssen. Da Privileg einer Direktverbindung ab der Haustür können nur wenige haben - denn so dicht kann kein S-U-Bahn-Netz sein. In keiner Stadt der Welt wäre das finanzierbar oder von der Nachfrage gerechtfertigt. Wichtig sind dann gut gestaltete Umsteigepunkte mit hochwertigen Zubringern und wirklich schnelle Verbindungen in den Hauptradialen in die inneren Stadtquartiere. Und da haben wir mit der S-Bahn und dem Regionalverkehr exzellente Voraussetzungen (die natürlich noch verbessert werden müssen - daher auch I2030...). In den allerwenigsten Korridoren bietet sich da bei der Berliner Netzstruktur die U-Bahn an.
Umsteigen in Richtung Innenstadt würden übrigens auch die meisten Fahrgäste einer verlängerten U7 aus Richtung Heerstraße. Denn der Regionalexpress ist nun einmal so deutlich schneller in der Innenstadt als die U7 über Siemensstadt mit anschließendem Umstieg in die U2 oder Stadtbahn. Apropos Reisezeiten: Die U-Bahn würde von der Heerstraße ca. 25 Minuten bis U Wilmersdorfer Straße benötigen, die Expressbusse X34/X49 brauchen heute ca. 20 Minuten. So lässt sich leicht prognostizieren, das eine U7 zur Heerstraße starke Ströme Richtung Berliner Innenstadt aufgrund ihrer umwegigen Streckenführung und schnellerer Alternativen kaum aufnehmen wird.
Was aber aus meiner Sicht bisher in der Berliner Diskussion fehlt, ist eine exemplarische Darstellung eines Zielnetzes einschließlich I2030 und neuer Straßenbahnkorridore (und ggf. auch der einen oder anderen passenden U-Bahn-Ergänzung) einschließlich Reisezeitvergleich zum Status Quo in wichtigen Relationen. Dieses würde in die oft diffuse Debatte bezüglich Schnellbahnbau, Netzwirkung und Reisezeiten eine nachvollziehbare Basis bringen. Und dieses Netz bräuchte gegenüber einem alternativen "Vor allem U-Bahn-am-Stadtrand-Ausbauplan" keinerlei Vergleich scheuen - der Erschließungs- und Reisezeitnutzen wäre bei geringerem Mitteleinsatz deutlich größer.
So, genug geschrieben zum Heiligabend ;-)
Wünsche Euch allen ein frohes und besinnliches Fest.
Ingolf