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Kein Standard - In echt wär uns lieber
geschrieben von BahnInfo-Redaktion 
Gemeinsam haben Stadler Deutschland und die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) gestern die in Berlin ausgerichtete InnoTrans als weltgrößte Messe für Verkehrstechnik genutzt, um dem Fachpublikum den händeringend benötigten Nachwuchs der U-Bahnflotte vorzustellen.

Bereits im Januar hatte die BVG die neue Kleinprofilbaureihe JK der Öffentlichkeit in einer aufwendig inszenierten Show am Olympiastadion präsentiert (Bahninfo berichtete). Mit der Auslieferung der dringend benötigten Serienfahrzeuge wurde seinerzeit laut BVG-Betriebsvorstand Dr. Rolf Erfurt und dem Stadler-Chef Jure Mikolcic für diesen Sommer gerechnet. Geworden ist daraus bislang nichts - weder im Klein- noch im Großprofil, wo der so genannte J genauso auf sich warten lässt.

Dementsprechend deutlich war die Kritik, die Erfurt in seiner Rede gestern zwischen den Zeilen durchblicken ließ: „Ist natürlich eine Riesen-Herausforderung und Anforderung unsererseits auch an den Fahrzeughersteller, diese Fahrzeuge dann auch in guter Qualität zu liefern.“ Genau daran soll es indes kranken. Immer wieder ist in Insiderkreisen von Problemen bei der Fertigung die Rede. Dr. Rolf Erfurt widerspricht dem nicht. Ihm zufolge sei allen voran die Softwareseite ein großer Knackpunkt, bei der nachgearbeitet werden muss. Des Weiteren seien die Anforderungen für eine Zulassung heute andere als noch vor 20 oder 30 Jahren, sodass die Dokumentation extrem umfangreich geworden sei. Darüber hinaus habe es eine Reihe von Änderungswünschen vonseiten der BVG gegeben. Eines jedoch ist für den Manager klar: „Was wir auf keinen Fall wollen, ist, dass uns so etwas passiert wie damals beim Talent 2, da haben wir ganz hohe Qualitätsanforderungen.“ Die Zulassung des Eisenbahn-Triebzuges aus dem Hause Bombardier hatte sich wegen zahlreicher Mängel lange Zeit verzögert und im Jahre 2011 sogar den damaligen Bundesverkehrsminister Ramsauer auf den Plan gerufen.

Ein Debakel schließt Stadler-Vorstand Jure Mikolcic freilich aus. Er spricht vielmehr von einer Strategie, die sein Unternehmen habe und bei der Qualität an oberster Stelle stehe. Er verweist auf die S-Bahn Berlin, wo es gelungen sei, 106 Fahrzeuge der Baureihen 483 sowie 484 lautlos in den Betrieb einzuflotten. Maßgeblich verantwortlich für diesen Erfolg war nach Worten von Mikolcic die ausgiebige Testphase, während der man beim Kunden vor Ort jene wichtigen Erkenntnisse gesammelt habe, die in das Endprodukt eingeflossen seien. Exemplarisch nennt Mikolcic die Großprofil-U-Bahn der Type J: „Der J war gerade erst in der Klimakammer, das hätte man auch nicht machen müssen. Man hätte genauso sagen können, J und JK sind ja so ähnlich.“

Und trotzdem habe man ihn in die Klimakammer geschickt, weil man ein einwandfreies Resultat haben wolle. „Auch wenn uns das, zwar nicht auf der Gesamtschiene, zwei bis drei Monate und Geld gekostet hat“, sagt der Vorstand des in Pankow beheimateten Bahnfabrikanten.

Dr. Rolf Erfurt hofft derweil, dass noch dieses Jahr die ersten Fahrzeuge in den Fahrgasteinsatz gehen können. In Anbetracht der schwelenden U-Bahnkrise, die aktuell zu angepassten Fahrplänen in Form ausgedünnter Takte führt, ein nachvollziehbarer Wunsch. Auch für die Fahrgäste, von denen mittlerweile wieder mehr als vor Corona mit der U-Bahn unterwegs sind. Etwas über eine halbe Milliarde Fahrgastfahrten pro Jahr seien es, sagt Erfurt. Und er rechnet mit weiteren Fahrgastzahlzuwächsen, wenn die dringend ersehnten Züge erstmal da sind: „Mit den neuen Fahrzeugen werden wir sicherlich noch eine Schippe drauflegen.“

Denn für Erfurt ist die neue Bahn Standard, gleich in mehrfacher Hinsicht. „Ist innovativ, ist Standard und standardisiert, und ich würde sagen, det is Berlin“, sagt Erfurt und bezieht sich damit auch auf den modularen Aufbau. Die universellen Komponenten sind nämlich zwischen den Baureihen J und JK beliebig austauschbar, was ein enormer Vorteil bei der Instandhaltung ist.

Der Stadler-Geschäftsführer Mikolcic hält mit einem Augenzwinkern dagegen: „Wenn es eines nicht ist, ist es Standard!“ Etwas, das Jens Wieseke, Pressesprecher vom Fahrgastverband IGEB, ganz anders sieht. Er würde sich wünschen, dass die Fahrzeuge längst Standard bei der U-Bahn wären und sagt: „In echt wäre uns lieber!“ Lieber als ein Exponat der Messe und lieber als im Modell, hochgehalten von den Protagonisten von Stadler und BVG.

Foto oben: Jure Mikolcic (links), Geschäftsführer von Stadler Deutschland, und BVG-Betriebsvorstand Dr. Rolf Erfurt (rechts) stellten gestern auf der InnoTrans gemeinsam die neue U-Bahn für das Kleinprofil vor.



Ausgestellt und gestern vorgestellt auf der InnoTrans: der Zweiteiler des JK. Foto: Christian Linow



Beim Blick in den Fahrgastraum des JK fallen die weitläufigen nichtverglasten Seiten glücklicherweise nicht stark auf. Foto: Christian Linow 



Der Führerstand des JK hat nicht bloß zahlreiche Bedienelemente und Displays, sondern ist darüber hinaus im Gegensatz zum Fahrgastraum auch klimatisiert. Foto: Christian Linow



Artikel geschrieben von Christian Linow



1 mal bearbeitet. Zuletzt am 27.09.2024 08:55 von BahnInfo-Redaktion.
Vielen Dank für die Zusammenfassung!

Zitat
Rolf Erkurt
Mit den neuen Fahrzeugen werden wir sicherlich noch eine Schippe drauflegen.

Und wer fährt diese Züge dann?

Diese Art von Problem(nicht)bewältigung ist irgendwie recht typisch für die Spitzen von Politik und Wirtschaft, seit Jahren schon. Man schaut möglichst lange weg, entweder weil man gerade größere Probleme hat oder weil man gerade keine Lust hat oder weil es GRÜNE IDEOLOGIE!!1! ist, und wenn es dann eskaliert, muss man schnell irgendwas zusammenzimmern und findet dann bestenfalls eine halbgare Lösung. Und weil man dann die ganze Energie darauf konzentriert, wird das nächste Problem übersehen. Parallel verspricht man aber, dass bald alles besser wird, was beim Auftreten des nächsten Problems zwangsläufig zu Enttäuschung führt.

Ist es eigentlich wirklich so schwer, mal weiter als von 12 bis Mittag zu denken?
Was ist jetzt eigentlich Dein Problem? 9:00 Uhr und Deine Tagesration an Nölen, Meckern und Heulen? Hier geht es ausschließlich um Fahrzeuge und nicht um Personalpolitik und sonstiger Themen. Das nächste mal kritisierst Du, dass man den Welthunger nicht erwähnt hat?



1 mal bearbeitet. Zuletzt am 27.09.2024 09:47 von GraphXBerlin.
Einfach weil suggeriert wird, dass die Ausfälle mit Auslieferung der neuen Wagen zurückgehen werden. Das ist aber nur im begrenzten Maße der Fall.



1 mal bearbeitet. Zuletzt am 27.09.2024 13:07 von PassusDuriusculus.
Schaut schön ungemütlich aus im Fahrgastraum, wenn das der neue Standard sein soll, ich weiß nicht...
Zitat
S-Bahn1980
Schaut schön ungemütlich aus im Fahrgastraum, wenn das der neue Standard sein soll, ich weiß nicht...

Aber das ist doch schon lange Standard. Jede neue Fahrzeuggeneration wird immer ein Stück weit ungemütlicher - Fahrgäste, die noch mit den AII-Zügen unterwegs waren, können das wohl am besten nachvollziehen. Ach, wie war es da gemütlich, haben wir uns wohlgefühlt. Das Gleiche läßt sich ja auch seit Jahren im Fernverkehr beobachten.


Das Gegenteil von pünktlich ist kariert.
Zitat
Alter Köpenicker
Zitat
S-Bahn1980
Schaut schön ungemütlich aus im Fahrgastraum, wenn das der neue Standard sein soll, ich weiß nicht...

Aber das ist doch schon lange Standard. Jede neue Fahrzeuggeneration wird immer ein Stück weit ungemütlicher - Fahrgäste, die noch mit den AII-Zügen unterwegs waren, können das wohl am besten nachvollziehen. Ach, wie war es da gemütlich, haben wir uns wohlgefühlt. Das Gleiche läßt sich ja auch seit Jahren im Fernverkehr beobachten.

Wir hätten nie von den Holzbänken abkommen sollen.
Der Urbanliner macht einen wesentlich freundlicheren Eindruck innen mit den grauen Wänden und zumindest Holzsitzschalen.

Ich finde auch die grauen Wände im F90/F92 netter als das sterile weiß im J/JK bzw IK.
Zitat
Leyla
Der Urbanliner macht einen wesentlich freundlicheren Eindruck innen mit den grauen Wänden und zumindest Holzsitzschalen.

Ich finde auch die grauen Wände im F90/F92 netter als das sterile weiß im J/JK bzw IK.

Aber die Beleuchtung ist überall gleich ätzend.


Das Gegenteil von pünktlich ist kariert.
Zitat
Global Fisch
Wir hätten nie von den Holzbänken abkommen sollen.

In Basel hat man sich besonnen und die neueste Straßenbahngeneration mit Holzsitzen ausgestattet. Aber die Beleuchtung ist überall gleich ätzend.
Wobei die AII-Züge Polstersitze hatten.


Das Gegenteil von pünktlich ist kariert.
Kann ich nicht nachvollziehen, ich finde das Grau in den U-Bahn-Wagen scheußlich und den Rest ziemlich altbacken. Das Empfinde ich auch im alten Fernverkehr. Fühle mich in sowas nicht wohl, allenfalls Nostalgische Gefühle werden geweckt.
Zitat
BahnInfo-Redaktion
Exemplarisch nennt Mikolcic die Großprofil-U-Bahn der Type J: „Der J war gerade erst in der Klimakammer, das hätte man auch nicht machen müssen. Man hätte genauso sagen können, J und JK sind ja so ähnlich.“

Und trotzdem habe man ihn in die Klimakammer geschickt, weil man ein einwandfreies Resultat haben wolle. „Auch wenn uns das, zwar nicht auf der Gesamtschiene, zwei bis drei Monate und Geld gekostet hat“, sagt der Vorstand des in Pankow beheimateten Bahnfabrikanten.

Hat dieser Stadler-Manager das wirklich so gesagt?
Aus den BVG-Bestellungen vom Juni 2020 aufgrund der öffentlichen Ausschreibung von 2016 geht allerdings hervor, dass sowohl für den JK-Zug als auch für den J-Zug jeweils gesonderte Tests im Klima-Wind-Kanal beauftragt sind, jeweils für über 1 Million Euro, die der Auftraggeber bezahlt.
Dr. Erfurt (als studierter Kaufmann) ist seit Oktober 2019 BVG-Betriebsvorstand und hätte Bestellungen in dieser Höhe (Einmalkosten für Konstruktion, Entwicklung, Dokumentation, Musterbau, Projektmanagement, Erlangung der Betriebsgenehmigung, Schulungen zusammen in Höhe eines mittleren zweistelligen Millionenbetrags) unterschreiben müssen.

so long

Mario
Zitat
der weiße bim
Hat dieser Stadler-Manager das wirklich so gesagt?
Aus den BVG-Bestellungen vom Juni 2020 aufgrund der öffentlichen Ausschreibung von 2016 geht allerdings hervor, dass sowohl für den JK-Zug als auch für den J-Zug jeweils gesonderte Tests im Klima-Wind-Kanal beauftragt sind, jeweils für über 1 Million Euro, die der Auftraggeber bezahlt.
Dr. Erfurt (als studierter Kaufmann) ist seit Oktober 2019 BVG-Betriebsvorstand und hätte Bestellungen in dieser Höhe (Einmalkosten für Konstruktion, Entwicklung, Dokumentation, Musterbau, Projektmanagement, Erlangung der Betriebsgenehmigung, Schulungen zusammen in Höhe eines mittleren zweistelligen Millionenbetrags) unterschreiben müssen.

Ich würde es nicht so verstehen, dass Stadler sich allein gegen diese Tests hätte entscheiden können, aber dass theoretisch natürlich BVG und Stadler gemeinsam die Möglichkeit gehabt hätten, auf die Tests zu verzichten, weil sie gemeinsan die zeitnahe Lieferung wichtiger eingeschätzt hätten als die Test. Der Verweis auf eher geringe Unterschiede zwischen beiden Bahnen hätte z.B. ein Argument dafür sein können.
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