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Sammelthread: Verkehrspolitik in Berlin II (ab 01/21)
geschrieben von B-V 3313 
Zitat
Stichbahn
Oder liegt es daran, dass jeder Autofahrer auch ein Fußgänger ist

Das trifft übrigens auch auf Radfahrende zu. Zwar nicht jeder, aber recht viele Radfahrer sind auch Autofahrer.

Ansonsten finde ich den Beitrag aufschlussreich. Hört man Stimmen aus gewissen Kreisen, gewinnt man wirklich den Eindruck, die Niederlande und speziell Amsterdam wären das Radfahrerparadies schlechthin, wenn man selbst noch nie dort war.
Zitat
M48er
Und ohne Pannenhilfe wäre der ADAC auch ähnlich klein.

Vermutlich sogar noch kleiner. Ich habe jedenfalls noch nie von irgendwelchen ADAC-Ortsteilgruppentreffen gehört - überhaupt habe ich noch nie von ADAC-Mitgliedern gehört, die sich im Verein engagieren ohne bei ihm angestellt zu sein.

Gruß Nemo
---

Eine Straßenbahn ist besser als keine U-Bahn!!
Zitat
Railroader
speziell Amsterdam wären das Radfahrerparadies schlechthin, wenn man selbst noch nie dort war.

Da ist ziemlich sicher die Nachbarstadt Almere gemeint.
Naja, Stimpel sagt ja zu recht, dass es eben nicht ausreicht, den Umweltverbund (in den meisten Städten: allenfalls einen Teil davon) ausbauen, man muss eben auch auf der anderen Seite das Autofahren unattraktiver gestalten. Das Artikelfoto zeigt ja, was auch in Berlin und anderswo kritisiert wird: das Auto bekommt, was es vermeintlich braucht, die Verkehrsträger aus dem Umweltverbund dürfen um den restlichen Raum kämpfen. Kombinierte Bus- und Radspuren oder kombinierte Rad- und Fußwege zählen in vielen Fällen ja in die gleiche Kategorie (mit wenigen Ausnahmen).

Insofern sehe ich auch Radschnellwege durch Parkanlagen und auf Uferpromenaden sehr kritisch. Da geht es eben oft auch nur darum, bloß keine Fahrspur auf Hauptstraßen in Radwege umzuwandeln.

Dennoch muss man eben aufpassen, dass man als Vertreter einer stadt- und umweltfreundlichen Mobilität nicht auf diesen Schmäh hereinfällt und dabei mithilft, Fußgänger/innen, ÖV und Radverkehr gegeneinander auszuspielen, denn dabei gewinnt am Ende der Autoverkehr. Beim IGEB, konkret bei Herrn Wieseke, habe ich mittlerweile den Eindruck, dass er Radverkehr für den eigentlichen Gegner hält, den es zu bekämpfen gilt. So kann man sich auch zum verlängerten Arm des ADAC machen.

(Ja, natürlich gibt es auch zuweilen auch Interessenkonflikte zwischen den Verkehrsträgern im Umweltverbund, zwischen ÖV und Radverkehr insbesondere in Haltestellenbereichen. Dazu müssen dann eben auf die Situation vor Ort bezogene Lösungen ausgearbeitet werden. Aber wenn es neben sechs Autofahr- und -parkspuren einen kombinierten schmalen Fuß- und Radweg gibt, sind Konflikte zwischen diesen beiden Nutzungen vorprogrammiert - und das eigentliche Problem ist der MIV.)



2 mal bearbeitet. Zuletzt am 20.04.2022 11:25 von def.
Zitat
M48er
@Stichbahn:
Das Wort ätzen trifft wohl eher auf Dich und Deine Ausführungen über Fuß e.V. und Roland Stimpel zu.

Ich fand den Artikel von ihm sehr sachlich. Und ja, er vertritt eine Meinung, die nicht allen passt (Fuß und ÖV vor Rad und vor MIV in den Prioritäten einreihen), aber so eine Gegenposition zum ADFC, zur Infravelo und Co ist m.E. gut und hilfreich und wird von ihm sachlich begründet.

Und sind das nicht alles Kleinvereine, die in der Verkehrspolitik unterwegs sind, ob Changing Cities, VCD, ADFC, IGEB oder Fuß e.V. Und ohne Pannenhilfe wäre der ADAC auch ähnlich klein.

Nun ja, den Artikel sollte man auch losgelöst von der Person Stimpel lesen können.
Im Ganzen finde ich diesen Artikel durchaus ganz interessant. Und nein, die Niederlande sind unterm Strich in der Tat nicht das Paradies für den Umweltverbund. Und auch nicht unbedingt das ganz große Vorbild für sicheres Radfahren. Sogar mit einer etwas höheren Todesrate je Fahrradkilometer als in Deutschland (wobei es in den Niederlanden relativ viele Ältere betrifft, die sich bei uns kaum aufs Fahrrad trauen).

Ganz kurz zu Stimpel (betrifft nicht diesen Artikel).
Was ich nachdrücklich an ihm kritisiere ist nicht, dass er "Fuß und ÖV vor Rad" setzt. Das ist sein Job.
Sondern, dass er (hatten wir an anderen Stellen schon mal diskutiert), das Rad schlechter als den MIV
(etwa im Zusammenspiel mit Fußgängen) stellen möchte.
Zitat
Railroader
Zitat
Stichbahn
Oder liegt es daran, dass jeder Autofahrer auch ein Fußgänger ist

Das trifft übrigens auch auf Radfahrende zu. Zwar nicht jeder, aber recht viele Radfahrer sind auch Autofahrer.

Touché! ;) Andererseits: Der Argumentationsschwerpunkt ist mir dennoch seitens Fuss e.V. zu sehr auf einen kleinen Teilaspekt fokussiert und er wird seit Längerem immer wieder von ihm sinngemäß betont: die Radfahrer klauen den Fußgängern im Stadtraum Platz. Das halte ich aber nicht gerade für das verkehrspolitisch heiße Eisen. Sicherlich, es gibt Räume in der Stadt, wo diese Konflikte vorliegen und auch - möglichst zu beiderseitigem Gewinn - gelöst werden sollten. Beispielsweise fallen mir mehrere absurde Radverkehrsführungen auf und unter mehreren Brücken ein, die zu Lasten sowohl des Radverkehrs, vor allem aber des Fussverkehrs gehen. Dennoch ist mir schleierhaft, warum Herr Stimpel/Fuss e.V. innerhalb des Umweltverbunds (Fuß, ÖPNV, Rad) ständig Konflikte versucht heraufzubeschwören, die hinsichtlich der gesamtstädtischen Verkehrspolitik und etwaigen Umgestaltungen von Stadträumen nur eine untergeordnete oder vielleicht sogar keine Rolle spielen. Der Umweltverbund sollte doch möglichst als starke gemeinsame, zukunftsorientierte Kraft agieren, unter dessen Dach unterschiedliche Verkehrsbedürfnisse und -möglichkeiten zusammengefasst sind.


Zitat
Railroader
Ansonsten finde ich den Beitrag aufschlussreich. Hört man Stimmen aus gewissen Kreisen, gewinnt man wirklich den Eindruck, die Niederlande und speziell Amsterdam wären das Radfahrerparadies schlechthin, wenn man selbst noch nie dort war.

Insbesondere dem ersten Teil schließe ich mich an - und genau deshalb habe ich den Artikel hier ja dann doch verlinkt. Allerdings sind die Niederlande tatsächlich infrastrukturell deutlich besser für den Radverkehr aufgestellt (und aus hiesiger Sicht daher durchaus häufig paradiesisch). Interessant und durchaus bemerkenswert fand ich den Hinweis im Artikel, dass dies (bislang) keineswegs eine flächendeckende Verdrängung des Kfz-Verkehrs bedeutete, sondern im Gegenteil durchaus autogerechte Verkehrsprojeke die andere Realität der verkehrspolitischen NL-Medaille sind. Und ich finde gut, dass Herr Stimpel dies zur Debatte beiträgt. Denn in der Tat wird dies meist von der sehr auf die Niederlande (und Dänemark/Kopenhagen) fokussierte Radinfrabubble ausgeblendet oder ist dort sogar unbekannt.
Zitat
Stichbahn
Zitat
Railroader
Ansonsten finde ich den Beitrag aufschlussreich. Hört man Stimmen aus gewissen Kreisen, gewinnt man wirklich den Eindruck, die Niederlande und speziell Amsterdam wären das Radfahrerparadies schlechthin, wenn man selbst noch nie dort war.

Insbesondere dem ersten Teil schließe ich mich an - und genau deshalb habe ich den Artikel hier ja dann doch verlinkt. Allerdings sind die Niederlande tatsächlich infrastrukturell deutlich besser für den Radverkehr aufgestellt (und aus hiesiger Sicht daher durchaus häufig paradiesisch). Interessant und durchaus bemerkenswert fand ich den Hinweis im Artikel, dass dies (bislang) keineswegs eine flächendeckende Verdrängung des Kfz-Verkehrs bedeutete, sondern im Gegenteil durchaus autogerechte Verkehrsprojeke die andere Realität der verkehrspolitischen NL-Medaille sind. Und ich finde gut, dass Herr Stimpel dies zur Debatte beiträgt. Denn in der Tat wird dies meist von der sehr auf die Niederlande (und Dänemark/Kopenhagen) fokussierte Radinfrabubble ausgeblendet oder ist dort sogar unbekannt.

Deshalb halte ich es für wenig zielführend, den Modal-Split Anteil des ÖPNV, Radverkehrs oder von Fußwegen zwischen Städten oder innerhalb einer Stadt im Zeitverlauf zu vergleichen. Das eigentliche Ziel ist ja kein möglichst hoher ÖPNV-, Rad- oder Fußanteil, sondern ein möglichst geringer MIV-Anteil. Daran sollte man erfolgreiche Verkehrspolitik (und indirekt auch Siedlungspolitik) festmachen. Wer sich nur auf einen Verkehrsträger aus dem Umweltverbund fokussiert, sorgt eher für Verschiebungen innerhalb des Umweltverbundes. Wenn aber Leute statt zu Fuß zu gehen nun zwei Stationen Bus fahren, ist ja aus verkehrspolitischer Sicht erstmal nicht viel gewonnen.

In dieser Hinsicht ist übrigens die gern als Allheilmittel gelobte 365-Euro-Jahreskarte bei weitem nicht so erfolgreich, wie gern getan wird. In den zehn Jahren vor der Einführung in Wien 2012 ist der MIV-Anteil von 37 % auf 27 % gesunken. Seitdem stagniert er und hat sich bei 26-29 % eingependelt. Dafür hat man seit Jahren nicht genug Geld, um das Gleisnetz der Straßenbahn instand zu halten (und hat entsprechend viele Langsamfahrstellen), und am Stadtrand fahren viele Buslinien nur halbstündlich.
@ Stichbahn: Danke für deinen differenzierten Beitrag. :)


Zitat
Stichbahn
Denn in der Tat wird dies meist von der sehr auf die Niederlande (und Dänemark/Kopenhagen) fokussierte Radinfrabubble ausgeblendet oder ist dort sogar unbekannt.

Ich unterstelle da nicht mal ein bewusstes Schönfärben. Ich kann mir vorstellen, dass die Wahrnehmung keine andere ist, als wenn man als Touri mal in den Genuss anderer ÖPNV Angebote kommt. Man ist ein paar Tage in einer anderen Stadt, nutzt das Angebot und stellt fest, dass ja alles so viel besser ist als hier. Wirklich konfrontiert mit den Problemen, die Menschen haben, die dort leben und das Angebot täglich nutzen, wird man hingegen nicht oder nur unzureichend.
Zitat
Railroader
Ich unterstelle da nicht mal ein bewusstes Schönfärben. Ich kann mir vorstellen, dass die Wahrnehmung keine andere ist, als wenn man als Touri mal in den Genuss anderer ÖPNV Angebote kommt. Man ist ein paar Tage in einer anderen Stadt, nutzt das Angebot und stellt fest, dass ja alles so viel besser ist als hier. Wirklich konfrontiert mit den Problemen, die Menschen haben, die dort leben und das Angebot täglich nutzen, wird man hingegen nicht oder nur unzureichend.

Das erlebe ich als jemand, der in Berlin und Wien lebt, auch sehr oft. Viele verlassen die Innenstadt überhaupt nur, um nach Schönbrunn zu fahren, und dahin fährt ständig eine U-Bahn. Das ist so, als würde man in Berlin vom Alex zum Zoo fahren und daraus auf die Güte des gesamten Berliner ÖPNV schließen. Und diejenigen, die auch mal aus dem touristischen Bereich rausfahren, haben trotzdem Zeit, haben keine Termine, müssen keinen Alltag bewältigen, sind insgesamt in Urlaubsstimmung - sprich: es ist völlig egal, wenn man die halbstündlich verkehrende Buslinie verpasst hat, und wenn einem das Wetter zu schlecht ist, macht man sich gar nicht erst auf den Weg.

***

Die ORF-Welle Ö1 hatte gestern einen halbstündigen Beitrag zur Frage, wie man den Radverkehr fördern kann. (Eine Woche verfügbar.) In der zweiten Hälfte wird auf die Stadt Gent eingegangen, die innerhalb weniger Jahre den MIV-Anteil gesenkt hat: sie hat für den MIV die Innenstadt in sechs Zonen eingeteilt. Wer mit dem Auto von einem in den anderen Sektor möchte, muss aus der Innenstadt raus auf die Ringstraße fahren, Fußgänger/innen und Radfahrende können den direkten Weg nehmen. Inzwischen wird das Konzept auf benachbarte Stadtteile ausgeweitet.
Zitat
Railroader
Zitat
Stichbahn
Oder liegt es daran, dass jeder Autofahrer auch ein Fußgänger ist

Das trifft übrigens auch auf Radfahrende zu. Zwar nicht jeder, aber recht viele Radfahrer sind auch Autofahrer.

Ansonsten finde ich den Beitrag aufschlussreich. Hört man Stimmen aus gewissen Kreisen, gewinnt man wirklich den Eindruck, die Niederlande und speziell Amsterdam wären das Radfahrerparadies schlechthin, wenn man selbst noch nie dort war.

Die Niederlande sind vor allem im Vergleich zu allen übrigen Ländern schon das, was man ein Fahrradies nennen könnte. Allerdings zahlen vor allem in Amsterdam oft die Fußgänger die Zeche und eben nicht die Autofahrer, wo man wieder beim Thema Flächengerechtigkeit wäre.


Radfahrerfreundlich? Ja, das ist Amsterdam. Aber autofreundlich eben auch.

Was den von Stimpel angerissenen Modal Split betrifft, steht Amsterdam mitnichten so schlecht da. Im (mutmaßlich) Binnenverkehr liegt die Pkw-Nutzung sogar noch unter der in Berlin, während das Fahrrad deutlich dominiert.


Quelle: [amsterdam-autoluw-magazine.readz.com]

Beim Gesamtverkehr relativiert sich das Bild zwar geringfügig, dennoch dominiert auch hier der Umweltverbund deutlich:


Quelle: Bijlagen Amsterdamse Thermometer van de Bereikbaarheid

Von daher ist das Bild von Stimpel überzeichnet. Die Kritik an einer mangelhaften Fußinfrastruktur und einer Stadt, die sich Räder und Autos untereinander aufteilen und wo für alle anderen kaum Platz bleibt, lasse ich aber uneingeschränkt stehen.

Nicht zuletzt auch deswegen ist für mich Utrecht ein gelungeneres Beispiel einer fahrradfreundlichen Stadt. Eindrucksvoll auch immer noch der Abriss der Stadtautobahn, wo sich heute wieder ein Wasserlauf seinen Weg durch die Stadt bahnt.


Bis in die 2000er zerschnitt eine Stadtautobahn das Zentrum Utrechts. Quelle: Fietsersbond


Jetzt hat das Wasser die Stelle zurückerobert und bietet Platz zum Flanieren.

Und hinter dem imposanten Fahrradparkhaus muss sich ohnehin jede deutsche Anlage verstecken. Außer in Berlin, weil es hierzustadt Fahrradparkhäuser nie aus dem Planungsstadium hinausschaffen.





1 mal bearbeitet. Zuletzt am 20.04.2022 13:10 von Christian Linow.
Zitat
M48er
Und sind das nicht alles Kleinvereine, die in der Verkehrspolitik unterwegs sind, ob Changing Cities, VCD, ADFC, IGEB oder Fuß e.V. Und ohne Pannenhilfe wäre der ADAC auch ähnlich klein.

Es steht hierzulande erstmal grundsätzlich jeder und jedem frei, sich zu äußern, in Interessengemeinschaften zusammenzuschließen und zur Durchsetzung der eigenen Vorstellungen/Wünsche/etc. Öffentlichkeit zu suchen. Die Frage ist doch, mit welchem Selbstverständnis. Mal von drei der o.g. Vereinigungen (Ausschnitte):

Zitat
ADAC-Satzung, §2,1 Zweck und Ziele des ADAC
Zweck des ADAC ist die Wahrnehmung, Förderung und Vertretung der Interessen des Kraftfahrwesens, des Motorsports und des Tourismus.
Link: [www.adac.de]


Zitat
Changing Cities
Changing Cities ist die unab­hängige Bewegung für die bessere Stadt! Wir kämpfen kreativ und laut für lebens­werte Städte, sicheres Radfahren und gute Mobilität. Wir zeigen, dass eine klare Stimme der Zivil­gesellschaft positive Politik machen kann.
Link: [changing-cities.org]


Zitat
FUSS e.V. - Wer wir sind und was wir wollen
Seit 1985 vertritt FUSS e. V. die Interessen der Fußgängerinnen und Fußgänger in Deutschland.
Link: [www.fuss-ev.de]


Das zeugt schon ganz deutlich vom jeweiligen Selbstverständnis der jeweiligen Vereine. Und ich muss sagen mit einigen hundert Mitgliedern als FUSS-Basis "die Interessen der Fußgängerinnen und Fußgänger in Deutschland" vertreten zu wollen, ist schon gewagt, wenn nicht überheblich oder anmaßend.. Ich kenne wie geschrieben jedenfalls niemanden, der sich durch Fuss e.V. - zumal nach den Auslassungen der letzten Zeit zur scheinbar gewollten Zersplitterung des Umweltverbunds von ÖPNV, Fuß- und Radverkehr - vertreten fühlt.

Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) hat bspw. ein Vielfaches, nämlich allein 55.000 Mitglieder und schreibt über sich selbst: "Der VCD arbeitet seit 1986 als gemeinnütziger Umweltverband für eine umwelt- und sozialverträgliche, sichere und gesunde Mobilität. [...] Der VCD versteht sich als die Interessensvertretung für alle umweltbewussten mobilen Menschen und ist gleichzeitig das ökologische Korrektiv in der Verkehrspolitik." Da passt Basisrückhalt und Selbstverständnis, für ein bestimmtes Mobilitätskonzept (und nicht alle rd. 80 Millionen Fußgänger in Dtld.) die Interessensvertretung zu sein, ganz gut zusammen.

Aber lassen wir das.
Zitat
def
Insofern sehe ich auch Radschnellwege durch Parkanlagen und auf Uferpromenaden sehr kritisch. Da geht es eben oft auch nur darum, bloß keine Fahrspur auf Hauptstraßen in Radwege umzuwandeln.

In der Tat. Aber auch hier würde ich (im Gegensatz zum Fuss e.V.) zwischen einzelnen, in der Planung befindlichen Streckenabschnitten differenzieren. Beispiel Teltowkanalroute, wo sich Fuss e.V. auch immer wieder äußerst kritisch, vollkommend ablehnend äußerte. Zwei Links, für weiteres vom Fuss e.V. dazu einfach mal nach "Teltowkanal" oder "Baluschek" auf der Seite suchen: [www.fuss-ev.de]
[www.fuss-ev.de]

Am Teltowkanal selbst gibt es in der Tat einen Interessenkonflikt zwischen Spazierengehen, Joggen, Radfahren (gemächlich: Freizeit + schnell(er): Alltagswege). Aber im Baluschek-Park (parallel zur Bahn zw. Südkreuz und Priesterweg) ist die Diskussion einfach nur abstrus. Hier ist a) viel Platz, b) die Strecke für Fußgänger insgesamt eher unattraktiv, da fußläufig kaum Ziele miteinander verbunden werden und c) die Strecke im Nirgendwo recht lang, im Sommer sogar unerträglich, da größtenteils ohne Bäume/Büsche. Gleichzeitig ist das Nadelöhr Südkreuz, quasi der Eintrittspunkt zum nördlichen Baluschek-Park, sowohl für Rad-, ÖPNV und Fußverkehr grenzwertig schlecht gestaltet, undurchdacht und zuweilen gefährlich. Hier wäre m.E. ein schönes Betätigungsfeld für Fuss e.V. (gerne mit anderen) wie der Abfahrts-/Ankunfts- und Querungsort Südkreuz West/Hildegard-Knef-Platz besser zugunsten aller gestaltet werden könnte.


Zitat
def
Dennoch muss man eben aufpassen, dass man als Vertreter einer stadt- und umweltfreundlichen Mobilität nicht auf diesen Schmäh hereinfällt und dabei mithilft, Fußgänger/innen, ÖV und Radverkehr gegeneinander auszuspielen, denn dabei gewinnt am Ende der Autoverkehr.

Wie wahr. Leider.
Zitat
Railroader
@ Stichbahn: Danke für deinen differenzierten Beitrag. :)


Auch wenn ich nicht immer alle deine Positionen teile, habe ich die Kritik anderer User an deinen Beiträgen der letzten Zeit überhaupt nicht verstanden. Gleichzeitig fand ich die Standhaftig- und bleibende Sachlichkeit deiner Beiträge ernsthaft beeindruckend. Es sind natürlich Meinungsäußerungen, aber sachlich begründet (wenngleich ich häufig anders argumentiert oder teils Argumente gegen deine gefunden hätte). Ich freue mich also, wenn du das auch bei anderen schätzt und kundtust ...


Überhaupt sind hier (wieder) einige Mitforisten unterwegs, deren Beiträge in aller Regel überaus lesenswert sind.
So wie die häufig aufwendigen Posts von Christian Linow wie der hierüber. Danke @Christian!

Im Blog von Bicycle Dutch, den ich sehr schätze, gibt es einen spannenden Beitrag zur Entwicklung des genannten Utrechter Kanals zur Autobahn und wieder zurück, auch mit weiteren Fotos (allerdings auf Englisch, die Fotos sprechen aber für sich): [bicycledutch.wordpress.com]
Zitat
Stichbahn



Auch wenn ich nicht immer alle deine Positionen teile, habe ich die Kritik anderer User an deinen Beiträgen der letzten Zeit überhaupt nicht verstanden.

Von für mich unerwarteter Seite, nämlich von Def glaube ich, kam neulich mal die Aussage, dass man nicht denselben Fehler wie damals die Autolobby machen und nun das Auto per se ausgrenzen sollte. Def möge mich korrigieren, wenn ich das falsch verstanden habe.

Ich finde diesen Ansatz aber wichtig. Es ist aus meiner Sicht notwendig, Menschen mit ins Boot zu holen, sie zu überzeugen. Wenn man sie beschimpft, lächerlich oder ihnen Vorwürfe macht, vielleicht noch kombiniert mit radikalen Forderungen, erweist man seinem vielleicht berechtigten Anliegen einen Bärendienst. Dann bleibt man unter sich, überzeugt aber keinen. Bestes Beispiel sind die Aktionen der letzten Generation. Die Menschen verstehen deren Anliegen und möchten selbst etwas ändern, nehmen diese Gruppierung aber als Endzeitsekte wahr und setzen sich mit deren eigentlichen Forderungen allein deswegen nicht weiter auseinander. Ich muss zugeben, dass es mir hier manchmal auch schon so ging. Man kommt an einem Punkt, an dem man sich mit vielleicht durchaus berechtigten Interessen gar nicht mehr auseinandersetzen möchte, weil die Agierenden zu aggressiv reagieren und missionieren und keine andere, außer ihre Meinung, zulassen. Die Vorstellung, in was für einer Stadt wir leben möchten, wie wir unser Umfeld gestalten, ist aber alles andere als einheitlich.

Ich bin in diesem Forum, um mein Hobby auszuleben und mich auszutauschen und nicht, um Politik zu machen. Und es ist auch, wie in letzter Zeit häufiger mal geschrieben, kein Widerspruch, am ÖPNV interessiert zu sein und ihn ausbauen zu wollen, und dennoch auch die Vorzüge eines PKW zu schätzen. Viel zu oft wird man dazu gedrängt, Haltung zu zeigen und sich zu positionieren, vermutlich, damit die anderen Teilnehmer einschätzen können, ob man nun Freund oder Feind ist. Nur ist man im realen Leben nicht immer automatisch gegen etwas, nur weil man dem jeweils anderen Begehren etwas abgewinnen kann. Man muss sich nicht bei jedem Thema positionieren und kann auch mal sagen, dass man durchaus beide Seiten verstehen kann.
Zitat
Stichbahn
Zitat
def
Insofern sehe ich auch Radschnellwege durch Parkanlagen und auf Uferpromenaden sehr kritisch. Da geht es eben oft auch nur darum, bloß keine Fahrspur auf Hauptstraßen in Radwege umzuwandeln.

In der Tat. Aber auch hier würde ich (im Gegensatz zum Fuss e.V.) zwischen einzelnen, in der Planung befindlichen Streckenabschnitten differenzieren. Beispiel Teltowkanalroute, wo sich Fuss e.V. auch immer wieder äußerst kritisch, vollkommend ablehnend äußerte. Zwei Links, für weiteres vom Fuss e.V. dazu einfach mal nach "Teltowkanal" oder "Baluschek" auf der Seite suchen: [www.fuss-ev.de]
[www.fuss-ev.de]

Am Teltowkanal selbst gibt es in der Tat einen Interessenkonflikt zwischen Spazierengehen, Joggen, Radfahren (gemächlich: Freizeit + schnell(er): Alltagswege). Aber im Baluschek-Park (parallel zur Bahn zw. Südkreuz und Priesterweg) ist die Diskussion einfach nur abstrus. Hier ist a) viel Platz, b) die Strecke für Fußgänger insgesamt eher unattraktiv, da fußläufig kaum Ziele miteinander verbunden werden und c) die Strecke im Nirgendwo recht lang, im Sommer sogar unerträglich, da größtenteils ohne Bäume/Büsche. Gleichzeitig ist das Nadelöhr Südkreuz, quasi der Eintrittspunkt zum nördlichen Baluschek-Park, sowohl für Rad-, ÖPNV und Fußverkehr grenzwertig schlecht gestaltet, undurchdacht und zuweilen gefährlich. Hier wäre m.E. ein schönes Betätigungsfeld für Fuss e.V. (gerne mit anderen) wie der Abfahrts-/Ankunfts- und Querungsort Südkreuz West/Hildegard-Knef-Platz besser zugunsten aller gestaltet werden könnte.

Du sprichst mir aus der Seele. Hier muss man auch m.E. deutlich zwischen beiden Abschnitten differenzieren. Außer dem von dir gesagten kommt hinzu: am Teltowkanal ist kaum mehr Platz als jetzt, wenn man nicht die ganze Ufervegetation beseitigen möchte. Am Hans-Baluschek-Park sehe ich dagegen kein großes Problem. Der Radweg kann an den Gleisen verlaufen, daneben ist Platz für die Nutzung als Park.

Am Südkreuz gibt es zwei Probleme: den Vorplatz und die Kreuzung mit der Ringbahn. Hier sollte m.E. der Radweg grundsätzlich nicht so geführt werden, dass die Fahrbahn an der Straßenunterführung in einer Richtung zweimal gekreuzt werden muss. Witzig fand ich seinerzeit auch die Idee, den Radweg oberhab des unteren S-Bahnsteigs zu führen, keine Ahnung, ob das wirklich machbar wäre.


Zitat
def
Dennoch muss man eben aufpassen, dass man als Vertreter einer stadt- und umweltfreundlichen Mobilität nicht auf diesen Schmäh hereinfällt und dabei mithilft, Fußgänger/innen, ÖV und Radverkehr gegeneinander auszuspielen, denn dabei gewinnt am Ende der Autoverkehr.

Volle Zustimmung auch von mir.
Zitat
Global Fisch
[Witzig fand ich seinerzeit auch die Idee, den Radweg oberhab des unteren S-Bahnsteigs zu führen, keine Ahnung, ob das wirklich machbar wäre.

Es würde ja schon reichen wenn der Ausgang zum Nordwestquadranten endlich offiziell freigegeben würde. Die paar Meter durch die Halle würde ich mein Fahrrad sogar freiwillig schieben.

*******
Das Gegenteil von ausbauen ist ausbauen.



1 mal bearbeitet. Zuletzt am 21.04.2022 07:06 von Logital.
@Stichbahn, vielen Dank für Dein Lob.

Zitat
Railroader
Von für mich unerwarteter Seite, nämlich von Def glaube ich, kam neulich mal die Aussage, dass man nicht denselben Fehler wie damals die Autolobby machen und nun das Auto per se ausgrenzen sollte. Def möge mich korrigieren, wenn ich das falsch verstanden habe.

Ich finde diesen Ansatz aber wichtig. Es ist aus meiner Sicht notwendig, Menschen mit ins Boot zu holen, sie zu überzeugen. Wenn man sie beschimpft, lächerlich oder ihnen Vorwürfe macht, vielleicht noch kombiniert mit radikalen Forderungen, erweist man seinem vielleicht berechtigten Anliegen einen Bärendienst. Dann bleibt man unter sich, überzeugt aber keinen.

Ich weiß nicht genau, welche Stelle Du meinst, aber im Grundsatz gebe ich Dir Recht, wenn es darum geht, alle Menschen mit ins Boot zu holen. Ich hatte ja schon Utrecht und den Rückbau der Stadtautobahn gezeigt. Saskia Kluit, damalige Geschäftsführerin des niederländischen Pendants zum ADFC, Fietsersbond, hat in diesem Zusammenhang mit Blick auf Deutschland einmal so treffend appelliert: „Fragt die Menschen nicht danach, ob sie mit dem Fahrrad fahren wollen oder mit dem Auto. Fragt sie: Wo wollt ihr leben? Wie wollt ihr leben?“

Zitat
Railroader
Die Vorstellung, in was für einer Stadt wir leben möchten, wie wir unser Umfeld gestalten, ist aber alles andere als einheitlich.

Nein, das ist sie ganz sicher nicht. Um das auf Berlin bezogen plastisch zu kontrastieren, stelle ich zwei repräsentative Umfragen einander gegenüber. Die Verkehrswissenschaftler*innen Dr. Lisa Ruhrort, Franziska Zehl, und Prof. Dr. Andreas Knie vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung kamen in ihrer „Untersuchung von Einstellungen gegenüber einer Neuaufteilung öffentlicher Räume zulasten des Autoverkehrs“ in Friedrichshain-Kreuzberg u. a. zu folgendem Ergebnis:


Quelle: Untersuchung von Einstellungen gegenüber einer Neuaufteilung öffentlicher Räume zulasten des Autoverkehrs - Ergebnisse einer repräsentativen Befragung im Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg sowie einer Straßenbefragung in Kreuzberg, WZB Berlin

Demgegenüber steht eine Umfrage es ADAC zu dem Thema „Reicht der Platz für alle?“. Auf den ersten Blick mögen die Resultate andere sein. Aber selbst beim ADAC antwortet eine Mehrheit, wenn auch nicht eine absolute, dass der Platz zugunsten von Fahrradfahrern und Fußgängern neu verteilt werden soll:


Quelle: ADAC Umfrage zum Verkehr: Reicht der Platz für alle? [infogram.com]

Und last, but not least ist mit den Grünen eine Partei ins Abgeordnetenhaus gewählt worden und in den Senat eingezogen, deren Programmatik eine Verkehrsflächenneugestaltung und kritische Haltung dem Auto gegenüber ist. Insofern kann man schon davon ausgehen, dass die Mehrheit der Berlinerinnen und Berliner eine andere Stadt haben möchte als die autofokussierte von jetzt.

Zitat
Railroader
Ich bin in diesem Forum, um mein Hobby auszuleben und mich auszutauschen und nicht, um Politik zu machen. Und es ist auch, wie in letzter Zeit häufiger mal geschrieben, kein Widerspruch, am ÖPNV interessiert zu sein und ihn ausbauen zu wollen, und dennoch auch die Vorzüge eines PKW zu schätzen. Viel zu oft wird man dazu gedrängt, Haltung zu zeigen und sich zu positionieren, vermutlich, damit die anderen Teilnehmer einschätzen können, ob man nun Freund oder Feind ist. Nur ist man im realen Leben nicht immer automatisch gegen etwas, nur weil man dem jeweils anderen Begehren etwas abgewinnen kann. Man muss sich nicht bei jedem Thema positionieren und kann auch mal sagen, dass man durchaus beide Seiten verstehen kann.

Ich möchte Dich keineswegs drängen und finde es gut, wenn Du eine möglicherweise kontroverse Position einnimmst. Was ist denn konkret Dein Wunsch? Möchtest Du mehr Parkraum oder am Status quo festhalten? Findest Du die Infrastruktur für Fußgänger und Radfahrer ausreichend? Ist es Dir wichtig, auch weiterhin mit dem Auto ins Zentrum zu kommen?

Mich interessiert das wirklich!
Zitat
Christian Linow


Ich möchte Dich keineswegs drängen und finde es gut, wenn Du eine möglicherweise kontroverse Position einnimmst. Was ist denn konkret Dein Wunsch? Möchtest Du mehr Parkraum oder am Status quo festhalten? Findest Du die Infrastruktur für Fußgänger und Radfahrer ausreichend? Ist es Dir wichtig, auch weiterhin mit dem Auto ins Zentrum zu kommen?

Mich interessiert das wirklich!

Ich freue mich, dass jemand mal nachfragt und nicht interpretiert und unterstellt. Da bist du glaube der Erste. ;)

Fangen wir mal mit der letzten Frage an:

Ich habe mein ganzes Leben lang nie ein Auto besessen und mich stets mit dem ÖPNV durch die Stadt bewegt. Zurzeit bin ich in der komfortablen Situation, auch mal das Auto als Beifahrer nutzen zu können, wenn ich bspw. nach einem 11 Stunden Tagesdienst nicht mehr wirklich Lust habe, mich mit SEV auf Verbindungen, auf denen gefühlt zwei mal im Jahr gebaut wird, nach Hause zu quälen. Auch das Einkaufen ist komfortabler und ich muss nicht jeden Tag nach Feierabend noch in den Supermarkt und nur eine kleine Menge holen.

Dennoch ist es mir nicht wichtig, mit dem Auto ins Zentrum zu kommen. Das Zentrum als Ziel ist ohnehin mit dem Auto unattraktiv.

Infrastruktur: Nein, ich halte die Infrastruktur für Radfahrer für nicht ausreichend, als Fußgänger sehe ich hingegen weniger Probleme.

Wenn du mich nach meinem Wunsch fragst antworte ich dir, dass ich gern lieber grüne Flaniermeilen vor der Haustür hätte. Mein Wunsch ist es, den ÖPNV massiv auszubauen, inkl Schnellbahnen. Wird nicht umsetzbar sein, aber du fragtest nach meinem Wunsch.

Persönlich hätte ich nichts gewonnen, wenn der MIV reduziert wird und dafür der Tramverkehr massiv zunimmt. Für mich ist beides Verkehr mit allen Vor- und Nachteilen. Ich finde Straßenbahnen mit ihrer Infrastruktur nicht schöner als (parkende) Autos, zum Teil sogar störender, zudem substituieren sie den MIV ja nicht mal und waren für mich auch als Fahrgast nie wirklich für längere Strecken attraktiv, weil viel zu langsam. Was ich mir aber wünsche ist, im Rahmen der geplanten Verkehrswende nicht nur zu fordern, sondern auch zu klotzen. Ich möchte, dass man den Menschen, die man in ihrer individuellen Mobilität einschränken will, im Gegenzug auch etwas bietet. Damit meine ich im übrigen nicht nur die Autler.

Alles in allem bin ich aber glücklich in dieser Stadt, sonst würde ich nicht hier leben und hätte mir ein ruhiges Plätzchen auf dem Land gesucht. Mich stört der Status Quo vermutlich nicht so sehr wie dich, weil Verkehrspolitik für mich nur einer vieler Faktoren ist, die darüber entscheiden, wie wohl ich mich fühle. Es hat für mich keine Priorität.

Zu den Umfragen: das Ergebnis ist in Friedrichshain Kreuzberg zu erwarten. Ansonsten ist es klar, dass die Menschen so antworten. Wichtiger wäre ja die Frage, ob sie auch bereit sind, für dieses Ziel zu verzichten.

Auf jeden Fall bin ich gegen überdimensionierte Autos in der Stadt. ;)



1 mal bearbeitet. Zuletzt am 21.04.2022 20:29 von Railroader.
Zitat
Railroader
Ich freue mich, dass jemand mal nachfragt und nicht interpretiert und unterstellt. Da bist du glaube der Erste. ;)

Fangen wir mal mit der letzten Frage an:

Ich habe mein ganzes Leben lang nie ein Auto besessen und mich stets mit dem ÖPNV durch die Stadt bewegt. Zurzeit bin ich in der komfortablen Situation, auch mal das Auto als Beifahrer nutzen zu können, wenn ich bspw. nach einem 11 Stunden Tagesdienst nicht mehr wirklich Lust habe, mich mit SEV auf Verbindungen, auf denen gefühlt zwei mal im Jahr gebaut wird, nach Hause zu quälen. Auch das Einkaufen ist komfortabler und ich muss nicht jeden Tag nach Feierabend noch in den Supermarkt und nur eine kleine Menge holen.

Ich kann das sehr wohl nachvollziehen, dass man auf SEV nicht besonders erpicht ist. Für mich stellt sich die Frage insofern nicht, als ich - wie erwähnt - auf nahezu allen städtischen Relationen das Fahrrad bevorzuge. Klar, es ist auch schon vorgekommen, dass ich auf vergleichbaren Korridoren zum Auto gegriffen habe. Adlershof nach Steglitz ist so ein Beispiel, wo das Auto ob des Stadtrings unverschämt schnell ist. Vom Impfzentrum Tegel zur Schloßstraße war das sogar noch extremer. Mit dem Auto war ich in einer Viertelstunde am Ziel, wo ich mit dem ÖPNV zwischen 40-50 Minuten planmäßig hätte brauchen sollen.

Jedoch bin ich mir darüber bewusst, zu welchem Preis ich mir als Autofahrer diesen zeitlichen Vorteil erkaufe.


Die Wunden des stadtzerstörerischen Autobahnbaus klaffen tief. Was den Krieg überlebt hatte, wurde dem Auto unwiederbringlich geopfert wie hier für die Westtangente am Bahnhof Steglitz. Quelle: Autobahnen in Berlin, Senator für Bau- und Wohnungswesen im September 1968, Fotos: Bild-Waldthausen, Der Senator für Bau und Wohnungswesen, Foto-Kessler, Landesbildstelle Berlin, Klaus Lehnartz, Lichtbildstelle der Bewag, Ullstein-Bilderdienst, Gert Hilde und Kurt Hamann


Hier in Steglitz ist die Stadt für das Auto und nicht den Menschen gemacht.

Wie man sich an diesen Stellen am Lebensraum Stadt vergangen hat, ist erbärmlich. Ich jedenfalls kenne niemanden, der das noch schön findet, wenn er das Auto verlassen hat.

Und die Versündigung geht weiter, blickt man auf die A 100.



Die externen Kosten für die Infrastruktur und das Automobil selbst, die von der Allgemeinheit geschultert werden müssen, sind hier noch gar nicht eingepreist.

Zitat
Railroader
Dennoch ist es mir nicht wichtig, mit dem Auto ins Zentrum zu kommen. Das Zentrum als Ziel ist ohnehin mit dem Auto unattraktiv.

Infrastruktur: Nein, ich halte die Infrastruktur für Radfahrer für nicht ausreichend, als Fußgänger sehe ich hingegen weniger Probleme.

Selbst wohlmeinende Radinfrastruktur, die in den letzten Jahren und Jahrzehnten oftmals mehr schlecht als recht entstanden ist, nützt mir als Pedalist nichts, wenn sie von Autofahrenden ganz selbstverständlich missbraucht wird. Sicher nicht immer, wahrscheinlich sogar so gut wie nie in schlechter Absicht, sondern aus Nachlässigkeit, weil kaum einem Autofahrer bewusst ist, dass das Halten auf dem Radweg für den Radfahrenden lebensgefährlich sein kann. Denn er muss sich unter Umständen in den fließenden Verkehr einordnen, wo wir ganz nebenbei übrigens bei der von Dir schon mal zitierten Verkehrsunfallstatistik wären. An zweiter Stelle der Hauptunfallursachen bei Verkehrsunfällen verursacht durch Radfahrende rangiert nämlich „Fehler beim Einfahren in den fließenden Verkehr“.

Ich habe mir heute einmal die Mühe gemacht und auf einer Distanz von rund 18 km die Parkverstöße fotografisch festgehalten. Es geht mir hierbei nicht darum, etwas zur Anzeige zu bringen, sondern zu verdeutlichen und zu veranschaulichen, wie präsent das Problem ist, das von vielen als Bagatelle abgetan wird. Wenn ich die Möglichkeit habe, suche ich das Gespräch mit den Autofahrer*innen, um sie zu sensibilisieren.



Ehe die Frage aufkommt: Der orangefarbene Lkw links oben hat keine Kanalreinigung vor Ort betrieben, sondern aus seinem parkierenden Anhänger etwas umgefüllt bzw. umgekehrt. Dafür gäbe es sicherlich geeignetere Plätze als den Schutzstreifen.

Was die Fußwege betrifft, bin ich selbst auch zumeist zufrieden, allerdings nur, wenn ich alleine unterwegs bin und wohl nur so lange, solange ich nicht mobilitätseingeschränkt bin. Selbst mit Geschwisterkinderwagen würde es an vielen Stellen der Stadt eng werden. Dass derweil selbst neue Fußwege wie an der Bruno-Taut-Straße die Mindestnormen deutlich unterschreiten, bloß damit Parkhäfen in ausreichender Anzahl berücksichtigt werden, deckt sich nach meinem Dafürhalten nicht mit den Zielen des Mobilitätsgesetzes.



Zitat
Railroader
Wenn du mich nach meinem Wunsch fragst antworte ich dir, dass ich gern lieber grüne Flaniermeilen vor der Haustür hätte. Mein Wunsch ist es, den ÖPNV massiv auszubauen, inkl Schnellbahnen. Wird nicht umsetzbar sein, aber du fragtest nach meinem Wunsch.

Persönlich hätte ich nichts gewonnen, wenn der MIV reduziert wird und dafür der Tramverkehr massiv zunimmt. Für mich ist beides Verkehr mit allen Vor- und Nachteilen. Ich finde Straßenbahnen mit ihrer Infrastruktur nicht schöner als (parkende) Autos, zum Teil sogar störender, zudem substituieren sie den MIV ja nicht mal und waren für mich auch als Fahrgast nie wirklich für längere Strecken attraktiv, weil viel zu langsam. Was ich mir aber wünsche ist, im Rahmen der geplanten Verkehrswende nicht nur zu fordern, sondern auch zu klotzen. Ich möchte, dass man den Menschen, die man in ihrer individuellen Mobilität einschränken will, im Gegenzug auch etwas bietet. Damit meine ich im übrigen nicht nur die Autler.

Schönheit liegt selbstverständlich im Auge des Betrachters. Ich persönlich bevorzuge dann doch eher Straßenbahnen als parkende Autos. Dennoch ist in meinen Augen die Straßenbahn genauso ein Eingriff ins Stadtbild und das Umfeld, was naturgemäß - zu Recht - Einwände der betroffenen Anwohner*innen nach sich zieht, die man ernst nehmen muss.

Auch wenn ich kein großer Fan französischer Straßenbahnbetriebe bin, weil die Linienführungen oft umwegbehaftet sind und die Tram dadurch langsam wird, gefällt mir die Kreativität der Grande Nation. Reims ist für mich so ein fulminantes Beispiel, wo es gelungen ist, mit sehr viel Ästhetik die Straßenbahn im Stadtraum zu integrieren.



Zitat
Railroader
Alles in allem bin ich aber glücklich in dieser Stadt, sonst würde ich nicht hier leben und hätte mir ein ruhiges Plätzchen auf dem Land gesucht. Mich stört der Status Quo vermutlich nicht so sehr wie dich, weil Verkehrspolitik für mich nur einer vieler Faktoren ist, die darüber entscheiden, wie wohl ich mich fühle. Es hat für mich keine Priorität.

Zu den Umfragen: das Ergebnis ist in Friedrichshain Kreuzberg zu erwarten. Ansonsten ist es klar, dass die Menschen so antworten. Wichtiger wäre ja die Frage, ob sie auch bereit sind, für dieses Ziel zu verzichten.

Auf jeden Fall bin ich gegen überdimensionierte Autos in der Stadt. ;)

Glücklich in dieser Stadt zu leben, bin ich auch. Das heißt aber noch lange nicht, dass man mit allem glücklich und schon gar nicht einverstanden sein muss. Auch wenn Verkehrspolitik für mich ebenfalls nur ein Baustein von vielen ist, so ist dessen Bedeutung doch zentral, da Mobilität ein wesentliches Merkmal von uns Menschen ist. Und wie viele andere in dieser Stadt habe ich den Eindruck, dass sich etwas verändern muss. Das Mobilitätsgesetz oder der Volksentscheid Berlin autofrei jedenfalls taugen als Beleg, dass nicht bloß mich das Thema umtreibt.
Auch dir danke ich für deinen sachlichen Beitrag.

Verkehrsverstöße, egal von wem verursacht, gehören meiner Meinung nach empfindlich geahndet, vor allem dann, wenn sie eine Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer darstellen. Das dies nicht in erforderlichem Umfang geschieht, ist in der Tat eine Schande.

Nun ja, zur Straßenbahn mag ich eigentlich nicht mehr so viel schreiben, weil das hier immer schnell einen Shitstorm verursacht. Es gibt moderne Straßenbahnsysteme, die ihr Potenzial auch nutzen. In Berlin hat sich das System aber aus meiner Sicht nicht wirklich weiterentwickelt, ästhetisch finde ich es hier nicht gelungen und mich irritiert es auch, wenn Initiativen suggerieren, dass mit der Straßenbahn eine ruhige, grüne Idylle einhergeht. Am Ende baut man ein Schienenfahrzeug ja sogar durch Parks, sprich, man installiert ja erst Verkehr in eine Zone, die dem Rückzug und der Entspannung dienen soll. Ich weiß, beim Görli ist ohnehin Hopfen und Malz verloren, da macht die Tram den Kohl in der Tat nicht mehr fett. ;)

Am Ende ist Verkehr für mich eben Verkehr. Berechnungen, Statistiken etc hin oder her, am Ende fährt ein Container auf Schienen alle 5 Minuten durch die Straße, dazu kommen trotzdem noch Autos, wenn auch weniger. Dass sich der Radfahrer dann an einem neuen Radweg erfreut, ist für mich verständlich und es sei ihm gegönnt, für mich macht es aber eben keinen Unterschied, da unterm Strich am Ende trotzdem Verkehr herrscht und eben keine ruhige, grüne Idylle die Folge ist.

Deine Bilder aus Hamburg gefielen mir: U-Bahn gebaut, Straße zurückgebaut und tatsächlich Ruhe. :)
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