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Stand der Straßenbahnplanungen
geschrieben von Marienfelde 
Zitat
Christian Linow
Darüber hinaus lässt sich selbst bei den Tram-Vorzeigebeispielen aus Frankreich über die Optik und Ästhetik munter streiten. Ob exemplarisch der Place de l'Homme-de-Fer in Strasbourg durch die pompöse Umsteigeanlage der Straßenbahn aufgewertet oder eher zugebaut wurde, liegt im Auge des Betrachters. Filigran ist diese Lösung jedenfalls nicht.

Naja, zum einen kann man fragen, wie repräsentativ der Place de l'Homme-de-Fer für die umgestalteten Stadträume ist, zum anderen ist der Bildvergleich mal wieder manipulativ: das Bild aus den 80ern ist offensichtlich aus einem Fenster, leicht erhöht also, aufgenommen, das aktuelle Bild aus Fußgängerperspektive - natürlich wirkt ein Foto aus einer erhöhten Perspektive aufgeräumter. Ich bin mir sicher, dass die Situation auf dem historischen Bild aus der Perspektive des heutigen Bildes schon viel weniger übersichtlich wirkte. (Manipulative Fotoperspektiven und Äpfel-mit-Birnen-Vergleiche waren ja schon bei unserer damaligen Diskussion Deine Spezialität.)

Und ohne Frage ist die Barriere für Zu-Fuß-Gehende, die die Hauptstraßen vorher darstellten, nun durch die Bahn praktisch völlig aufgehoben.

Zitat
Christian Linow
Auch U-Bahnbau vermag Anstoß für eine radikale Veränderung zu sein, wie sowohl die Beispiele aus Düsseldorf im obig erwähnten Thread als auch der nachstehende Beitrag aus Hamburg anschaulich illustrieren.

Hat das irgendwer bestritten? Und ging es in Wiesbaden um Stadtbahn vs. U-Bahn oder um Stadtbahn vs. Status Quo?

Und vor allem: wie repräsentativ sind solche Beispiele eigentlich? Du tust ja überspitzt gesagt so, als würden für Straßenbahnstrecken ganze mittelalterliche Stadtviertel gesprengt, während die U-Bahn endlich flächendeckend Fußgängerzone ermöglicht, in denen sich Menschen aller Farben und politischen Glaubensrichtungen glücklich in den Armen liegen und tanzen.

Der Regelfall beim U-Bahn-Bau war und ist doch eher ein ganz anderer: oben wird noch mehr Platz für Pkws zur Verfügung gestellt (oder zumindest beibehalten), während der Oberflächen-ÖPNV erheblich eingeschränkt wird und viele Wege "dank" U-Bahn sogar komplizierter werden. Konnte man sogar bei der U5 beobachten: für den Autoverkehr gibt es exakt keine Einschränkung, während dank der U5 nun eines der größten Krankenhäuser der Stadt eine erheblich schlechtere Busanbindung hat, an Wochenenden ein Drittel des vorherigen Angebotes. Und das, obwohl die U5 da gar nicht hält. (Die IGEB hat demzufolge auch die Beibehaltung des 245ers bis Brandenburger Tor vorgeschlagen, ich hielte einen täglichen 10-min-Takt beim 147er für sinnvoller, der auch die Stadtbahn [von Osten her] und die U6 anbindet und zuverlässiger ist als der 245er.)

Der Bau einer oberirdischen Straßenbahnlinie zwingt wenigstens dazu, sich mit dem Stadtraum zu beschäftigen - auch wenn das natürlich keine Garantie dafür ist, dass ein Stadtraum mit hoher Aufenthaltsqualität rauskommt.

Ich denke aber auch: sobald nach dem Bau einer U-Bahn-Linie konsequent dem Autoverkehr Flächen weggenommen werden, erkaltet die Liebe vieler U-Bahn-Befürworter/innen schneller als man "Wiesbaden" sagen kann.

Themenwechsel:

Bezeichnend ist der Spiegel-Link zum Artikel - spiegel.de/auto/strassenbahn. Der gleiche Spiegel hat auch vor wenigen Tagen einen Werbeartikel für einen neuen SUV geschrieben, der noch vor 20 Jahren als Lieferwagen durchgegangen wäre. Das zeigt halt recht gut das eigentliche Problem - wenn es bei den Themen Klimawandel und Verkehrswende plötzlich konkret wird, sind die schönen Vorsätze sofort über Bord geworfen. Theoretisch übertreffen sich die Spiegel-Kommentator/innen ständig mit Forderungen, den Klimawandel zu stoppen, praktisch schreibt ihr Arbeitgeber Werbeartikel für krankhaft große Autos und hinterfragt das noch nicht einmal. Und wie hier im Kleinen ist es in der Verkehrspolitik ja auch: sobald konkret Einschränkungen für den MIV drohen, stoppt die Liebe für das Klima. Und wenn eine Straße überlastet ist, versucht man noch immer die gleiche Strategie, die seit einem halben Jahrhundert scheitert: man baut das Straßensystem aus - siehe auch in Berlin die TVO. Solange wir von diesem Automatismus nicht wegkommen, brauchen wir über Verkehrswende nicht zu sprechen.

In der Hinsicht spielt auch der durch die Medien gereichte unselige "Mobilitätsforscher" Andreas Knie eine negative Rolle. Der schrieb vor einiger Zeit mal im Spiegel, dass Milliarden in den ÖPNV geflossen wären, sein Anteil am Modal Split aber dennoch nicht gestiegen sei - Schlussfolgerung: es wollten wohl nur wenige den ÖV nutzen. Dass auch Milliarden in den MIV geflossen sind und die Zersiedlung des Landes ungebremst weiter ging, hat er nicht erwähnt, und stattdessen absolute Zahlen (Investitionen in den ÖPNV) mit relativen (dem Modal Split) verglichen. Seitdem fällt es mir wirklich schwer, ihn als Wissenschaftler ernstzunehmen.



4 mal bearbeitet. Zuletzt am 15.12.2020 06:26 von def.
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J. aus Hakenfelde
Zum letzten Beispiel: Natürlich ist es sowas auf den ersten Blick toll und ich würde es, als (ehemaliger, u.a. wegen Corona) Nachtschwärmer durchaus begrüßen, da sowas einerseits als Shuttle zu den beliebten Veranstaltungsorten dienen, andererseits auch das Klientel aus den überigen Verkehrsmitteln in denselben Korridoren möglichst heraushalten könnte (weniger Belästigungen ggü. den "normalen" Fahrgästen, weniger sonstige Probleme, die mit dem Klientel manchmal verbunden sind etc.), allerdings halte ich es, zumindest hierzustadt, für utopisch [...]

Mein Beispiel mit dem Nightcruiser hob auch nicht auf den verkehrsspezifischen und kapazitiven Belangen ab, sondern bezog sich vor allem auf den griffigen Satz von Slighter, wonach ausgelassene Partystimmung eher in der Tram als im Bus möglich wäre.

Zitat
Arnd Hellinger

Man muss aber auch bedenken, in welcher Zeit gerade der Wiesbadener Bürgerentscheid letztlich stattfand. Wenn die eigene gesundheitliche, soziale und wirtschaftliche Zukunft unsicher ist bzw. erscheint, ist man natürlich auch eher abgeneigt, irgendwelche öffentlichen Großprojekte zu befürworten, deren finanzielle und baubedingte Folgen man - nach Geschichten wie Stuttgart21 - nicht wirklich abschätzen kann.

Eher ungeschickt ist auch, wie seinerzeit in Aachen oder Oberhausen, Straßenbahnprojekte zur Abstimmung zu stellen und gleichzeitig unter Hinweis auf die kommunale Haushaltsnotlage Schulen Kitas oder Stadtteilbibliotheken zu schließen. Das führt dann eben zu den bekannte Ergebnissen...

Viele Grüße
Arnd

Wiesbadens Ausgang des Bürgerentscheids mit der Pandemie erklären zu wollen, ist aus meiner Sicht zu kurz gegriffen, zumal es in Wiesbaden nicht der erste gescheiterte Versuch zur Wiedereinführung einer Straßenbahn war. Zwar gab es nach einer Stimmungsanalyse von m-result im August 2018 in den sozialen Netzwerken eine positive Tendenz für die Citybahn, doch auch damals teilten sich die Lager auf. Auch wenn eine solche Erhebung nicht ansatzweise mit einer repräsentativen Umfrage zu vergleichen, lassen sich sehr wohl gewisse Strömungen daraus ableiten.


Stimmungsanalyse vom August 2018. Quelle: m-result, sentiment lab

Hinzu kommt eine bei der letzten Abstimmung in Wiesbaden für die Straßenbahn sehr positiv artikulierte Fragestellung, die auf dem Stimmzettel wörtlich lautete: „Soll der Verkehr in Wiesbaden, zur Vermeidung von Staus und weiteren Verkehrsbeschränkungen für den Autoverkehr, durch eine leistungsfähige Straßenbahn (Citybahn) von Mainz kommend über die Wiesbadener Innenstadt bis Bad Schwalbach weiterentwickelt werden, um Verkehrszuwächse aufzufangen und Umweltbelastungen (Luftverschmutzung, Lärmbelastung) zu verringern?“

Trotzdem entschied sich eine Mehrheit gegen die Tram bei einer relativ hohen Wahlbeteiligung. Die Stadt kommt in ihrer Analyse zu dem Ergebnis: „Der Ausgang des Bürgerentscheids spiegelt den Mehrheitswillen in der Stadt wider; er ist jedenfalls nicht darauf zurückzuführen, dass eines der beiden ‚Lager‘ von Befürwortern und Gegnern seine Sympathisanten besser oder schwerer hätte zur Abstimmung mobilisieren können.“

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def
Naja, zum einen kann man fragen, wie repräsentativ der Place de l'Homme-de-Fer für die umgestalteten Stadträume ist, zum anderen ist der Bildvergleich mal wieder manipulativ: das Bild aus den 80ern ist offensichtlich aus einem Fenster, leicht erhöht also, aufgenommen, das aktuelle Bild aus Fußgängerperspektive - natürlich wirkt ein Foto aus einer erhöhten Perspektive aufgeräumter. Ich bin mir sicher, dass die Situation auf dem historischen Bild aus der Perspektive des heutigen Bildes schon viel weniger übersichtlich wirkte. (Manipulative Fotoperspektiven und Äpfel-mit-Birnen-Vergleiche waren ja schon bei unserer damaligen Diskussion Deine Spezialität.)

Und ohne Frage ist die Barriere für Zu-Fuß-Gehende, die die Hauptstraßen vorher darstellten, nun durch die Bahn praktisch völlig aufgehoben.

Abgesehen einmal davon, dass der Unterschied der Perspektive beider Fotos im Hinblick auf das unübersehbare und deutlich dominierende Haltestellenkonstrukt nicht so gravierend ist, dürfte unstrittig sein, dass die ursprünglich freie Sichtachse durch die Stationsüberdachung zugestellt ist.

Was die Barriere anbelangt, so ist die Hauptstraße zwar in den Hintergrund gerückt, wenn auch verkehrlich durch das Parkhaus nicht ganz verschwunden. Dafür allerdings gibt es nun eine neue „Barriere“ in Form der Tram. Ob der zentralen Bedeutung als Umsteige- und Kreuzungsknoten und eines daraus resultierenden dichten Taktes gestaltet sich das Passieren des Platzes zu Zeiten der Rushhour alles andere als einfach - erst recht nicht mit Geschwisterkinderwagen. Und ja, das Letzte ist eine subjektive Wahrnehmung. Aber eben eine Wahrnehmung, wie nicht nur meine Frau oder ich sie haben, sondern auch Menschen, die dann in Hamburg, Aachen oder Wiesbaden über eine Tram abzustimmen haben.
Zitat
Christian Linow
Abgesehen einmal davon, dass der Unterschied der Perspektive beider Fotos im Hinblick auf das unübersehbare und deutlich dominierende Haltestellenkonstrukt nicht so gravierend ist, dürfte unstrittig sein, dass die ursprünglich freie Sichtachse durch die Stationsüberdachung zugestellt ist.

Die Frage ist, wie sehr man die freie Sichtachse wahrnähme, wenn auf dem Platz nicht ein paar 80er-Jahre-Autos irgendwann am Sonntagvormittag, sondern die aktuell üblichen Monster-SUVs plus LKWs im Berufsverkehr unterwegs wären.

Die andere Frage: Was hat eigentlich dieses eine aus Deiner Sicht ungünstige Bauwerk mit der Straßenbahn zu tun? Ja, es wurde gemeinsam mit der Bahn gebaut, aber es ist ja nun keine Stadt gezwungen, so ein Ding aufzustellen, wenn es eine Straßenbahnstrecke baut. Oder gibt es da einen Automatismus, den ich übersehen habe?

Ich persönlich finde die Gestaltung auch gar nicht so unglücklich: zum einen wird die Blickachse bei weitem nicht so stark blockiert, wie Du tust - zum anderen kann man ja auch durchaus so argumentieren, dass das Gebilde eben der Point de Vue, also selbst das Ende diverser Blickachsen ist, und nebenbei mit seinem hohen Wiedererkennungswert ein Bezugspunkt im Stadtraum ist.

Zitat
Christian Linow
Dafür allerdings gibt es nun eine neue „Barriere“ in Form der Tram. Ob der zentralen Bedeutung als Umsteige- und Kreuzungsknoten und eines daraus resultierenden dichten Taktes gestaltet sich das Passieren des Platzes zu Zeiten der Rushhour alles andere als einfach - erst recht nicht mit Geschwisterkinderwagen. Und ja, das Letzte ist eine subjektive Wahrnehmung. Aber eben eine Wahrnehmung, wie nicht nur meine Frau oder ich sie haben, sondern auch Menschen, die dann in Hamburg, Aachen oder Wiesbaden über eine Tram abzustimmen haben.

Uih, Du hast Anzeichen dafür, dass so viele Hamburger, Aachener und Wiesbadener mit Geschwisterkinderwagen auf diesem einen Platz in Straßburg unterwegs waren, dass das eine wahlentscheidende Rolle gespielt hat? (Zugleich aber nicht in vielen anderen Teilen der Stadt, die weniger unglücklich gestaltet sind und durch die Straßenbahn aufgewertet wurden?)

Das Problem scheint mir das Gegenteil zu sein: die wenigsten Deutschen kennen die französischen Straßenbahn-Erfolgsgeschichten. Denn das sind sie ja ohne Zweifel, sonst hätte nicht eine Stadt nach der anderen neue Straßenbahnsysteme eingerichtet und bestehende immer weiter ausgebaut. Und ja, da mag nicht jede Gestaltung gelungen ist oder jede technische Innovation geglückt sein, so dass Dich nun an Einzelfällen krampfhaft festhalten kannst, um die pöse Straßenbahn zu verteufeln - aber der seit 40 Jahren anhaltende Trend lässt sich doch trotzdem nicht wegleugnen.

Ist es nicht bezeichnend, dass zu den wenigen deutschen Städten, die die Straßenbahn wieder eingeführt haben, Vororte ausländischer Städte mit gut geführten Straßenbahnsystemen (Basel und Straßburg) liegen, nämlich Kehl und Weil am Rhein? Gerade Kehl, obwohl sie doch in Straßburg sehen müssten, wie furchtbar Straßenbahnen im Stadtraum doch eigentlich sind? (Fairerweise muss man auch sagen, dass auch Vororte deutscher Großstädte gibt, die vor nicht allzu langer Zeit Straßenbahnlinien gebaut haben, Vellmar [bei Kassel] und Lilienthal [bei Bremen] zum Beispiel.)



4 mal bearbeitet. Zuletzt am 15.12.2020 08:47 von def.
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def
Die Frage ist, wie sehr man die freie Sichtachse wahrnähme, wenn auf dem Platz nicht ein paar 80er-Jahre-Autos irgendwann am Sonntagvormittag, sondern die aktuell üblichen Monster-SUVs plus LKWs im Berufsverkehr unterwegs wären.

Wer sagt denn, dass das Bild an einem Sonntag aufgenommen wurde? Das wird mitten in der Woche gewesen sein, die unattraktive Innenstadt zog niemanden an. Kaum Menschen (nur wenige zu sehen) und die meisten Autos stehen im Rücken vom Fotografen an einer roten Ampel. Das zweite Bild zeigt dagegen Urbanität pur mit vielen Menschen.

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Für mehr gelbe Farbe im Netzplan: die Farben der U4 und U7 tauschen!
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B-V 3313
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def
Die Frage ist, wie sehr man die freie Sichtachse wahrnähme, wenn auf dem Platz nicht ein paar 80er-Jahre-Autos irgendwann am Sonntagvormittag, sondern die aktuell üblichen Monster-SUVs plus LKWs im Berufsverkehr unterwegs wären.

Wer sagt denn, dass das Bild an einem Sonntag aufgenommen wurde? Das wird mitten in der Woche gewesen sein, die unattraktive Innenstadt zog niemanden an. Kaum Menschen (nur wenige zu sehen) und die meisten Autos stehen im Rücken vom Fotografen an einer roten Ampel. Das zweite Bild zeigt dagegen Urbanität pur mit vielen Menschen.

Ich habe überspitzt - es war auf jeden Fall eher nicht im Berufsverkehr. In der Sache sind wir aber anscheinend einer Meinung: auf dem zweiten Foto brodelt das Leben, auf dem ersten hat man den Charme eines Supermarkt-Parkplatzes am Ortsrand.
Zitat
Christian Linow
Hinzu kommt eine bei der letzten Abstimmung in Wiesbaden für die Straßenbahn sehr positiv artikulierte Fragestellung, die auf dem Stimmzettel wörtlich lautete: „Soll der Verkehr in Wiesbaden, zur Vermeidung von Staus und weiteren Verkehrsbeschränkungen für den Autoverkehr, durch eine leistungsfähige Straßenbahn (Citybahn) von Mainz kommend über die Wiesbadener Innenstadt bis Bad Schwalbach weiterentwickelt werden, um Verkehrszuwächse aufzufangen und Umweltbelastungen (Luftverschmutzung, Lärmbelastung) zu verringern?“

Trotzdem entschied sich eine Mehrheit gegen die Tram bei einer relativ hohen Wahlbeteiligung.

Bleibt nur zu hoffen, dass die Stadt Wiesbaden jetzt so konsequent auf das Wählervotum reagiert, wie es die Frage vermuten lässt. Die Mehrheit der Bürger in Wiesbaden hat nämlich auch dafür abgestimmt, Staus und weitere Verkehrsbeschränkungen für den Autoverkehr hinzunehmen (bzw. nicht zu vermeiden). Die gesetzlichen Luftreinhalteziele, Lärmgrenzwerte, Klimaschutzziele, etc. gelten ja auch weiterhin und werden auch in Wiesbaden nur mit einer Reduzierung des Autoverkehrs erreichbar sein. Das müssen die Hessen jetzt halt statt mit einem Straßenbahnbau mit anderen Dingen wie stärkerer oder teurerer Parkraumbewirtschaftung, Ausbau des Busspurnetzes, Pförtnerampeln für den MIV, Ausbau des Fahrradnetzes etc. hinbekommen. Die Umsteigealternative im ÖPNV ist dann halt nur ein gummibereifter Bus statt einer Straßenbahn.
Zitat
nicolaas
Zitat
M48er
Mein Eindruck ist übrigens, dass man bei den Straßenbahnplanungen noch deutlich weiter ist als bei den i2030-Themen. Bei den Straßenbahnplanungen sehr hilfreich ist die klare politische Festlegung des Koalitionsvertrags, welche Strecke in welcher zeitlichen Reihenfolge umgesetzt werden sollen. Die Querschüsse (z.B. Machbarkeitsstudien U-Bahn) sind überschaubar und stören nur die wenigsten Projekte. Bei i2030 fehlt dies dagegen, da fehlt oftmals sogar noch der Systementscheid S-Bahn oder Regionalbahn, da werden absurdeste Dinge untersucht (S-Bahn im Bahnhof Spandau in Tiefenlage bringen), die dem ÖPNV sowohl von den Kosten als auch von den massiven Einschränkungen während der Bauzeit mehr Schaden als Nutzen würden. Und am allermeisten fehlt die Priorisierung, idealerweise abgestimmt zwischen den drei Projektpartnern Berlin, Brandenburg und DB.
Ich lese aus der Antwort von Susanne Henckel heraus, dass diese Planung nur gemacht wird um zu zeigen, dass sie viel zu teuer und technisch zu problematisch ist.
Zitat
Aus meinem Interview mit Susanne Henckel
Drängend ist auch der Ausbau der Strecke nach Nauen. Sogar ein Tunnel für die S-Bahn im Bereich des Spandauer Bahnhofs nebst Havelunterquerung soll geprüft werden. Ist eine Finanzierung für so ein milliardenschweres Projekt absehbar?

Es geht nicht um Klein-Klein. Dieses Nadelöhr mit S-Bahn, Regionalbahnen und zwei dicht befahrenen ICE-Strecken muss beseitigt werden. Lieber untersuchen wir in dieser frühen Phase eine Variante mehr, als dass jemand das in der Genehmigungsplanung einfordert. So wissen wir, ob so eine aufwendige Lösung machbar ist und was sie kostet. Wir werden auch ein Dialogverfahren mit den Bürgerinnen und Bürgern starten. Es muss darüber nachgedacht werden, was man mit einer solchen Bahntrasse macht, die breiter wird. Welche Auswirkungen hat das auf das Wohnumfeld, auf das gesamte Bahnhofsumfeld und kann es durch den Umbau auch Chancen für die Attraktivitätssteigerung geben?
Interview
Nicolas, da hast Du sicherlich recht, dass dies Prüfung einer Tunnelvariante primär aus diesem Grund erfolgt. Dennoch finde ich es arg fragwürdig, bei einem Projektziel S-Bahn ab Bahnhof Spandau nach Westen zu verlängern, einen derart umfassenden Bestandsrückbau durch eine Variante in Erwägung zu ziehen.
Diese Variantenuntersuchung ist eine sehr teure Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für SPNV-Tunnerplaner und ich kann mir nicht vorstellen, dass bei anderen Projekten (z.B. Autobahnverlängerung um eine Anschlussstelle) eine Variante untersucht werden würde, wo man erst mal die Bestandsautobahn ein ganzes Stück abreißt und dann sehr teuer untertunnelt (und das noch unter einem weiteren, anderen Tunnel herunter).
Zitat
Christian Linow
Hinzu kommt eine bei der letzten Abstimmung in Wiesbaden für die Straßenbahn sehr positiv artikulierte Fragestellung, die auf dem Stimmzettel wörtlich lautete: „Soll der Verkehr in Wiesbaden, zur Vermeidung von Staus und weiteren Verkehrsbeschränkungen für den Autoverkehr, durch eine leistungsfähige Straßenbahn (Citybahn) von Mainz kommend über die Wiesbadener Innenstadt bis Bad Schwalbach weiterentwickelt werden, um Verkehrszuwächse aufzufangen und Umweltbelastungen (Luftverschmutzung, Lärmbelastung) zu verringern?“

Trotzdem entschied sich eine Mehrheit gegen die Tram bei einer relativ hohen Wahlbeteiligung. Die Stadt kommt in ihrer Analyse zu dem Ergebnis: „Der Ausgang des Bürgerentscheids spiegelt den Mehrheitswillen in der Stadt wider; er ist jedenfalls nicht darauf zurückzuführen, dass eines der beiden ‚Lager‘ von Befürwortern und Gegnern seine Sympathisanten besser oder schwerer hätte zur Abstimmung mobilisieren können.“

Auch wenn es etwas offtopic ist, aber die auffällig komplexe Abstimmungsfrage verlangt es, zu Wiesbaden einige Dinge zu sagen. Das zur Abstimmung gestellte Projekt bestand aus mehreren Einzelprojekten, die zu einem Gesamtprojekt zusammengezogen wurden: Verlängerung der meterspurigen Mainzer Straßenbahn bis Wiesbaden (sog. City-Bahn) und Weiterführung aus der Stadt wieder raus weiter über die stillgelegte normalspurige Aartalbahn bis nach Bad Schwalbach.

Die Abstimmungsfrage beinhaltet für eine einfache ja-nein-Kombination viele Randbedingungen die sich gegeneinander durchaus hätten ausschließen können. Stattdessen konnte nur für oder gegen das Gesamtprojekt abgestimmt werden. Mit den entsprechenden Folgen:

- Gefragt wurden nur die Wiesbadener, nicht die Mainzer und auch nicht die Bad Schwalbacher.
- Wer für die Straßenbahn nach Wiesbaden war, aber gegen die Weiterführung nach Bad Schwalbach, stimmte dagegen.
- Wer für die City-Bahn war und für die Aartalbahn als Eisenbahn, stimmte dagegen.
- Wer für das System Straßenbahn war, aber gegen die Umwidmung der Aartalbahn zur Straßenbahn, stimmte dagegen.
- Wer für die Meterspur-Straßenbahn, aber gegen die Umspurung der Aartalbahn war, stimmte dagegen.
- Und wer sich bei der Aartalbahn gar für ein Dreischienensystem hätte begeistern können, und damit pro Straßenbahn und pro Eisenbahn war, fand sich ebenfalls nicht repräsentiert.

Auf der anderen Seite sprach man mit dem Bürgerentscheid auch all diejenigen an, die gegen die Reaktivierung der Aartalbahn waren und mit ihrer Nein-Stimme die Straßenbahn zusätzlich verhinderten. Innerhalb der Stadt gab es ein krassen Missverhältnis zwischen den Abstimmungsergebnissen. Während die Menschen in der Kernstadt - also jene die der Abstimmungsfrage entsprechend unter starken Autoverkehr mit all seinen Umweltfolgen litten - eher pro City-Bahn abstimmten, waren die Menschen an den Stadträndern und insbesondere jene an der Aartalbahn-Trasse eher contra eingestellt. Und eine eine weitere nicht zu unterschätzende Einflussgröße kam hinzu. Die Idee, City-Bahn und Aartalbahn zu einem Gesamtprojekt zusammenzuführen, ging auf einen Oberbürgermeister zurück, der sich (wegen anderen Dingen) der Veruntreuung öffentlicher Gelder und Vorteilsnahme im Amt schuldig machte und dafür später auch juristisch belangt wurde, sodass der Bürgerentscheid zusätzlich noch all diejenigen Bürger mobilisierte, die die Machenschaften des OB nicht mittragen wollten und entsprechend ihr Kreuzchen machten.

Aus dem Bürgerentscheid herauszulesen, dass sich "die" Wiesbadener gegen die Tram entschieden haben, mag formal richtig sein, greift verkehrpolitisch also zu kurz. Sie entschieden sich, wenn überhaupt, gegen das zur Abstimmung gestellte und zu komplexe Gesamtprojekt. Damit ist die Grundsatzfrage, ob die (neben Kiel) einzige Landeshauptstadt Deutschlands ohne Straßenbahn die Verkehrsprobleme weiterhin ohne Straßenbahn lösen muss, oder ob ein abgewandeltes City-Bahn-Projekt getrennt von der Aartalbahn nicht eher die Bürger hätte überzeugen können, weiter offen. Der grundsätzliche Wille scheint in Wiesbaden, wie du Christian korrekt angemerkt hast, hoffentlich weiter gegeben zu sein.

--
Das Gegenteil von umfahren ist umfahren.



1 mal bearbeitet. Zuletzt am 15.12.2020 12:07 von Florian Schulz.
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M48er
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nicolaas
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M48er
Mein Eindruck ist übrigens, dass man bei den Straßenbahnplanungen noch deutlich weiter ist als bei den i2030-Themen. Bei den Straßenbahnplanungen sehr hilfreich ist die klare politische Festlegung des Koalitionsvertrags, welche Strecke in welcher zeitlichen Reihenfolge umgesetzt werden sollen. Die Querschüsse (z.B. Machbarkeitsstudien U-Bahn) sind überschaubar und stören nur die wenigsten Projekte. Bei i2030 fehlt dies dagegen, da fehlt oftmals sogar noch der Systementscheid S-Bahn oder Regionalbahn, da werden absurdeste Dinge untersucht (S-Bahn im Bahnhof Spandau in Tiefenlage bringen), die dem ÖPNV sowohl von den Kosten als auch von den massiven Einschränkungen während der Bauzeit mehr Schaden als Nutzen würden. Und am allermeisten fehlt die Priorisierung, idealerweise abgestimmt zwischen den drei Projektpartnern Berlin, Brandenburg und DB.
Ich lese aus der Antwort von Susanne Henckel heraus, dass diese Planung nur gemacht wird um zu zeigen, dass sie viel zu teuer und technisch zu problematisch ist.
Zitat
Aus meinem Interview mit Susanne Henckel
Drängend ist auch der Ausbau der Strecke nach Nauen. Sogar ein Tunnel für die S-Bahn im Bereich des Spandauer Bahnhofs nebst Havelunterquerung soll geprüft werden. Ist eine Finanzierung für so ein milliardenschweres Projekt absehbar?

Es geht nicht um Klein-Klein. Dieses Nadelöhr mit S-Bahn, Regionalbahnen und zwei dicht befahrenen ICE-Strecken muss beseitigt werden. Lieber untersuchen wir in dieser frühen Phase eine Variante mehr, als dass jemand das in der Genehmigungsplanung einfordert. So wissen wir, ob so eine aufwendige Lösung machbar ist und was sie kostet. Wir werden auch ein Dialogverfahren mit den Bürgerinnen und Bürgern starten. Es muss darüber nachgedacht werden, was man mit einer solchen Bahntrasse macht, die breiter wird. Welche Auswirkungen hat das auf das Wohnumfeld, auf das gesamte Bahnhofsumfeld und kann es durch den Umbau auch Chancen für die Attraktivitätssteigerung geben?
Interview
Nicolas, da hast Du sicherlich recht, dass dies Prüfung einer Tunnelvariante primär aus diesem Grund erfolgt. Dennoch finde ich es arg fragwürdig, bei einem Projektziel S-Bahn ab Bahnhof Spandau nach Westen zu verlängern, einen derart umfassenden Bestandsrückbau durch eine Variante in Erwägung zu ziehen.
Diese Variantenuntersuchung ist eine sehr teure Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für SPNV-Tunnerplaner und ich kann mir nicht vorstellen, dass bei anderen Projekten (z.B. Autobahnverlängerung um eine Anschlussstelle) eine Variante untersucht werden würde, wo man erst mal die Bestandsautobahn ein ganzes Stück abreißt und dann sehr teuer untertunnelt (und das noch unter einem weiteren, anderen Tunnel herunter).

Es geht ja eben nicht nur um die Verlängerung der S-Bahn, da wäre diese Untersuchung in der Tat absurd, sondern auch um den 4-gleisigen Ausbau der Fernbahn. Also eine Verbreiterung der Trasse von heute 2 auf gewünschte 6 Gleise. Und in dem Zusammenhang muss die Frage schon erlaubt sein, welche Lösungen in Betracht gezogen werden, bevor Grundstücke enteignet und Wohnhäuser abgerissen werden.

Was allerdings nicht betrachtet wird, ist einen Oberirdsche Doppelstock-Variante. 2 der 4 Ferngleise ließen sich ja theoretisch auch oberhalb der S-Bahn installieren oder man legt die S-Bahn in die +2-Ebene. Das wiederum war den Varianten-Entwicklern dann aber wohl doch zu absurd - im Gegensatz zu einem neuen Haveltunnel.

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Bitte beachten Sie beim Aussteigen die Lücke zwischen Bus und Bordsteinkante!
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def
Die Frage ist, wie sehr man die freie Sichtachse wahrnähme, wenn auf dem Platz nicht ein paar 80er-Jahre-Autos irgendwann am Sonntagvormittag, sondern die aktuell üblichen Monster-SUVs plus LKWs im Berufsverkehr unterwegs wären.

Mit meiner Kritik habe ich ja keineswegs ausgesagt, dass man den Straßenraum nicht hätte anders aufteilen können bzw. sogar sollen. Eine solche Revitalisierung wäre sehr wohl auch ohne Straßenbahn problemlos möglich.

Zitat
def
Die andere Frage: Was hat eigentlich dieses eine aus Deiner Sicht ungünstige Bauwerk mit der Straßenbahn zu tun? Ja, es wurde gemeinsam mit der Bahn gebaut, aber es ist ja nun keine Stadt gezwungen, so ein Ding aufzustellen, wenn es eine Straßenbahnstrecke baut. Oder gibt es da einen Automatismus, den ich übersehen habe?

Genau darauf habe ich nämlich abgezielt! Freilich gibt es keinen Automatismus, weder in die eine noch eben in die andere Richtung. Will heißen: Eine Straßenbahn führt nicht zwingend zur Attraktivierung des Stadtraums. Genauso wenig, wie sie das Umfeld verschandelt. Am Ende ist es eine Einzelfallbetrachtung, die den Bedürfnissen am ehesten gerecht werden kann.

Und exakt darauf wollte ich hinaus, nachdem Slighter geschrieben hatte: „Den Tenor des Artikels, den Bau von Straßenbahnen als stadtplanerische Aufwertung, welche alle mitnimmt, zu verkaufen, finde ich aber unterstreichenswert.“ Vielfach hört man von Straßenbahnbefürwortern diese Interpretation, die ja durchaus richtig ist, aber gleichfalls auch in der entgegengesetzten Lesart befunden werden kann.

Zitat
def
Uih, Du hast Anzeichen dafür, dass so viele Hamburger, Aachener und Wiesbadener mit Geschwisterkinderwagen auf diesem einen Platz in Straßburg unterwegs waren, dass das eine wahlentscheidende Rolle gespielt hat? (Zugleich aber nicht in vielen anderen Teilen der Stadt, die weniger unglücklich gestaltet sind und durch die Straßenbahn aufgewertet wurden?)

Ich nehme an, dass Du meine Kernbotschaft durchaus verstanden hast. Strasbourg ist bloß ein Beispiel, das ich aber bewusst gewählt habe, weil die Stadt im Elsass oft als Inbegriff für eine gelungene Wiedereinführung der Straßenbahn gilt.

Zitat
def
Das Problem scheint mir das Gegenteil zu sein: die wenigsten Deutschen kennen die französischen Straßenbahn-Erfolgsgeschichten. Denn das sind sie ja ohne Zweifel, sonst hätte nicht eine Stadt nach der anderen neue Straßenbahnsysteme eingerichtet und bestehende immer weiter ausgebaut. Und ja, da mag nicht jede Gestaltung gelungen ist oder jede technische Innovation geglückt sein, so dass Dich nun an Einzelfällen krampfhaft festhalten kannst, um die pöse Straßenbahn zu verteufeln - aber der seit 40 Jahren anhaltende Trend lässt sich doch trotzdem nicht wegleugnen.

Die französischen Erfolgsgeschichten mögen vielleicht wirklich viele nicht kennen, Straßenbahnen indes dürften kaum jemandem unbekannt sein. Eine solche Argumentation halte ich in der heutigen hochgradig mobilen Gesellschaft, die noch dazu über ein breites Spektrum an Medien verfügt, für anachronistisch. Und da ist es nun mal so, dass ein schienengebundenes Verkehrsmittel auf der Straße nicht jedermann anspricht, sondern manch einen abschreckt. Und daher sind negative Vota im Rahmen des Möglichen und ist ein Plebiszit letztlich zu respektieren. Hätten exemplarisch die Wiesbadener für die Citybahn gestimmt, würde sich in diesem Forum wohl kaum einer über den Wahlausgang empören. Und was würde man denen wohl antworten, die das Ja zur Straßenbahn dann mit der Pandemie zu erklären und relativieren versuchten?

Zitat
def
Ist es nicht bezeichnend, dass zu den wenigen deutschen Städten, die die Straßenbahn wieder eingeführt haben, Vororte ausländischer Städte mit gut geführten Straßenbahnsystemen (Basel und Straßburg) liegen, nämlich Kehl und Weil am Rhein? Gerade Kehl, obwohl sie doch in Straßburg sehen müssten, wie furchtbar Straßenbahnen im Stadtraum doch eigentlich sind? (Fairerweise muss man auch sagen, dass auch Vororte deutscher Großstädte gibt, die vor nicht allzu langer Zeit Straßenbahnlinien gebaut haben, Vellmar [bei Kassel] und Lilienthal [bei Bremen] zum Beispiel.)

In der Tat haben nur wenige deutsche Städte die Straßenbahn wiedereingeführt. Zum einen muss man aber berücksichtigen, dass Frankreich bis zur Renaissance der Tram so gut wie kein Netz mehr hatte. Im Falle von Kehl und Weil am Rhein dürfte vor allem aber auch der so genannte Kleine Grenzverkehr eine Rolle spielen und die wechselwirkenden wirtschaftlichen Verflechtungen. In Wiesbaden wiederum hat es trotz der benachbarten Straßenbahn-Stadt Mainz nicht geklappt, die Bürgerinnen und Bürger zu überzeugen. In Ludwigsburg ist das Ringen um eine wie auch immer geartete Stadtbahn auch ein zäher Prozess gewesen, bei dem man sich immer noch eher in Verhaltenheit üben sollte, obschon das angrenzende Stuttgart doch hätte von den Vorzügen buchstäblich überzeugen müssen.

Um es am Ende noch einmal zusammenzufassen: Mir ist eine Formel, dass eine Straßenbahn eine Stadt attraktiviert, zu kurz gegriffen. Sie kann fraglos eine Chance sein, allerdings bieten auch andere Systeme wie zum Beispiel der Mettis in Metz interessante Perspektiven. Das Wohl und Wehe einer Stadt hängt nicht von einer Tram ab.
Hi,

ich erlaube mir mal meine Sicht auf folgendes Statement


Zitat
Christian Linow

Darüber hinaus lässt sich selbst bei den Tram-Vorzeigebeispielen aus Frankreich über die Optik und Ästhetik munter streiten. Ob exemplarisch der Place de l'Homme-de-Fer in Strasbourg durch die pompöse Umsteigeanlage der Straßenbahn aufgewertet oder eher zugebaut wurde, liegt im Auge des Betrachters. Filigran ist diese Lösung jedenfalls nicht.

Der "Eisernermannplatz" bzw "Isernemannsplatz" (elsässisch) befindet sich in der Straßburger Altstadt. An der abgebildeten Umsteigeanlage verkehren 5 der insgesamt 6 Tramlinien. Laut Wikipedia hat die Straßburger Tram ein Fahrgastaufkommen von 70.3 Mio Fahrgästen/Jahr bei einem Netz mit insgesamt 86 Stationen. Im Vergleich dazu Berlin : 204 Mio. Fahrgäste/Jahr bei 803 Stationen. Ohne je in Straßburg gewesen zu sein, kann man aus diesen Daten und der Funktion des besagten Platzes als zentraler Umsteigepunkt einfach mal von einer hohen Frequentation der Station "Place de l'homme de Fer" ausgehen. Ergo das pompöse Regendach. -> Ein reiner Funktionsbau eines Verkehrsknotenpunktes. Analog ließe sich auch die Ästhetik vom "Dreieck Funkturm" debattieren.
Zitat
Christian Linow
(...)
Um es am Ende noch einmal zusammenzufassen: Mir ist eine Formel, dass eine Straßenbahn eine Stadt attraktiviert, zu kurz gegriffen. Sie kann fraglos eine Chance sein, allerdings bieten auch andere Systeme wie zum Beispiel der Mettis in Metz interessante Perspektiven. Das Wohl und Wehe einer Stadt hängt nicht von einer Tram ab.

Ich denke, wichtig für das Wohl und Wehe einer Stadt ist ein insgesamt starker, leistungsfähiger ÖV. Dafür steht in vielen deutschen Großstädten die Straßenbahn.

Theoretisch wäre in (deutschen) Großstädten ohne kommunale Schienen natürlich auch ein innovatives Bussystem mit höherer Kapazität (und Baukosten, die an ein Tramsystem jedenfalls heranreichen), so wie in Metz, ein Fortschritt.

Allerdings stünde dem Bau solcher Systeme in Deutschland erstens die Nichtförderfähigkeit (weil keine Schienenverkehrsmittel) entgegen. Außerdem würden sich, sobald es z.B. um die Frage eigener Bustrassen ginge, vermutlich die gleichen Konflikte ergeben, wie bei den in Deutschland angestrebten Schienenlösungen.

Dazu kämen dann die bekannten Nachteile aus der Nichtspurgebundenheit (die Bustrasse müßte eher etwas breiter sein), der evtl. kürzeren Lebensdauer der Fahrzeuge usw.

Auf lange Sicht halte ich Schienenlösungen trotz der zunächst sehr großen Investitionskosten für wirtschaftlicher und auch nachhaltiger.
Zitat
Andreas Rauch
Der "Eisernermannplatz" bzw "Isernemannsplatz" (elsässisch) befindet sich in der Straßburger Altstadt. An der abgebildeten Umsteigeanlage verkehren 5 der insgesamt 6 Tramlinien. Laut Wikipedia hat die Straßburger Tram ein Fahrgastaufkommen von 70.3 Mio Fahrgästen/Jahr bei einem Netz mit insgesamt 86 Stationen. Im Vergleich dazu Berlin : 204 Mio. Fahrgäste/Jahr bei 803 Stationen. Ohne je in Straßburg gewesen zu sein, kann man aus diesen Daten und der Funktion des besagten Platzes als zentraler Umsteigepunkt einfach mal von einer hohen Frequentation der Station "Place de l'homme de Fer" ausgehen. Ergo das pompöse Regendach. -> Ein reiner Funktionsbau eines Verkehrsknotenpunktes. Analog ließe sich auch die Ästhetik vom "Dreieck Funkturm" debattieren.

Keine Frage, sowohl über das Dreieck Funkturm oder auch den Stadtring ließe sich debattieren. Konkret auf Strasbourg bezogen ist die Idee des überdachenden Ungetüms ja nachvollziehbar, bloß unter ästhetischen Gesichtspunkten kontrovers. Im Vorwege hatte man in Strasbourg ja ein VAL (Véhicule automatique léger) geplant. Der zentrale Eingang zur Metro war etwa an derselben Stelle vorgesehen, wo heute das „UFO“ der Tram steht. Diesen Abgang hätte übrigens ein pyramidenförmiges Glasdach zieren sollen. Jedoch wäre die Anlage laut den schematischen Skizzen schmaler ausgefallen als die heutige Tram-Station und hätte sich rechts neben der Grünanlage und dem Brunnen befunden auf Höhe der linken Fahrbahn, letztere zurückgebaut worden wäre.

Wegen urheberrechtlicher Bedenken muss ich leider davon absehen, die Skizzen hier zu veröffentlichen. Nach französischem Recht sind Bildzitate hoch umstritten.
Hallo,

der Tagesspiegel greift eine Kleine Anfrage zum Stand der Straßenbahnplanungen für Spandau auf:
https://www.tagesspiegel.de/berlin/bezirke/kein-plan-kein-geld-strassenbahn-nach-berlin-spandau-steht-still/26704984.html

Daraus:
Zitat

„Vertiefende Planungen für die vorgesehenen Strecken im Bereich Spandau“ wurden in den letzten zwei Jahren gar nicht aufgenommen und Geld wurde auch nicht in die Hand genommen, meldet jetzt das Büro von Berlins Verkehrschefin Regine Günther, Grüne

Und hier noch die Originalquelle mit weiteren Aussagen auch zur Weiterentwicklung des Busnetzes:
https://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/18/SchrAnfr/S18-25545.pdf

Bemerkenswerterweise wird hier ausnahmsweise Corona mal NICHT als Ausrede für den Planungs-Stillstand herangezogen, sondern explizit gesagt, dass dieser völlig unabhängig von Corona besteht. Insgesamt rundet sich die Bilanz zum Ende der Schaffensperiode der grün besetzten Senatsverkehrsverwaltung unter Frau Günther mehr und mehr ab: Viel heiße Luft und Symbolpolitik, ein wenig Papier, keins der wesentlichen Infrastruktur-Ziele der Koalitionsvereinbarung erfüllt. Und da träumte sie neulich davon, ihre "Leistung" nochmal für 5 Jahre den Bewohnern der Stadt anzubieten...

Viele Grüße
André
Zitat

"andre_de" am 18.12.2020 um 16.52 Uhr:

[...] Und hier noch die Originalquelle [...]

Manchmal frage ich mich, warum ich mir die Arbeit mache ... Du verlinkst diese Anfrage nun schon als Vierter (neben der Erwähnung auf der Webseite der fragenden Abgeordneten von "hvhasel" vor 13 Tagen im Thread "Tram soll nach Spandau zurückkehren" und meinem Vollzitat vor neun Tagen in diesem Diskussionsfaden, und dem "über Bande spielen" von "micha774" vor drei Tagen im Thread "Fahrplanwechsel am 13. Dezember 2020" (was dieser übrigens gerne öfter macht)).

Gruß, Thomas

--
Thomas Krickstadt, Berlin, Germany, usenet@krickstadt.de
Zitat
krickstadt
Zitat

"andre_de" am 18.12.2020 um 16.52 Uhr:

[...] Und hier noch die Originalquelle [...]

Manchmal frage ich mich, warum ich mir die Arbeit mache ... Du verlinkst diese Anfrage nun schon als Vierter (neben der Erwähnung auf der Webseite der fragenden Abgeordneten von "hvhasel" vor 13 Tagen im Thread "Tram soll nach Spandau zurückkehren" und meinem Vollzitat vor neun Tagen in diesem Diskussionsfaden, und dem "über Bande spielen" von "micha774" vor drei Tagen im Thread "Fahrplanwechsel am 13. Dezember 2020" (was dieser übrigens gerne öfter macht)).

Hallo Thomas,

bitte entschuldige, das war natürlich keine Absicht! Mir war der heutige (!) Zeitungsartikel aufgefallen. Dass die zugrunde liegende Kleine Anfrage schon einen Monat alt ist, war mir nicht bewusst.

Tatsächlich hatte ich auch in diesem Thread nach oben gesucht, ob es das Thema vor Kurzem schonmal gab, dabei habe ich aber nicht mehrere Seiten zurück geblättert. Die ständigen seitenlangen Offtopic-Beiträge - wie hier z.B. Wiesbaden - sind da auch nicht gerade hilfreich, den Überblick zum eigentlichen Thema zu behalten.

Also aus meiner Sicht: Mach bitte sehr gerne weiter mit deiner Arbeit, uns über aktuelle Veröffentlichungen auf dem Laufenden zu halten!

Viele Grüße
André
Zitat

"andre_de" am 18.12.2020 um 17.53 Uhr:

Mach bitte sehr gerne weiter mit deiner Arbeit, uns über aktuelle Veröffentlichungen auf dem Laufenden zu halten!

Na, wenn Du mich so nett bittest ... ;-)

Heute wurde eine weitere parlamentarische Anfrage unter der Beteiligung von Tino Schopf veröffentlicht:

Zitat

Anfrage der Abgeordneten Dr. Nicola Böcker-Giannini (SPD) und Tino Schopf (SPD) vom 19.11.2020 und Antwort vom 8.12.2020: Stand der Planungen zur Verlängerung der Straßenbahnlinie M10 von der S+U Warschauer Straße zum U Hermannplatz II

Frage 1: Wann wird die aktuell laufende Grundlagenuntersuchung zur Straßenbahnstrecke Warschauer Straße - Hermannplatz abgeschlossen sein?

Antwort zu 1.: Die Berichtsteile befinden sich in der Schlussredaktion. Die Grundlagenuntersuchung wird voraussichtlich im Laufe des 1. Quartals 2021 abgeschlossen sein.

Frage 2: Welche konkreten Trassenführungen werden aktuell im Rahmen der laufenden Grundlagenuntersuchung jeweils untersucht und nach welchen Kriterien wurden diese zuvor jeweils im Rahmen der Voruntersuchung ausgewählt?

Antwort zu 2.: In der Trassenbewertung wurden die auch in der Bürgerinnen- und Bürgerbeteiligung vom 15.11.2018 vorgestellten Varianten untersucht:

https://www.berlin.de/sen/uvk/verkehr/verkehrsplanung/oeffentlicher-personennahverkehr/projekte-in-planung/s-u-warschauer-strasse-bis-u-hermannplatz/

Es wurde das in Berlin übliche zweistufige Bewertungsverfahren für Infrastrukturmaßnahmen, in Anlehnung an das Formalisierte Abwägungs- und Rangordnungsverfahren (FAR) der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV), mit den Stufen 1 (Grobbewertung) und 2 (Feinbewertung) angewendet. Die dazu verwendeten Kriterien können der im Anhang befindlichen Tabelle entnommen werden.

In den von der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz unter oben genanntem Link bereitgestellten Unterlagen finden sich u.a. grafische Darstellungen der jeweiligen Trassenführungen der untersuchten Varianten, siehe

https://www.berlin.de/sen/uvk/_assets/verkehr/verkehrsplanung/oeffentlicher-personennahverkehr/projekte-in-planung/2018_11_15_praesentation_warschauer-hermannplatz.pdf

Frage 3: Welche konkreten Streckenführungen für eine mögliche Blockumfahrung am End- bzw. Wendepunkt Hermannplatz werden im Rahmen der laufenden Grundlagenuntersuchung jeweils untersucht und welche Vor- bzw. Nachteile würde eine solche Blockumfahrung im Vergleich zu einer Stumpfendstelle (Kehrgleis) haben?

Antwort zu 3.: Im Rahmen der Grundlagenuntersuchung wurden verschiedene Varianten für eine End- und Wendestelle untersucht. Die genaue Planung und Details der Streckenführung der Endstelle am Hermannplatz wird jedoch erst in den folgenden Planungsphasen erfolgen. Aus diesem Grund können auch noch keine spezifischen Vor- und Nachteile der einzelnen Varianten aufgezählt werden.

Frage 4: In welcher jeweiligen Planungsphase können voraussichtlich konkrete Aussagen zu Auswirkungen auf andere Verkehrsträger und deren Raumbedarfe in sowohl der Bau- als auch der Betriebsphase getroffen werden?

Antwort zu 4.: Auswirkungen auf andere Verkehrsträger werden in zunehmender Detailtiefe in den folgenden Planungsphasen (Vorplanung, Entwurfsplanung sowie Ausführungsplanung) untersucht. Konkrete Aussagen zu den spezifischen Raumbedarfen können spätestens mit Abschluss der Ausführungsplanung getroffen werden.

Viele Grüße, Thomas

PS: Der in der Antwort zur zweiten Frage erwähnte Anhang muss sich irgendwo auf den verlinkten Webseiten oder in den verlinkten PDF-Dateien finden lassen, denn in der PDF-Datei der Anfrage befand sich kein Anhang.

--
Thomas Krickstadt, Berlin, Germany, usenet@krickstadt.de
So, mal kurz eine kleine Meldung. Die Vermesser haben letzten März (und April) ihre Spuren hinterlassen und die Vorzugsvariante der Strecke Warschauer Straße - Hermannplatz sehr detailiert vermessen. Vermessen wurde die Route Oberbaumbrücke - Falckensteinstr. - Park - Glogauer Str. - Pannierstraße - Sonnenallee - Hermannplatz. Überrascht haben mich die Spuren der Vermesser auf dem Hermannplatz (beidseitig) - und nicht in der Urbanstraße. Allerdings soll ja der Hermannplatz bei der Gelegenheit sowieso umgebaut werden.

Ich poste das jetzt, da letzte Woche bei einer öffentlichen Ausschussitzung der BVV-FK diese Information ebenfalls gegeben wurde (ich wollte nicht zu viele Gegner aufschrecken). Es ging bei der Sitzung darum, dass man Parkquerung verhindern wollte. Es wurde aber beschlossen, erst mal die Pläne anzuschauen, bevor man dagegen vorgeht. In der Vergangenheit gab es ja immer die Zusicherung dass man die Parkquerung architektonisch hochwertig gestalten möchte...

Gruß Nemo
---

Eine Straßenbahn ist besser als keine U-Bahn!!



6 mal bearbeitet. Zuletzt am 20.01.2021 14:17 von Nemo.
Zitat
Nemo
So, mal kurz eine kleine Meldung. Die Vermesser haben letzten März (und April) ihre Spuren hinterlassen und die Vorzugsvariante der Strecke Warschauer Straße - Hermannplatz sehr detailiert vermessen. Vermessen wurde die Route Oberbaumbrücke - Falckensteinstr. - Park - Glogauer Str. - Pannierstraße - Sonnenallee - Hermannplatz. Überrascht haben mich die Spuren der Vermesser auf dem Hermannplatz (beidseitig) - und nicht in der Urbanstraße. Allerdings soll ja der Hermannplatz bei der Gelegenheit sowieso umgebaut werden.

Ich poste das jetzt, da letzte Woche bei einer öffentlichen Ausschussitzung der BVV-FK diese Information ebenfalls gegeben wurde (ich wollte nicht zu viele Gegner aufschrecken). Es ging bei der Sitzung darum, dass man Parkquerung verhindern wollte. Es wurde aber beschlossen, erst mal die Pläne anzuschauen, bevor man dagegen vorgeht. In der Vergangenheit gab es ja immer die Zusicherung dass man die Parkquerung architektonisch hochwertig gestalten möchte...

Bevor man sich gegen die Querung des Görlitzer Parks äußert, will man sich immerhin vorab mit der Materie beschäftigen, das läßt ja hoffen.

Eine Endstelle in der Urbanstraße wäre meines Erachtens deswegen nicht gut, weil sie den späteren Wiederaufbau der Strecke zum Potsdamer Platz womöglich erschweren würde.

Außerdem wäre die sichtbare und historisch korrekte Wiedereinordnung auf der Westseite des Hermannplatzes - vor dem früher stadtbildprägendem Kaufhaus - ein Ausrufezeichen für die Tram,

meint Marienfelde.



1 mal bearbeitet. Zuletzt am 21.01.2021 09:49 von Marienfelde.
In einer Antwort der Senatsverwaltung UVK auf eine Schriftlichen Anfrage eines SPD-Abgeordneten gibt es bislang unveröffentlichte Infos zum Planungsstand der Verbindung Pasedagplatz - Heinersdorf - S+U-Bhf Pankow: [pardok.parlament-berlin.de]

Der Abgeordnete nimmt Bezug auf eine Aussage des Staatssekretärs:
Zitat

Vorbemerkung des Abgeordneten:
Am 12. November 2020 erklärte StS Streese im Ausschuss, dass eine Vorzugsvariante der Streckenführung
ermittelt worden sei. In der Präsentation von der SenUVK vom 17. November 2020 für die AG Straßenbahn
heißt es: „Wirtschaftlichkeit der planerisch zu bevorzugenden Variante ist nachgewiesen.“

Ob die Kleingärtner nördlich der Sleipnerstraße und im "Feuchten Winkel" das auch so sehen, wird sich noch zeigen.

so long

Mario



3 mal bearbeitet. Zuletzt am 04.03.2021 11:40 von der weiße bim.
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