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L.Willms
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J. aus Hakenfelde
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L.Willms
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J. aus Hakenfelde
Irgendwie erinnert mich das an den Kampf Spandaus gegen den Zweckverband Groß-Berlin in den 1910er Jahren, da hat man sich auch vehement gegen die Verknüpfung des Spandauer Straßenbahnnetzes mit dem von Charlottenburg gewehrt, mit ähnlichen Argumenten.
Der Vergleich würde passen, wenn Lehrter und Hamburger Bahn nicht durch Spandau, sondern in einem weiten Bogen drumrum geführt worden wären, und Berlin den Spandauern nur eine Tram anbietet.
Diese Argumentation hinkt in mehreren Aspekten:
(1) wurden die von dir erwähnten Eisenbahnstrecken lange vor jeglichen Betrebungen zur (aufgezwungenen) kommunalen Zusammenarbeit wie dem Zweckverband Groß-Berlin, oder Eingemeindungsbestrebungen erbaut, damals gab es also keinen Grund für Widerstand,
(2) handelte es sich dabei um (ehemals Private, später staatliche) Fernbahnstrecken, welche mit städtischem Nahverkehr überhaut nicht vergleichbar sind, da sie andere Aufgaben erfüllten und worauf die jeweiligen Städte / Gemeinden keinen Einfluss hatten.
Mein lieber J, auf diesen Strecken fuhr aber sicherlich auch 1910 schon die Berliner S-Bahn, die damals nur noch nicht genannt wurde, in Form der Vorortbahnen des Lehrter Bahnhofs, nach Nauen und Wustermark. Dieser S-Bahn-Verkehr funktioniert auch heute wieder, genannt RB10/14 (Nauen) und RB13/RE02 (Wustermark, Rathenow).
Mit den neuesten Versionen des Stadler Flirts gibt es übrigens Fahrzeuge für S-Bahn-Verkehr an 76 cm hohen Bahnsteigen, mit durchgehend 76 cm hohem Fahrzeugboden.
Auch wenn es müßig ist, mit dir zu diskutieren, ich versuche es noch einmal, selbst wenn ich immer wieder das gleiche wiederholen muss:
Es ging hierbei weder um den Bau der Eisenbahn noch um den Vorortverkehr auf ebendieser als Vorläufer der heutigen S-Bahn. Dieses Verkehrssystem (also die Gleichstrombahn) entstand ohnehin fast ein Jahrzehnt nach dem Groß-Berlin-Gesetz und somit nach den aufgezwungenen Eingemeindungen, es spielt in der Betrachtung also keine Rolle. Davor war es schlichtweg ein normaler Eisenbahnbetrieb mit gewöhnlichen Eisenbahnfahrzeugen auf gewöhnlichen Eisenbahnstrecken. Damit spielt dein Ablenkungsmanöver mit der Erwähnung heutiger im Regionalverkehr eingesetzter Fahrzeuge, egal wie diese auch immer ausgestattet sein und auf welchen Strecken sie fahren sollten, in dieser Betrachtung keine Rolle. Die Vollbahn mit all ihren Betriebsformen war für die lokalpolitischen Grabenkämpfe in keinster Weise relevant.
Weder beim Bau der erwähnten Eisenbahnstrecken noch bei der Einführung des Vorortverkehrs gab es jedweden Widerstand dagegen, weil dies eben eine "normale" Eisenbahn gewesen ist wie anderswo auch und welche vorrangig keine keine politische Funktion, wie eine etwaige stärkere Bindung der Umlandgemeinden an Berlin sowie sukzessive Abgabe von Selbstverwaltungskompetenzen an ein zentrales Organ, innehatte.
Damals (also um die Jahrhundertwende) hat es ohnehin keinerlei ernsthafte Bestrebungen an Eingemeindungen oder sonstiger kommunaler Zusammenarbeit gegeben. Es gab am Ende des 19. Jahrhunders mal einen Vorschlag in die Richtung, Berlin war ursprünglich nicht daran interessiert und die Preußische Staatsregierung hat in Konsequenz sämtlichen derartigen Ideen fortan eine Absage erteilt, zumindest bis um das Jahr 1910, wo der Stein ganz langsam wieder ins Rollen kam, einerseits durch den damaligen Berliner Bürgermeister, andererseits durch die ärmlichen Gemeinden östlich und nördlich von Berlin (die sich davon eine Besserung ihrer Haushaltslage erhofft haben). Der Zweckverband kam 1912, mit dem 1. Weltkrieg hat das Thema etwas mehr Tempo aufgenommen, was insbesondere durch die Sozialisten / Sozialdemokraten, die ein Interesse an der stärkeren Zentralisierung hatten, bevorzugt vorangetrieben wurde, dies sei aber nur als eine Randnotiz erwähnt.
Kernpunkt der ganzen Diskussion war folgender:
Ein Eckpfeiler des Zweckverbandes Groß Berlin und des ihm zugrundeliegenden Gesetzes war die Harmonisierung des Straßenbahnverkehrs in und um Berlin, da dieser zur damaligen Zeit aus einer Vielzahl unterschiedlicher Betriebe mit eigenen Fahrzeugen, Betriebsanlagen, Fahrplänen und Tarifen bestand, die alle autark waren und es keine Zusammenarbeit, eine gemeinsame Verwaltung oder gar eine physische Verknüpfung zwischen ihnen (gleis- und linientechnisch) gab. Dieser Zustand sollte durch eine gemeinsame Verwaltung, einheitliche Tarife, Fahrpläne usw. beendet werden, darüberhinaus sollten Inselbetriebe nach Möglichkeit der Vergangenheit angehören, indem Verbindungen zwischen diesen erstellt werden sollten. Spandau hatte damals ein eigenes Straßenbahnnetz ohne Verbindung zu den restlichen Netzen von Charlottenburg oder Berlin.
Um mit der Elektrischen nach Charlottenburg zu fahren, musste man am Spandauer Bock (ehemalige Gaststätte an der Heerstraße) aussteigen, den nicht geringen Höhenunterschied zwischen Spandau-seitiger Endstelle an der Gaststätte (die sich auf einer Anhöhe befand) und der Charlottenburg-seitigen Endstelle unten an der Heerstraße via Treppe überwinden. Nördlich der Spree endete die Elektrische in der Siemensstadt, bis zur Charlotteburger Straßenbahn bestand eine größere Lücke.
Man bestand weiterhin darauf und wehrte sich sowohl gegen die betrieblich-verwaltungsmäßige Zusammenarbeit / Harmonisierung als auch gegen eine physische Verbindung. Man erachtete es einerseits als nicht notwendig, da man sich nicht zu Berlin verbunden fühlte und an keinerlei Zusammenarbeit interessiert war (wohingegen man sich dem Havelland gegenüber Verbunden fühlte und definitiv zusammenarbeiten wollte, Spandau war damals als Teil des Havellandes und nicht als Teil des verhassten Berlin gesehen), andererseits befürchtete man durch die ungewollte Zusammenarbeit und Abgabe von Kompetenzen an ein zentrales Organ eine schleichende, zunehmend engere Bindung an Berlin bis hin zum Versuch der Eingemeindung "durch die Hintertür". Einzig und allein darum ging es mir.
Aber da ich befürchte, dass wir und weiterhin im Kreis drehen werden, weil jeder nur seine eigenen Argumente als richtig betrachtet, werde ich später meine Quellen, die mir glücklicherweise in digitalisierter Form (im Lesesaal angefertigte Fotografien der entsprechenden Dokumente) vorliegen, raussuchen, hochladen und hier verlinken, um diesen Nebenkriegsschauplatz zu beeden.
1 mal bearbeitet. Zuletzt am 02.03.2020 12:36 von J. aus Hakenfelde.