Willkommen! Einloggen Ein neues Profil erzeugen

erweitert
Studie zur künftigen ÖPNV-Finanzierung veröffentlicht
geschrieben von Marienfelde 
Ein "Autorenkollektiv des Beratungsunternehmens Ramboll und der auf Infrastrukturwirtschaft spezialisierten Rechtsanwaltskanzlei Becker Büttner Held, befasst sich mit der rechtlichen Machbarkeit, den Größenordnungen sowie den verkehrspolitischen Effekten unterschiedlicher Instrumente für eine zusätzliche ÖPNV-Finanzierung.

Denn: Die beiden bisherigen Finanzierungsquellen – Haushaltsmittel und Ticketerlöse – stoßen angesichts des geplanten und für die Mobilitätswende dringend benötigen ÖPNV-Ausbaus an ihre Grenzen."

"Untersucht wurden etwa ein Bürger*innen-Ticket mit einer ÖPNV-Umlage, ein Gäste-Ticket für Touristen, eine City-Maut für die Innenstadt und eine flächendeckende Parkraumbewirtschaftung innerhalb der Umweltzone. Im Hinblick auf mögliche Einnahmen und sinnvolle verkehrliche Wirkungen zugunsten des Umweltverbunds (Bahn-, Bus-, Rad- und Fußverkehr) stellten sich die Instrumente Bürger*innen-Ticket, City-Maut und Parkraumbewirtschaftung als besonders geeignet heraus."

Dies ergibt sich einer Pressemitteilung der Senatsverwaltung für "UVK" vom heutigen Tage. Im Fazit der Kurzfassung werden einer City-Maut, der Parkraumbewirtschaftung sowie dem allgemeinen ÖPNV-Beitrag (Bürger/innenticket) hinsichtlich der erzielbaren zusätzlichen Einnahmen und der verkehrlichen Lenkungswirkung die größten Effekte zugesprochen.

Bei der City-Maut wäre aber das Problem der Bundesfernstraßen zu beachten: "Rechtlich kann das Land Berlin eine Straßennutzungsgebühr nur für „eigene“ Liegenschaften erheben, nicht für Bundesfernstraßen. Die Benutzung der querenden B1 und B2 sowie der B96, B96a und B109 in dem Gebiet (innerhalb der Ringbahn, Marienfelde) darf somit grundsätzlich nicht bemautet werden, wenn diese Straßen nicht verlassen werden. Dies stellt eine konzeptionelle Herausforderung dar" (S. 12 der Studie).

Wer lustig ist, wird hier "in Richtung Download" der Studie geführt: [www.berlin.de]

Allseits eine gute Nacht wünscht Euch
Marienfelde



1 mal bearbeitet. Zuletzt am 24.11.2020 10:19 von Marienfelde.
Zitat
Marienfelde
Bei der City-Maut wäre aber das Problem der Bundesfernstraßen zu beachten: "Rechtlich kann das Land Berlin eine Straßennutzungsgebühr nur für „eigene“ Liegenschaften erheben, nicht für Bundesfernstraßen. Die Benutzung der querenden B1 und B2 sowie der B96, B96a und B109 in dem Gebiet (innerhalb der Ringbahn, Marienfelde) darf somit grundsätzlich nicht bemautet werden, wenn diese Straßen nicht verlassen werden. Dies stellt eine konzeptionelle Herausforderung dar" (S. 12 der Studie).

Warum? Man braucht diese City-Maut doch bloß umdeuten und sie nicht als Straßennutzungsgebühr verkaufen, sondern als Eintrittsentgelt, Luftreinhaltungsgebühr oder ähnliches. Beim Erfinden von Gebühren und Abgaben war man sich doch sonst nie zu schade.


Das Gegenteil von pünktlich ist kariert.
Schmälert es denn die Wirkungsweise einer City-Maut, wenn ein paar Ein- und Ausfallsstraßen nicht dabei sind? In aller Regel liegen die Ziele auch nicht direkt an der Bundesstraße, sodass fast immer noch Landesstraßen verwendet werden müssen.
Zitat
Alter Köpenicker
Man braucht diese City-Maut doch bloß umdeuten und sie nicht als Straßennutzungsgebühr verkaufen, sondern als Eintrittsentgelt, Luftreinhaltungsgebühr oder ähnliches. Beim Erfinden von Gebühren und Abgaben war man sich doch sonst nie zu schade.

Lese doch bitte erst mal die Studie ;-)
Zitat
peterl
Schmälert es denn die Wirkungsweise einer City-Maut, wenn ein paar Ein- und Ausfallsstraßen nicht dabei sind? In aller Regel liegen die Ziele auch nicht direkt an der Bundesstraße, sodass fast immer noch Landesstraßen verwendet werden müssen.

Das Problem ist eher die technische und organisatorische Durchführbarkeit. In allen mir bekannten Städten mit Citymaut ist es eine Zone, bei der man für das Einfahren (manchmal auch Ein- und Ausfahren) zu einer bestimmten Zeit einen bestimmten Betrag bezahlt. Das ginge auf den Straßen des Bundes nicht, auch weil es dort schon ein konkurrierendes Mautsystem gibt. Somit müsste das meist kamerabasierte Kennzeichenerfassungssystem, das in den anderen Städten meist zum Einsatz kommt, zusätzlich an allen die Bundesstraßen kreuzende Straßen installiert werden. Ein enormer Mehraufwand, nicht nur bei der technischen Einrichtung, sondern auch im Betrieb durch die Auswertung. Denn es muss ja garantiert werden, dass für die mögliche ausschließliche Nutzung der Bundesstraße(n) keine Maut erhoben wird.

Umso mehr war ich erstaunt, dass die Studie keine Alternativen anspricht. Als zum ersten Mal eine Citymaut in Singapur 1975 eingeführt wurde, hat man zunächst eine Vignettenlösung eingesetzt mit Tages- und Monatsvignetten, die man im Einzelhandel erwerben konnte. Das könnte man in Berlin theoretisch auch tun, besser vermutlich als "virtuelle Vignette", also dass im Vorfeld das Kennzeichen über eine App registriert wird. Verbunden mit einer Bebußung bräuchte man dann keine lückenlose Kennzeichenerfassung mehr. Darüber hinaus könnte eine solche Gebühr mit dem Anwohnerparken gleich verbunden werden und damit Anwohnern gegenüber Einpendlern Vorteile verschaffen. Allerdings wird das, wie auch die bekannte Kennzeichenerfassung, sicherlich zusätzliche datenschutz- und kompetenzrechtliche Debatten nach sich ziehen.
Zitat
Marienfelde
Bei der City-Maut wäre aber das Problem der Bundesfernstraßen zu beachten: "Rechtlich kann das Land Berlin eine Straßennutzungsgebühr nur für „eigene“ Liegenschaften erheben, nicht für Bundesfernstraßen. Die Benutzung der querenden B1 und B2 sowie der B96, B96a und B109 in dem Gebiet (innerhalb der Ringbahn, Marienfelde) darf somit grundsätzlich nicht bemautet werden, wenn diese Straßen nicht verlassen werden. Dies stellt eine konzeptionelle Herausforderung dar" (S. 12 der Studie).

Da perspektivisch vorgesehen ist, sämtliche Bundesstraßen innerhalb des S-Bahnrings auf übergeordnete Hauptverkehrsstraßen herabzustufen, dürfte eine Citymaut in dieser Hinsicht für Berlin kein Problem darstellen.

Viele Grüße
Florian Schulz

--
Das Gegenteil von umfahren ist umfahren.
Bei kamerabasiertes Kennzeichenerfassung sehe ich ein Problem, wenn das System nicht auch die Nationalität erfassen kann: ich habe schon mal Autos aus Bucharest gesehen mit Kennzeichen, die auch in Berlin passen täten.
Ich glaube, dass diese Studie ein wenig zu kurz gedacht ist.

Es geht einfach nur darum, noch mehr Geld in das System ÖPNV zu schippen, unter der dogmatischen Annahme, dass es nie profitabel sein wird und immer einen ähnlich hohen Subventionsgrad benötigt. Daran habe ich persönlich Zweifel, denn ich denke, auch in Berlin werden sich in Zukunft auch autonom fahrende Systeme ausbreiten, die zu einer Senkung der Personalkosten im ÖPNV führen können. Auch der unlängst selbst-verordnete Corona-Bonus sorgt nur noch für Kopf-Schütteln in einer Zeit, wo die BVG unterfinanziert ist, in Berlin die Arbeitslosigkeit auf über 10% gestiegen ist und die durchschnittlichen Einkommen in diesem Jahr dank Corona deutlich gesunken sind. Das riecht ein wenig nach Selbstbedienung.

Noch zwei Dinge sehe ich sehr kritisch.
Damit die Idee der Studie die maximale finanzielle Wirkung entfaltet, müssten möglichst viele Leute mit dem Auto in die Stadt reinfahren und dort oft parken. Was passiert aber, wenn wirklich ein shift im Modal Split stattfindet und die Leute plötzlich sehr viel mehr Fahrrad fahren, so wir wir es dieses Jahr gesehen haben? Werden dann die Fahrrad-Fahrer plötzlich auch Maut-pflichtig, um die fehlendenden PKW Einnahmen zu ersetzen? Am Ende muss sich der ÖPNV auch über die Nutzer-Entgelte finanzieren und wenn niemand fährt, dann kann man auch nicht auf alle Ewigkeit ein Angebot aufrecht erhalten, was niemand nutzt und wofür die Leute nicht bezahlen wollen.

Noch ein Punkt bringt mich zum Nachdenken.
Solche Maßnahmen haben das Potential, die Polarisierung in der Stadt massiv zu verstärken. Einige Gemeinden im Speckgürtel werden sich schon freuen, wenn dann noch mehr Leute aus der Mittelschicht Berlin's aus der Stadt raus ziehen. Damit wandert ja dann auch Kaufkraft nach Brandenburg ab, also fehlen in Berlin an anderer Stelle Einnahmen. Die Oberschicht trifft es nicht, und der arme Teil der Bevölkerung hat schon heute nicht die Mittel, um ein PKW zu unterhalten sondern fährt mit dem Sozial-Ticket...
Zitat
Balu der Bär
Ich glaube, dass diese Studie ein wenig zu kurz gedacht ist.

Es geht einfach nur darum, noch mehr Geld in das System ÖPNV zu schippen, unter der dogmatischen Annahme, dass es nie profitabel sein wird und immer einen ähnlich hohen Subventionsgrad benötigt. Daran habe ich persönlich Zweifel, denn ich denke, auch in Berlin werden sich in Zukunft auch autonom fahrende Systeme ausbreiten, die zu einer Senkung der Personalkosten im ÖPNV führen können. Auch der unlängst selbst-verordnete Corona-Bonus sorgt nur noch für Kopf-Schütteln in einer Zeit, wo die BVG unterfinanziert ist, in Berlin die Arbeitslosigkeit auf über 10% gestiegen ist und die durchschnittlichen Einkommen in diesem Jahr dank Corona deutlich gesunken sind. Das riecht ein wenig nach Selbstbedienung.

Dass sich ein breites ÖPNV-Angebot in Berlin oder generell in Deutschland selbst finanzieren kann, halte ich für nahezu ausgeschlossen. Personalkosten sind auch nur ein Faktor, zumal personalfreie oder auch personalarme Angebote überhaupt nicht erstrebenswert sind.

Diese "Corona-Prämie" ist doch aber Augenwischerei. Die Angestellten der BVG bekommen im Gegenzug keinen neuen Tarifvertrag, wie fast alle anderen kommunalen Angestellten.

Zitat
Balu der Bär
Noch zwei Dinge sehe ich sehr kritisch.
Damit die Idee der Studie die maximale finanzielle Wirkung entfaltet, müssten möglichst viele Leute mit dem Auto in die Stadt reinfahren und dort oft parken. Was passiert aber, wenn wirklich ein shift im Modal Split stattfindet und die Leute plötzlich sehr viel mehr Fahrrad fahren, so wir wir es dieses Jahr gesehen haben? Werden dann die Fahrrad-Fahrer plötzlich auch Maut-pflichtig, um die fehlendenden PKW Einnahmen zu ersetzen? Am Ende muss sich der ÖPNV auch über die Nutzer-Entgelte finanzieren und wenn niemand fährt, dann kann man auch nicht auf alle Ewigkeit ein Angebot aufrecht erhalten, was niemand nutzt und wofür die Leute nicht bezahlen wollen.

Es ist vollkommen richtig, dass eine Citymaut eine Maßnahme für Autofahrer ist. Sie haben einen konkreten Vorteil durch die Maut (v.a. Zeitgewinn, im weitaus kleineren Umfang auch Nebeneffekte wie geringere Betriebsmittel etc.), dagegen haben ÖPNV-Nutzer, Fahrradfahrer und Fußgänger nur einen Sekundärnutzen. Deshalb halte ich es auch für falsch, eine Citymaut als ÖPNV-Förderung zu verkaufen. Zunächst ist zur Einführung gerade das Gegenteil der Fall: Der ÖPNV (im geringeren Maße auch Rad- und Fußverkehr) muss eine massive Investitionssteigerung erfahren, um eine potenziell steigende Nachfrage bedienen zu können.

Nun ist es aber nicht so, dass alle Autofahrer umsteigen werden, die Praxis zeigt sogar, dass auch ein Großteil der Autofahrer nach Einführung der Maut zufriedener ist. Das gilt in gleichem Maße für den Großteil der ÖPNV-Nutzer, schließlich ist das Angebot damit (in den Beispielstädten) auch besser geworden. Am ehesten werden Autofahrten vermieden oder verschoben, die schon vorher nicht zwingend notwendig waren.

Zitat
Balu der Bär
Noch ein Punkt bringt mich zum Nachdenken.
Solche Maßnahmen haben das Potential, die Polarisierung in der Stadt massiv zu verstärken. Einige Gemeinden im Speckgürtel werden sich schon freuen, wenn dann noch mehr Leute aus der Mittelschicht Berlin's aus der Stadt raus ziehen. Damit wandert ja dann auch Kaufkraft nach Brandenburg ab, also fehlen in Berlin an anderer Stelle Einnahmen. Die Oberschicht trifft es nicht, und der arme Teil der Bevölkerung hat schon heute nicht die Mittel, um ein PKW zu unterhalten sondern fährt mit dem Sozial-Ticket...

In diesem Sinne glaube ich auch nicht unbedingt an eine größere Polarisierung. Das liegt an mehreren Punkten:

1. Wird der Effekt einer Innenstadt-Maut im Vorfeld meist gnadenlos überschätzt. Bereich und Zeit sind begrenzt, Ausnahmen können für besonders Betroffene gewährt werden. Es betrifft im Regelfall also nur Pendler, die in der Innenstadt arbeiten und einpendeln oder in der Innenstadt leben und auspendeln. Mir fehlt jedoch ein konkretes, greifbares, zahlenmäßig relevantes Beispiel für die "stark Benachteiligten". Ein Geringverdiener, der in Mitte wohnt und im Lager im Umland arbeitet hat meistens keine Arbeitszeiten, die in die Rushhour fallen würden. Eine Putzfrau aus Spandau, die in Charlottenburg arbeitet, fährt schon heute meist mit dem ÖPNV zur Arbeit usw. Wohlgemerkt, der kolportierte Maurer aus Reinickendorf, der in Köpenick arbeitet, ist genau so wenig betroffen, er fährt an der Mautzone vorbei. Für gewerbliche Fahrten kann es gesonderte Tarife geben, so könnte das Taxigewerbe ggf. sogar einen Vorteil gegenüber Fahrdiensten haben.

2. Wieso sollte man wegen der Maut aus Berlin rausziehen? Das Pendeln würde dadurch doch potenziell teurer. Da müssen dann schon andere Gründe ursächlich sein. Verstehen könnte ich es im Sinne von: Das ÖPNV-Angebot auch in Brandenburg wird besser, deshalb kaufe/miete ich eine günstigere Immobilie im Umland. Ist das so gemeint?
Im Übrigen finde ich es nach wie vor müßig, Berlin und Brandenburg als konkurrierende Systeme zu betrachten. Es gibt nun einmal Metropolregionen und in Hamburg, Bremen oder in der Rhein-Main-Region klappt es ja auch zusammen.

3. Sind in praktisch allen Städten mit Citymaut die Bewohner nach kurzer Zeit mehrheitlich zufrieden mit der Neuregelung. Es gibt "erlebbare" Effekte, die ziemlich schnell sichtbar werden. Die richtige Allokation ist natürlich ein Problem, aber ist der ungeordnete automobile Wildwuchs mit immer größerer Nachfrage und gleichbleibendem (oder gar geringer werdendem) Angebot das nicht auch?
Zitat
Ruhlebener
Bei kamerabasiertes Kennzeichenerfassung sehe ich ein Problem, wenn das System nicht auch die Nationalität erfassen kann: ich habe schon mal Autos aus Bucharest gesehen mit Kennzeichen, die auch in Berlin passen täten.

..bei denen das Abkassieren dann genauso ins Leere läuft wie Blitzer bzw Parkknöllchen...

T6JP
Zitat
T6Jagdpilot
Zitat
Ruhlebener
Bei kamerabasiertes Kennzeichenerfassung sehe ich ein Problem, wenn das System nicht auch die Nationalität erfassen kann: ich habe schon mal Autos aus Bucharest gesehen mit Kennzeichen, die auch in Berlin passen täten.

..bei denen das Abkassieren dann genauso ins Leere läuft wie Blitzer bzw Parkknöllchen...

T6JP

Das muss nicht sein. Innerhalb der EU gibt es eigentlich fast immer Abkommen für den Datenaustausch bzgl. Halterabgleich. In Stockholm werden auch ausländische Nummernschilder abgefragt und Rechnungen durch einen privaten Dienstleister verschickt bzw. Inkassoverfahren durchgeführt: [www.epass24.com]
Zitat
hvhasel
Zitat
T6Jagdpilot
Zitat
Ruhlebener
Bei kamerabasiertes Kennzeichenerfassung sehe ich ein Problem, wenn das System nicht auch die Nationalität erfassen kann: ich habe schon mal Autos aus Bucharest gesehen mit Kennzeichen, die auch in Berlin passen täten.

..bei denen das Abkassieren dann genauso ins Leere läuft wie Blitzer bzw Parkknöllchen...

T6JP

Das muss nicht sein. Innerhalb der EU gibt es eigentlich fast immer Abkommen für den Datenaustausch bzgl. Halterabgleich. In Stockholm werden auch ausländische Nummernschilder abgefragt und Rechnungen durch einen privaten Dienstleister verschickt bzw. Inkassoverfahren durchgeführt: [www.epass24.com]

Es gibt ein EU-Vollstreckungsabkommen, das ab 70 Euro greift. In Stockholm reicht da einfaches Falschparken, in Deutschland muss man dagegen schon eine Feuerwehreinfahrt genau dann zuparken, dass dadurch ein Einsatz behindert wird, um in diese Preisklasse zu kommen.
Zitat
Lopi2000
Es gibt ein EU-Vollstreckungsabkommen, das ab 70 Euro greift. In Stockholm reicht da einfaches Falschparken, in Deutschland muss man dagegen schon eine Feuerwehreinfahrt genau dann zuparken, dass dadurch ein Einsatz behindert wird, um in diese Preisklasse zu kommen.

Das ist doch aber nicht nötig, um die Forderung selbst einzutreiben. Ich habe auch schon ein Bußgeldbescheid aus den Niederlanden über 30 Euro bekommen.
Zitat
hvhasel
Zitat
Balu der Bär
Ich glaube, dass diese Studie ein wenig zu kurz gedacht ist.

Es geht einfach nur darum, noch mehr Geld in das System ÖPNV zu schippen, unter der dogmatischen Annahme, dass es nie profitabel sein wird und immer einen ähnlich hohen Subventionsgrad benötigt. Daran habe ich persönlich Zweifel, denn ich denke, auch in Berlin werden sich in Zukunft auch autonom fahrende Systeme ausbreiten, die zu einer Senkung der Personalkosten im ÖPNV führen können.
(...)

Dass sich ein breites ÖPNV-Angebot in Berlin oder generell in Deutschland selbst finanzieren kann, halte ich für nahezu ausgeschlossen. Personalkosten sind auch nur ein Faktor, zumal personalfreie oder auch personalarme Angebote überhaupt nicht erstrebenswert sind.

(...)

Zitat
Balu der Bär
Noch zwei Dinge sehe ich sehr kritisch.
Damit die Idee der Studie die maximale finanzielle Wirkung entfaltet, müssten möglichst viele Leute mit dem Auto in die Stadt reinfahren und dort oft parken. Was passiert aber, wenn wirklich ein shift im Modal Split stattfindet und die Leute plötzlich sehr viel mehr Fahrrad fahren, so wir wir es dieses Jahr gesehen haben? Werden dann die Fahrrad-Fahrer plötzlich auch Maut-pflichtig, um die fehlendenden PKW Einnahmen zu ersetzen? Am Ende muss sich der ÖPNV auch über die Nutzer-Entgelte finanzieren und wenn niemand fährt, dann kann man auch nicht auf alle Ewigkeit ein Angebot aufrecht erhalten, was niemand nutzt und wofür die Leute nicht bezahlen wollen.

Es ist vollkommen richtig, dass eine Citymaut eine Maßnahme für Autofahrer ist. Sie haben einen konkreten Vorteil durch die Maut (v.a. Zeitgewinn, im weitaus kleineren Umfang auch Nebeneffekte wie geringere Betriebsmittel etc.), dagegen haben ÖPNV-Nutzer, Fahrradfahrer und Fußgänger nur einen Sekundärnutzen. Deshalb halte ich es auch für falsch, eine Citymaut als ÖPNV-Förderung zu verkaufen. Zunächst ist zur Einführung gerade das Gegenteil der Fall: Der ÖPNV (im geringeren Maße auch Rad- und Fußverkehr) muss eine massive Investitionssteigerung erfahren, um eine potenziell steigende Nachfrage bedienen zu können.

Nun ist es aber nicht so, dass alle Autofahrer umsteigen werden, die Praxis zeigt sogar, dass auch ein Großteil der Autofahrer nach Einführung der Maut zufriedener ist. Das gilt in gleichem Maße für den Großteil der ÖPNV-Nutzer, schließlich ist das Angebot damit (in den Beispielstädten) auch besser geworden. Am ehesten werden Autofahrten vermieden oder verschoben, die schon vorher nicht zwingend notwendig waren.

Zitat
Balu der Bär
Noch ein Punkt bringt mich zum Nachdenken.
Solche Maßnahmen haben das Potential, die Polarisierung in der Stadt massiv zu verstärken. Einige Gemeinden im Speckgürtel werden sich schon freuen, wenn dann noch mehr Leute aus der Mittelschicht Berlin's aus der Stadt raus ziehen. Damit wandert ja dann auch Kaufkraft nach Brandenburg ab, also fehlen in Berlin an anderer Stelle Einnahmen. Die Oberschicht trifft es nicht, und der arme Teil der Bevölkerung hat schon heute nicht die Mittel, um ein PKW zu unterhalten sondern fährt mit dem Sozial-Ticket...

In diesem Sinne glaube ich auch nicht unbedingt an eine größere Polarisierung. Das liegt an mehreren Punkten:

1. Wird der Effekt einer Innenstadt-Maut im Vorfeld meist gnadenlos überschätzt. Bereich und Zeit sind begrenzt, Ausnahmen können für besonders Betroffene gewährt werden. Es betrifft im Regelfall also nur Pendler, die in der Innenstadt arbeiten und einpendeln oder in der Innenstadt leben und auspendeln. Mir fehlt jedoch ein konkretes, greifbares, zahlenmäßig relevantes Beispiel für die "stark Benachteiligten". Ein Geringverdiener, der in Mitte wohnt und im Lager im Umland arbeitet hat meistens keine Arbeitszeiten, die in die Rushhour fallen würden. Eine Putzfrau aus Spandau, die in Charlottenburg arbeitet, fährt schon heute meist mit dem ÖPNV zur Arbeit usw. Wohlgemerkt, der kolportierte Maurer aus Reinickendorf, der in Köpenick arbeitet, ist genau so wenig betroffen, er fährt an der Mautzone vorbei. Für gewerbliche Fahrten kann es gesonderte Tarife geben, so könnte das Taxigewerbe ggf. sogar einen Vorteil gegenüber Fahrdiensten haben.

2. Wieso sollte man wegen der Maut aus Berlin rausziehen? Das Pendeln würde dadurch doch potenziell teurer. Da müssen dann schon andere Gründe ursächlich sein. Verstehen könnte ich es im Sinne von: Das ÖPNV-Angebot auch in Brandenburg wird besser, deshalb kaufe/miete ich eine günstigere Immobilie im Umland. Ist das so gemeint?
Im Übrigen finde ich es nach wie vor müßig, Berlin und Brandenburg als konkurrierende Systeme zu betrachten. Es gibt nun einmal Metropolregionen und in Hamburg, Bremen oder in der Rhein-Main-Region klappt es ja auch zusammen.

3. Sind in praktisch allen Städten mit Citymaut die Bewohner nach kurzer Zeit mehrheitlich zufrieden mit der Neuregelung. Es gibt "erlebbare" Effekte, die ziemlich schnell sichtbar werden. Die richtige Allokation ist natürlich ein Problem, aber ist der ungeordnete automobile Wildwuchs mit immer größerer Nachfrage und gleichbleibendem (oder gar geringer werdendem) Angebot das nicht auch?


Einige Gedanken dazu:

0. Es geht um tiefgreifende Umbrüche im Verkehr, um Zeithorizonte von mindestens fünf Jahren (bis 2025 wäre eine fast flächendeckende Parkraumbewirtschaftung innerhalb der Ringbahn sowie die dazu passenden Ausbauschritte im ÖV realistisch) bzw. mindestens zehn Jahren ("City-Maut").

1. Ja, zunächst geht es darum, mehr Geld für den Ausbau des ÖPNV durch zusätzliche Finanzquellen bereitzustellen, was wegen der betriebswirtschaftlich defizitären öffentlichen Verkehrsmittel unumgänglich sein dürfte.

Allerdings ist es nicht abwegig, bei einer insgesamt zunehmenden Nutzung des ÖV mittelfristig auf einen jedenfalls relativ geringeren Unterschied zwischen Aufwand und Ertrag je Fahrgast (also einen höheren "Kostendeckungsgrad") zu hoffen.

Die Frage, ob es irgendwann zu einer Umkehr (also Gewinnen oder einer "schwarzen 0" im ÖV) kommen kann - und ob dies sozialpolitisch überhaupt erstrebenswert ist - scheint mir offen zu sein: Wenn die durchschnittliche Besetzung des ÖV bei relativ geringem Mehraufwand auch in Schwachlastzeiten steigt, mag man dem Ziel eines ausgeglichenen Ergebnisses näherkommen.

2. Der Staat braucht mehr Einnahmen, also erhöht er die Tabaksteuer drastisch - aber wehe, die Leute verhalten sich gesundheitsbewußter und rauchen weniger.

Solche Effekte sind auch bei "City-Maut" und Parkraumbewirtschaftung denkbar, ohne ins Detail zu gehen. Allerdings kann es auch gegenteilige Auswirkungen dieser Instrumente geben (verminderter relativer Zuschußbedarf beim ÖV, sh. 1.).

Die Gefahr der Nichtnutzung des ÖV sehe ich nicht, im Gegenteil: Nach dem derzeitigen Stand können wir wohl auf eine Überwindung der jetzigen (!) Pandemie etwa bis zum Ende des Jahres 2021 hoffen. Der ÖV wird sich dann sicher deutlich erholen, und er kann jedenfalls bei den Schnellbahnen durch den Zulauf neuer Züge auch mehr Kapazitäten bereitstellen, was bei fortschreitender Parkraumbewirtschaftung, mehr Firmentickets im Landesdienst usw. auch obligatorisch ist.

3. Eine "City-Maut" ist eine Maßnahme für Autofahrer - ja, für die Autofahrer, die sie bezahlen können. Insbesondere in der Kombination von hohen Parkgebühren und (hoher) "City-Maut" steckt erheblicher sozialer Sprengstoff.

Na wunderbar, wenn Menschen mit relativ niedrigem Einkommen sich auch gelegentliche, "objektiv sinnvolle" Autofahrten wegen des Preises (es gibt Leute, für die z.B. 6 € Parkgebühr und 8 € "City-Maut", insgesamt also 14 € viel Geld sind) nicht mehr leisten, während Leute, die viel Geld verdienen und außerdem "natürlich" über einen eigenen Parkplatz verfügen, die "City-Maut" aus der Portokasse bezahlen, dann ist das Ziel der "Mobilitätswende" doch erreicht, könnte man zynisch argumentieren.

"Nur" die Verteilung ist verdammt ungleich: Die "Reichen" machen weiter wie bisher, und scheren sich einen Dreck um ihren "ökologischen Fußabdruck", während die Leute mit niedrigeren (oder gar negativen) Kontoständen in jeder Hinsicht die Zeche zahlen. Klar: Es gibt auch "vernünftige Reiche", aber es sind nicht sehr viele.

Für sozial gerechter würde ich dann eher Fahrverbote (oder "Kilometerkontingente") für alle halten.

4. Noch ein Detail zur Parkraumbewirtschaftung: Der faktische Nulltarif für das Bewohnerparken auf öffentlichem Straßenland führt aus Sicht der Allgemeinheit zu einer "Enteignung" dieses Raumes, der andere denkbare Nutzungen unmöglich macht. Insofern scheint auch eine Bepreisung des Bewohnerparkens geboten.

Die in der Studie vorgeschlagene Jahresgebühr von 120 bzw. 240 € für das Bewohnerparken - umgerechnet also 10 oder 20 € monatlich bzw. 33 oder 66 Cents pro Tag - mag vielen Foristen als "aufgerundeter Nulltarif" erscheinen.

Aber: Wenn private Grundstückseigentümer (oder auch landeseigene Wohnungsbaugesellschaften) bei einer stärkeren Bepreisung des Bewohnerparkens Grünanlegen auf eigenen Grundstücken beseitigen, um dort Parkraum zu schaffen, ist noch mehr Fläche versiegelt.

Solche Dinge müssen beachtet werden. Längerfristig könnte man solchen kontraproduktiven Auswirkungen der Parkraumbewirtschaftung durch veränderte gesetzliche Grundlagen entgegentreten. Kurz- und mittelfristig wäre ich zufrieden, wenn es bis 2025 gelänge, die Parkraumbewirtschaftung in ihrer jetzigen Form innerhalb der Ringbahn flächendeckend einzuführen - was immerhin ein Fortschritt wäre.

5. Erlaubt mir einen Vergleich von "Modal-Split-Zahlen" zwischen Berlin und London:
[en.wikipedia.org]

(jeweilige Anteile von Fußgängern, Radfahrern, Nutzern des ÖV und des MIV in %)
Berlin 2018: 30 - 18 - 27 - 26
London 2016: 24 - 2 - 37 - 37

Es ergeben sich folgende Fragen:

1. Wie kann London es schaffen, sich den weitaus besseren Werten der Vorbildstadt Berlin bei den "gesunden Verkehrsarten", insbesondere beim Fahrradverkehr, im Laufe der nächsten zehn Jahre wenigstens anzunähern?

2. Wie kann es gelingen, den signifikant höheren Anteil des MIV am Modal Split in London in die Nähe der Werte der Vorbildstadt Berlin zu entwickeln?

Bitte nicht falsch verstehen: Auch und gerade in Berlin gibt es es einen großen verkehrspolitischen Handlungsbedarf. Wir müssen uns aber auch nicht verstecken - jedenfalls nicht hinter London,

meint Marienfelde.



1 mal bearbeitet. Zuletzt am 28.11.2020 09:58 von Marienfelde.
Zitat
Marienfelde
Bitte nicht falsch verstehen: Auch und gerade in Berlin gibt es es einen großen verkehrspolitischen Handlungsbedarf. Wir müssen uns aber auch nicht verstecken - jedenfalls nicht hinter London,

Die Werte sind allerdings schwierig vergleichbar, denn für London beziehen sie sich auf Greater London, das etwa die doppelte Fläche Berlins hat. Betrachtet man nur Inner London, liegt der MIV-Anteil nur bei 23 %. In Outer London sind dann auch Bereiche dabei, wo es zwar einzelne (U-)Bahnstrecken, aber keinen flächenhaft guten ÖPNV gibt und der MIV-Anteil entsprechend bei knapp 60 % liegt. Diese Bereiche sind ÖPNV-technisch am ehesten mit dem Berliner C-Bereich vergleichbar.
Die Mieten in London sind dermaßen hoch, dass viele Menschen weite Strecken zum Pendeln haben. 50 oder 80 Kilometer pro Weg pendelst du auch als Hardcore-Radler nicht mit dem Fahrrad. Schon gar nicht, wenn du aus dem Themsetal rausfährst und über die typisch englischen Hügel musst. Größere Entfernungen mit dem Zug überbrücken fällt auch aus, weil die Mitnahme von gewöhnlichen Fahrrädern in Lastrichtung in den Peak Hours eh verboten ist, und die Overground und die Local Trains derart voll sind, dass du nicht einmal mit einem Faltrad in die Züge kommst.

Die London Bikes sind für Touristen eine gute Sache, aber als Pendler würde ich nicht riskieren, aus der Bahn zu steigen und kilometerweit leere Stationen vorzufinden. Ich habe einmal den Fehler gemacht, mich an einem Mittwoch Abend in Soho auszubuchen um eine Kleinigkeit zu essen. Ich hatte die Quittung noch nicht weggesteckt, da saß der nächste schon auf dem Rad. Und als ich weiterfahren wollte, gab es im Radius von 5 Kilometern kein freies Rad. Wenn ich mir ein Rad für eine Woche aus einem Verleih geholt habe, war eine Klausel normal, dass das Rad auch angeschlossen nicht zwischen 22 und 8 Uhr im Freien stehen darf. Diebstahl scheint da auch ein großes Problem zu sein.

Fazit: Die Entfernungen für Pendler sind für die Nutzung eines Fahrrades zu groß, die Nutzung des ÖPNV mit Rad fällt aus, ein Zweit- oder Leihrad über Nacht an der Zielstation zu deponieren auch. Demnach werden auch mit höherer Maut nur Leute das Rad nutzen (können), die sich die Mieten in London leisten können, oder außerhalb der Peak Hours unterwegs sind.
Sorry, in diesem Forum dürfen nur registrierte Benutzer schreiben.

Hier klicken, um sich einzuloggen