"Bahn bringt 200 Jobs in Gefahr"
DB Regio: Belegschaft sauer. Staatskonzern bewirbt sich nicht um Regionalstrecken von Hamburg nach Tostedt und Lüneburg. DB: "Keine Chance bei Ausschreibung."
Von Beate Kranz
Hamburg -
Die Beschäftigten bei der Deutschen Bahn im Norden (DB Regio) sind sauer auf ihren Arbeitgeber. "Die Deutsche Bahn bringt durch ihr Vorgehen, sich nicht auf alle neuen Ausschreibungen von Regionalstrecken zu bewerben, unnötig Jobs in Gefahr", kritisiert Norbert Quitter, Bezirksvorsitzender Nord der Gewerkschaft der Lokomotivführer (GDL). Anlass für den Vorwurf ist die jüngste Ausschreibung der Strecken Hamburg-Lüneburg und Hamburg-Tostedt durch das Land Niedersachsen für Dezember 2007 bis Dezember 2010.
Die Ausschreibungsfrist läuft nach Angaben der Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen (LNVG) am nächsten Montag ab. Doch die Deutsche Bahn, die die Strecken noch bis Ende 2007 bedient, hat sich nicht für den weiteren Betrieb der Verbindung beworben - und will dies nach eigenen Angaben auch nicht mehr tun. Bereits bei der Strecke Hamburg-Cuxhaven, über deren Vergabe in Kürze entschieden wird, hatte die Bahn kein Angebot abgegeben.
"Die Ausschreibungsbedingungen geben uns keine Chance, die Strecken zu gewinnen", begründet Bahnsprecher Ole Constantinescu. "Der Wettbewerb wird durch die Vorgaben des Landes Niedersachsens auf ein reines Lohnkostenduell verkürzt." So müsse der Betreiber unter anderem die Züge der LNVG einsetzen - statt eigene - und diese in vorgeschriebenen Werken warten lassen. "Dies schränkt unsere unternehmerischen Freiheiten zu sehr ein. Zudem liegen die Löhne erfahrener DB-Mitarbeiter aufgrund höherer Zuschläge über denen der Konkurrenz."
Diese Begründungen sind für den Betriebsratsvorsitzenden der DB Regio Nord, Erik Rust, "nicht nachvollziehbar". Derzeit arbeiten 200 Bahnmitarbeiter auf den Strecken, nach Angaben der Bahn sind es 140. "Wenn die DB den Zuschlag erhielte, könnten immerhin 100 Arbeitsplätze des Zugpersonals bei der Bahn gerettet werden", meint Rust.
Das Verhalten der Bahn widerspreche zudem dem Ziel des Beschäftigungssicherungsvertrags, in dem für 130 000 Bahnbeschäftigte betriebsbedingte Kündigungen bis 2010 ausgeschlossen sind - und für dessen Fortführung bei einem Börsengang der Bahn derzeit bundesweit mit Warnstreiks gekämpft wird. Diesen Vertrag hätten die Mitarbeiter mit einer Arbeitszeitverlängerung auf 40 Wochenstunden ohne Lohnausgleich und dem Verzicht auf einen Urlaubstag bezahlt, so Rust: "Mit diesem Lohnmodell sind wir auch mit den Privatbahnen konkurrenzfähig. Unsere Mehrkosten liegen im Promillebereich."
Die Bahn müsste alles unternehmen, um viele Jobs im Konzern zu halten. "Zwar verlieren die Mitarbeiter bis 2010 nicht ihren Job, aber sie müssen eventuell umziehen oder geringer bezahlte Tätigkeiten im Konzern annehmen", so der Betriebsrat.
Allein im Norden sank durch die Streckenvergabe an Privatfirmen - wie Connex, die NWB oder den Metronom - die Zahl der DB-Regio-Beschäftigten seit 1998 um 800 auf 2300, so Rust. Allerdings kritisiert der Betriebsrat auch die Anforderungen der LNVG. "Das Profil ist stark auf den Metronom zugeschnitten, an dem Niedersachsen über die Osthannoversche Eisenbahn (OHE) beteiligt ist. Das stinkt." Die LNVG weist den Vorwurf der Bevorzugung zurück: "Um in den Schienen-Regionalverkehr mehr Wettbewerb zu bringen, wurden 1998 mehrere Züge gekauft, um auch kleineren Anbietern eine Chance zu geben", erklärt die LNVG-Sprecherin Kerstin Heinemann den Kauf. Das Konzept ging aus LNVG-Sicht auf. In Niedersachsen konkurrieren heute mehrere Privatanbieter mit der Deutschen Bahn.
Wer sich um die Strecken beworben habe, darf die LNVG nicht verraten. Bekannt ist, dass der Metronom dazu zählt. Die LNVG versichert, dass die Entscheidung "objektiv" fällt: "Das wirtschaftlichste Angebot erhält den Zuschlag."
erschienen am 6. Oktober 2006 Hamburger Abendblatt
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