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Neun Euro Ticket
geschrieben von Heidekraut 
Zitat
Philipp Borchert
Rentnerinnen und Rentner kommen mal wieder etwas weiter als nur ins örtliche Stadtteilzentrum ohne dass sie 'n Kredit aufnehmen müssen.

Ich finde nicht, daß die Fahrpreise der Bahn in Deutschland so teuer sind, wie es sich in Deinem Beitrag anhört. Gerade Rentner haben ja die Möglichkeit, auf preiswerte Tage auszuweichen. Wenn ich gegenüber eingefleischten Autofahrern erzähle, was ich so für Fahrkarten ausgebe, wird der Fahrpreis gleich in Benzin/Diesel umgerechnet und gestaunt, wie preiswert die Bahn ist. Dabei fahre ich sehr häufig in der ersten Wagenklasse.

Zitat
Philipp Borchert
Alle können für drei Monate endlich mal 'n Fick auf diesen ganzen kleinteiligen Tarifkäse geben, der einem das Leben so schwer machen kann wie es kaum eine andere Art von A nach B zu kommen ermöglicht. Vor allem aus letzterem MUSS etwas gelernt werden, und zwar schnell und nachhaltig.

Als ersten Schritt in diese Richtung sollte man nach der Neun-Euro-Ticket-Zeit Monatskarten auch in anderen Städten gelten lassen. Schließlich kann ich einerseits mit meiner BVG-Monatskarte nicht in Berlin fahren, während ich in Leipzig unterwegs bin und andererseits erleichtert es die ÖPNV-Nutzung in anderen Orten enorm. In Belgien gibt es etwas ähnliches - dort gilt ein und dieselbe Fahrkarte (auch Einzel- und Tageskarte) in Antwerpen, Gent und in sowie zwischen den Orten entlang der Nordseeküste.


Das Gegenteil von pünktlich ist kariert.
Zitat
Alter Köpenicker
Ich finde nicht, daß die Fahrpreise der Bahn in Deutschland so teuer sind, wie es sich in Deinem Beitrag anhört. Gerade Rentner haben ja die Möglichkeit, auf preiswerte Tage auszuweichen.

Das gilt für den Fernverkehr, der ja in dieser ganzen Betrachtung erst einmal keine Rolle spielt. Tickets im Regionalverkehr kosten richtig viel Geld (Falkensee - Burg (Spreewald) 15,50€/einfache Strecke) und bieten praktisch keine Flexibilitätsrabatte. Rentnerinnen und Rentner haben vielerorts die Möglichkeit, stark vergünstigte Regionaltickets zu erhalten - wenn sie sich für mindestens ein Jahr festlegen und aufgrund des festgesetzten Umfangs eben doch 'ne ziemliche Stange Geld hinlegen.

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Zitat
Alter Köpenicker
. In Belgien gibt es etwas ähnliches - dort gilt ein und dieselbe Fahrkarte (auch Einzel- und Tageskarte) in Antwerpen, Gent und in sowie zwischen den Orten entlang der Nordseeküste.

Das liegt aber daran, dass es überall das gleiche Verkehrsunternehmen ist.
Zitat
werkstattmeister
Zitat
Alter Köpenicker
. In Belgien gibt es etwas ähnliches - dort gilt ein und dieselbe Fahrkarte (auch Einzel- und Tageskarte) in Antwerpen, Gent und in sowie zwischen den Orten entlang der Nordseeküste.

Das liegt aber daran, dass es überall das gleiche Verkehrsunternehmen ist.

Ja, ich weiß. Mir ging es aber darum, das Prinzip zu verdeutlichen.


Das Gegenteil von pünktlich ist kariert.
Zitat
Philipp Borchert
Tickets im Regionalverkehr kosten richtig viel Geld (Falkensee - Burg (Spreewald) 15,50€/einfache Strecke) und bieten praktisch keine Flexibilitätsrabatte.

Das stimmt, darüber habe ich mich auch schon oft geärgert.


Das Gegenteil von pünktlich ist kariert.
def
Re: Neun Euro Ticket
29.06.2022 07:02
Zitat
Philipp Borchert
Letztlich hat das Ding trotz aller Widrigkeiten jede Menge Nutznießer. In vielen Bahnhöfen schlafen nachts jetzt viel mehr Leute (ja selbst [offenen] in Schließfächern habe ich schon Menschen schlafen sehen), die mit diesem Ticket womöglich erstmals seit Jahren die Chance haben, mal 'n bisschen was von ihrem Land zu sehen. Weil sie aus welchen Gründen auch immer sonst durchs Raster fallen. Rentnerinnen und Rentner kommen mal wieder etwas weiter als nur ins örtliche Stadtteilzentrum ohne dass sie 'n Kredit aufnehmen müssen. Alle können für drei Monate endlich mal 'n Fick auf diesen ganzen kleinteiligen Tarifkäse geben, der einem das Leben so schwer machen kann wie es kaum eine andere Art von A nach B zu kommen ermöglicht. Vor allem aus letzterem MUSS etwas gelernt werden, und zwar schnell und nachhaltig.

Für ein bundesweit grenzwertig bezahlbares Angebot, über das man nicht aufwendig nachdenken muss, braucht's auch nicht gleich die massiven Mehrverkehre, die zu leisten niemand in der Lage ist.

Es ist eben ein klassischer Zielkonflikt zwischen Sozialem und Ökologie, und das muss man entsprechen deutlich benennen: aus ökologischer Sicht muss Mobilität möglichst teuer sein - je ressourcenintensiver, desto teurer (heißt: in dieser Hinsicht sollte sich ÖPNV preislich zwischen dem Fahrrad und dem Auto bewegen, was aber eher heißt, dass das Auto zu billig, nicht der ÖV zu teuer ist). Aus sozialer Sicht sollte sie möglichst nichts kosten. (Und das gleiche gilt für viele andere Bereiche, für Energie ebenso wie Konsumgüter.) Nachdem in meiner Brust beide Herzen schlagen, wäre mein Ansatz eher, das Raster enger zu gestalten, damit weniger Menschen hindurchfallen, oder bestenfalls niemand mehr.

Beim Angebot gibt es diesen Zielkonflikt hingegen viel weniger: ein besseres ÖV-Angebot ist in sozialer und ökologischer Hinsicht sinnvoll, v.a., wenn parallel ein Teil der riesigen dem MIV gewidmeten Fläche umgenutzt wird (was wiederum auch in ökologischer wie sozialer Hinsicht sinnvoll ist, weil die dadurch begünstigten Hitzeinseln oft eher arme Stadtteile betreffen). Auch hier gibt es natürlich Grenzen: ein mit zwei Menschen besetzter Bus zwischen Kleinkleckersdorf und Hintertupfing ist ökologisch eher eine Katastrophe, aber in sozialer Hinsicht trotzdem sinnvoll, da Voraussetzung für die gesellschaftliche Teilhabe vieler Menschen.

Deshalb sind Mehrverkehre eben letztlich doch sinnvoller als bloße Preissenkung. Die kann aktuell niemand leisten? Stimmt, weil es einen Mangel an Personal, Fahrzeugen und vielfach auch der Infrastruktur gibt. Nur könnte man viele dieser Mängel eben mit Geld beheben: bessere Löhne und Arbeitsbedingungen fürs Personal, ggf. Umstellung geschlossener Systeme wie der Berliner U-Bahn auf fahrerlosen Betrieb, Kauf von Fahrzeugen, Ausbau der Infrastruktur (was dann auch wieder Personal braucht, womit wir beim nächsten Thema wären) etc. Da wären die über fünf Milliarden, die nun der Tankrabatt und die 9-Euro-Karte gekostet haben, unterm Strich sicher sinnvoller investiert (bzw. vielleicht auch "nur" vier Milliarden, wenn die übrigen 1,5 Milliarden für die zielgerichtete Entlastung von Menschen benutzt worden wären, die es nötig haben).
def
Re: Neun Euro Ticket
29.06.2022 07:20
Zitat
Philipp Borchert
Zitat
Alter Köpenicker
Ich finde nicht, daß die Fahrpreise der Bahn in Deutschland so teuer sind, wie es sich in Deinem Beitrag anhört. Gerade Rentner haben ja die Möglichkeit, auf preiswerte Tage auszuweichen.

Das gilt für den Fernverkehr, der ja in dieser ganzen Betrachtung erst einmal keine Rolle spielt. Tickets im Regionalverkehr kosten richtig viel Geld (Falkensee - Burg (Spreewald) 15,50€/einfache Strecke) und bieten praktisch keine Flexibilitätsrabatte.

Ich finde das ehrlich gesagt gar nicht so teuer, pro Kilometer Luftlinie sind das 14 Cent. Eine U-Bahnfahrt von Hönow zum Alex kostet pro Kilometer Luftlinie 20 Cent, von einer U-Bahnfahrt von Pankow zum Alex sprechen wir lieber gar nicht erst...

Das Problem ist doch eher, dass Fernstrecken in den letzten ca. 20 Jahren so absurd günstig geworden sind, allen voran im Flug- und Fernbusverkehr, infolgedessen auch zu vielen Zeiten bei der DB. Dadurch sind irgendwie völlig die Verhältnisse verrutscht, was Mobilität eigentlich kostet - und so gibt's dann eben unterirdische Arbeitsbedingungen, ein totgespartes Eisenbahnsystem und die ökologischen Folgekosten werden sowieso fast völlig auf künftige Generationen ausgelagert.

Auch hier wieder bitte die soziale von der ökologische Brille trennen - natürlich muss sich jede:r Mobilität leisten können, aber ich fände es sinnvoller, ärmere Menschen zu stärken und dafür - nicht nur - bei der Mobilität angemessenere Preise zu nehmen. Das gilt natürlich noch viel mehr für den Autoverkehr als für den ÖV.

Zitat
Philipp Borchert
Rentnerinnen und Rentner haben vielerorts die Möglichkeit, stark vergünstigte Regionaltickets zu erhalten - wenn sie sich für mindestens ein Jahr festlegen und aufgrund des festgesetzten Umfangs eben doch 'ne ziemliche Stange Geld hinlegen.

Apropos "ärmere Menschen": ich sehe solche pauschalen Ermäßigungen für Rentner:innen aus ähnlichen Gründen sehr skeptisch. Am Ende bekommt dann die (etwas stereotype) Wilmersdorfer Witwe in der abbezahlten Eigentumswohnung eine Ermäßigung, der alleinerziehende Vater, der gerade mit einer Mieterhöhung, höheren Energiepreisen und vielleicht einer kaputten Waschmaschine zu kämpfen hat, aber nicht. Das kann's doch nun auch nicht sein. Ermäßigungen sollten nach Bedürftigkeit und nicht nach Erwerbsstatus gewährt werden.

Ich weiß, dass man bei Schüler:innenrabatten prinzipiell das gleiche Thema hat. Aber einmal sehe ich es hier in geringerem Maße, weil Schüler:innen kein oder nur ein geringes eigenes Einkommen haben und ja auch wohlhabende Eltern nicht zwangsläufig z.B. eine Schülerticket kaufen würden, zum anderen geht es hier ja auch darum, die Kund:innen der nächsten Jahrzehnte an die ÖV-Nutzung zu gewöhnen.
Re: Neun Euro Ticket
29.06.2022 08:21
Ich sehe den teuren C-Bereich als Problembär, Pendler die mit Auto die ersten B-Stationen im Umkreis zuparken, die nervige Wegelagerei der Kontrolleure, Frust wenn man für sein C-Ticket lahmen SEV kriegt. Die damalige Ausnahme SXF wurde ja auf Betreiben Brandenburgs aufgehoben, ich halte das alles für nicht mehr zeitgemäß und kein Anreiz das Auto doch stehen zu lassen.
Von den Kuriositäten mit Aussen-Buslinien wurde hier ja oft berichtet.
Ich würde ja auch mal gerne spontan mit meiner Frau nach Bernau Kaffee trinken fahren, da sie aber nur AB hat lassen wir es oder nehmen das Auto.
Das 9 Euro-Geschenk macht das jetzt natürlich möglich.
... weil es natürlich billiger ist Auto zu fahren als 2x 1,80€ für den Anschlussausweis auszugenen?

Das glaubst du hoffentlich nicht wirklich.
Re: Neun Euro Ticket
29.06.2022 09:26
Zitat
PassusDuriusculus
... weil es natürlich billiger ist Auto zu fahren als 2x 1,80€ für den Anschlussausweis auszugenen?

Das glaubst du hoffentlich nicht wirklich.

Naja, ansonsten müssten sie ja erstmal mit dem Auto zum Gesundbrunnen fahren um in den RE zu steigen, wer fährt schon freiwillig S-Bahn?

—————————————————

Ich hab nen Bus und meine Busfahrerin heißt Layla, sie fährt schöner, schneller, weiter.
def
Re: Neun Euro Ticket
29.06.2022 09:38
Zitat
PassusDuriusculus
... weil es natürlich billiger ist Auto zu fahren als 2x 1,80€ für den Anschlussausweis auszugenen?

Für zwei Personen mit Hin- und Rückfahrt 2x 2x 1,80 €, also 7,20 €.

Ich halte die ABC-Regelung eigentlich für einen ganz guten Kompromiss zwischen Einfachheit und Fairness - auch das sind ja Zielkonflikte: ein möglichster einfacher Tarif wäre ein Einheitstarif für den ganzen VBB/ ganz Deutschland/ die ganze EU, der würde aber, je größer der Raum ist, kurze Wege verteuern und lange besonders günstig werden lassen. Ein möglichst gerechter Tarif wäre auf die Luftlinie von Start zu Ziel bezogen, und Zeitkarten gäbe es allenfalls für diese Start-Ziel-Relation.

Insofern: das ABC-System sorgt einerseits dafür, dass lange Wege im Großen und Ganzen teurer sind als kürzere Wege und ist trotzdem leicht verständlich und vermittelbar, auch weil die Tarifzonengrenzen (Ringbahn und Stadtgrenze) einfach nachvollziehbar sind. Wie bei jedem Kompromiss heißt das aber auch, dass keines der beiden Ziele (Einfachheit und Gerechtigkeit) zu 100 % erreicht wird, und natürlich gibt es auch Ungerechtigkeiten. Die wird es aber immer geben - selbst wenn ABC eine Tarifzone wäre, könnte man fragen, wieso Rüdnitz noch drin liegt und Biesenthal nicht.
Re: Neun Euro Ticket
29.06.2022 09:46
Zitat
Nordender
Ich sehe den teuren C-Bereich als Problembär,

Nunja, Tarifgrenzen sind immer unfair und problematisch. Allerdings ist die Stadtgrenze von Berlin sowas wie eine natürliche Tarifgrenze. Wenn man den B-Bereich ausweiten würde, dann müsste entweder Berlin die Verkehre in Brandenburg subventionieren - was nicht das Interesse von Berlin ist - oder wir müssten damit leben, dass Brandenburger Kommunen über die Höhe unserer Fahrpreise mitbestimmen.

Der C-Tarif ist ja deshalb teurer, da die Brandenburger Regierungen weniger für den ÖV ausgeben wollen.

Die Alternative wäre nur ein Entfernungstarif. Da könnte man dann auch zwischen Brandenburger und Berliner Entfernungen differenzieren. Nur wie macht man es dann mit den Monatskarten?

Gruß Nemo
---

Eine Straßenbahn ist besser als keine U-Bahn!!
Re: Neun Euro Ticket
29.06.2022 09:48
Zitat
PassusDuriusculus
... weil es natürlich billiger ist Auto zu fahren als 2x 1,80€ für den Anschlussausweis auszugenen?

Das glaubst du hoffentlich nicht wirklich.

Billiger natürlich nicht.
Bequemlichkeit, spare mir dann die Fahrt mit der Strassenbahn nach Pankow zur S-Bahn, mit dem RE muss ich auf der Strecke nicht fahren. Und wenn man in Pankow schon ist, bleibt man da auch gleich anstatt noch Geld für doofen C-Anschluss zu zahlen.
Zitat
def
Zitat
Philipp Borchert
Für ein bundesweit grenzwertig bezahlbares Angebot, über das man nicht aufwendig nachdenken muss, braucht's auch nicht gleich die massiven Mehrverkehre, die zu leisten niemand in der Lage ist.

Es ist eben ein klassischer Zielkonflikt zwischen Sozialem und Ökologie, und das muss man entsprechen deutlich benennen: aus ökologischer Sicht muss Mobilität möglichst teuer sein - je ressourcenintensiver, desto teurer (heißt: in dieser Hinsicht sollte sich ÖPNV preislich zwischen dem Fahrrad und dem Auto bewegen, was aber eher heißt, dass das Auto zu billig, nicht der ÖV zu teuer ist).

Eben. Und das bedeutet: es gibt eben im Bezug auf die ÖPNV-Preise eben - noch(!) - *keinen* Zielkonflikt. ÖPNV ist noch zu teuer, und darf gerne relativ zum Auto billiger gemacht werden. (9 Euro/Monat dauerhaft halte ich allerdings auch nicht für sinnvoll.

Ich erzählte hier schon mal von meiner letzten größeren Auto-Nutzung vor zweieinhalb Jahren. Es waren eine Reihe von Sachen von Konstanz nach Berlin zu transportieren. Also größeres, gutes Auto in Konstanz gemietet; am Sa damit noch einige Erledigungen dort getätigt, So damit nach Berlin gefahren (mit Abstecher durch die Rhön), Mo früh noch ein paar Sachen (wenn man schon mal ein Auto da hat) zur BSR gebracht, Auto in Berlin abgegeben. Das ganze kam mit Leihgebühren (gut, Wochenendtarif und keine Feriensaison) und allen Benzinkosten billiger als die Hinfahrt per Bahn mit 2x BC50.


Zitat

Deshalb sind Mehrverkehre eben letztlich doch sinnvoller als bloße Preissenkung.

Das ist natürlich unbestritten.
Zitat
def
Zitat
Philipp Borchert
Zitat
Alter Köpenicker
Ich finde nicht, daß die Fahrpreise der Bahn in Deutschland so teuer sind, wie es sich in Deinem Beitrag anhört. Gerade Rentner haben ja die Möglichkeit, auf preiswerte Tage auszuweichen.

Das gilt für den Fernverkehr, der ja in dieser ganzen Betrachtung erst einmal keine Rolle spielt. Tickets im Regionalverkehr kosten richtig viel Geld (Falkensee - Burg (Spreewald) 15,50€/einfache Strecke) und bieten praktisch keine Flexibilitätsrabatte.

Ich finde das ehrlich gesagt gar nicht so teuer, pro Kilometer Luftlinie sind das 14 Cent. Eine U-Bahnfahrt von Hönow zum Alex kostet pro Kilometer Luftlinie 20 Cent, von einer U-Bahnfahrt von Pankow zum Alex sprechen wir lieber gar nicht erst....

Naja, die reine Luftlinienrechnung ist nur bedingt aussagekräftig. Ich halte es sinnvoll, dass ÖV-Tarif degressiv sind. Sowohl, was die Entfernungen angeht, als auch was die Zahl der Fahrten angeht. Der Nutzer nutzt den ÖV ja nicht nur für seine konkrete Fahrt, sondern er nutzt letztlich auch das bloße Vorhalten des Angebots.

Zitat

Das Problem ist doch eher, dass Fernstrecken in den letzten ca. 20 Jahren so absurd günstig geworden sind, allen voran im Flug- und Fernbusverkehr, infolgedessen auch zu vielen Zeiten bei der DB.

Naja, Fernbus ist immer noch eine Nische, Flugzeug (ja, stellenweise absurd billig) spielt sich oft nicht in Konkurrenz zu Auto/Bahn sondern auf größeren Entfernungen ab.

Und Fernfahrten per Bahn sind außerhalb des Sparpreissegmentes keineswegs absurd günstig. Wie schon im anderen Thread geschildert: guter Mietwagen (also ohne Fixkosten) mit verschiedenem Start- und Zielort inklusive Benzin günstiger als 2x Bahn mit BahnCard50.

Was ich an den Sparpreisen übrigens übel findet, ist dass sie das Gefühl für die Kosten/Preise bestimmen und damit Normalpreise nicht mehr akzeptabel erscheinen lassen.
Re: Neun Euro Ticket
29.06.2022 10:46
Zitat
Global Fisch

Was ich an den Sparpreisen übrigens übel findet, ist dass sie das Gefühl für die Kosten/Preise bestimmen und damit Normalpreise nicht mehr akzeptabel erscheinen lassen.

Nun, ich denke, dass man durch Schaffung der Sparpreise die Möglichkeit gehabt hat, die Normalpreise auf ein Niveau zu steigern, das für Normalkunden nicht mehr akzeptabel ist. Man schöpft auf diese Weise die höhere Zahlungsbereitschaft von Geschäftskunden ab ohne den preissensiblen Normalkunden zu vergraulen!

So zumindest die Theorie. Einer meiner Profs meinte mal dass der ICE (im Kundenverhalten, nicht in der Art des Angebots) schon längst zur S-Bahn geworden ist und die Bahn das nur noch nicht gemerkt hat. Sie versucht für diese Super-Express-S-Bahn Fahrscheine wie für Flüge zu verkaufen.

Gruß Nemo
---

Eine Straßenbahn ist besser als keine U-Bahn!!
Re: Neun Euro Ticket
29.06.2022 11:29
Zitat
def
Das Problem ist doch eher, dass Fernstrecken in den letzten ca. 20 Jahren so absurd günstig geworden sind, allen voran im Flug- und Fernbusverkehr, infolgedessen auch zu vielen Zeiten bei der DB. Dadurch sind irgendwie völlig die Verhältnisse verrutscht, was Mobilität eigentlich kostet

So kostet z.B. (ohne 9€-Ticket) die Anschlußfahrt in NRW ab Landesgrenze Hessen, wo mein "Hessenticket" gilt, zum Nahverkehrstarif der regional zuständigen Einrichtung mehr als eine IC-Fahrkarte zum Supersparpreis mit Bahncard25.

Zitat
def
Zitat
Philipp Borchert
Rentnerinnen und Rentner haben vielerorts die Möglichkeit, stark vergünstigte Regionaltickets zu erhalten - wenn sie sich für mindestens ein Jahr festlegen und aufgrund des festgesetzten Umfangs eben doch 'ne ziemliche Stange Geld hinlegen.

Apropos "ärmere Menschen": ich sehe solche pauschalen Ermäßigungen für Rentner:innen aus ähnlichen Gründen sehr skeptisch. Am Ende bekommt dann die (etwas stereotype) Wilmersdorfer Witwe in der abbezahlten Eigentumswohnung eine Ermäßigung, der alleinerziehende Vater, der gerade mit einer Mieterhöhung, höheren Energiepreisen und vielleicht einer kaputten Waschmaschine zu kämpfen hat, aber nicht. Das kann's doch nun auch nicht sein. Ermäßigungen sollten nach Bedürftigkeit und nicht nach Erwerbsstatus gewährt werden.

Ich weiß, dass man bei Schüler:innenrabatten prinzipiell das gleiche Thema hat.

Für Bürger der Stadt Frankfurt gibt es das "Hessenticket" (für >65, vom Bundesland) auch zu einem Sozialtarif, der es noch etwas billiger macht.

Bei Schülertickets erinnere ich mich daran, daß unsereins seinerzeit für eine "familienunabhängige Studienförderung" gekämpft hatten, daß also junge Leute studieren können sollten, ohne ihre Eltern zu fragen un ohne von ihren Eltern abhängig zu sein.

Das auch auf Schülertransporte anzuwenden, halte ich für sinnvoll.

PS: Solche Rabatte sollen nicht nur innen gelten, sondern auch außen!


immer noch keine richtige sig
Re: Neun Euro Ticket
29.06.2022 12:17
Zitat
def
Zitat
Philipp Borchert
Letztlich hat das Ding trotz aller Widrigkeiten jede Menge Nutznießer. In vielen Bahnhöfen schlafen nachts jetzt viel mehr Leute (ja selbst [offenen] in Schließfächern habe ich schon Menschen schlafen sehen), die mit diesem Ticket womöglich erstmals seit Jahren die Chance haben, mal 'n bisschen was von ihrem Land zu sehen. Weil sie aus welchen Gründen auch immer sonst durchs Raster fallen. Rentnerinnen und Rentner kommen mal wieder etwas weiter als nur ins örtliche Stadtteilzentrum ohne dass sie 'n Kredit aufnehmen müssen. Alle können für drei Monate endlich mal 'n Fick auf diesen ganzen kleinteiligen Tarifkäse geben, der einem das Leben so schwer machen kann wie es kaum eine andere Art von A nach B zu kommen ermöglicht. Vor allem aus letzterem MUSS etwas gelernt werden, und zwar schnell und nachhaltig.

Für ein bundesweit grenzwertig bezahlbares Angebot, über das man nicht aufwendig nachdenken muss, braucht's auch nicht gleich die massiven Mehrverkehre, die zu leisten niemand in der Lage ist.

Es ist eben ein klassischer Zielkonflikt zwischen Sozialem und Ökologie, und das muss man entsprechen deutlich benennen: aus ökologischer Sicht muss Mobilität möglichst teuer sein - je ressourcenintensiver, desto teurer (heißt: in dieser Hinsicht sollte sich ÖPNV preislich zwischen dem Fahrrad und dem Auto bewegen, was aber eher heißt, dass das Auto zu billig, nicht der ÖV zu teuer ist). Aus sozialer Sicht sollte sie möglichst nichts kosten. (Und das gleiche gilt für viele andere Bereiche, für Energie ebenso wie Konsumgüter.) Nachdem in meiner Brust beide Herzen schlagen, wäre mein Ansatz eher, das Raster enger zu gestalten, damit weniger Menschen hindurchfallen, oder bestenfalls niemand mehr.

Die Forderung, das Auto sollte teurer als die Bahn sein, suggeriert, dass es aktuell günstiger sei. Das Auto ist doch aber jetzt schon deutlicher teurer als die Bahn? ... vor allem, wenn nur 1,2 Leute drin sitzen.

Mal eine Milchkinderrechnung: Nun kauft sich zwar nicht jeder ein Auto für mehr als 40k €, aber im Schnitt sind wir sicher bei 15k €. Über sechs Jahre abgeschrieben sind wir hier bei 208,33€ pro Monat + Kraftstoff + Versicherung + Steuer + Verschleiß. Das ist auf den durchschnittlichen Mobilitätsbedarf gerechnet teurer als ÖV.

Zitat
def
Beim Angebot gibt es diesen Zielkonflikt hingegen viel weniger: ein besseres ÖV-Angebot ist in sozialer und ökologischer Hinsicht sinnvoll, v.a., wenn parallel ein Teil der riesigen dem MIV gewidmeten Fläche umgenutzt wird (was wiederum auch in ökologischer wie sozialer Hinsicht sinnvoll ist, weil die dadurch begünstigten Hitzeinseln oft eher arme Stadtteile betreffen). Auch hier gibt es natürlich Grenzen: ein mit zwei Menschen besetzter Bus zwischen Kleinkleckersdorf und Hintertupfing ist ökologisch eher eine Katastrophe, aber in sozialer Hinsicht trotzdem sinnvoll, da Voraussetzung für die gesellschaftliche Teilhabe vieler Menschen.

Auch aus sozialer Sicht ist ein Bus nicht notwendig. Ruftaxis oder andere kleinere Fahrzeuge sind da völlig ausreichend.

Zitat
def
Deshalb sind Mehrverkehre eben letztlich doch sinnvoller als bloße Preissenkung. Die kann aktuell niemand leisten? Stimmt, weil es einen Mangel an Personal, Fahrzeugen und vielfach auch der Infrastruktur gibt. Nur könnte man viele dieser Mängel eben mit Geld beheben: bessere Löhne und Arbeitsbedingungen fürs Personal, ggf. Umstellung geschlossener Systeme wie der Berliner U-Bahn auf fahrerlosen Betrieb, Kauf von Fahrzeugen, Ausbau der Infrastruktur (was dann auch wieder Personal braucht, womit wir beim nächsten Thema wären) etc. Da wären die über fünf Milliarden, die nun der Tankrabatt und die 9-Euro-Karte gekostet haben, unterm Strich sicher sinnvoller investiert (bzw. vielleicht auch "nur" vier Milliarden, wenn die übrigen 1,5 Milliarden für die zielgerichtete Entlastung von Menschen benutzt worden wären, die es nötig haben).

Ja, stimmt. Und ich wär sofort dabei. Aber wieder wird nur über die Kosten, aber nicht über den zeitlichen Horizont geschrieben. Ich könnte jetzt hier genau so emotional werden, wie du sonst. ;) Alleine Personal zu finden, in den Mengen, das dauert selbst mit 50% mehr Gehalt Jahre. Und dann die Herstellung von Fahrzeugen oder der Bau neuer Strecken ... da sind wir eher beim 5°C-Ziel. Ohne klimapositive Technologie wird es nicht mehr gelingen. Das Kind ist ins Wasser gefallen. Wir brauchen einfach Lösungen, die CO2 binden und nicht nur vermeiden oder gar reduzieren.
Zitat
Nemo
Zitat
Global Fisch

Was ich an den Sparpreisen übrigens übel findet, ist dass sie das Gefühl für die Kosten/Preise bestimmen und damit Normalpreise nicht mehr akzeptabel erscheinen lassen.

Nun, ich denke, dass man durch Schaffung der Sparpreise die Möglichkeit gehabt hat, die Normalpreise auf ein Niveau zu steigern, das für Normalkunden nicht mehr akzeptabel ist. Man schöpft auf diese Weise die höhere Zahlungsbereitschaft von Geschäftskunden ab ohne den preissensiblen Normalkunden zu vergraulen!.

Die große Preisreform mit der drastischen Kontigenterhöhung der Sparpreise war 2002; das sollte vor allem auf Kosten der BahnCard 50 Kunden gehen, die BahnCard50 sollte wegfallen. Da wurde dann paar Monate später wieder zurückgerudert.

Generell mögen die Normalpreise (und damit auch die BC50-Preise) etwas überproportional zur Inflationsrate gestiegen sein, aber nur etwas. Unter dem Strich ist Bahnfahren zum Normalpreis nicht dramatisch teuerer als früher.

Zitat
Nemo
So zumindest die Theorie. Einer meiner Profs meinte mal dass der ICE (im Kundenverhalten, nicht in der Art des Angebots) schon längst zur S-Bahn geworden ist und die Bahn das nur noch nicht gemerkt hat. Sie versucht für diese Super-Express-S-Bahn Fahrscheine wie für Flüge zu verkaufen.

Hihi.. Gut gesagt. Eigentlich hatte die DB das schon gemerkt und sogar auch genauso gedacht (mit Taktverkehrssystemen etc.). Die darauf aufgepropfte Flugpreisideologie steht dem allerdings entgegen.
Re: Neun Euro Ticket
29.06.2022 12:50
Ich bin letztens für unter 60€ in der 1.Klasse nach Hamburg und zurückgekommen und war erstaunt wie leer es da war (obwohl bei der Rückfahrt der Zug davor ausfiel).

Ich muß sagen, Premiere bestanden und werde ich öfter machen wenn man diese Preise weiterhin bekommt.
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