Willkommen! Einloggen Ein neues Profil erzeugen

erweitert
Parkraumbewirtschaftung
geschrieben von Andreas Rauch 
Es ist immer etwas heikel, einfach ein neues Thema zu eröffnen, umso mehr, da ich in diesem Forum nur Zaungast bin.
Dennoch, aus persönlichem Interesse, wage ich es mal und hoffe auf gnädige Aufnahme meiner Fragen.

Kurzer Faktenüberblick:

1) Parkraumbewirtschaftung in der Innenstadt wie in der beigefügten Grafik dargestellt.

2) Kosten:

10 € / Jahr für Anwohner bzw. Gewerbetreibende.
2 bis 4 € / Stunde für nicht-Anwohner bzw. nicht-Gewerbetreibende. (->Wenn man nun Pech hat und sich der Arbeitsplatz in der Umweltzone befindet, laufen bei einer Vollzeittätigkeit und gleichzeitiger 100%iger Nutzung des PKW schnell Parkgebühren von + 300 € / Monat auf.)

naive Frage 1: Was soll so eine Person tun, aus der Sicht der Erfinder dieser Berliner Umweltzonenregelung: bis an den S-Bahn-Ring ranfahren, da irgendwo parken und dann an den Arbeitsplatz mit den Öffentlichen fahren? Wurden parallel zur Einführung dieser Umweltzonenregelung am Rand des S-Bahn-Ringes zur Kompensation Parkplätze geschaffen? Ich schätze mal: nein - Wer ist so freundlich, sein Wissen zu teilen?

naive Frage 2: Ist es zielführend/sozial und ökologisch gerecht/logisch/einleuchtend , den Bewohnern jenes Teils der Stadt, der ÖPNV-technisch im Vergleich mit dem Rest der Stadt am besten erschlossen ist (also des Innenbereiches des Rings), auch noch einen so gut wie kostenlosen Autostellplatz anzubieten. Zugespitzt: Man wohnt an der Pappelallee (erschlossen durch Tram+U-Bahn und S-Bahn) und hat dank Anwohnerparkausweis zu 10€/Jahr und Parkraumbewirtschaftung auch noch hohe Chancen, sein Auto gut parken zu können. Worin genau liegt denn dann eigentlich der Beitrag der Innenstadtbewohner mit PKW zur Berliner Verkehrswende, wenn der Parkplatz nix kostet. (In Stuttgart kostet er 400€, von den 900€ in Oslo gar nicht zu reden.) Die Innenstadtparkplätze denen, die das Glück haben, dort zu wohnen?

Warum die Frage? - Hab mich neulich mit einer Person wie in Frage 1 in die Wolle gekriegt und würde die Situation gerne besser verstehen. Ich selber wohne nicht super zentral (im B-Bereich mit S-Bahnanschluss) und habe gar kein Auto, kann aber jeden verstehen, für den jede einzelne Minute im Berufsverkehr in einer engen U- und S-Bahn mit allerlei "lustigen Strategen" eine Minute zu viel ist - die Arbeitswelt ist für manchen schon nervenaufreibend genug

Ich bin völlig unterinformiert und würde mich freuen, wenn Ihr mir Eure Sicht auf die Sache darlegen könntet.

Vielen Dank und liebe Grüße.


Zitat
Andreas Rauch

naive Frage 1: Was soll so eine Person tun, aus der Sicht der Erfinder dieser Berliner Umweltzonenregelung: bis an den S-Bahn-Ring ranfahren, da irgendwo parken und dann an den Arbeitsplatz mit den Öffentlichen fahren? Wurden parallel zur Einführung dieser Umweltzonenregelung am Rand des S-Bahn-Ringes zur Kompensation Parkplätze geschaffen? Ich schätze mal: nein - Wer ist so freundlich, sein Wissen zu teilen?

Man soll seine Kiste möglichst weit draußen parken, also am besten im Tarifbereich C und sich dann von dort eine Monatskarte gönnen. Wenn man in Berlin lebt, sollte man ebenfalls einen möglichst weiten Teil der Strecke mit den Öffis zurücklegen. Oder man redet mit seinem Arbeitgeber über Parkplätze auf dem Firmengelände oder man mietet sich irgendwo einen Stellplatz-vielleicht finden sich ja Anwohner, die ihren Stellplatz tagsüber nicht brauchen. Wo soll man denn an der Ringbahn so große Parkplatzkapazitäten schaffen?
Zitat
Andreas Rauch
naive Frage 2: Ist es zielführend/sozial und ökologisch gerecht/logisch/einleuchtend , den Bewohnern jenes Teils der Stadt, der ÖPNV-technisch im Vergleich mit dem Rest der Stadt am besten erschlossen ist (also des Innenbereiches des Rings), auch noch einen so gut wie kostenlosen Autostellplatz anzubieten.

Natürlich wäre es wesentlich zielführender, Parkplätze generell nur noch zu Marktpreisen anzubieten. Nur so könnte der Markt das Parkplatzproblem lösen und man muss nicht über Verbote gehen. Dann würde man aber "Abzocke!!" schreien und man würde nicht mehr wiedergewählt.

Gruß Nemo
---

Eine Straßenbahn ist besser als keine U-Bahn!!



1 mal bearbeitet. Zuletzt am 03.04.2023 18:53 von Nemo.
Hi Nemo, danke für Deine Antwort. Ich möchte "meinen konkreten Fall" (wobei es nicht um mich geht, sondern um nen Bekannten. wie gesagt - ich selber habe kein Auto) noch etwas detaillierter darstellen, um auf Deine Antwort zu antworten. Hoffe das ist okay.

Zitat
nemo
Wenn man in Berlin lebt, sollte man ebenfalls einen möglichst weiten Teil der Strecke mit den Öffis zurücklegen.

Darauf könnte es dann tatsächlich hinauslaufen, wobei wir hier geschätzt von einer Verdoppelung der Fahrtzeit reden. Aber okay.

Zitat
nemo
Oder man redet mit seinem Arbeitgeber über Parkplätze auf dem Firmengelände

Das ist hier nicht möglich. Stell Dir einen Altbau mit zwei Hinterhöfen vor, der komplett mit Arbeitsplätzen belegt ist (will hier nicht konkreter ins Detail gehen). Die handvoll Parkplätze, die der Innenhof bietet, decken max. 5% der Arbeitnehmer ab.

Zitat
nemo
oder man mietet sich irgendwo einen Stellplatz-vielleicht finden sich ja Anwohner, die ihren Stellplatz tagsüber nicht brauchen.

Ja, eben. Das ist natürlich möglich - dann kommt man bei einer Monatsarbeitszeit von 160h auf mind. 320€ Parkgebühr, vielleicht auch 480€ oder 640€ im Monat (und der glückliche Anwohner zahlt 10€/Jahr).

Zitat
nemo
Wo soll man denn an der Ringbahn so große Parkplatzkapazitäten schaffen?

Ja, keine Ahnung. Das ist eben eine Frage, die außerhalb meiner Kompetenz und Gehaltsgruppe liegt. Deshalb frag ich ja. Ich kann nur wiedergeben, dass mein Bekannter recht 'angepiekst' war.

Zitat
nemo
Natürlich wäre es wesentlich zielführender, Parkplätze generell nur noch zu Marktpreisen anzubieten. Nur so könnte der Markt das Parkplatzproblem lösen und man muss nicht über Verbote gehen. Dann würde man aber "Abzocke!!" schreien und man würde nicht mehr wiedergewählt.

...und so schreien diejenigen "Abzocke", die das Pech haben, dass ihr Arbeitgeber in der Umweltzone sitzt und die eben einpendeln (meinen zu) müssen.

Naja. jedenfalls erstmal danke für Deine Sicht, Nemo.
Zitat
Andreas Rauch
Das ist hier nicht möglich. Stell Dir einen Altbau mit zwei Hinterhöfen vor, der komplett mit Arbeitsplätzen belegt ist (will hier nicht konkreter ins Detail gehen). Die handvoll Parkplätze, die der Innenhof bietet, decken max. 5% der Arbeitnehmer ab.

Um mal beim angeführten Beispiel der Pappelallee zu bleiben: das Parkhaus der Schönhauser Allee Arkaden hat einen Tageshöchstpreis von 5 Euro und ist schon seit langem so schlecht ausgelastet, dass das oberste Parkdeck seit mindestens 13 Jahren nicht mehr als solches genutzt wird, sondern eine "Strandbar" beherbergt, die nur im Sommer geöffnet ist.

Durch die massive Subventionierung des Parkens im öffentlichen Raum (mindestens die bisherigen Gebühren von 1 € / Stunde gehörten auch noch dazu), sind selbst in Lagen mit eher angespannter Parkraumsituation Parkhäuser nicht wirtschaftlich zu betreiben. Würde man sämtliche Parkplätze in diesem Kiez der Außengastronomie als Flächen zuschlagen, würde das allein über Steuermehreinnahmen mehr Geld in die Landeskasse spülen als die Parkraumbewirtschaftung mit ihren eher symbolischen Beträgen.
Berlin bietet eigentlich generell keine P+R Parkplätze an. Was jedoch konkret bedeutet: Außer den bereits bestehenden will Berlin keine neuen P+R Parkplätze mehr schaffen. Das ist allein die Aufgabe Brandenburgs.
Das führt aber auch in den Randgebieten durch die autofahrenden Einpendler dazu, dass die örtlichen Straßen zugeparkt werden und die Anwohner oder die Nutzer der lokalen Geschäfte keine Parkplätze mehr finden. Also findet Parkraumbewirtschaftung (oder genauer: "Anwohnerparkraum") nicht mehr nur im A, sondern auch im B-Bereich statt.

Das ist ja auch kein "Berlin" Problem, sondern eigentlich ein Bezirksproblem: Während die Bezirke im A-Bereich keine Autos wollen, sieht das Reinickendorf z.B. ganz anders (wobei die natürlich auch keine Brandenburger auf "ihren" Parkplätzen wollen).

Zusammenfassend kann man eigentlich sagen: sämtliche Bezirke wollen Parkflächen ausschließlich für die eigenen Anwohner. Alle anderen sollen gefälligst ihr Auto draußen lassen und "irgendwie" anders an bzw. durchreisen.
Das ist dann wohl auch der Grund, warum die Anwohnerplätze viel zu billig sind und für andere die Plätze im Verhältnis dazu relativ teuer sind (Aber immer noch viel zu billig).

Ich denke nicht, dass es da irgendwo ein bezirksübergreifendes Konzept gibt.



1 mal bearbeitet. Zuletzt am 03.04.2023 19:57 von DerMichael.
Zitat
DerMichael
Berlin bietet eigentlich generell keine P+R Parkplätze an. Was jedoch konkret bedeutet: Außer den bereits bestehenden will Berlin keine neuen P+R Parkplätze mehr schaffen.

Wie soll ich das verstehen, was denn nun? Keine neuen mehr, okay, aber die bestehenden können ja wohl kaum als "Berlin bietet keine an" gelten.

~~~~~~
Sie befinden sich HIER.
Zitat
DerMichael
Berlin bietet eigentlich generell keine P+R Parkplätze an.

Das stimmt so nicht.
Hier mal exemplarisch für den S+U Heidelberger Platz, unter der Stadtautobahn in der Rudolstädter Straße das P+R-Schild: [www.mapillary.com]

Der VBB stellt (einige) innerberliner P+R-Parkplätze auf seiner Livekarte dar, darunter auch am Hauptbahnhof und am Ostbahnhof, sowie einige am S-Bahn-Ring: [www.vbb.de]
(Rechts oben auf Livekarte... klicken, dann unter Multi-Mobilität die P+R-Parkplätze auswählen. Zur besseren Sichtbarkeit ggf. die Anzeige von Haltestellen deaktivieren.)

Ein schönes Suchbild für P+R bietet auch die offizielle VIZ-Seite: [viz.berlin.de]
P+R ist auch einfach teuer. Ein Parkplatz für in der Regel nur einen Kunden am Tag, der aber ein Vielfaches einer ÖPNV-Jahreskarte kostet, da ist es einfach wirtschaftlicher auf diese autofahrenden ÖPNV-Kunden zu verzichten und stattdessen lieber den ÖPNV-Zubringer zum Bahnhof zu verbessern.

Gruß Nemo
---

Eine Straßenbahn ist besser als keine U-Bahn!!
Zitat
Stichbahn
Ein schönes Suchbild für P+R bietet auch die offizielle VIZ-Seite: [viz.berlin.de]

Jau, vielen Dank für den Link.

Zitat
DerMichael
Das ist ja auch kein "Berlin" Problem, sondern eigentlich ein Bezirksproblem: Während die Bezirke im A-Bereich keine Autos wollen, sieht das Reinickendorf z.B. ganz anders (wobei die natürlich auch keine Brandenburger auf "ihren" Parkplätzen wollen).

Zusammenfassend kann man eigentlich sagen: sämtliche Bezirke wollen Parkflächen ausschließlich für die eigenen Anwohner. Alle anderen sollen gefälligst ihr Auto draußen lassen und "irgendwie" anders an bzw. durchreisen.
Das ist dann wohl auch der Grund, warum die Anwohnerplätze viel zu billig sind und für andere die Plätze im Verhältnis dazu relativ teuer sind (Aber immer noch viel zu billig).

Verstehe. Sieht für mich aus wie das berlintypische Stückwerk inklusive Ping-Pong der Verantwortlichkeiten zwischen Landes- und Bezirksebene, aber vielleicht übersehe ich da auch etwas (wie gesagt, bin fachfremd).

Zitat
Nemo
P+R ist auch einfach teuer. Ein Parkplatz für in der Regel nur einen Kunden am Tag, der aber ein Vielfaches einer ÖPNV-Jahreskarte kostet, da ist es einfach wirtschaftlicher auf diese autofahrenden ÖPNV-Kunden zu verzichten und stattdessen lieber den ÖPNV-Zubringer zum Bahnhof zu verbessern.

Im gegebenen Fall wäre der Zubringer ein Bus, der zur Schnellbahn tingelt, von der aus auch nochmal umgestiegen werden müste usw. usf. Schon klar, dass P+R teuer ist, aber... -> Ist das nicht ein Fall von "Mischkalkulation" ? Schließlich ist im ÖPNV ja auch nicht immer alles im einzelnen 100% wirtschaftlich...Mein Bekannter entrichtet als Berliner ja auch Einkommenssteuer, gibt also was zurück. Vielleicht zieht er ja in ein anderes Bundesland, wenn ihm die Parkplatzsituation hier zu abstrus wird. ;) (Scherz).

in jedem Fall Danke für Eure Rückmeldungen.
def
Re: Parkraumbewirtschaftung
03.04.2023 20:57
P+R ist aber aus propagandistischer Sicht total wichtig, praktisch der Inbegriff von "Angebote statt Verbote!". Man tut doch wirklich alles, damit die Leute begeistert umsteigen!

Zum Beispiel in Altglienicke: natürlich kann man einfach der bis Treptow sechsspurig ausgebauten B96A weiter folgen, statt sein Auto abzustellen und mit der S-Bahn weiterzufahren. Aber wer würde das tun, wenn er auch von der Bundesstraße runterfahren, sein Auto abstellen, 300-400 m ohne Witterungsschutz zum S-Bahnhof gehen und dann ohne nennenswerten Witterungsschutz auf die S-Bahn warten könnte?
Zitat
def
Zum Beispiel in Altglienicke: natürlich kann man einfach der bis Treptow sechsspurig ausgebauten B96A weiter folgen, statt sein Auto abzustellen und mit der S-Bahn weiterzufahren. Aber wer würde das tun, wenn er auch von der Bundesstraße runterfahren, sein Auto abstellen, 300-400 m ohne Witterungsschutz zum S-Bahnhof gehen und dann ohne nennenswerten Witterungsschutz auf die S-Bahn warten könnte?

Interessant wäre es zu wissen, wie dieser P+R denn tatsächlich angenommen wird. Leider ist das nicht meine Ecke der Stadt.

400m laufen bei von Zeit zu Zeit gleichzeitiger Nutzung eines Regenschirms - Das ist natürlich ein Los, dass man nicht einmal den abgehärtesten Bevölkerungsteilnehmern zumuten möchte. ;) .

Ansonsten schätze ich (ohne es 100% zu wissen), dass für den Fall meines Bekannten ein intelligent geplantes P+R tatsächlich eine Alternative wäre, denn der vor der Einführung der Parkraumbewirtschaftung vorhandene kostenlose Parkplatz in der Nähe des Zieles fällt eben quasi "ersatzlos" weg (sofern man nicht 320€/Monat oder mehr Gebühren zu zahlen bereit ist). Aber ich weiß es eben auch nicht, da ich halt selber kein Auto habe und nicht in seiner Haut stecke...

In jedem Fall vielen Dank für Eure Rückmeldungen, hat mir geholfen und jetzt weiß ich schon etwas mehr.

Einen schönen Abend noch.



3 mal bearbeitet. Zuletzt am 03.04.2023 21:16 von Andreas Rauch.
def
Re: Parkraumbewirtschaftung
03.04.2023 21:18
Zitat
Andreas Rauch
Zitat
Nemo
P+R ist auch einfach teuer. Ein Parkplatz für in der Regel nur einen Kunden am Tag, der aber ein Vielfaches einer ÖPNV-Jahreskarte kostet, da ist es einfach wirtschaftlicher auf diese autofahrenden ÖPNV-Kunden zu verzichten und stattdessen lieber den ÖPNV-Zubringer zum Bahnhof zu verbessern.

Im gegebenen Fall wäre der Zubringer ein Bus, der zur Schnellbahn tingelt, von der aus auch nochmal umgestiegen werden müste usw. usf. Schon klar, dass P+R teuer ist, aber... -> Ist das nicht ein Fall von "Mischkalkulation" ? Schließlich ist im ÖPNV ja auch nicht immer alles im einzelnen 100% wirtschaftlich...Mein Bekannter entrichtet als Berliner ja auch Einkommenssteuer, gibt also was zurück. Vielleicht zieht er ja in ein anderes Bundesland, wenn ihm die Parkplatzsituation hier zu abstrus wird. ;) (Scherz).

Ja, aber ob er nun vom Auto oder vom Bus umsteigt ist doch letztlich auch egal? P+R ist super im ländlichen Raum bei Streusiedlungen, in einer Großstadt plus Speckgürtel ist es aus mehreren Gründen zumindest hinterfragenswert:

- Die Siedlungsdichte ist i.d.R. hoch genug, ob Zubringerlinien einigermaßen wirtschaftlich zu organisieren.

- Idealerweise sollten ja Bahnhöfe einigermaßen zentral liegen, also im Stadtteil- bzw. im Umland im Stadt-/Gemeindezentrum. Hier stellt sich einerseits die Frage, ob eine solche Lage nicht zu schade ist, um P+R anzubieten, und v.a. bedeutet es ja auch, dass zweimal am Tag die Stadt oder Gemeinde selbst von eben diesem Autoverkehr zum und vom Bahnhof durchquert wird.

In Einzelfällen kann P+R vielleicht Sinn haben, wenn Schnellstraßen direkt neben einer S-Bahn-Station verlaufen, vielleicht gar parallel zur S-Bahn. Nur müsste man dann konsequenterweise das Ausbaulevel der Straße nach der S-Bahn-Station zurücknehmen. Um wieder zum Beispiel Altglienicke zu kommen: Bau eines direkten (überdachten) Zugangs vom P+R bzw. der Paradiesstraße zum S-Bahnsteig, Bahnsteigüberdachung, dafür Rückbau der B96A ab Paradiesstraße bis Treptow auf insgesamt max. vier Spuren.
Zitat
def
Ja, aber ob er nun vom Auto oder vom Bus umsteigt ist doch letztlich auch egal? P+R ist super im ländlichen Raum bei Streusiedlungen, in einer Großstadt plus Speckgürtel ist es aus mehreren Gründen zumindest hinterfragenswert:

- Die Siedlungsdichte ist i.d.R. hoch genug, ob Zubringerlinien einigermaßen wirtschaftlich zu organisieren.

- Idealerweise sollten ja Bahnhöfe einigermaßen zentral liegen, also im Stadtteil- bzw. im Umland im Stadt-/Gemeindezentrum. Hier stellt sich einerseits die Frage, ob eine solche Lage nicht zu schade ist, um P+R anzubieten, und v.a. bedeutet es ja auch, dass zweimal am Tag die Stadt oder Gemeinde selbst von eben diesem Autoverkehr zum und vom Bahnhof durchquert wird.

In Einzelfällen kann P+R vielleicht Sinn haben, wenn Schnellstraßen direkt neben einer S-Bahn-Station verlaufen, vielleicht gar parallel zur S-Bahn. Nur müsste man dann konsequenterweise das Ausbaulevel der Straße nach der S-Bahn-Station zurücknehmen. Um wieder zum Beispiel Altglienicke zu kommen: Bau eines direkten (überdachten) Zugangs vom P+R bzw. der Paradiesstraße zum S-Bahnsteig, Bahnsteigüberdachung, dafür Rückbau der B96A ab Paradiesstraße bis Treptow auf insgesamt max. vier Spuren.

Okay. Auf dieser verkehrsplanerischen Abstraktionsebene muss ich leider mangels Fachwissen aussteigen. Angebracht sei nur, dass ein wirtschaftlich betriebenes Angebot nicht unbedingt immer qualitativ für alle befriedigend und attraktiv sein muss (da fallen mir ein z.B. öffentlich ausgeschriebenes Schulessen, oder auch die nach "Wirtschaftlichkeit" betriebenen Krankenhäuser in Deutschland). Ein Bus, der alle 20 Minuten mit einer Nettogeschwindigkeit von ca. 15 km/h fährt und zu dessen Haltestelle man auch noch (oh je...) laufen muss, scheint für den durchschnittlichen erwachsenen/wahlberechtigten Müggelheimer/Frohnauer/.../.. nicht interessant zu sein, leider. Aber auch diese Menschen gehen eben wählen und bescheren den ÖPNV-Anhängern (zu denen ich mich selbst zählen würde) dann leider die demokratisch legitimierte "Quittung" für eine (zu Recht oder Unrecht) als Stückwerk empfundene Politik.

Dass es gleichzeitig kein verbrieftes Grundrecht auf einen Parkplatz sozusagen direkt am Pariser Platz gibt, wenn man in Suburbia wohnt, ist schon klar...naja, reicht mir für heute. Grüße.



2 mal bearbeitet. Zuletzt am 03.04.2023 21:53 von Andreas Rauch.
Hallo zusammen!

Vor einigen Jahren ist mir eine wissenschaftliche Arbeit (eine Diplom- oder Doktorarbeit) zum sinngemäßen Thema "Innenstadtnahe P+R-Angebote und deren Wirkungen" untergekommen. Leider kann ich diese auf die Schnelle nicht wiederfinden - es finden sich aber im Internet zahlreiche andere Quellen von Umweltbundesamt bis Universitäten, welche ebenfalls die mir aus dieser Arbeit erinnerlichen Kernaussagen enthalten:

Innenstadtnahe P+R-Anlagen (also zum Beispiel im Bereich des Berliner S-Bahn-Rings) führen zu folgenden Effekten:

Unter den tatsächlichen Nutzern derartiger innenstadtnaher P+R-Anlagen

- legt nur ein sehr geringer Teil Wege, die zuvor komplett mit dem Pkw zurückgelegt wurden, nunmehr teilweise mit dem ÖPNV zurück.

Lediglich dieser Punkt führt zu einer Verringerung der Autoverkehrsbelastung und der Pkw-Kilometer.

- legt ein weit überwiegender Teil der Nutzer Wege, welche zuvor vollständig oder nahezu vollständig mit dem ÖPNV zurückgelegt wurden, diese nun im ersten Teil bis zur P+R-Anlage mit dem Pkw zurück.

Die P+R-Anlage ermöglicht erst die Fahrt mit dem Pkw auf der ersten Teilstrecke. Dazu gehören aber insbesondere auch ÖPNV-Nutzer, die aus dem näheren Umfeld der P+R-Anlage stammen und zuvor für den "Vorlauf" das Fahrrad oder die Füße nutzten.

- ein weiterer Teil der Stellplatznutzer beabsichtigt gar keine Weiterreise mit dem ÖPNV, sondern nutzt das P+R-Angebot dazu, erstmals Ziele in der Umgebung der P+R-Anlage bequem mit dem Pkw erreichen zu können.

- zu einem gewissen Teil werden auch Wege, die zuvor komplett mit dem Fahrrad zurückgelegt wurden, aus Bequemlichkeitsgründen in der Kombination Pkw und ÖPNV zurückgelegt, was einen weiteren Anstieg des MIV zur Folge hat.

- führen zahlreiche Nutzer nun erstmals Fahrten durch, die zuvor unattraktiv waren und daher ganz unterlassen wurden.

Diese vier Punkte führen zu einer massiven Mehrbelastung durch MIV inbesondere im Umfeld der P+R-Anlagen und zu einem massiven Anstieg der Pkw-Kilometer.


Das Fazit ist also, dass innenstadtnahe P+R-Anlagen tatsächlich zu einem erheblichen Anwachsen des Autoverkehrs führen, also genau das Gegenteil davon, was man erreichen möchte.


Der mir erinnerlichen wissenschaftlichen Arbeit zufolge wurde daher empfohlen, überhaupt noch verfügbare innenstadtnahe Flächen daher nicht für P+R-Parkplätze oder -Parkhäuser, sondern für Wohnbebauung zu nutzen:

In einem Parkhaus sind nach aktuellen Normen fast 30 m² pro Stellplatz einschließlich aller anteiliger Flächen für Rampen, Fahrgassen und dergleichen erforderlich.

Ein Wohngebäude erfordert zwar etwas größere Geschosshöhen, aber es können darin ungefähr genauso viele Menschen leben, wie auf derselben Grundfläche Menschen in einem Parkhaus ihren Pkw parken können. Und alle diese Menschen haben dann einen Schnellbahnanschluss in fußläufiger Umgebung, sodass ein großer Teil von ihnen für seine Wege gar keinen Pkw braucht.

Genau das bringt einen positiven Effekt.

Daher rät heute kein Fachmann mehr zu innenstadtnahen P+R-Angeboten, deshalb verfolgen selbst tendenziell "autofreundliche" Parteien keine solchen Ansätze mehr. Anders sieht die Bilanz natürlich an RB- oder RE-Bahnhöfen im ländlichen Raum aus, wo im ÖPNV die letzte Meile fehlt oder unzulänglich ist.

Viele Grüße
Manuel
Zitat
def
- Idealerweise sollten ja Bahnhöfe einigermaßen zentral liegen, also im Stadtteil- bzw. im Umland im Stadt-/Gemeindezentrum. Hier stellt sich einerseits die Frage, ob eine solche Lage nicht zu schade ist, um P+R anzubieten, und v.a. bedeutet es ja auch, dass zweimal am Tag die Stadt oder Gemeinde selbst von eben diesem Autoverkehr zum und vom Bahnhof durchquert wird.

Eben. Die Probleme, die (ruhender) Autoverkehr aufgrund seines hohen Flächenverbrauch verursacht, sind im Zentrum von Speckgürtelgemeinden genau die selben wie innerhalb der Berliner Ringbahn. Und mancherorts gibt es dann so ortsbauliche Scheußlichkeiten wie in Blankenfelde (dem Blankenfelde südlich von Berlin)

Man kann in Einzelfällen Glück haben, dass mal am Bahnhof Platz ist (Seegefeld), aber so etwas dürften Ausnahmefälle sein. Und:

Zitat

In Einzelfällen kann P+R vielleicht Sinn haben, wenn Schnellstraßen direkt neben einer S-Bahn-Station verlaufen, vielleicht gar parallel zur S-Bahn. Nur müsste man dann konsequenterweise das Ausbaulevel der Straße nach der S-Bahn-Station zurücknehmen. Um wieder zum Beispiel Altglienicke zu kommen: Bau eines direkten (überdachten) Zugangs vom P+R bzw. der Paradiesstraße zum S-Bahnsteig, Bahnsteigüberdachung, dafür Rückbau der B96A ab Paradiesstraße bis Treptow auf insgesamt max. vier Spuren.

Was nichts am Grundproblem ändert: wenn man einen richtig großen P+R-Platz baut, entstehen auf eben diesem lange Wege. Eben wegen des Platzes, den die Autos brauchen.
Zitat
manuelberlin
Der mir erinnerlichen wissenschaftlichen Arbeit zufolge wurde daher empfohlen, überhaupt noch verfügbare innenstadtnahe Flächen daher nicht für P+R-Parkplätze oder -Parkhäuser, sondern für Wohnbebauung zu nutzen:

In einem Parkhaus sind nach aktuellen Normen fast 30 m² pro Stellplatz einschließlich aller anteiliger Flächen für Rampen, Fahrgassen und dergleichen erforderlich.

Ein Wohngebäude erfordert zwar etwas größere Geschosshöhen, aber es können darin ungefähr genauso viele Menschen leben, wie auf derselben Grundfläche Menschen in einem Parkhaus ihren Pkw parken können. Und alle diese Menschen haben dann einen Schnellbahnanschluss in fußläufiger Umgebung, sodass ein großer Teil von ihnen für seine Wege gar keinen Pkw braucht.


Danke für die spannenden Ausführungen! Beides, induzierter und verlagerter Kfz-Mehrverkehr, klingt plausibel.

Die Schlussfolgerungen zur Umnutzung von Wohnbebauung wären hingegen häufig, sagen wir, eigenwillig. Für den P+R-Parkplatz am Heidelberger Platz habe ich grad folgendes schöne Foto auf parkme gefunden: [d13esfgglb25od.cloudfront.net]
Beste Wohnlage, verkehrsgünstig gelegen. Wer möchte in einen Neubau dort nicht sofort einziehen!?
def
Re: Parkraumbewirtschaftung
03.04.2023 23:41
Zitat
Stichbahn
Beste Wohnlage, verkehrsgünstig gelegen. Wer möchte in einen Neubau dort nicht sofort einziehen!?

Naja, einer Stadt, in der es seit 140 Jahren eine Viaduktstrecke quer durchs Zentrum gibt, könnten wir schon drauf kommen, dass man auch solche Flächen sinnvoller nutzen kann. :)

Und sei es für Kleingewerbe, Handwerksbetriebe etc., die auch ihre Berechtigung und Notwendigkeit haben, aber in einer wachsenden Stadt immer weniger Platz finden.
Hallo Stichbahn!

Zitat
Stichbahn
Die Schlussfolgerungen zur Umnutzung von Wohnbebauung wären hingegen häufig, sagen wir, eigenwillig. Für den P+R-Parkplatz am Heidelberger Platz habe ich grad folgendes schöne Foto auf parkme gefunden: [d13esfgglb25od.cloudfront.net]
Beste Wohnlage, verkehrsgünstig gelegen. Wer möchte in einen Neubau dort nicht sofort einziehen!?

Diesen Teil Deiner Antwort verstehe ich nicht. Insbesondere nicht, was er mit mit meinem Beitrag zu tun hat.

Klar, irgendwo kann man immer noch ein paar Stellplätze für Pkw herausholen, auf Flächen, die sich nicht anderweitig nutzen lassen.

Aber hier ist doch schon die ganze Autobahn der eigentliche Fehler. Wäre die riesige Fläche der Autobahn stattdessen mit Wohnhäusern bebaut, könnten zusätzlich zehntausende bis hunderttausende Menschen innenstadtnah und im unmittelbaren Einzugsbereich von Schnellbahnen wohnen und dann gäbe es das MIV-Verkehrsbedürfnis so erst gar nicht.

Viele Grüße
Manuel



1 mal bearbeitet. Zuletzt am 04.04.2023 01:05 von manuelberlin.
Okay, danke für Eure Antworten.

Einige waren wirklich hilfreich für meinen Fall (habe den Link mit den P+R Stellplätzen am Pariser Platz in Ringbahnnähe weitergeleitet).

Und auf der anderen Seite anscheinend für den ein oder anderen alten Forumhasen eine Häresie, wenn man mal den "devil's advocat" spielt und die aktuelle Situation für jemanden aus Frohnau, Müggelheim, Schmöckwitz, Kladow, Wannsee, Mahlsdorf, Kaulsdorf, Lübars (etc etc.) durchspielt.

Wie gesagt, ich hab in der Frage per se keine Aktien drin, da ich nicht in "Suburbia" lebe, werde aber erstmal wieder zum Zaungast, da ich hier nichts unterwandern will. ;) .

Von mir aus kann der Thread dann gelöscht werden.

Grüße und noch 'ne schöne Woche.



1 mal bearbeitet. Zuletzt am 04.04.2023 09:18 von Andreas Rauch.
Zitat
Andreas Rauch
Einige waren wirklich hilfreich für meinen Fall (habe den Link mit den P+R Stellplätzen am Pariser Platz in Ringbahnnähe weitergeleitet).

Und auf der anderen Seite anscheinend für den ein oder anderen alten Forumhasen eine Häresie, wenn man mal den "devil's advocat" spielt und die aktuelle Situation für jemanden aus Frohnau, Müggelheim, Schmöckwitz, Kladow, Wannsee, Mahlsdorf, Kaulsdorf, Lübars (etc etc.) durchspielt.

Verstehe ich nicht. Verschiedene Diskutanten haben eben diese Situation durchgespielt. Dass sie nicht die Antwort darauf fanden, die du vielleicht gern gehabt hättest, liegt nicht daran, dass sie deine (ja durchaus sachliche) Frage für "Häresie" hielten.

Zitat

Von mir aus kann der Thread dann gelöscht werden.

Threads werden hier nicht gelöscht (es sei denn, bei persönlichen Angriffen etc.). Aber das war hier ja nicht.

Grüße zurück,



1 mal bearbeitet. Zuletzt am 04.04.2023 10:35 von Global Fisch.
Sorry, in diesem Forum dürfen nur registrierte Benutzer schreiben.

Hier klicken, um sich einzuloggen